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Anna Martach

Alpendoktor Daniel Ingold #14: Willkommen in Hindelfingen

Cassiopeiapress Bergroman





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Willkommen in Hindelfingen

Alpendoktor Daniel Ingold – Band 14

von Anna Martach

 

Der Umfang dieses Buchs entspricht 102 Taschenbuchseiten.

 

Und Action! Filmdreharbeiten in der Gegend um Hindelfingen, nahe einer Tierschule. Mit allem, was dazugehört: Eifersüchteleien, Löwen, Tiger und Star-Allüren. Daniel Ingold meistert die neuen Herausforderungen, und auch die sympathische Tierärztin Bernie, schon seit langem „Beinahe-Verlobte“ des Doktors, spielt eine wichtige Rolle. Schließlich kommt es zu einem dramatischen Finale. Siegt am Ende die Liebe?

 

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

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1

„Ich muss Ihnen net sagen, dass das schädlich ist“, beschwor Doktor Daniel Ingold den vor ihm sitzenden Mann. Der wirkte wie ein Häuflein Elend. Die Anzeichen waren eindeutig bei ihm. Die Gesichtsfarbe war fahl, die Nasenpartie gerötet, die Augen rot und trübe, während sich dunkle Schatten darunter abzeichneten.

Die Figur des Mannes im mittleren Alter war füllig, speziell um die Leibesmitte hatte sich ein „Rettungsring“ gebildet, aber die ganze Gestalt wirkte schlaff und ziemlich traurig.

Der Hinterseer Bertram war ein Alkoholiker, in ganz Hindelfingen eigentlich ein offenes Geheimnis. Auch dass seine Frau Lina schwer darunter litt, war keine Neuigkeit. Der Bertram brachte das wenige Geld, was er als Arbeiter im Forst verdiente, zum größten Teil ins Wirtshaus. Da mochte selbst der Dernbacher Franzl, der Wirt vom Kreuzkrug, den Mann ermahnen – der Drang zum Alkohol war stärker.

Schlimm wurde es dann aber, wenn der Bertram entschieden zuviel von dem Teufelszeug in sich hineingeschüttet hatte. Da kam es dann schon mal vor, dass er seine Lina schlug. Am nächsten Morgen bat er dann reumütig um Verzeihung, was die Lina bisher auch immer gewährt hatte. Doch in letzter Zeit war es ihr zunehmend schwerer gefallen, mit den Ausfällen ihres Ehemannes fertig zu werden.

Und der Bertram litt selbst seit kurzem an verschiedenen Beschwerden, die nach Ansicht des Arztes eindeutig auf den übermäßigen Genuss von Alkohol zurückzuführen waren.

Daniel hatte ihm schon mehr als einmal Vorhaltungen gemacht, doch wie bei allen Alkoholkranken war jedes Wort in den Wind gesprochen.

Auch jetzt senkte der Bertram den Kopf.

„Aber ich will doch eigentlich gar net trinken“, murmelte er verlegen.

„Das weiß ich. Dieser Vorsatz hält aber net lang. Und da nützt es auch net viel, wenn der Dernbacher Ihnen nix mehr verkaufen würd’. Leut’ wie Sie finden immer eine Möglichkeit sich dieses Zeug zu beschaffen. Ich seh’ da im Augenblick nur noch eine Chance, schon um die Lina zu schützen und Ihnen den letzten Rest von Gesundheit zu erhalten.“

Vage Hoffnung flammte für einen Augenblick in den Augen des Mannes auf. „Da tät’s wirklich was geben, Herr Doktor? Ich will doch meiner Lina gar nix tun, ich hab sie doch lieb. Aber ich kann gar nix machen, wenn’s mich denn so überkommt ...“ Der Bertram brach ab. Er wirkte hilflos und verloren, und der Arzt hatte ein wenig Mitleid, aber nicht zuviel. Es war keine Willensschwäche, die den Mann immer wieder dazu brachte, sich sinnlos zu betreten, Alkoholismus war schon eine Krankheit. Doch um aufzuhören, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, bedurfte es schon eines starken Motivs. Das lag hier nun endlich vor. Die Leber des Mannes war zum großen Teil zerstört. Wenn er nicht sofort das Trinken unterließ, konnte es nicht mehr lange dauern, bis die Schäden irreparabel waren. Jetzt bestand noch eine geringe Hoffnung, dass sich das Gewebe regenerieren konnte.

„Noch heut’ fahren S’ in die Stadt ins Hospital“, erklärte Dr. Ingold. „Da wird dann erst mal eine Entgiftung gemacht. Das wird net einfach werden, Herr Hinterseer, und wenn S’ sich da net streng an die Anweisungen der Kollegen halten, kann ich für nix garantieren. Aber nach ein bis zwei Wochen etwa sollte sich zeigen, ob das alles glatt geht. Dann kann man anfangen, die Schäden an der Leber zu behandeln. Und später irgendwann geht’s dann in eine Kurklinik, wo S’ weiter behandelt werden können. Dazu gehört auch die psychologische Betreuung. Und bei allem wird Ihre Frau mit einbezogen. Die hat ja eh am meisten darunter zu leiden, wenn S’ mal wieder voll sind. Da sollten S’ jetzt also zusehen, dass S’ ihr das Leben mal ein bisserl leichter machen.“

„Und eine andere Möglichkeit gibt’s net?“, wagte der Bertram zu fragen. „Ich mein, das dauert alles recht lang, tät’s denn da nix anderes geben, womit ...“

„Es gibt noch keinen Schalter in Ihrem Kopf, den man einfach umlegen kann, um die Trunksucht abzustellen. Und eine Pille gibt’s auch net, die das Ganze von heut’ auf morgen beseitigt“, unterbrach Daniel ihn hart.

„So deutlich müssen S’ das nun auch net sagen“, brummelte der Bertram, aber da war er beim Alpendoktor grad an der richtigen Stelle.

„Da bin ich noch gar net deutlich genug. Bevor überhaupt an eine Heilung gedacht werden kann, müssen S’ sich mal eines im Kopf klarmachen, Herr Hinterseer. Sie sind ein Alkoholiker, da gibt’s auch nix zum Beschönigen. Das ist zwar eine Krankheit, die man in den Griff kriegen kann, aber die ist kein Grund, für sich selbst Mitleid zu haben. Denn hätten S’ net schon seit vielen Jahren so unbeherrscht getrunken, wär’s erst gar net so weit gekommen. Also muss man sagen, dass es bei Ihnen an der nötigen Willenskraft mangelt.“

Mit einem leidenden Gesichtsausdruck starrte der Bertram in die Augen des anderen Mannes.

„Ja, aber wenn ich doch krank bin ...“

„Dann sollten S’ ganz schnell daran arbeiten, wieder gesund zu werden. Aber das wird net gehen, wenn S’ jetzt nur jammern, dass S’ ja eh nix dran ändern können. Das können S’ nämlich. Also – wollen S’ jetzt einen neuen Anfang machen? Dann schreib ich die Überweisung fürs Hospital. Und Ihre Frau kriegt vielleicht sogar ein kleines bisserl Hoffnung.“

„Das sind harte Worte, Herr Doktor“, beklagte sich der Hinterseer. Er sah aber ein, dass er wohl keine andere Auskunft bekommen würde. „Dann machen S’ das mal so. Ich will`s ja versuchen, auch um der Lina willen. Ist wirklich eine gute Frau, meine Lina.“

„Das können S’ mal laut sagen. Weil ich nämlich auch der Meinung bin, geb’ ich Ihnen noch einen guten Rat. Wenn’s mal wieder hochkommt, dieser Drang nach Alkohol, mein ich, dann gehen S’ net in dem Kreuzkrug, sondern lieber in die Kirche. Der Feininger hat auch immer ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte seiner Schäfchen. Der wird auch bestimmt gern helfen, wo’s nottut. Das ist auf jeden Fall besser, als wieder betrunken durch die Straßen zu wanken.“

Aber nun hatte der Bertram genug von der Strafpredigt, er schämte sich tatsächlich in Grund und Boden. Doch wie bei den meisten Alkoholikern würde auch das nicht lang anhalten. Wenn erst mal wieder der schier unwiderstehliche Drang kam, dann setzte die Willenskraft des Mannes aus, da mochte er noch so gute Vorsätze haben.

Daniel hatte trotzdem Hoffnung, dass der Bertram es schaffen konnte, wenn er gleich ins Hospital ging und dort bereit war, Hilfe anzunehmen. Es würde ein hartes Stück Arbeit werden, und bestimmt kamen auch Rückschläge, doch gar nichts zu tun war grundfalsch.

„Ich wünsch’ Ihnen alles Gute, Herr Hinterseer, grüßen S’ Ihre Frau herzlich von mir, und wenn Hilfe gebraucht wird, will ich gern da sein.“ Mit diesen tröstlichen Worten drückte der Arzt dem Patienten die notwendigen Unterlagen in die Hand. Die Tür schloss sich, Daniel war allein und stützte für einen Moment den Kopf in die Hände.

Warum machten sich die Leute das Leben nur selbst schwer? Die beiden könnten glücklich und zufrieden leben, sie hatten keine großen Ansprüche und kamen mit dem wenigen aus, was das Leben ihnen bot. Wäre der Bertram nicht diesem unseligen Zeugs verfallen, hätte alles perfekt sein können. Aber mal sehen, es musste sich ja jetzt etwas ändern.

Etwas weckte plötzlich die Aufmerksamkeit des Arztes, ein Duft, ein Geräusch, ein Gefühl?

Er hob den Kopf, und im nächsten Augenblick wurde er stürmisch umarmt und abgebusselt.

Ein ungeheures Glücksgefühl breitete sich in ihm aus, als er die schlanke sportliche Gestalt der Bernie Brunnsteiner in den Armen hielt. Die Tierärztin von Hindelfingen war die feste Freundin vom Daniel, auch wenn sie diesen Ausdruck heftig bestreiten würde, sollte ihn jemand in ihrer Gegenwart benutzen.

Bis heute warteten alle Einwohner allerdings auch vergeblich darauf, dass aus der losen Beziehung der beiden Ärzte endlich ein festes Verhältnis mit einer Verlobung wurde.

Die Bernie hatte in ihrer Vergangenheit mal schlechte Erfahrungen mit einem Mannsbild gemacht, und das hielt sie jetzt davon ab, sich ganz an den Daniel zu binden. Dabei war er mit Sicherheit der letzte, der seinem geliebten Madl ein Leid zufügen konnte. Doch er hatte Geduld und wartete weiter, bis sie sich irgendwann für ihn entscheiden würde. Und die junge Frau war dankbar, dass er sie nicht drängte. Längst hatte ihr Herz gesprochen, es würde bestimmt keinen anderen Mann für sie geben, doch sie zögerte eine endgültige Entscheidung immer noch hinaus.

Für einige Tage war die Bernie zu einer Fortbildung gewesen, und der Daniel hatte sie schrecklich vermisst. Aber jetzt war sie wieder da. Ihre Augen strahlten, und er hätte sie am liebsten nie wieder losgelassen.

„Was schaust mich so an? Hab ich mich so verändert? Oder erkennst mich gar nimmer wieder?“, lachte sie.

Er legte seine Stirn in Falten und dachte angestrengt nach. „Erst mal musste ich tatsächlich nachdenken, wen ich da vor mir hab. Ich kann mich dunkel erinnern, dass ich eine so reizende junge Frau schon mal gesehen hab. Also geh ich doch davon aus, dass S’ zu meinen Patienten gehören. Aber die Karteikarte hab ich net hier liegen, also tät’ ich net mal Ihren Namen kennen. Haben S’ vielleicht eine ungewöhnliche Krankheit, woran ich S’ identifizieren kann?“

„Aber ja, das wird's sein“, erwiderte sie eifrig und ging auf seinen spöttischen Ton ein. „Ich hab da ganz schrecklich was am Herzen. Und dazu brauch’ ich den fachlichen Rat.“

„Hm, da müsst ich mir das erst mal ausführlich anhören.“ Daniel legte sanft seinen Kopf mit dem Ohr an ihren Brustkorb. „Na, da schlägt ja tatsächlich ein Herz. Wie ungewöhnlich. Das sollten wir mal näher untersuchen.“ Er hielt sie ganz fest. Ihre Gesichter befanden sich dicht voreinander, und ihre Herzen schlugen tatsächlich im gleichen Takt.

„Wie schön, dass du wieder da bist“, murmelte er dicht an ihrem Ohr.

„Hast mich wirklich vermisst, oder sagst das jetzt nur so?“

„Na ja, auf irgendeine Art musste ich dich ja begrüßen. Also nun erzähl, wie ist’s gelaufen? Hat’s dir denn wenigstens was gebracht? War’s interessant?“

„O ja, es gab schon ein paar Neuigkeiten. Aber ich denk`, darüber reden wir heut’ Abend, beim Essen. Oder hast schon was vor? Ich will dich hier net lang aufhalten, dein Wartezimmer ist nämlich voll, mein Lieber. Ach ja, und wir haben eine ganz reizende Einladung bekommen – oder wie immer man das nennen will. Vom Stefan Moosburger, kannst dich erinnern? Das ist der da draußen im Feld mit der Tierschule.“

Daniel grinste anzüglich. „Glaubst eigentlich, mit jedem Tag, den ich älter werd’, lässt mein Gedächtnis mehr nach? Natürlich kann ich mich an den Stefan erinnern, ich glaub’ sogar, wir sind so eine Art Freunde.“

Sie lachte auf. „Ich wollt ja auch nur wissen, ob dein Kopf noch funktioniert. Hast dich schließlich grad sehr seltsam benommen.“

„Erzählst mir das alles besser heut’ Abend? Hast natürlich recht, meine Patienten warten. Viel lieber würd’ ich mit dir ...“ Er griff nach einer Haarsträhne des Madls und zog spielerisch daran.

„Dann wünsch’ ich dir noch viel Spaß. Und lass dich net so sehr ärgern. Ich hab die Vreni im Wartezimmer gesehen. Die wird's dir noch ein bisserl schwer machen.“

Daniel seufzte. „Mir bleibt heut’ aber auch nix erspart. Aber wenigstens ist sie nett, da hatt’ ich heut’ schon andere Patienten.“

Die Bernie warf dem Doktor spielerisch eine Kusshand zu und verschwand wieder aus dem Sprechzimmer. Seine Laune hatte sich aber schlagartig gehoben, und er konnte es kaum abwarten, bis er die Praxis schließen und heimgehen konnte. Bestimmt hatte die Bernie mal wieder ein phantastisches Essen gezaubert.