Haupttitel

Gottfried Hierzenberger

Der Buddhismus

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ISBN: 978-3-8438-0246-8
 
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Inhalt

Über den Autor

Zum Buch

Grundwissen Buddhismus

Siddhārta Gautama – genannt der Buddha

Spirituelle Kindheitsgeschichte

Der Auszug

Die Erweckung

Auf dem Lehrweg

Die Entwicklung der Gemeinschaft

Der Dharma – die Lehre des Buddha

Die vier Edlen Wahrheiten

Die fünf Skandha (= Daseinsgruppen)

Die zwölf Entstehungen in gegenseitiger Abhängigkeit

Der Weg zum Nirvāna

Leben im Sangha – die buddhistische Gemeinschaft

Die Grundstruktur der buddhistischen Gemeinschaft

Das Regelbuch

Das Mönchsleben

Veränderungen des Sangha

Entwicklung und Entfaltung des Buddhismus

Der älteste Buddhismus

Die buddhistischen Konzile

Der erste buddhistische Kaiser

Kleines Fahrzeug – Theravāda-Buddhismus (Hīnayāna, Shrāvakayāna)

Großes Fahrzeug – Mahāyāna-Buddhismus (Bodhisattvayāna)

Bodhisattvas

Diamantenfahrzeug – Vajrayāna-Buddhismus (Mantrayāna)

Weltreligion Buddhismus

Die buddhistische Weltmission des Ashoka

Buddhismus in Indien

Buddhismus auf Sri Lanka (Ceylon)

Der Buddhismus in Zentralasien

Der Buddhismus in Nepal

Der Buddhismus in Hinterindien und Indonesien

Birma

Thailand

Kambodscha

Laos

Indonesien

Buddhismus in Korea

Der chinesische Buddhismus

Der japanische Buddhismus

Der tibetische Buddhismus

Die Buddhisierung Tibets

Das Tibetanische Totenbuch (Der Bardo Thödol)

Die geschichtliche Entwicklung

Die Zeit der Dalai-Lamas

Der westliche Buddhismus

Verwendete Literatur

Kontakt zum Verlag

Grundwissen Buddhismus

Der Glaube der Inder nimmt in der Gesamtheit der Weltreligionen eine besonders wichtige Stelle ein, denn Hinduismus und Buddhismus gehören zu den größten und bedeutendsten Religionsgemeinschaften. Zu ihnen bekennen sich seit viertausend bzw. zweieinhalbtausend Jahren viele hundert Millionen Menschen; wobei der mehr als tausend Jahre ältere Hinduismus in vielfacher Hinsicht als Ausgangspunkt und Hintergrund des Buddhismus zu verstehen ist, da der Buddha sein irdisches Leben als gläubiger Hindu begann.

Wie im Band »Hinduismus« nachzulesen ist, befand sich der Hinduismus im 6. Jh. v. Chr. gerade in einem fließenden Übergang vom sogenannten Brahmanismus zum klassischen Hinduismus, als Siddhārta Gautama aus dem Stamm der Shakya, geboren in Kapilavastu in Nordindien nahe der Grenze zu Nepal, etwa im Jahr 560 – der genaue Zeitpunkt lässt sich nicht mehr eruieren –, sein irdisches Leben begann. Er ist übrigens die erste Persönlichkeit in Indien, von der man relativ genaue Daten kennt, so dass die Jahre 560-480 v. Chr. als seine Lebenszeit anzunehmen sind.

Wie Christentum und Islam aus dem Judentum hervorgegangen und ohne die israelitisch-jüdische Tradition nicht zu verstehen sind, so ist auch der Buddhismus nur auf dem Hintergrund und Fundament der damals in Indien verbreiteten religiösen Denkweisen und Praktiken zu verstehen. Zu nennen sind dabei vor allem die Lehre von der Seelenwanderung und von der Auswirkung böser und guter Taten (Karma) auf die Art der Wiederverkörperung; die verschiedenen Wege zur Erlösung aus dem Kreislauf der Existenzen; spezifische Formen von Askese und Meditation wie der Yoga, sowie die Skepsis gegenüber dem aus der Vorgeschichte überkommenen Götterglauben, gegenüber alten Riten und der strengen Kastenordnung.

Anders als in der mythenreichen hinduistischen Volksreligion steht beim Buddha am Anfang nicht der Mythos, sondern die spirituelle Geschichte eines Menschen, der aus seiner Tradition ausbricht, durch intensive persönliche Glaubenserfahrungen lernt, sich geistig entwickelt und ein Erleuchteter wird, der den Weg aus dem leidvollen Leben in dieser Welt für sich selbst findet – und anderen weist.

Erst seine Lebensgeschichte und die Wirkung seiner Lehren führten dann wieder – vor allem ab dem 1. Jh. n. Chr. im Mahāyāna (= Großes Fahrzeug) – zur Bildung einer Fülle von Mythen, eines riesigen Pantheons von Gottheiten, Geistern und Dämonen, zu verschiedenartigen Transzendenzvorstellungen sowie zur Ausbildung von drei großen, relativ eigenständigen buddhistischen Religionen (Theravāda, Mahāyāna, Vajrayāna). Diese breiteten sich zuerst in ganz Indien und dann auf einer Süd-Route in Sri Lanka, Hinterindien (Birma, Thailand, Kambodscha, Laos, Malaysia) und Indonesien aus – und auf einer Nord-Route in Zentralasien, China, Nordvietnam, Tibet, Nepal, unter den Mongolen, Mandschus und Kalmücken bis zum Ural, und vor allem in Korea, Japan und Taiwan; später dann auch über Hawaii in Nordamerika und ab dem Ende des 19. Jh. in Europa.

So stellt sich der Buddhismus heute als die älteste der drei (zahlenmäßig) größten Weltreligionen Christentum, Islam, Buddhismus dar, ist weltweit verbreitet und wird von Hunderten Millionen Menschen auf der ganzen Welt als ein sicherer Glaubensweg und ein Fahrzeug zur Transzendenz der irdischen Wirklichkeit akzeptiert.

Auf die Frage: »Wer ist ein Buddhist?« kann man mit einem Satz antworten: »Wer seine Zuflucht zu den drei Juwelen nimmt, zum Buddha, zum Dharma (= Lehre Buddhas) und zum Sangha (= Mönchsgemeinschaft). »Der Buddhismus ist die einzige Religion, deren Begründer sich weder als Prophet eines Gottes noch als sein Gesandter bezeichnet und außerdem sogar die Vorstellung eines höchsten göttlichen Wesens zurückweist. Er beansprucht aber, der ›Erweckte‹ (buddha) und deshalb spiritueller Führer und Lehrer zu sein (dharma). Sein Predigen schafft Gemeinschaft (sangha) und hat die Erlösung der Menschen zum Ziel.« (Mircea Eliade)

»Der Buddhismus ist Weltreligion auch in dem Sinn, dass er sich verschiedenen Gesellschaftsordnungen anzupassen vermochte, und so finden wir ihn heute in einer modernen Industriegesellschaft wie in Japan ebenso wie in den bäuerlichen Gesellschaften Südostasiens … und er ist auch in der westlichen Welt zu einer praktizierten Religion geworden.« (Heinz Bechert)

Der Buddhismus unterscheidet sich aber von den beiden anderen großen Weltreligionen vor allem dadurch, dass er sich nicht ausdrücklich und primär mit Gott und der Schöpfung beschäftigt – obwohl auch diese Perspektiven nicht fehlen und im Mahāyāna und Vajrayāna zu zentralen Themen werden –, sondern mit dem Menschen und darüber hinaus mit allen leidenden Wesen.

So geht es ihm vorwiegend um Ethik, um Meditation und Verinnerlichung – und um Einsicht: »Die Welt mit all ihren Himmeln und Höllen ist ein Ort des Leidens und der Vergänglichkeit. Auf diesem Schauplatz des Leidens werden alle Wesen unaufhörlich in einem endlosen Kreislauf wiedergeboren. Die Erlösung besteht darin, aus diesem ›Tretrad‹ herauszukommen.

Wie ist das zu bewerkstelligen? Was an diesen Daseinskreislauf fesselt, ist die Begierde, sie beruht auf falschen Ansichten über die menschliche Beschaffenheit. Um die Begierde zu vernichten und die Erlösung aus dem Kreislauf zu erreichen, muss der Mensch seinen Geist läutern … Dieser Weg zur Erlösung steht allen Menschen offen … und ihre Realisierung ist weder vom Glauben noch von göttlicher Gnade abhängig, sondern allein vom Verständnis der Dinge, wie sie wirklich sind« (Richard Gombrich)

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Über den Autor

Über den Autor

Dr. Gottfried Hierzenberger wurde 1937 in Wien geboren. Ausbildung zum Volksschullehrer und Studium der Theologie; Religionslehrer in Wiener Neustadt und München; Verlagslektor im Herder-Verlag; Pressereferent im Staatsdienst; Autor zahlreicher religiös-theologischer Bücher; seit 1990 freiberuflich als Lektor im Tyrolia-Verlag tätig. Zahlreiche Publikationen.

Zum Buch

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Der Buddhismus ist eine der beiden großen Weltreligionen, die in Indien entstanden sind und von dort den Weg in die ganze Welt gefunden haben. Sein Gründer ist Siddharta Gautama, der im 6. Jh.v. Chr. geboren wurde, im Hinduismus aufwuchs und zum „Buddha“ (= der Erleuchtete) wurde. Sein Weg zur Befreiung von allem Leid fasziniert die Menschen bis heute. Er lässt sich in die verschiedensten Kulturen und Religionen integrieren, so dass der Buddhismus die wahrscheinlich gestaltenreichste Weltreligion geworden ist.

DER BUDDHISMUS bietet ein Grundwissen u.a. über den Erleuchtungsweg des Buddha, die verschiedenen „Fahrzeuge“ und so verschiedene buddhistische Phänomene wie chinesische Schaolin-Mönche, japanische Tee-Kultur, aber auch herrliche Tempelbauten in Kambodscha und auf Java.

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Der Dharma – die Lehre des Buddha

Die Lehre des Buddha ist kein Denksystem, keine Philosophie, schon gar nicht eine Theologie, sondern sie ist eine Antwort auf die bittere Erkenntnis, dass alle Erscheinungen in unserer Welt vergänglich sind. Diese Antwort hat er nicht theoretisch gesucht und gefunden, sondern in Auseinandersetzung mit den Ursachen des Leidens, mit falschen oder unzulänglichen Antwortversuchen der indischen Glaubenstradition, in der er stand, und mit einer konsequenten, ja geradezu unerbittlichen existenziellen Überprüfung der Antworten seiner Lehrer, seiner Gefährten und seiner Rivalen.

Siddhārta Gautama war ein überragender Mystiker, ein großer Einsamer, der sich in seiner Lernzeit von allen und allem absonderte, was ihn hinderte, die volle Wirklichkeit und reine Wahrheit zu erfassen und von jeder Art von Vorläufigkeit und Scheinwirklichkeit zu unterscheiden. Als er schließlich durch Verinnerlichung, Vergeistigung und Versenkung bis auf den Grund des Seins vordrang, den vollen Durchblick bekommen und seine Wesensvollkommenheit als irdischer Mensch erreicht hatte, erfüllte ihn ein übermenschlich großes Mitleid und eine grenzenlose Liebe und Gelassenheit aller Unvollkommenheit gegenüber. Der Buddha ist diesen seinen Weg aus eigener Kraft gegangen und ist doch kein Selbsterlöser – er hat vielmehr ausgelotet, was im Menschen steckt, und hat den Weg zum transzendenten Heil gewiesen, das er – wie schon die großen Suchenden seines Volkes vor ihm – Nirvāna nannte. Doch er wusste im Gegensatz zu ihnen, wovon er sprach, und hat es deswegen inhaltlich unbestimmt gelassen, weil er wusste, dass es in menschlichen Begriffen ungreifbar ist.

Der katholische Theologe Hans Küng hat sich bei seiner »Spurensuche« auf den Wegen der Weltreligionen auch im Dialog zwischen Christentum und Buddhismus engagiert und zitiert dabei den großen christlichen Mystiker und Gelehrten Romano Guardini, der bereits 1937 in seinem Christusbuch »Der Herr« (S. 381) erkennen ließ, wie klar er die Bedeutung des Buddha für die gesamte Menschheit erkannt hat:

Einen Einzigen gibt es, der den Gedanken eingeben könnte, ihn in die Nähe Jesu zu rücken: Buddha. Dieser Mann bildet ein großes Geheimnis. Er steht in einer erschreckenden, fast übermenschlichen Freiheit; zugleich hat er dabei eine Güte, mächtig wie eine Weltkraft. Vielleicht wird Buddha der letzte sein, mit dem das Christentum sich auseinander zu setzen hat. Was er christlich bedeutet, hat noch keiner gesagt. Vielleicht hat Christus nicht nur einen Vorläufer aus dem Alten Testament gehabt, Johannes, den letzten Propheten, sondern auch einen aus dem Herzen der antiken Kultur, Sokrates; und einen dritten, der das letzte Wort östlich-religiöser Erkenntnis und Überwindung gesprochen hat, Buddha.

Der Buddha erklärte sich niemals bereit, seiner Lehre die Gestalt eines philosophischen Denksystems zu geben, er äußerte sich nicht zu philosophischen Fragestellungen und auch nicht über Inhalte, die kontrovers sind, weil sie die Vorstellungs- und Fassungskraft des irdischen Denkvermögens übersteigen. Auf viele Fragen antwortete er mit Gegenfragen oder – wie schon erwähnt – aus gutem Grund mit Erzählungen, Bildern und Gleichnissen oder auch mit denkunmöglichen Äußerungen, die man als Vorläufer der Koāns des japanischen Zazen-Buddhismus bezeichnen könnte.

Damit – und auch mit seinem Schweigen zu einzelnen Problemen – hat er zwar den einander widersprechenden Interpretationen seiner Schüler oder der verschiedenen Fahrzeuge des Buddhismus keinen Riegel vorgeschoben, ist sich aber stets treu geblieben und hat vage philosophische Spekulationen in keiner Weise gefördert.

Ein gutes Beispiel für die oftmals sokratisch anmutenden Dialoge des Buddha mit seinen Schülern ist der berühmte Dialog mit dem Mönch Mālunkyaputta, der sich darüber beklagt, dass der Buddha ihm auf Entweder-Oder-Fragen die Antwort schuldig bleibe:

Ist das Universum ewig oder nicht? Ist es endlich oder unendlich? Ist die Seele das gleiche wie der Körper oder ist sie von ihm unterschieden? – Der Mönch bittet ihn, präzise Antworten auf diese wesentlichen Unterscheidungsfragen zu geben – die man sich in Indien seit Jahrhunderten stellt – oder zuzugeben, dass er darauf keine Antwort wisse. Der Buddha erzählt ihm darauf die Geschichte von einem Mann, der von einem vergifteten Pfeil getroffen wurde. Ein herbeigeeilter Chirurg will ihn von dem Geschoss befreien, doch der Mann sagt: »Ich werde diesen Pfeil nicht herausziehen lassen, bevor ich weiß, wer mich getroffen hat, ob er ein Krieger oder ein Brahmane war, aus welcher Familie er stammt, ob er klein, groß oder von mittlerer Größe ist, aus welchem Ort er kommt und von welcher Art der Bogen ist, mit dem er mit dem Pfeil auf mich gezielt hat …« Der Mann starb, ohne Antworten auf diese vielen präzisen Fragen bekommen zu haben. Ebenso geht es dem Menschen, der sich weigert, den Weg der Heiligung zu gehen, bevor er dieses oder jenes philosophische Problem gelöst hat. Ich weigere mich, diese Fragen zu diskutieren, weil es nicht nützlich ist, weil es nicht mit dem heiligmäßigen und spirituellen Leben verbunden ist und nicht zum Ekel vor der Welt, zur Loslösung, zum Aufhören der Begierden, zur Ruhe, zum tiefen Eindringen, zur Illumination, zum Nirvāna beiträgt. Erinnere dich doch daran, dass ich dich die vier ›Edlen Wahrheiten‹ gelehrt habe. (Majjhimanikāya)

Die vier Edlen Wahrheiten

Die erste edle Wahrheit betrifft den Dukkha (= Leiden, Schmerz): Alles ist Leiden. Jeder Kontakt mit irgendeinem der fünf Skandha (= Aggregatzustände des Lebens) beinhaltet Dukkha. Und dieser Begriff beinhaltet auch Formen des Glücks, der Meditation usw., weil diese unbeständig sind.

Die zweite edle Wahrheit erkennt den Ursprung des Dukkha im Trsnhā (= Begierde, Durst, Verlangen), der beständig nach neuen Wonnen sucht – sinnliche Freuden, Fortbestehen, Auslöschen usw. –, was zu neuen Inkarnationen führt.

Die dritte edle Wahrheit verkündet, dass die Erlösung vom Dukkha in der Zerstörung des Trsnha besteht, was im Nirvāna Wirklichkeit wird – einer dem Bereich des Leidens und Werdens diametral entgegen gesetzten Ebene des Nicht-Bedingten (asamskrta): »Kein Auge, keine Zunge, kein Gedanke kann den Heiligen im vollkommenen Nirvāna erreichen, er ist außerhalb von Raum und Zeit.« (Samyutta-Nikāya IV, 52/3)

Die vierte edle Wahrheit schließlich offenbart den Weg der acht Glieder oder Edlen achtfachen Pfad zum Erreichen des Nirvāna: (1) rechte Meinung, (2) rechtes Denken, (3) rechtes Wort, (4) rechte Aktivität, (5) rechte Existenzmittel, (6) rechte Anstrengung, (7) rechte Aufmerksamkeit, (8) rechte Konzentration. – Diese acht Schlagworte geben nur die Richtung an, sie muss vom Einzelnen erst konkretisiert werden. »Rechtes Wort« meint z. B. Verzicht auf Lügen, Verleumdung, üble Nachrede, harte Worte, Geschwätz usw.

Die vier Edlen Wahrheiten werden auch Weg der Mitte genannt, da sie analog der indischen Medizin aufgebaut sind: Bestimmung der Krankheit / Entdeckung der Ursache / Entschluss zur Beseitigung der Ursache / Therapie mit geeigneten Medikamenten.

Die fünf Skandha (= Daseinsgruppen)

Der Meditierende entdeckt, dass sowohl die Dinge dieser Welt als auch er selbst keine Substanzialität haben und dass er dies im Grunde bejaht und sich gewöhnlich damit abfindet, weil alles in der Welt Existierende sich in die folgenden fünf Aggregatzustände einteilen lässt:

Die Gesamtheit der Erscheinungen (= des sinnlich Wahrnehmbaren, das sich aus den vier großen Elementen oder aus feinstofflicher Körperlichkeit zusammensetzt). Die Empfindungen (die durch den Kontakt mit den Sinnen entstehen und angenehm, unangenehm oder neutral sein können. Sie entstehen aus dem Kontakt der sechs inneren Organe – Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper, Geist – mit sechs äußeren Objekten: Aussehen, Geräusch, Geruch, Geschmack, Berührung, geistige Objekte).

Die Wahrnehmungen und Begriffe, die aus diesen Empfindungen entstehen.

Die bewussten oder unbewussten Geistesformationen oder psychischen Konstruktionen (samskara) oder Reaktionen des Willens auf die sechs äußeren Objekte.

Die Erkenntnisse bzw. das Bewusstsein (vijnana), welche(s) der »Geist« (manas) daraus gewinnt.

Mit den Begriffen dieser fünf Daseinsgruppen kann das ganze weite Feld der Lebenserfahrungen des Menschen beschrieben werden. Sie sind durchwegs bedingt, weil sie die vier Kennzeichen des Bedingten aufweisen: Entstehen und Vergehen, Bestehen und Wandel. Diese fünf Daseinsgruppen sind aber nicht das Selbst (atman), denn sonst wären sie nicht der Krankheit und Vergänglichkeit unterworfen und könnten nicht willentlich kontrolliert werden.

Die Welt, in der die Wiedergeburt in ihren fünf Formen stattfindet, besteht aus der Sinnenwelt (kāmadāthu) – in der die Höllenwesen, Tiere, Gespenster, Menschen und die niedere Götterwelt wiedergeboren werden –, aus der Feinkörperlichen Welt (rūpadhātu) – bewohnt von den siebzehn Klassen der Brahma-Götter – und aus der Unkörperlichen Welt (arūpyadhātu) – in der sich jene Götter aufhalten, die in reiner Geistigkeit existieren und sich der Seligkeit (samāpatti) erfreuen und über die Unendlichkeiten und den Gipfel des Daseins (bhavāgra) meditieren. Alle diese Formationen sind im Sinn des Buddha vergänglich und leidvoll, bilden kein Selbst und gehören zu keinem Selbst! Damit setzt sich der Buddha in seinem Dharma deutlich vom Brahmanismus/Hinduismus ab.

Die zwölf Entstehungen in gegenseitiger Abhängigkeit

Darin sah der Buddha das Hauptthema seiner Lehre, weil von ihrer klaren Erkenntnis alles abhängt und nur ihre Überwindung zum Nirvāna führt. Der Buddha wusste, dass diese Kette von Ursache und Wirkung für die Menschen schwer zu begreifen ist. Er wusste sich in der Erkenntnis dieser Kausalität eins mit den Buddhas aller Zeitalter und entschloss sich, sein Wissen nicht für sich zu behalten, sondern seine Lehre dosiert darzulegen. Er drängte sie aber niemandem auf und verlangte keinen Glauben, sondern forderte dazu auf, ihren Wahrheitsgehalt selbst zu prüfen und sich davon zu überzeugen, da sie nur dann greifen und zur Befreiung führen kann.

Durch die (1) Unwissenheit (avidyā) bedingt sind (2) die Karmaformationen (samskāra), d. h. die zur Wiedergeburt führenden Willensäußerungen. Durch die Karmaformationen bedingt ist das (3) Bewusstsein (vijnāna); durch das Bewusstsein bedingt sind (4) Name und Form (nāmarūpa), d. h. die geistigen und physischen Phänomene; durch Name und Form bedingt sind (5) die sechs Grundlagen des Bewusstseins (sadāyatana) – nämlich die »inneren Organe« Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper und Geist; durch diese bedingt ist (6) der Kontakt (sparsa) der inneren Organe mit den »äußeren Objekten«: Aussehen, Geräusch, Geruch, Geschmack, Berührung, geistiges Objekt, was zu den »sechs Arten des Bewusstseins« führt: Sehbewusstsein, Hör-, Riech-, Schmeckbewusstsein, Körper- und Geistbewusstsein; durch den Kontakt bedingt ist (7) die Empfindung (vedanā); durch die Empfindung bedingt ist der (8) Durst (trsnā), d. h. die leidenschaftliche Reaktion auf das Empfundene; durch den Durst bedingt ist (9) das Festhalten (upādāna) oder die Bindung an die fünf Daseinsgruppen (s. fünf skandha); durch das Festhalten bedingt ist (10) das Werden (bhava) oder die Tat, die die Wiedergeburt herbeiführt (= sexuelle Vereinigung); durch das Werden ist (11) die Geburt (jāti) bedingt, das Erscheinen der fünf Daseinsgruppen und der inneren Organe usw.; durch die Geburt bedingt sind schließlich (12) Alter und Tod (jarāmarana).

Diese zwölf Glieder beschreiben die bedingte Entstehung der fünf Daseinsgruppen im Laufe von drei aufeinander folgenden Existenzen: Unwissenheit und Karmaformationen gehören zur vergangenen, die acht Glieder von Bewusstsein bis Werden zur gegenwärtigen, Geburt sowie Alter und Tod zur zukünftigen Existenz. Man kann daraus sehen, dass das Rad des Lebens keinen Anfang hat: Leidenschaften und Taten führen zur Geburt, die Geburt führt zu Leidenschaften und Taten und so fort.

Dieses System der Bedingten Entstehung, das die Tatsache des Samsāra, des anfanglosen Kreislaufs der Wiedergeburten, erklärt, lässt sich vereinfacht auf drei Dinge zurückführen: auf die Leidenschaft, die Tat und deren Ergebnis. Die Leidenschaft verdirbt die Tat, und die Tat führt zu einem bestimmten Ergebnis.

Leidenschaft ist im weitesten Sinn als Antrieb zu verstehen, der in allen Bereichen, also auch im Feinstofflichen und Unkörperlichen – als Sehnsucht, unbedingtes Wollen und Illusion – wirksam wird.

Tat wird verstanden als Willensregung, die in körperliche, sprachliche und geistige Handlungen umgesetzt wird. Der Buddha erkannte – anders als die indische Tradition vor ihm den Ort der Tat im Geist; es sind also nur die bewusst gewollten, also streng persönlichen Taten damit gemeint.

Ergebnis wird als Frucht der Tat verstanden, und der Buddha sieht darin immer nur Leiden, weil sich die Leiden in der jeweiligen Daseinsform, in der man wiedergeboren wird, auswirken. So ist jede Tat schädlich – auch wenn sie angenehme Folgen zeitigt –, weil sie den Täter im Samsāra festhält.

Der einzige Ausweg besteht daher im Nicht-Tun und im Bekämpfen und Vernichten der Leidenschaften; nur so kann der Mensch dem Kreislauf entgehen und in die Transzendenz des Nirvāna eingehen.

Der Weg zum Nirvāna

Der Edle achtgliedrige Pfad (= die vierte der Edlen Wahrheiten) lässt sich auch auf drei Grundelemente zurückführen, die unerlässlich sind, um den Geist von Unreinheiten (āsrava) zu befreien und auf das Un-Bedingte, den Eingang in das Nirvāna vorzubereiten: Sie lauten Sittlichkeit, Sammlung und Wissen.

Sittlichkeit (sīla): Sie besteht nach der Lehre des Buddha in bewusster und willentlicher Enthaltung von falschem Verhalten des Körpers (Tötung von Lebewesen, Diebstahl, Unzucht), der Sprache (Lüge, Verleumdung, barsche und unnütze Rede) und des Geistes (Gier, Feindseligkeit, falsches Denken). Das Ziel ist: jede Handlung zu vermeiden, die jemand anderen verletzen könnte. Von den Laien verlangte der Buddha nur die Beachtung der folgenden fünf Sittenregeln (Selbstverpflichtungen = pancasilā): Vermeidung von Tötung, Diebstahl, Lüge, Unkeuschheit und Genuss von Rauschmitteln, weil dieser zur Unbedachtsamkeit und damit zum Bruch der vier Hauptregeln führt. Traditionellerweise verpflichten sich fromme Laien an bestimmten Festtagen noch zu weiteren Enthaltungen: Sexualverkehr, Mahlzeiten nach Mittag, Benutzung von Parfüms und Salben, Tragen von Schmuck, Teilnahme an öffentlichen Belustigungen, Benutzung prachtvoller Betten.

Sammlung (samādhi): Darunter versteht der Buddha die Konzentration des Geistes auf einen Punkt und wird gewöhnlich durch neun aufeinander folgende Stufen der Meditation erlernt; zu Beginn übt der Geist noch seine natürlichen Aktivitäten aus (Wahl eines Gegenstands der Meditation und wohldurchdachte Beurteilung desselben), dann befreit er sich davon und wird zunehmend klarer. Auf der neunten Stufe zerstört er durch Wissen jede Wahrnehmung und Empfindung und erlangt die Erleuchtung (= das Nirvāna in dieser Welt). Die Sammlung kann noch durch den Hellblick (vipasyanā) vervollkommnet werden und aktiviert im Meditierenden sechs höhere Geisteskräfte (abhijnā): magische Kraft, himmlisches Auge, Gedankenlesen, himmlisches Hören, Erinnerung an frühere Existenzen, Zerstörung der Unreinheiten (die sechste ist bereits eine überweltliche Geisteskraft). Der Buddha empfahl darüber hinaus noch, beim Meditieren Gedanken der Güte (maitrī), des Mitleids (karunā), der Mitfreude (muditā) und des Gleichmuts (upeksā) in alle Richtungen auszustrahlen und die ganze Welt in diese grenzenlosen Empfindungen einzuhüllen.

Wissen (prajnā): Das ist auf dem Weg des Buddha das letzte und wichtigste Element, denn durch Sammlung allein kann man nicht die vollkommene Reinheit des Geistes erreichen und in die Ruhe und den Frieden des Nirvāna eingehen. Unter diesem Wissen versteht der Buddha eine klare und präzise Einsicht und Zusammenschau der gesamten Lehre. Wenn nämlich dieses Wissen völlig frei ist von Verblendung und Irrtum, erkennt der Geist die wahre Natur der Dinge – nämlich deren Bedingtheit –, zerreißt dadurch die letzten Verbindungen mit der Welt und wird sich seiner »Befreiung durch Wissen« (prajnāvimukti) bewusst.

Siddhārta Gautama – genannt der Buddha

Die Mehrzahl der Forscher ist sich darüber einig, dass der zukünftige Buddha im April oder Mai des Jahres 558 v. Chr. in Kapilavastu (heute: Terai in Nepal), der Hauptstadt der kleinen Adelsrepublik des Shākya-Stammes im Norden Indiens, auf den Vorhöhen des Himalaja in der Gegend des heutigen Gorakhpur an der Grenze zu Nepal, geboren wurde. Er entstammte der adeligen Familie der Gautama, und sein Vater Shuddhodana gehörte der Krieger(kshatriya)-Kaste an und führte als Radscha (= Provinzregent) die Regierungsgeschäfte des Landes. Seine Mutter war Prinzessin Māyā, die erste Frau des Radscha. Siddhārta wuchs also als Prinz in besten Verhältnissen auf, heiratete mit 16 Jahren und verließ mit 29 – als er mit seiner Frau Yashodhara seinen erstgeborenen Sohn Rahula gezeugt hatte – für seine Umgebung einigermaßen überraschend, aber wohl doch nicht so heimlich, wie die Legende erzählt, sein bisheriges privilegiertes Leben und wurde ein Wanderasket.

Die fromme Nachwelt hat bereits die Geburt Siddhārtas, der später oft Shākyamuni (= der Asket aus dem Geschlecht der Shakya) genannt wurde, nach indischem Brauch mit vielen Mythen ausgeschmückt. In allgemein gehaltenen Biographien würde man danach streben, alles Legendenhafte zu distanzieren und nur das historisch Belegbare gelten zu lassen, um die wahre Persönlichkeit herauszuarbeiten. Unter der Perspektive GRUNDWISSEN BUDDHISMUS ist dies anders zu sehen, denn die legendenhaften Details präsentieren vielfach die entscheidenden Elemente jener spirituellen Persönlichkeit, welche die gläubigen Anhänger Buddhas in jenem Siddhārta Gautama sahen, den seine Schüler Bhagavat (= Gesegneter, Herr) oder Buddha (= der Erweckte, Erleuchtete) nannten. Für einen gläubigen Buddhisten hatte sein Leben von Anfang an die spezifischen Dimensionen eines Erweckten und Führers zur Erweckung. So ist gerade der »sagenhaften Biographie Bedeutung zu schenken, denn sie war der Ausgangspunkt für Schöpfungen sowohl der buddhistischen Theologie und Mythologie als auch der religiösen Literatur und der bildenden Künste«. (Mircea Eliade)

Spirituelle Kindheitsgeschichte

Der Wiederverkörperungslehre folgend, wurden dabei auch frühere Existenzen (Vorexistenzen) des Buddha miteinbezogen, z. B. jene im sogenannten Tushita-Himmel (eine der obersten himmlischen Sphären), als der Bodhisattva (= das zum Erwachen bestimmte Wesen) sich entschloss, als Sohn der tugendhaften Māyā, zur Welt zu kommen. Diese hatte gerade ein Keuschheitsgelübde abgelegt und ihren Gemahl Shuddhodana gebeten, dies zu respektieren. In der folgenden Nacht träumte sie dann, dass ein weißer Elefant in ihre Seite eingegangen sei, und sie verbrachte die folgenden zehn Monate in Meditation und religiösen Übungen und trug ihn unbefleckt aus, weil sich der Bodhisattva in einem Kästchen aus kostbarem Stein und nicht in ihrer Gebärmutter befand. Als dann die Zeit der Geburt ihres Sohnes herankam, der »ohne Zutun ihres Mannes entstanden« war und so ohne Karmabelastung zur Welt kommen konnte, geschah dies in der Heimat Māyās, die gerade bei ihren Eltern im Dorf Lumbini zu Besuch war. Seine Geburt fand im Garten statt, und seine Mutter hielt sich an einem Sal-Baum fest, worauf das Kind aus ihrer rechten Seite austrat und von den Göttern Brahma und Indra begrüßt wurde. Sofort nach seiner Geburt machte der Bodhisattva sechs Schritte in Richtung Norden und rief: »Ich bin der Höchste der Welt, ich bin der Beste der Welt, ich bin der Älteste der Welt; dies ist meine letzte Geburt; niemals mehr wird es für mich eine neue Existenz geben.« (Majjhimanikāja 111,123).

Das Kind erhielt von seinem Vater den Namen Siddhārta (= der sein Ziel erreicht hat). Bei der Untersuchung seines Körpers erkannten die Brahmanen die 32 grundlegenden und die 80 sekundären Zeichen eines »Großen Menschen« (maha-purusha) und erklärten, dass er ein Welteroberer oder ein Welterleuchter werde. Und der alte Himalaja-Meister (rishi) Asita flog vom Dach der Welt nach Kapilavastu, nahm den Neugeborenen in die Arme und fing zu weinen an, als er verstand, dass dieser der Buddha werden und er nicht lange genug leben werde, um ihm folgen zu können.