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© Verlag Friedrich Oetinger GmbH, Hamburg 2008

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Cover und Illustrationen von Katrin Engelking

Reproduktion: Domino GmbH, Lübeck

E-Book-Umsetzung: pagina GmbH, Tübingen 2012

ISBN 978-3-86274-067-3

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Das sind wir alle im Möwenweg

Ich heiße Tara und bin neun Jahre alt. Das finde ich ein gutes Alter. Man ist nicht mehr so klein wie die Kindergartenbabys (wie Maus, zum Beispiel. Das ist mein kleiner Bruder), aber zum Glück auch noch lange nicht erwachsen. Da könnte man ja nicht viel Gutes mehr machen.

Ich wohne im Möwenweg in Nummer 5e, das ist das vorletzte Haus in unserer Reihenhausreihe. Der Möwenweg ist eine Baustraße und alle Häuser sind noch ganz neu und bei Regen ist überall Matsch. »Hoffentlich ist das bald mal endlich vorbei!«, sagt Mama und seufzt ein bisschen, wenn Maus sich wieder von oben bis unten eingesaut hat. Aber ich finde es gut so, wie es ist. Tieneke findet das auch, das ist ja kein Wunder. Tieneke ist schließlich meine beste Freundin.

Unser Haus ist bestimmt das schönste im Möwenweg. Obwohl die Endhäuser (das sind Nummer 5a und Nummer 5f, ich zeichne das hier jetzt mal) natürlich teurer sind, so was weiß ja jeder.

Darum gehört das eine Endhaus (Nummer 5a) auch Vincent und Laurin mit ihrer Mutter, die sind fast reich, weil ihr Vater ein echtes Cabrio fährt. (Der wohnt aber nicht bei uns im Möwenweg, sondern drei Stunden mit dem Auto weg. Die Eltern von Vincent und Laurin sind nämlich geschieden.) Vincent ist schon zehn und Laurin ist acht, da passen sie ganz gut zu Petja. Der ist mein großer Bruder und sogar schon elf, aber in der Grundschule war er trotzdem mit Vincent in einer Klasse. Weil Vincent nämlich ganz fürchterlich schlau ist, aber Laurin ist mehr so normal.

Das andere Endhaus (das ist ja logisch 5f) gehört Oma und Opa Kleefeld, die sind schon sehr alt. Aber sie sind trotzdem immer noch nett. Das ist doch ein Glück, weil sie ja unsere direkten Nachbarn sind, sagt Mama. Nicht jedes kinderlose ältere Ehepaar freut sich unbedingt, wenn es eine Familie mit drei Kindern als Nachbarn hat. Darum ist es schon ein Segen, dass Kleefelds so lieb zu uns sind, fast wie eine echte Oma und ein echter Opa.

Das können sie aber auch sein, finde ich. Petja und ich und Maus sind nämlich meistens drei ziemlich nette Kinder. (Petja nicht immer. Und Maus ist ja noch so klein, nämlich erst fünf, da macht er manchmal aus Versehen Unsinn. Aber richtig schlimm ist es eigentlich nie bei uns.)

Unsere anderen Nachbarn (in Nummer 5d) haben leider auch keine Kinder. Das sind Herr und Frau Voisin. Die waren zu Anfang nicht so besonders nett, aber vor Weihnachten sind sie mit uns allen aus dem Möwenweg beim Tannenbaumholen gewesen und zu meinem Geburtstag (der ist im November) haben sie mir sogar eine Tafel Schokolade an die Tür gehängt (leider Kaffee-Sahne, die mag ich nicht so gerne). Aber sie wollen immer noch nicht, dass wir Kinder hinten durch ihren Garten laufen, wenn wir uns besuchen, was wir leider aus Versehen manchmal ausnahmsweise müssen. Voisins wohnen ja so in der Mitte zwischen uns Kindern eingequetscht.

Früher hatten Voisins auch immer Angst, dass wir beim Spielen mal über die Grenze auf ihr vornehmes Grundstück mit dem Rollrasen und den goldenen Kugeln auf dem Zaun treten. Aber das lässt sich bei so einem kleinen Reihenhausgarten schließlich nicht immer vermeiden, wenn da acht Kinder spielen, sagt Petja.

Wir sind nämlich acht Kinder im Möwenweg und das ist doch wirklich ein Glück. Das größte Glück ist, dass eins von den Kindern ausgerechnet Tieneke ist, die ist meine allerallerbeste Freundin, weil sie nämlich haargenau so alt ist wie ich (auch neun) und mit dem gleichen Buchstaben anfängt wie ich (nämlich mit T) und in dieselbe Klasse geht (nämlich in die dritte bei Frau Streng). Da müssen wir ja wohl allerbeste Freundinnen sein! Leider wohnt Tieneke in Nummer 5c, das ist vielleicht nicht ganz so gut. Weil da Herr und Frau Voisin genau zwischen uns sind und eigentlich wäre es doch gerecht, wenn zwei beste Freundinnen Tür an Tür wohnen würden, sagt Tieneke. Aber leider wohnen nun Fritzi und Jul Tür an Tür mit Tieneke, die sind zum Glück wenigstens fast meine besten Freundinnen und Tienekes auch. Obwohl Jul schon elf ist genau wie Petja (darum war sie in der Grundschule auch mit Vincent und ihm in einer Klasse) und Fritzi ist erst acht. Da passt sie ja besser zu Laurin als zu Tieneke und mir. (Sie sagt aber, dass das überhaupt nicht stimmt. Weil Laurin ein Junge ist.) Fritzi heißt übrigens eigentlich Friederike und Jul heißt Julia. Weil sie Mädchen sind.

Auf der anderen Seite von Fritzi und Jul wohnen Vincent und Laurin, das hatte ich ja schon erzählt. Da hat Petja wenigstens auch zwei Jungs, mit denen er spielen kann. Sonst wäre es doch vielleicht ein bisschen ungerecht.

Habe ich es gut erklärt? In der dritten Klasse schreiben wir ja schon seit tausend Jahren Aufsätze und Geschichten, das kann ich gut. Aber wenn man Reihenhausreihen und Kinder erklären will, ist es schwieriger, finde ich. Das kann man besser auf Fotos zeigen, ich tu das jetzt mal.

Die meisten hat Tieneke mit ihrer Digitalkamera gemacht.

Die Erwachsenen hat sie nicht fotografiert, die sind ja auch nicht so wichtig. Aber ihre beiden Kaninchen hat sie dafür tausendmal. Sie heißen Wuschelchen und Puschelchen und sollten früher mal Zwergkaninchenbabys sein. Sie sind dann aber Belgische Riesen geworden, das kann man ja sehen. Das durften sie auch gerne. Sie sind schließlich die einzigen Haustiere im Möwenweg, da ist genug Platz.

So ist es bei uns im Möwenweg. Habe ich es schon gesagt? Bei uns ist es am schönsten auf der ganzen Welt. Meistens. Das findet Tieneke auch. Und überhaupt alle. Jedenfalls die mit Verstand in der Birne, sagt Petja.

Wir gucken unsere Geschenke an und erklären Fritzi, wie Liebhaben geht

Weihnachten ist hundertprozentig die allerbeste Zeit im Jahr, das ist ja wohl überall auf der ganzen Welt so. (Außer da, wo sie kein Weihnachten feiern. Die haben dafür dann hoffentlich was anderes Gutes.) Aber am allerschönsten ist Weihnachten bestimmt bei uns und darum fand ich es auch so schade, als der Heiligabend vorbei war. Es war ja unser erstes Weihnachtsfest im Möwenweg gewesen und ich hatte natürlich schon vorher gewusst, dass es schön werden würde (weil bei uns immer alles schön ist), aber dass wir so viel Spaß haben würden, konnte doch kein Mensch ahnen. Darum war ich ein kleines bisschen traurig, als ich am 24. ins Bett gegangen bin und gewusst habe, nun dauert es wieder ein ganzes Jahr, bis das nächste Mal Weihnachten ist.

Und dann war der erste Weihnachtsfeiertag zum Glück doch noch mal richtig vergnüglich. Am Morgen bin ich ganz fürchterlich früh aufgewacht, als es draußen noch dunkel war; aber der Schnee hat so geglitzert und geleuchtet, als ob die Wichtel dahinter ein Licht angezündet hätten. (Ich weiß, dass es in echt keine Wichtel gibt. Aber ich finde es so gemütlich, sie mir vorzustellen.) Zuerst hab ich versucht, noch mal einzuschlafen, weil es doch erst sieben Uhr war. (Ich hab eine Armbanduhr mit einem pinken Band mit winzigen Feen und Feenstaub in Glitzer drauf. Da konnte ich es ja sehen.) Aber dann hab ich gemerkt, dass ich so wach war, wie ich das sonst leider nie bin, wenn Mama mich weckt, weil ich in die Schule muss; und ich habe gedacht, dass das auch in Ordnung ist. Wenn man so früh wach wird, hat man ja mehr vom Tag, und wenn es der erste Weihnachtstag ist, ist das doch eigentlich ein Glück.

Ich bin also auf Zehenspitzen die Treppe runter ins Wohnzimmer geschlichen. Die anderen haben alle noch geschlafen, und als ich an der Schlafzimmertür vorbeigegangen bin, hat Papa sogar noch geschnarcht! Er hat so komisch »Ch-pü-pü-pü!« gemacht, dass ich ein bisschen lachen musste. Aber nur leise.

Im Wohnzimmer hatte ich all das schöne Weihnachtliche und den Schnee vor dem Fenster und den Weihnachtsbaum in der Ecke vor dem Bücherregal ganz für mich allein, und da hab ich so ein ruhiges, feierliches Gefühl gekriegt, fast als ob es noch mal Heiligabend war. Nur natürlich Heiligmorgen.

Und es sah auch sehr rummelig aus. Aber weihnachtsrummelig, so muss es nach Heiligabend ja aussehen, finde ich. Der ganze Fußboden lag noch voller Geschenke und Weihnachtspapier und auf dem Tisch standen sogar noch lauter schmutzige Gläser. So ist es bei uns sonst eigentlich nicht so oft und daran konnte man doch merken, dass es ein ganz besonderer Morgen war.

Als Erstes habe ich den Stecker für die Lichter am Tannenbaum in die Steckdose gesteckt. Wir haben nämlich elektrische Kerzen, weil es früher, als Maus noch klein war, gar nicht anders gegangen wäre, hat Papa gesagt. Maus war so ein wilder kleiner Bengel, da wäre mit echten Kerzen vielleicht mal was passiert.

Jetzt könnten wir wieder echte Kerzen haben. Tieneke hat welche und Fritzi und Jul auch. Aber ich finde es ganz schön, dass Mama und Papa das vergessen haben. Ich bin so an unsere unechten Kerzen gewöhnt.

Ich habe im CD-Player ganz, ganz leise die Weihnachtslieder-CD angemacht, die da noch drin lag, und dann hab ich mir noch mal gemütlich alle meine Geschenke angeguckt. Ich hatte ja eine grüne Lavalampe gekriegt, wie ich sie mir schon immer gewünscht habe. Da steigen langsam Blasen hoch, wenn man sie anknipst, und das sieht so zauberisch und ungewöhnlich aus. Da war es noch ein kleines bisschen weihnachtlicher im Wohnzimmer.

Und ein Perlen-Bastelset habe ich auch gekriegt und zwei CDs und sogar drei Bücher. (Auch noch Unterhosen und Unterhemden. Aber so was sind keine richtigen Geschenke, finde ich, weil man die ja sowieso braucht. Die sollte es eigentlich ruhig mitten im Leben geben, ohne Grund.) Da wusste ich nicht, ob ich zuerst mit den Perlen basteln sollte oder meine neuen Bücher lesen. Aber dann hab ich gedacht, dass das Basteln mit Tieneke zusammen bestimmt mehr Spaß macht als alleine, darum ist Lesen besser.

Ich hab mir also das Buch aus meiner Lieblingsreihe genommen, auf das ich sowieso schon ganz neugierig war, und hab mich mitten im Weihnachtschaos ganz gemütlich auf unser Sofa gelegt. Die Weihnachtslieder-CD hat immer noch leise gespielt und ich hab mich mit der dunkelblauen Flauschwolldecke zugedeckt, die Mama und Papa von Oma Friedrichstadt zu Weihnachten gekriegt haben. Es war doch komisch, dass ich sie jetzt als Erste benutzt habe und dabei war sie noch nicht mal mein Geschenk. Aber ich wusste ja, dass ich das durfte. Was Mama und Papa gehört, gehört uns Kindern fast alles auch, so ist das ja in einer Familie. Die Decke war auch wirklich sehr kuschelig.

Ich hab also mein Buch aufgeschlagen und angefangen zu lesen und es war sehr spannend und auch lustig. Aber kann man sich das vorstellen? Plötzlich hat Mama mir auf die Schulter getippt. »Langschläfer, aufgewacht!«, hat sie gesungen. »Draußen die Sonne lacht!« Obwohl das ja kein Weihnachtslied ist. »Da ist eine Dame, die möchte dich sprechen, Fräulein Schlafmütze!«

Da war ich doch tatsächlich mitten beim Lesen noch mal eingeschlafen und hatte es gar nicht gemerkt! Die dunkelblaue Flauschdecke war einfach zu kuschelig, da kann so was schon mal passieren.

Die Dame, die mich sprechen wollte, war natürlich Tieneke. Sie hatte geklingelt, um sich meine Weihnachtsgeschenke anzugucken.

»Tieneke war ganz erschrocken, als sie dich in deinem Zimmer nicht gefunden hat!«, hat Mama gesagt. »Sie hat schon gedacht, vielleicht hat dich der Weihnachtsmann gestern Abend auf seinem Schlitten mit in seine Wichtelwerkstatt genommen! Weil du doch so gerne basteln magst, da konnte er dich da vielleicht gut gebrauchen!«

Das hatte Tieneke aber gar nicht geglaubt. Mama hat es nur so gesagt, weil sie es lustig fand. Mütter finden ja manchmal komische Sachen lustig.

»Weißt du, wie spät es schon ist?«, hat Tieneke gefragt. Sie hatte ihre Winterstiefel im Windfang ausgezogen. »Zehn Uhr dreiundzwanzig! Aber wirklich!«

Dabei war ich ja wohl schon viel früher wach gewesen als sie! Schon um sieben Uhr. Aber das konnte Tieneke natürlich nicht wissen. Sie hat es auch nur gesagt, weil sie zu Weihnachten eine neue Uhr gekriegt hatte. Auch mit einem Feen-Armband wie meine. Die hatte sie sich gewünscht. Ich hab es nicht zu ihr gesagt, aber ein bisschen hab ich es nachgemacht gefunden.

Weil Tieneke nun schon mal da war, haben wir uns meine Weihnachtsgeschenke angeguckt. Meinen Schlafanzug habe ich anbehalten. Ich finde, Weihnachten ist es nicht peinlich, wenn man morgens noch ganz lange im Schlafanzug durch die Gegend flitzt. Es muss so sein.

Meine Lavalampe fand Tieneke so schön, dass sie fast ein bisschen neidisch ausgesehen hat. Sie hat gesagt, so eine wollte sie auch schon immer haben, sie hat es nur nicht gewusst. Sonst hätte sie sich die auch gewünscht.

Das fand ich gut. Ich mag es immer gerne, wenn Leute meine Sachen schön finden.

Tieneke wollte auch mit meinem Perlen-Set mit mir basteln, aber die Bücher fand sie nicht so interessant. Lesen findet Tieneke immer ziemlich anstrengend. Dafür wollte sie aber die CDs mal ausleihen. Ihr Vater kopiert ihr die dann auf ihren MP3-Player, hat sie gesagt. Da wusste ich ja schon ihr Weihnachtsgeschenk! Einen MP3-Player hatte Tieneke vor Weihnachten nämlich noch nicht gehabt.

»Aber dann musst du jetzt auch mit zu mir kommen!«, hat Tieneke gesagt. »Meine Geschenke angucken!«

Und also war klar, dass sie nicht nur den MP3-Player gekriegt hatte. Der wäre ja keine Geschenke gewesen, sondern nur ein Geschenk. (Das ist Grammatik und heißt Plural. Wir machen es im Deutschunterricht.) Tieneke kriegt immer mehr Geschenke als ich, das finde ich manchmal nicht so gerecht. Aber Mama sagt, Tieneke ist ja auch ein Einzelkind, da kann es eben schon mal mehr geben.

Ich wollte also grade in mein Zimmer hochflitzen und mich anziehen (Zähne putzen vielleicht vorher auch noch), als es schon wieder an der Haustür geklingelt hat. Und natürlich waren es Fritzi und Jul in ihren nagelneuen Winterjacken und sogar mit neuen Stiefeln, die wollten auch mal gucken, was ich zu Weihnachten gekriegt hatte. Da musste ich mit dem Anziehen noch ein bisschen warten und den beiden auch noch meine Geschenke zeigen. Ich hab mich gefreut, dass Jul meine Lampe auch voll krass fand. Wenn ältere Kinder Sachen gut finden, weiß man ja, dass die Sachen kein Kinderkram sind. Ich hätte die Lampe aber auch immer noch gut gefunden, wenn Jul sie nicht gemocht hätte.

Dann bin ich endlich nach oben gezischt und hab mich angezogen.

Tieneke hatte natürlich wirklich wieder mal ziemlich viele Geschenke gekriegt: die Armbanduhr und den MP3-Player und einen hübschen Trolleykoffer in Pink zum Nachziehen und ein Buch zum Reinschreiben mit einem gestreiften Stoffeinband und einem Teddykopf aus Plüsch drauf und eine Kette aus echtem Gold mit einer echten Perle (die fand ich aber ziemlich langweilig) und dann auch noch ein neues Kickboard. Ich finde, so viel muss es zu Weihnachten gar nicht geben. Dann weiß man ja gar nicht, worüber man sich zuerst freuen soll. Und meine Lavalampe fand ich außerdem sowieso schöner als Tienekes Kette (das hab ich ihr aber nicht gesagt) und einen Trolleykoffer brauche ich auch nicht, weil wir in unserer Familie ja nicht verreisen. Dafür haben wir gar nicht das Geld, da hat unser Haus viel zu viel gekostet.

»Dir hat der Weihnachtsmann aber viel gebracht, Tieneke!«, hat Fritzi gesagt. »Du bist doch gar nicht immer lieb gewesen, hat der das nicht gemerkt? Das schreiben die Wichtelspione doch in sein Himmelsbuch! Und dann gibt es keine Geschenke!« Sie hat ganz böse ausgesehen. »Wieso hast du trotzdem so viel, Tieneke, sag mal?«

Da haben Tieneke und Jul und ich uns so angeguckt und uns an die Stirn getippt. »Jetzt gehen wir zu uns«, hat Jul gesagt.

Fritzi und Jul hatten auch gerade richtig viel gekriegt, genau wie ich. Sie sind ja auch kein Einzelkind. Fritzi hatte eine F-Flöte gekriegt und Jul hatte eine Klarinette, weil sie in ihrer neuen Schule doch in der Musikklasse ist, und bisher hatte sie da ein Leihinstrument. Das braucht sie jetzt zum Glück nicht mehr, hat Jul gesagt. Das war sowieso nur aus Plastik. Und geklebt war das auch schon mal.

Dann hatten Fritzi und Jul beide noch zwei Bücher gekriegt und natürlich auch Unterwäsche und Socken, die kriegt zu Weihnachten ja wohl jeder, und dann auch noch ein Brettspiel, das war ab acht und sie hatten es am Heiligabend schon mit der ganzen Familie gespielt. Man konnte ziemlich viel lachen dabei, hat Jul gesagt. Da haben wir beschlossen, dass wir Mädchen es nachher auch noch mal alle zusammen spielen wollten.

Jul hatte auch noch eine Hose von einer teuren Marke, die sah aber ganz normal aus. Wenn man elf ist, findet man so was ja gut. Und Fritzi hatte eine ganz knuffelige Puppe gekriegt, obwohl man dafür mit acht ja schon fast zu alt ist. Aber nur fast, hat Fritzi gesagt.

Sie hat aber trotzdem ganz unglücklich ausgesehen.

»Findest du sie nicht gut?«, hab ich gefragt. Ich hab gedacht, dass ich mir die Puppe dann ja vielleicht mal ausleihen könnte. (Fürs Puppenausleihen ist man mit neun noch nicht zu alt.) Sie hatte einen ganz weichen Bauch und schlenkerige Arme und Beine und ein Gesicht wie ein echtes Baby, das schläft. Da wollte ich sie so gerne mal auf den Arm nehmen.

Fritzi hat den Kopf geschüttelt. Dann hat sie genickt und dann hat sie wieder den Kopf geschüttelt.

»Ja, was denn nun?«, hat Jul gesagt.

Da hat Fritzi geflüstert, dass die neue Puppe so schrecklich, furchtbar niedlich ist und dass sie Angst hat, dass sie sie darum vielleicht lieber mag als Poffelpuppe. Poffelpuppe ist nämlich Fritzis alte Puppe, die hat sie schon immer und ewig und darum sieht sie auch nicht mehr so ganz schön aus. Sogar ziemlich abgegrabbelt und schmuddelig geliebt.

Ich konnte Fritzi gut verstehen, weil hinter einem Sofakissen nämlich gerade ein schmutziges Bein von Poffelpuppe rausgeguckt hat, und ich hab gedacht, wenn man die beiden Puppen jetzt nebeneinander aufs Sofa legen würde, hätte Poffelpuppe keine Chance. Da hab ich die niedliche neue Puppe plötzlich auch überhaupt nicht mehr gemocht.

Aber Jul hat sich nur so ganz cool an die Stirn getippt. »Logisch kannst du die beide lieb haben!«, hat sie gesagt. »Man kann doch auch mehrere Kinder lieb haben, du Baby! Mama und Papa haben uns ja wohl auch beide lieb!«

»Und meine Eltern schaffen sogar drei Kinder!«, hab ich schnell gesagt. »Da kannst du doch wohl zwei Puppen!«

Nur Tieneke hat nichts gesagt. Sie ist ja auch ein Einzelkind, da kennt sie sich mit solchen Sachen vielleicht nicht so aus.

Und Fritzi hat die Nase aufgezogen und gesagt, ja, aber wir sind ja auch alle nicht so hässlich.

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