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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2574

 

Das Lied der Vatrox

 

Die Frühzeit einer kosmischen Macht – eine Wissenschaftlerin erinnert sich

 

Susan Schwartz

 

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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Eigentlich herrscht seit über hundert Jahren Frieden.

Doch seit die Terraner auf die sogenannten Polyport-Höfe gestoßen sind, Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit, tobt der Konflikt mit der Frequenz-Monarchie: Sie beansprucht die Macht über jeden Polyport-Hof und greift mit Raumschiffen aus Formenergie oder über die Transportkamine der Polyport-Höfe an.

Die Terraner und ihre Verbündeten wehren sich erbittert – der Kampf findet in der Milchstraße und in Andromeda statt.

Man entdeckt die Achillesferse der Vatrox, der Herren der Frequenz-Monarchie: Sie verfügen mittels ihrer Hibernationswelten über die Möglichkeit der »Wiedergeburt«. Als die Terraner ihnen diese Welten nehmen und die freien Bewusstseine dieses Volkes einfangen, beenden sie die Herrschaft der Frequenz-Monarchie. Allerdings sind damit nicht alle Gefahren beseitigt: Noch immer gibt es Vatrox und mindestens zwei rivalisierende Geisteswesen, die mit dieser fremden Zivilisation zusammenhängen.

Perry Rhodan begibt sich in der fernen Galaxis Anthuresta auf die Suche nach Verbündeten im Kampf gegen die Frequenz-Monarchie. Die Tryonische Allianz könnte ein solcher Verbündeter werden – der Stardust-Menschheit gelang es bereits, das Vertrauen deren talentiertester Wissenschaftlerin Sichu Dorksteiger zu gewinnen. Im Rahmen einer ersten gemeinsamen Mission hört sie nun DAS LIED DER VATROX …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Lucba Ovichat – Eine Historikerin verrennt sich in ein Projekt.

Olea Merivu – Die Organisatorin muss ein sehr seltenes Fest betreuen.

Zeira Conobim – Eine erfahrene Kreisleiterin.

Cagra Honovoch – Eine Kommandantin bekommt es mit einer Havarie zu tun.

Caha Honnofoch – Sie dient im Orden der Frauen.

Tiva Itemba – Eine junge Frau bricht die Gesetze.

1.

Fünf Tage vor L.O.T.

 

So hört denn meine Geschichte, die so lange währt wie die Geschichte unseres Volkes seit dem Zeitpunkt, als die Wende kam, als das Volk den Scheideweg erreichte und den Pfad zur Vollkommenheit beschritt. Wir bezeichnen es heute als das Zeitalter der Ersten Hyperdepression, und zehntausend Jahre nach seinem Beginn kam der Moment, der als neuer Anfang initialisiert wurde. Hört, was ich euch zu sagen habe, damit ihr verstehen lernt, wie alles begann und was daraus wurde. Alle Fragen will ich euch beantworten. Hört zu in Ehrfurcht und lernt, was ich euch zu sagen habe.

Es wird euch nicht gefallen.

 

*

 

»Wer kann mir etwas über unser System erzählen?«, fragte Lucba Ovichats Holo-Simulation in die Runde. Dreizehn Kinder waren dem Verbund angeschlossen. Der materielle Körper jedes Kindes befand sich dabei in seinem Zuhause, während das exakte Abbild seiner Gestalt, gesteuert von seinem Bewusstsein, in einem holografischen Raum zusammen mit den Mitschülern der Indoktrinatorin lauschte.

Sie standen oder saßen, wie es ihnen beliebte, und hatten lediglich das simulierte Eingabefeld vor sich. Der Raum selbst hatte keine Einrichtung, keine Bezugspunkte, abgesehen von den umherwabernden Farbstimulationen, die sich positiv auf Kreativität und Aufnahmefähigkeit auswirken sollten.

Acht Kinder waren männlichen, fünf weiblichen Geschlechts, zu unterscheiden waren sie in diesem Alter nur durch die Farbe der Kleidung: Die Mädchen waren von Bunt umhüllt, die Knaben trugen ein blasses Grün.

Sie waren alle klein und dünn, kaum mehr als ein junger Halm, das Pigasoshaar gerade so lang wie ein mittleres Fingerglied. Ein überflüssiges Relikt. Die Zeit, als die Vorfahren damit noch etwas fühlen konnten, war schon sehr lange vergangen. Niemand konnte mehr sagen, ob es ein Verlust war.

»Nun?«, hakte die Indoktrinatorin nach. »Habt ihr vergessen, was ich euch erst gestern lehrte?«

Die Stimmausgabe modulierte so originalgetreu wie möglich. »Ich weiß es«, erklang eine piepsige Stimme, und ein Mädchen bearbeitete eifrig die Eingabe, während sein virtueller Mund sich bewegte. »Das Zentrum des Vat-Systems wird beherrscht von Vatar, die uns das Leben schenkt.«

»Unsere Augen sind ihr Auge!«, warf ein Junge lebhaft ein. »Wir sind Kinder der Sonne!«

»Und der Nacht«, fügte ein anderer Junge hinzu. »Denn so finster ist unsere Haut.«

»Und das macht uns zu den Herrschern über Tag und Nacht und alles andere«, ergänzte der dritte Knabe, und alle acht beglückwünschten einander gegenseitig dazu.

»Das ist wahr«, sagte Lucba zufrieden, denn die Kleinen hatten ihr tatsächlich einmal zugehört. So jung waren sie noch begeisterungsfähig. Die Älteren interessierten sich kaum für die Vergangenheit; und doch, davon war die ausgebildete Historikerin überzeugt, lag genau darin der Schlüssel zur Zukunft.

Usgan Faahr hatte zu dieser Meinung spöttisch bemerkt, dass sie das nur als Ausrede benutzte, um sich für ihren wenig angesehenen Beruf nicht schämen zu müssen. »Du hättest so viele Möglichkeiten gehabt, wieso tust du dir das an?«

»Weil es keine Ausrede ist«, hatte sie erwidert und hartnäckig an ihrem großen Plan festgehalten.

Das kleine Mädchen fuhr fort: »Unser System weist insgesamt neun Planeten auf: Jas, Nag, Vat, Her, Tak, Wiv, Fog, Pem und Lax.«

»Das sagen die Frauen, die allen Dingen immer so viele Namen geben müssen«, spottete ein Junge. »Vatar I bis Vatar IX ist ja wohl völlig ausreichend als Bezeichnung.«

»Dann reicht für euch Männer auch eine einzige Bezeichnung«, warf ein Mädchen angriffslustig ein. »Wozu braucht ihr zwei Namen? Einer genügt vollkommen!«

Sofort erhielt es Unterstützung: »Das ist doch immer noch zu frauenbezogen. Mann 0 bis 0000000000 wäre die zutreffendste Definition!«

Die Mädchen lachten, die Jungen waren wütend, und Lucba sah sich genötigt einzugreifen, bevor es zum Eklat kam. Diese Kinder waren sich der gesellschaftlichen Situation bereits voll bewusst. Von Geburt an wurden sie in alles involviert und waren gesegnet mit einer schnellen Auffassungsgabe. Der Geist entwickelte sich viel schneller als der kindliche Körper.

»Ruhe!«, befahl Lucba streng. »Wir sprechen von unserem System, nicht von unserem Volk.«

»Aber das hängt doch zusammen«, protestierte der Spötter von vorhin. »Das System ist nichts ohne uns.«

Und wir nichts ohne das System, dachte die Historikerin. Genau darum geht es ja.

Die Arbeit mit den Kindern hatte sie seinerzeit auf die Idee gebracht: Es ging um den entscheidenden Unterschied zwischen Mann und Frau, weil Frauen Dinge hörten, die Männern für immer verborgen blieben. In all den Jahrtausenden, seit es begonnen hatte, hatten die männlichen Vatrox nie eine ähnliche Fähigkeit entwickelt, nicht einmal in Ansätzen.

Männer und Frauen. Als würden sie heutzutage verschiedenen Spezies angehören, obwohl sie sich äußerlich kaum voneinander unterschieden. Es gab nur sehr wenige Berührungspunkte zwischen ihnen, und nur zu seltenen Gelegenheiten kamen sie zusammen.

Aber warum war das so? Was genau hatte sich gewandelt? Wie konnte so etwas geschehen?

Es musste mit den Verhältnissen dieses Systems zusammenhängen. Lucba hatte sich auf die Suche nach den Hintergründen gemacht und war immer tiefer in die Vergangenheit hinabgetaucht, trotz der Bedenken anderer.

»Dreh dich nicht um«, hatte ihre Mutter sie einst gewarnt. »Du könntest Dinge entdecken, die du nicht sehen willst.«

Doch Lucba hatte sich nicht beirren lassen. Jahrelang hatte sie an einem technischen Modell gearbeitet, das ihre Vermutungen und Schlüsse »greifbar« machen sollte.

Das hatte sie niemandem erklären können; solange es nicht funktionierte, durfte sie nicht das Risiko eingehen, sich der Lächerlichkeit preiszugeben. Es war einfacher, das milde Belächeln wegen ihres Hangs zur Vergangenheit hinzunehmen, selbst wenn sich diese Nachsicht mit der Zeit in Mitleid wandelte.

»Du bist besessen davon!«, warf Usgan Faahr ihr vor.

»Das ist keine Besessenheit, sondern Forscherdrang. Ich sehe mich als Wissenschaftlerin, die in die Geheimnisse des Universums vorstoßen will.«

»Ach, weniger reicht dir wohl nicht?«

»Usgan, du bist ein Mann, du verstehst nichts von diesen Dingen. Mit unserem Volk geschieht Großes. Wir sind Auserwählte. Aber das können wir nur begreifen lernen, indem wir die Vergangenheit ergründen.«

»Seltsam nur, dass die Frauen dich ebenfalls nicht zu verstehen scheinen«, sagte er bissig. »Fast jede lacht dich aus.«

»Schämst du dich meiner?«, fragte sie angriffslustig.

»Natürlich nicht. Du weißt, ich unterstütze dich in allem. Aber kritische Anmerkungen werden wohl erlaubt sein!«

»Die werden überholt sein, sobald ich meinen Vortrag gehalten habe.« Lucbas Züge glätteten sich. »Nur ein letzter Testlauf, dann bin ich bereit. Es wird funktionieren!«

»Ich wünsche es dir«, sagte Usgan. »Mehr als alles andere.«

 

*

 

Der Unterricht war beendet, und Lucba machte sich auf den Weg, sie hatte es eilig. Sie verließ den fensterlosen Schulungsraum, in dem sich nur ein Schwebesessel, eine Steuerkonsole und die Simulationshaube befanden, und ging über den Gang in den Wohnraum.

Sie musste die Augen kurz schließen, als blendendes Licht sie traf: Vat tauchte das große Zimmer in orangerotes Nachmittagslicht und ließ die weißen Möbel darin schimmern. Die gesamte Außenwand war als Panoramascheibe gestaltet, die vollständig geöffnet werden konnte.

Lucba betätigte einen Schalter, und die riesige Vestiglasscheibe schob sich leise summend zur Seite. Die Historikerin trat auf die ausgedehnte Hochterrasse hinaus und ließ den Blick über Destita schweifen, das sich von Horizont zu Horizont ausbreitete. Hohe runde Türme mit Auslegern, üppigen Dekorationen und Ringen, die nachts farbenprächtig erleuchtet wurden. Im Zentrum ragte unübersehbar die riesige Diamantkuppel der Besinnung empor, der zentrale Versammlungsort der Frauen. In dieser Kuppel wurde Geschichte geschrieben, fanden die Kreise statt, entschied sich die Zukunft der Vatrox.

Es war ein Privileg, dort zu leben, erst recht in dieser Höhe, beinahe so hoch wie das Kuppeldach.

Lucba Ovichat verdankte dies ihrer Abstammung, selbst wenn sie die hohen Erwartungen aufgrund ihrer Entscheidung für die Erforschung der Vergangenheit nicht erfüllt haben mochte. So etwas änderte nichts an ihrem grundsätzlichen Status. Ihr wurden ohne Rückfragen sämtliche technischen Geräte zur Verfügung gestellt, die sie anforderte. Viele Jahre lang hatte sie an der Konstruktion gearbeitet, die Geräte entwickelt und die Programme geschrieben, und das alles ganz allein. Nun sollte sich zeigen, ob sie tatsächlich »falsch gepolt« war oder ein Genie.

»Ein Genie bist du, daran zweifle ich niemals«, hatte Usgan Faahr zu ihr gesagt, nachdem sie ihm verkündet hatte, dass ihr Projekt fertiggestellt sei, und damit alle vorherigen Spötteleien und Einwände beiseitegewischt.

Zärtlichkeit erfüllte sie, als sie an diesen Moment zurückdachte und an den Stolz in seiner Stimme. Wie immer es enden mochte, Usgan hielt unbeirrbar zu ihr, soviel er auch über ihre wahnwitzigen Ideen stritt. Er glaubte an sie.

»Ich frage mich nur, was die anderen sich davon versprechen, dass sie dir all die Jahre über die Mittel zur Verfügung gestellt haben, ohne nach Ergebnissen zu fragen.«

Sie lachte. »Ich denke, sie waren neugierig, was dabei herauskommen würde. Zumindest hat das noch keine Frau vor mir getan.«

»Und kein Mann.«

»Nein, das wäre abgesehen von der technischen Seite nicht möglich gewesen. Ihr Männer seid taub, Usgan. Und ich werde jetzt die Lösung präsentieren, wieso wir Frauen es nicht sind.«

 

*

 

Lucba wandte sich nach rechts an den Rand, stieg fünf gewendelte Stufen hinab und betrat die Plattform, auf der ihr Gleiter wartete. Zu Fuß würde sie über eine Stunde zur Besinnung benötigen, aber die Zeit drängte. Abgesehen davon, dass Lucba diesen Komfort sehr schätzte.

Sie zwängte sich in die enge Kabine, aktivierte den Autopiloten und nannte ihr Ziel. Kurz darauf hob der Gleiter nahezu geräuschlos ab, fädelte sich in einen Leitstrahl ein und flog in einem Bogen zu dem Kuppelbau. Von dort aus verliefen die Hauptstraßen sternförmig bis in die Außenbereiche, sich vielfach verzweigend. Die Leute dort unten waren auf automatischen Wegen oder zu Fuß unterwegs, dazwischen sausten schnelle, einrädrige Rikks, die bis zu zwei Personen befördern konnten. Größere Gefährte gab es nicht in Destita.

Zeit und Leben verliefen anders in der Hauptstadt von Vamunam, dem Kontinent der Frauen, als auf den beiden Männerkontinenten Daagan und Cuurson. Dort herrschten Industrie und Maschinenbau vor, wurden immer neue, immer schnellere Geräte konstruiert und ausprobiert. Kaum ein Mann, der nicht mehrere Flug- oder Fahrgeräte besaß. Schrottplätze und Wiederaufbereitungsanlagen beanspruchten weite Landstriche, abgelöst von riesigen Energieerzeugern und Raumschiffswerften. Das Land dort war öd und verwüstet.

Natürlich lebten auch Frauen auf Daagan und Cuurson, ebenso wie Männer auf Vamunam. Doch das waren eher Ausnahmen. Meistens nach der Geburt des Kindes endete das partnerschaftliche Zusammenleben; mit Funk, Simulation oder Gleitern waren die Wege kurz, und die Kinder lebten abwechselnd bei den Eltern. Bald wandten sich die Mädchen ohnehin den Müttern zu und die Jungen den Vätern.

Die Geschlechtertrennung war kein Gesetz, aber gesellschaftlich erwünscht. Nicht umsonst hatten sich die drei Kontinente derart aufgeteilt. Es hatte schon immer bedeutend mehr Männer als Frauen gegeben, und sie brauchten auch mehr Platz. Bedingt durch die unterschiedliche Entwicklung der mentalen Fähigkeiten, war es die beste Lösung für eine friedliche Entwicklung, ohne dass jemand benachteiligt wurde. Abgesehen von der Regierung und den Positionen in den ausführenden Organen, die nur von Frauen besetzt wurden, waren die Männer gleichberechtigt. Sie konnten ungestört ihren Forschungen nachgehen, ebenso wie die Frauen, ohne sich im Weg zu sein.

»Ihr habt es sogar besser«, hatte Lucba zu Usgan Faahr gesagt. »Abgesehen von den Dingen, die ihr in die Luft jagt, tragt ihr keine Verantwortung.«

»Wer sagt, dass wir das so wollen?«, hatte er spöttisch erwidert. »Wir werden schließlich gar nicht gefragt.«

»Funktioniert die Gesellschaft, oder nicht?«

»Schon, aber …«

»Leben wir im Wohlstand?«

»Darum geht es n…«

»Bist du unzufrieden?«

»Nur, wenn du so unerträglich bist wie jetzt.«

Die Stimme des Autopiloten drang in Lucbas Gedanken. »Achtung, ich setze zur Landung an.«

Lucba schaute nach draußen; der Gleiter überflog nun den riesigen Platz vor dem Haupteingang, der meist verlassen dalag, auf dem an diesem Tag jedoch lebhaftes Treiben herrschte.

Und Frauen, nur Frauen. In diesen Tagen mussten die Männer, selbst diejenigen, die auf Vamunam lebten, den Kontinent der Frauen verlassen. Ein großes Ereignis stand bevor, an dem sie nicht teilhaben konnten und im Gegenteil sogar ein störender Faktor waren.

»Eines Tages verkleide ich mich als Frau und bleibe einfach da«, hatte Usgan knurrend verkündet, als Lucba ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, dass es an der Zeit war zu verschwinden.

»In neunzig Jahren«, hatte Lucba lachend erwidert. »Hab dich nicht so! Ich weiß doch ganz genau, wie ihr Männer diese Tage für euch genießt, wenn alles stillgelegt ist und die Arbeit vollständig ruht. Der ganze Planet feiert, gib's zu! Darüber solltest du dich ärgern, dass es nur alle neunzig Jahre dazu Gelegenheit gibt!«

Sanft setzte der Gleiter in einer Landebucht bei einem der Nebeneingänge auf, und Lucba stieg aus. Sie spürte, wie sich die Gesichtshaut stark spannte, und die Haut ihrer tief liegenden Ohrmuscheln schwoll an.

Sie hatte schon mehrere Testläufe gestartet, doch jetzt kam es darauf an. Dies war die Generalprobe vor der Premiere. Ging etwas schief, war es eine Katastrophe, und Lucba war erledigt. Dann würde sie unter Garantie alle Privilegien verlieren. Denn sie hatte sonst nichts, kein weiteres Talent. Wahrscheinlich musste sie sogar auf einen Männerkontinent umziehen … falls sie überhaupt noch einen Sinn im Leben sah.

Nein, Versagen kam nicht infrage, nicht zu diesem Großereignis. Es wäre die größte denkbare Schande. Nicht einmal Usgan Faahrs Zuneigung könnte dann noch etwas retten, auch ihn hätte sie verloren …

Nichts mehr bliebe ihr, gar nichts …

 

*

 

Lucba benutzte eine bestimmte Atemtechnik, um sich einigermaßen zu entspannen und ihre Nervosität nicht zu offensichtlich werden zu lassen. Vatrox schätzten starke emotionale Ausdrucksweisen nicht, sie zogen es vor, stets beherrscht und nach dem Verstand zu agieren.

Sie passierte die Eingangskontrolle und verharrte für einen Moment in der kühlen dämmrigen Stille. Selbst in diesem Gang war die Erhabenheit des Gebäudes deutlich spürbar. Alle mentalen Energien, die jemals freigesetzt worden waren, schienen an diesem Ort eingefangen worden zu sein und die Atmosphäre aufzuladen. Die Luft knisterte und verströmte einen Geruch besonderer Reinheit.

Auch das war wichtig: der richtige Ort für dieses Experiment. Der Versuchsaufbau konnte nicht überall erfolgen. Viele Misserfolge der vergangenen Jahre hatten Lucba zu diesem Ergebnis gebracht, gerade als sie sich ihr Scheitern eingestehen wollte.