Zum Buch

 

Münchner Kindl, Regensburger Bruckmandl oder Passauer Tölpel – dies sind nach wie vor bekannte Ausdrücke. Doch wer weiß noch etwas mit Begriffen wie Hirschauer Stückl, Bruder Straubinger, Landshuter Wein, Ingolstädter Feige oder Rosenheimer Schmalzgrube anzufangen? Und warum bezeichnete der Volksmund München als »goldenen Sattel auf magerem Pferd«? Solch kernige Ortsporträts finden sich in Sprichwörtern und Redensarten – für Altbayern hier nun erstmals erfasst und ausführlich erläutert. Die einzigartige Sammlung bietet eine Fülle markiger Aussagen und faszinierender Einblicke, z. B. in die Entstehungsgeschichte des Schimpfworts damische Urschel.

 

Eine informative, vergnügliche Publikation, deren kulturgeschichtlicher Neuigkeitswert nicht hoch genug einzuschätzen ist!

 

 

 

Zum Autor

 

Helmut A. Seidl, Dr. phil., geboren 1951, ist Professor für Neuere Sprachen an der Hochschule Augsburg und verfasste u. a. das Standardwerk Medizinische Sprichwörter: Das große Lexikon deutscher Gesundheitsregeln. Für seine Sprichwortstudien wurde er mit dem Preis der Katharina-Sailer-Stiftung ausgezeichnet.

Helmut A. Seidl

 

 

 

Sprichwörtliches
über Altbayern

444 Ortsporträts aus Oberbayern,
Niederbayern und der Oberpfalz

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag Friedrich Pustet
Regensburg

Impressum

 

Umschlagmotiv: Landtafel 10 aus Philipp Apian: Bairische Landtafeln, 1568.

– Bayerische Staatsbibliothek München, Hbks / F 15 b.

Pergament: Artikularis/fotolia.com

 

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Angaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

 

 

eISBN 978-3-7917-6000-1 (epub)

© 2013 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg

 

Diese Publikation ist auch als Printausgabe erhältlich:

ISBN 978-3-7917-2526-0

 

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Informationen und Bestellungen unter verlag@pustet.de

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

 

 

 

Das deutsche Sprichwort … nennt oft auch sogar die Stadt,
die Anlaß zur Entstehung des Sprichwortes gegeben hat.

Johann Michael Sailer

 

In der Tat wird der Name eines Gemeinwesens in deutschen Sprichwörtern vielfach explizit erwähnt. Es handelt sich dabei durchweg um diverse Beschreibungen eines Orts oder seiner Bewohner. Da nun im Griechischen der Terminus topos für „Ort“ und der Begriff graphein für „beschreiben“ stehen, bieten sich für diese Art von Sprüchen oder Redensarten die Bezeichnungen topografisches Sprichwort bzw. topografische Redensart geradezu an. Eine entsprechende Definition könnte demnach lauten:

„Ein topografisches Sprichwort beschreibt einen namentlich genannten Ort bzw. seine Bewohner.“

Topografische Sprichwörter lassen sich also, wie etwa Bauernregeln, Rechtssprichwörter oder Medizinische Sprichwörter1, in der Parömiologie (Sprichwortforschung) als eigenständige Sonderform kategorisieren. Bei dieser kommen hauptsächlich drei Aspekte zum Tragen:

  1. Geschichte: Fast alle einschlägigen Sprüche beziehen sich auf frühere Zustände oder Gegebenheiten der betreffenden Orte und seiner Bewohner. Das heißt, es handelt sich zumeist um untergegangene Sprichwörter, die mithin „ihre kognitive ‚Ikonizität‘ verloren“2 haben. Andererseits erlauben sie aber faszinierende Einblicke in versunkene Welten, seien es historische Ereignisse, denkwürdige Veranstaltungen, Feste und Bräuche, lokale Speisen und Getränke oder berufliche Tätigkeiten bzw. soziale Verhaltensweisen. Mitunter wird hier auch auf symbolhaften Charakter tragende Figuren (wie etwa Münchner Kindl oder Passauer Tölpel) bzw. typische Bauwerke und Wahrzeichen Bezug genommen. Derlei Aussagen besitzen also oft einen enormen kulturhistorischen Wert.
  2. Geografie: Manche Sprichwörter nehmen Bezug auf die geografische Lage des Ortes (z. B. Tal, Sumpf, Abgeschiedenheit) oder die Bodenbeschaffenheit (Sand, Kies, Lehm). So beziehen sich etwa die bei Freytag verzeichneten „geographischen Sprichwörter“ Sachsens „auf die Lage, Eigentümlichkeit, auf den Charakter sächsischer Orte, auf die Beschäftigung seiner Bewohner. Es sind Äußerungen des Lobes und Wohlgefallens und der Freude an dem Angeschauten, aber auch der Schadenfreude, des Neides und des Mißtrauens, wie sie die Neckereien und Reibereien zwischen den Bewohnern erzeugen … Der Verbreitungskreis der geographischen Sprichwörter ist ein beschränkter und begrenzter. Viele haben nur insofern Wert, als sie den Zustand der Orte in früherer Zeit darstellen.“3
  3. Stereotype: Häufig werden angebliche Wesenszüge bzw. Verhaltensweisen der Bewohner genannt oder man mokiert sich über deren Sprache, Kleidung oder Aussehen. Hierzu zählen auch die (nicht immer stereotyp einzuordnenden) sprichwörtlichen „Ortsneckereien“ bzw. Neckreime oder Spottverse. Über sie schrieb Fehrle 1924: „Sprach- und kulturgeschichtlich sind die Ortsneckereien eine reiche Fundgrube. Der Volkshumor kommt hier unverfälscht zum Ausdruck. Die Scherze sind bodenständig.“4 Für Ortsneckereien aber gilt heute das Gleiche wie für einstige Spitznamen bzw. Neck- oder Uznamen von Orten. So konnte etwa Bronner 1911 noch feststellen: „Die ganze Donautalung in Bayern von Ulm bis Passau weist gegenwärtig noch fleißig Necknamen auf.“5 Das dürfte heute aber nirgends mehr der Fall sein, was u. a. Ludwig Schießl für die Oberpfalz und Valentin Erl für das Rottal bestätigen.6

 

Bei Spottreimen gibt es nun manchmal längere Litaneien, denen wichtige Wesensmerkmale von Sprichwörtern fehlen: Kürze und Prägnanz. Allerdings ist bei den nachfolgend dennoch angeführten Ortslitaneien umfassenderer Art davon auszugehen, dass einzelne Teile auch separat kursierten und diese dann als sprichwörtlich gelten können.

Neben Sprichwörtern, die immer aus fest geprägten Sätzen bestehen (z. B. Wer auf der Steinernen Brücke geht und keine Glocken läuten hört, der ist nie zu Regensburg gewesen), sind hier zugleich sprichwörtliche Redensarten aufgenommen worden. Dabei handelt es sich um offene, veränderbare Satzteile. So bedient(e) sich der Volksmund vielfach gewisser Vergleiche mit ortsspezifischen Gegebenheiten, wie etwa ausschauen wie die Muttergottes von Passau. Diese je nach Situation modifizierbare Redensart ist in dem Fall in hochdeutscher Form angeführt.

Mitunter erscheint ein Sprichwort oder eine Redensart aber in der Mundartfassung, die ohnehin immer für Authentizität, Farbe und Kraft steht.

Zudem konnten sogenannte Schnaderhüpfl, die in Niederbayern auch in Form von Stichelreimen kursier(t)en, ebenso wie bestimmte Liedzeilen durchaus Sprichwörtlichkeit erlangen. Bisweilen gab es bei ihnen sogar explizite Hinweise: „Auch gesungen“ bzw. „Nur gesprochen“.

Einige wenige Sprichwörter topografischer Art sind noch heute in Umlauf; das Gros jedoch hatte, wie erwähnt, meist nur eine kurze Blütezeit und ist wohl längst der Vergessenheit anheimgefallen. Früher aber verbreiteten sich solche Sprüche u. a. bei Anlässen wie Vereinsfesten, Kirmesvergnügungen, Wallfahrten, Wirtshausbesuchen, Viehmärkten oder Tanzabenden. Weiter in die Ferne getragen wurden sprichwörtliche Ortsbeschreibungen dann oft durch Kaufleute, Soldaten oder Handwerksburschen auf der Walz. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass es eine ganze Reihe von Wandersprichwörtern gibt, bei denen nur jeweils der Ortsname ausgetauscht oder der Spruch an lokale Umstände angepasst wurde. Beliebt war hier etwa der diastaltische Priamelvierzeiler „Wer durch X geht und sieht kein Kind, durch Y und spürt keinen Wind, durch Z kommt ohne Spott, der hat eine Gnade vor Gott.“7

In diesem Band sprichwörtlicher Porträts deutscher Städte und Gemeinden wurden nun alle topografischen Sprichwörter und Redensarten zu erfassen versucht, die seit dem Beginn der Neuzeit, also etwa seit 1500, über Orte in den heutigen bayerischen Regierungsbezirken Oberbayern, Niederbayern und Oberpfalz kursier(t)en. „Beackert“ wurde demnach das Gebiet, das man gemeinhin als Altbayern bezeichnet, d. h. Bayern ohne Franken und Schwaben (zu den beiden letztgenannten Regionen liegen bereits gesonderte Bände vor8).

Unter Einschluss der Varianten ließen sich dabei für Oberbayern 174 Sprüche über 130 Orte eruieren. Für Niederbayern konnten bei 190 Orten rund 210 topografische Sprichwörter und Redensarten, für die Oberpfalz bei 60 Städten und Gemeinden etwa ebenso viele einschlägige Beschreibungen ausfindig gemacht werden.

Die vorliegende Publikation enthält also insgesamt 444 sprichwörtliche Ortsporträts zu nahezu 400 Ortschaften (bzw. jetzigen Ortsteilen) in Altbayern. Bei dieser Relation kommt natürlich zum Tragen, dass sich ein einzelner Spruch oft auf mehrere Orte erstreckt.

Die Recherchen zu diesem Langzeit-Projekt erforderten häufig auch akribische Detektivarbeit, um Aussagen inhaltlicher oder sprachlicher Art richtig einzuordnen. Zudem hatten sich z. B. die Namen von Ortschaften in orthografischer Hinsicht manchmal geändert. Wiedergegeben sind die Sprüche jeweils in der in den einschlägigen Fundorten angeführten Form, nur hie und da erfolgte bei älteren Quellen eine sprachliche Modernisierung wie etwa „Tor“ statt „Thor“.

Etliche Ortschaften gehören jetzt anderen Verwaltungseinheiten an. Sprüche über früher selbstständige Orte sind nun bei dem Gemeinwesen zu finden, in das der betreffende Ort eingemeindet wurde, so z. B. Hals → Passau, Weichs → Regensburg oder Haidhausen → München. Zudem können selbst Sprichwörter über eigenständige Gemeinden bei anderen Kommunen verzeichnet sein. Das gilt insbesondere für Vielsprüche, in denen oft mehrere Orte zugleich auftauchen. (Siehe dazu die Querverweise im Ortsregister I am Ende des Buches.)

Jede Belegstelle ist mit Hintergrunderläuterungen zu der sprichwörtlichen Aussage versehen. Darüber hinaus gibt es für sämtliche Orte, über die ein topografisches Sprichwort bzw. eine topografische Redensart vorlag, ergänzende Kurzinformationen () .

Auf die jeweiligen Quellen wird bei allen Sprichwörtern und Redensarten mittels Fußnoten verwiesen. Die Fundstellen selbst sind dann im Abschnitt „Anmerkungen“ verzeichnet, und zwar durch aus je drei Großbuchstaben bestehende Siglen. Die vollständigen Literaturangaben finden sich im daran anschließenden „Siglen- und Quellenverzeichnis“.

Oberbayern

 

 

 

Adelschlag (Lkr. Eichstätt)

 

Der Moir von Adelschlag hat’s meist Feld;

der Moir von Landershofen hat’s meist Geld;

der Moir von Walting hat’s meiste Holz;

der Moir von Gungolding hat’n meist’n Stolz.1

 

Diese sprichwörtliche Ortslitanei erinnert an die erste Hälfte eines Rhönspruchs, der sich auf Mellrichstadt, Münnerstadt, Fladungen und Bad Neustadt a. d. Saale bezieht: „Mellerscht hat’s Feld, Münnerscht hat’s Geld, Flade hat’s Holz, Neusch’t hat ’n Stolz …“2 Der Spruch scheint demnach auch in der über 200 km entfernten Region Eichstätt bekannt gewesen und entsprechend abgeändert worden zu sein. Mit „Moir“ war dabei jeweils ein anderer Träger des Familiennamens Maier / Meier / Mayer etc. gemeint. Der Meier von Adelschlag („Olschlou“) war also einst der größte Grundbesitzer vor Ort.

 

▶ Der ursprüngliche Besitzer des Ortes scheint aber, so lässt der Ortsname vermuten, ein gewisser Adelolt gewesen zu sein.3 Die Gem. Adelschlag ist Mitglied der VG Nassenfels. Landershofen ist ein Ortsteil von → Eichstätt, Gungolding gehört zur Gemeinde → Walting.

Altmannstein (Lkr. Eichstätt)

 

In Schwabstetten hängt der Teufel an der Ketten;

vor Sinzhausen möcht’ ein’ grausen;

in Laimerstadt ham s’ noch nie was g’habt;

in Tettenwang kommt d’ Not z’samm.

 

„Ortsspottkette.“1 Alle Orte gehören mittlerweile zu Altmannstein. Der „Teufel an der Kette“ ist hier wohl eine Metapher für angebliche Armut. Zur Zeile mit „Sinzhausen“, vor dem „einen grausen möchte“, merkte Bronner an: „Ort mit großem Schloßgut, aber lauter kleinen Leuten.“2 Es handelt sich um Neuenhinzenhausen, wobei das dortige Wasserschloss aber schon 1866 abgetragen wurde. Laimerstadt, dessen Bewohner angeblich „noch nie was gehabt haben“, hat dennoch etwas: Es liegt am Obergermanisch-Raetischen Limes, der einst zwischen Rhein und Donau die Außengrenze des Römischen Reiches bildete.

 

▶ Der im Riedenburger Schambachtal gelegene Markt Altmannstein wechselte im Zuge der Gebietsreform 1972 von der Oberpfalz zu Oberbayern. Beim Ortsteil Pondorf steht die berühmte „Bavaria-Buche“, eine über 500 Jahre alte Rotbuche.

Altötting (Lkr. Altötting)

 

Hilf, Sankt-Mergen im Grimmenthal,

zu Altenötting,

zu Heilbrunn in Nesseln

und in Pfannenstil.1

 

„Sankt Mergen“ ist in diesem sprichwörtlichen Hilfeersuchen eine Variante von St. Marien. Bei den erwähnten Orten (Obermaßfeld-Grimmenthal, Altötting, Heilbronn und Ravensburg-Pfannenstiel) handelt es sich also um Stätten der Marienverehrung. Das zum Bistum Passau gehörende Altötting ist dabei nicht nur der bedeutendste Marienwallfahrtsort Deutschlands, sondern auch der größte deutsche Wallfahrtsort überhaupt. So heißt es in einem alten bayerischen Sprichwort: Von jeder Haustür geht ein Weg nach Altötting2,und eine abweisende Redensart besagt, dass man eher rücklings nach Altötting wallfahren würde als dies oder jenes zu tun: Liaba wallfahr i ärschlings nach Öding.3Den Weg zur Muttergottes-Figur nach Altötting nehmen Pilger nun schon seit über 500 Jahren. Ende des 15. Jhs. bildeten zwei wundersame, dem Gnadenbild zugeschriebene Heilungen den Anfang. Und 1657 hieß es beispielsweise in Merians Topographia Bavariae: „Und ist dieses Orth / wo nicht das vornehmbste in Teutschland / so wol der Andacht / als grossen KirchenSchatz halben / doch guten Theils andern solchen Gotteshäusern / wol zuvergleichen / und das Teutsche Loreta nicht unbillich zu nennen.“4

Das „deutsche Loreto“ war ein Epitheton ornans Altöttings, das sich auf Loreto bei Ancona, Italiens berühmten Wallfahrtsort, bezieht. Dort steht die „Santa Casa“, das Haus der Heiligen Familie, welches Engel aus Nazareth hingebracht haben sollen. Und wie Loreto hat Altötting eine „Schwarze Madonna“. Über diese Art von Gnadenbild ist in Schäfers Städtewahrzeichen von 1858 Folgendes zu lesen: „Als die seltsamste Variante in der Marienverehrung dürfte aber unstreitig der Cultus der ‚schwarzen Maria‘, gewissermaßen wol nur als eine Reminiszenz aus der vorchristlichen Zeit, anzusehen sein. Die nichtchristliche Vorzeit hatte eine … Ceres nigra … und sogar eine Diana nigra verehrt, und so konnte es bei den mannigfachen Accomodationen nicht fehlen, daß man auch nach Analogie des ‚schwarzen Herrgottes‘ u.s.w. eine ‚schwarze Maria‘ im Christenthume … sich dachte und hochverehrte Bildnisse derselben aufstellte.“5 Mit seinen Ausführungen geht Schäfer offensichtlich davon aus, dass diese Darstellung der Madonna durchaus gewollt war und die Rußfärbung in der Hauptsache keineswegs einer Feuersbrunst oder dem Rauch der vielen Kerzen geschuldet ist. Der Sage nach sollen nämlich die Ungarn im 10. Jh. den Ort in Brand gesteckt haben, die Gluten aber vor dem Marienbild auf wunderbare Weise erloschen sein. Nur wurde das Bild „von Hitze und Feuersqualm ganz schwarz, so schwarz, wie man es heute noch sieht. Weniger Wundergläubige erklären die Sache freilich einfacher und natürlicher und sagen, ‚das Angesicht und die Hände des Gnadenbildes haben durch hohes Alter die schwärzliche Farbe bekommen‘.“6 Wie dem auch sei, die um 1300 (also lange nach den historischen Ungarneinfällen!) entstandene und aus Lindenholz gefertigte „Schwarze Muttergottes“ hat Altötting zum „religiösen Herzen Bayerns“ werden lassen.

 

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Abb. 1: Altöttings Schwarze Muttergottes

 

Zudem sind in der Gnadenkapelle die Herzen bayerischer Herrscher aufbewahrt. Und in der Stiftspfarrkirche fanden z. B. König Karlmann, der Urenkel Karls des Großen, oder der Heerführer der Katholischen Liga im Dreißigjährigen Krieg, Johann Tserclaes Graf von Tilly, ihre letzte Ruhestätte. In dieser Kirche ist auch der „Tod vo Eding“ zu sehen:

 

Der schaut aus wie der Tod zu Ötting.7

 

Die in Süd- und Ostbayern durchaus noch gebräuchliche Metapher „Dea schaud aus wia da Doud z Eedeng“ gibt es auch in erweiterter Lesart: Der schaut aus wiaran Toud vo Öding sei Geschäftsreisender.8 So findet sich in Finks „Allerhand Schmai aus Niederbayern“ dieser Passus, dem dort noch die Pointe der ganzen Geschichte folgt: „Da hockt in der früheren Bahnhofswirtschaft … der Stammtisch beieinander, unter dem Balken mit der eingebrannten Inschrift: ‚Dasitzendiebeinanderdiewodaallweilbeinandersitzen.‘ Sagt einer zu seinen beiden Nachbarn: ‚Was schauts denn es zwoa heit so dasig?‘ Ein anderer: ‚Wirkli, wia-r-an Toud vo Öding sei Gschäftsreisender!‘…“9

 

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Abb. 2: Der sogenannte Tod z’ Eding

 

In Niederbayern benutzt man zudem den sprichwörtlichen Vergleich kasweiß wie der Tod zu Ötting für einen kreidebleich Aussehenden, der „den Totenschein schon im Sack hat“.10 Die genannten Versionen bezeichnen also eine todkranke, ausgezehrte, schwächliche Person11, während weitere hauptsächlich auf einen allzu Dürren abzielen, im Vergleich zu dem der Altöttinger „Sensenmann“ bzw. „Boandlkramer“ ein Mastschwein wäre: Gega den is da Tod z’ Öding a Mastsau.12 bzw. Der is so dürr, daß der Toud vo Eding a Spegsa is dageng.13 Letztere, zu der Haller anmerkt: „Der ist nur mehr Haut und Knochen!“14, lautet auf hochdeutsch: „Der ist so dürr, daß der Tod von Altötting dagegen eine Specksau ist.“ Der „Tod z’ Eding“, dessen Gerippe sich auf einer 7 m hohen Schrankuhr in der Stiftspfarrkirche St. Philipp und Jakob befindet, hat sich Pilgern wohl besonders nachdrücklich eingeprägt, zumal mit jedem Schwung seiner Sense (bei 60 Sensenhieben pro Minute) irgendwo ein Mensch sein Leben lassen soll.

 

Mit dem kannst auf Ötting reiten.15

 

In der Mundart hat der populäre Ausspruch folgende Form: „Mid dem kasd auf Eeden raiddn.“16 Er besagt, dass ein Messer derart stumpf ist, dass man damit nach Altötting reiten könnte. Zum Vorschein kommt hier ein alter Aberglaube, der diesen Messerritt mit einem Hexenritt gleichsetzt. Was übrigens das in bayerischen Landen einst übliche Mitführen eines Messers betrifft, so gab es dazu für die frommen, aber gleichwohl rauflustigen Bewohner des nahen Niederbayern den Spruch „An Rosenkranz in der Taschn, ’s Messer in der Hand.“17 „Von dieser doppelten Grundausrüstung“ soll man sich allerdings inzwischen „längst emanzipiert“ haben.18 Einst aber galt das lange Messer als „niederbayerisches Legitimationszeichen“.19

 

Der kimmt bis af Eding,

bis der ebbs awer bringt von Mäu.20

 

(= Der kommt bis nach Altötting, ehe der etwas aus dem Mund herausbringt.) „Dieser Mann redet umständlich.“21 Die Mundartversion stammt aus Bodenmais im Bayerischen Wald. Von dort aus sind es rund 120 km zum religiösen Herzen Bayerns. Die „Waidler“, insbesondere die aus Bodenmais, pilgerten aber auch gern zum nahen Neukirchen b. Hl. Blut.

 

▶ Die Kreisstadt Altötting ist über Shrines of Europe mit den ausländischen Marienwallfahrtsorten Loreto, Tschenstochau, Mariazell, Fátima und Lourdes verbunden. In 11 km Entfernung befindet sich Marktl, der Geburtsort von Papst Benedikt XVI.

Ampfing (Lkr. Mühldorf am Inn)

 

Z’ Ampfing und z’ Nuifin

san d’ Leut wie die Tuifin;

z’ Rattenkircha und z’ Haun

is eahna aa net zum traun.1

 

(= In A. und in Neufahrn sind die Leute wie die Teufel; in Rattenkirchen und in Haun ist ihnen auch nicht zu trauen.) Von Ampfing nach Neufahrn (zur Gem. Mettenheim gehörig) sind es 2, nach Haun (Ortsteil von Rattenkirchen) 8 und nach Rattenkirchen 10 km.

 

▶ Die Gem. Ampfing („Ampfing zieht an!“) liegt im Isental. Im oberen Teil ihres Wappens finden sich zwei Morgensterne, die an die „Schlacht von Ampfing“ erinnern. Diese, die letzte Ritterschlacht vor dem Einsatz von Feuerwaffen, ist jetzt gemeinhin als „Schlacht bei Mühldorf“ bekannt. Dabei besiegte der Wittelsbacher Ludwig IV. der Bayer im Jahr 1322 den Habsburger Friedrich den Schönen im Kampf um die römisch-deutsche Königskrone.

Die Gem. Rattenkirchen, deren Name sich vom Personennamen „Rato“ ableitet,2 führt in ihrem Wappen u. a. fünf schwarze Kugeln, die an die Schlacht von Hohenlinden im Jahr 1800 erinnern, als der Ort von napoleonischen Truppen beschossen wurde.

Mettenheim („eine Gemeinde zum Wohlfühlen“) war einst im Besitz des Hochstifts Salzburg.

Aßling (Lkr. Ebersberg)

 

Draußerhalb Pörsdorf

Is a greaner Bosch’n,

Wenn Fremde ’reinkemma,

Wer’n s’ außidrosch’n.1

 

(= Vor Pörsdorf ist ein grünes Gebüsch; wenn Fremde hereinkommen, werden sie hinausgeprügelt.) Pörsdorf gehört schon seit 1818 zur Gemeinde Aßling. Laut Bronner handelt es sich hier um ein (wohl auch sprichwörtlich benutztes) „Ortstrutzliedl“.2 Die angesprochenen „fremden“ Burschen aus der nahen Umgebung konnten darauf mit einem anderen „Neckreim“3 erwidern, in dem die Pörsdorfer Burschen als lauter schlechte Kerle verspottet werden:

 

Draußtahoit Pörsdorf

is a Wassagump’n;

die Pörsdorfer Buam

hand lauter Lump’n.4

 

Eine „Gumpe“ ist eine Art Strudeltopf auf felsigem Untergrund bzw. eine kesselartige Mulde in einem Fließgewässer. Dreyer schreibt hier (wohl fälschlicherweise) „Wasserpump’n“5. Außerhalb Pörsdorfs, und zwar 1 km nördlich, liegt auch die Einöde Ast. Von ihr hieß es:

 

Ast sieht ma kam vor lauter Apfelbam,

is grad schod, daß koa Pflaster net hot,

süscht war’s a Stodt.6

 

(= A. sieht man kaum vor lauter Äpfelbäumen, es ist einfach schade, dass es kein Pflaster hat, sonst wäre es eine Stadt.) Der Ortsneckreim fand mit entsprechendem Austausch des Ortsnamens mehrmals Verwendung, so z. B. in → Bruckmühl / Obb. oder auch in → Schönberg im Bayerischen Wald.

 

▶ Die Gem. Aßling, durchflossen von der Attel, einem Nebenfluss des Inns, ist Sitz der VG Aßling.

Au i. d. Hallertau (Lkr. Freising)

 

Wolnzach, Nandelstadt und Au

sind die größten Städt in der Holladau.1

 

Dazu heißt es in Schöppners Bayrische Sagen vom Jahr 1852: „Wo die Holledau zu suchen ist, geht aus einem alten Sprichwort hervor: ‚Wolnzach, Nandlstadt und Au …‘ Freilich wollen einige auch Mainburg hinzurechnen, das jedenfalls im Besitz des Hauptschlüssels zur Holledau gewesen sein soll und von dem man wissen will, daß es früher auch sein Kontingent zu den Holledauer Dieben gestellt hat. Die Grenzen der Holledau möchten daher nicht so genau zu bestimmen sein … denn niemand will ein Holledauer sein, selbst wenn er mitten in diesem Schelmenland geboren und aufgewachsen ist. Die Ursache hiervon ist klar. Denn wenn auch die jetzigen Bewohner der Holledau ehrenfeste und biedere Leute sind, so standen doch ihre Vorfahren in sehr zweideutigem Ruf, und man legte ihnen besonders die Neigung zum Pferdestehlen zur Last. Dazu gaben Gelegenheit der Salzhandel, der schon von alters her auf der Straße über Freising, Au und Mainburg ging, und dann die vielen Waldungen und Bergrücken des Ländchens und die großen Pferdemärkte zu Moosburg.“2

Dass niemand ein Holledauer sein will, wird jedoch in der alten Fassung des weithin bekannten „Holledauer Liedes“ heftigst bestritten. Dort heißt es u. a.: „Und wenn du einen fragst, Von Nandlstadt bis Au, Geh sag mir doch, wo bist denn her? So sagt er nicht, so schreit er gleich: Ich bin von der Holledau“3 bzw. „Doch will enk sag’n: Wer Hopfa baut Zehn Meilen weit von Au, Der schreit, was er nur ko’, so laut: ‚I g’hör’ zur Holledau.‘“4 Eine andere Liedpassage besagt zudem, dass die Grenzen der Hallertau, wie die Gegend heute heißt, sehr wohl zu bestimmen sind: „Und d’ Holledau geht dorten aus, Wo d’ Gscheiten fangen o’!“5 Diese spöttische Feststellung hat in etwas veränderter Form Sprichwörtlichkeit erlangt: „Die Holladau fängt da an, wo diegescheiten Leute aufhören.“6

Von Wander wird das wie folgt kommentiert: „Der Spruch hat doch wol [sic!] keinen andern Sinn als den, von städtischer Bildung und Gesittung Abschied zu nehmen, sobald man die Holladau betritt.“7 Heutzutage befindet man sich mit dem Betreten der Hallertau im größten Hopfenanbaugebiet der Welt.

 

▶ Der auf halber Strecke zwischen → Wolnzach und → Nandlstadt gelegene Markt Au in der Hallertau, das „Herz im Hopfengau“, hat heute, bedingt durch die jüngsten Eingemeindungen, über 5000 Einwohner. Als der obige Spruch (wohl um die Wende zum 19. Jh.) aufkam, dürfte Au – das bis 1928 noch „Au bei Freising“ hieß – nicht mehr als 500 Einwohner gehabt haben.

Beilngries (Lkr. Eichstätt)

 

Eichstätt hat in Berching den besten Wein,

in Beilngries das beste Fleisch,

in Greding das beste Brod

und in Kipfenberg das beste Bier.1

 

In einer Quelle vom Jahre 1799 ist über Beilngries erklärend vermerkt: „Eichstättisches Munizipalstädtchen … liegt 10 Stunden unter Eichstätt.“2 Ferner: „Man trift [sic!] … vorzüglich gutes Fleisch an.“3 Heute benötigt man mit dem Auto für die rund 30 km lange Strecke von → Eichstätt ins nordöstlich gelegene Beilngries eine gute halbe Stunde. (→ Berching / Greding)

 

Kirchbuch – hat man glei g’nug!4

 

Von Kirchbuch, einem heutigen Ortsteil von Beilngries, soll man also gleich genug haben, des Ortes demnach rasch überdrüssig sein. Kirchbuch gehörte im Laufe von 100 Jahren (1872–1972) nacheinander zu Mittelfranken, der Oberpfalz und dann zu Oberbayern.

 

▶ Die Stadt Beilngries, die nördlichste Gemeinde Oberbayerns, liegt mitten im Naturpark Altmühltal.

Berchtesgaden (Lkr. Berchtesgadener Land)

 

Berchtesgaden ist so hoch als breit.1

 

„War früher Sitz einer gefürsteten Probstei mit einem Gebiete von
8 Quadratmeilen, von denen nur 1/6 angebaut war; das übrige ist wildes Gebirge.“2 Und Bronner meinte dazu: „Bezug auf den Bergcharakter des ehemaligen Stiftsländchens.“3

Bei den Bergen wären hier natürlich der Große und der Kleine Watzmann sowie die Watzmannkinder zu nennen. Das Watzmann-Bergmassiv liegt zwar im „Nationalpark Berchtesgaden“, dem einzigen deutschen Nationalpark in den Alpen; es gehört aber zu den Gemeinden Schönau am Königssee und Ramsau. Hauptort der gleichnamigen Fürstpropstei, der einst einzigen des Bayerischen Reichskreises, war Berchtesgaden von 1559–1803 gewesen. Die Fürstpröpste residierten dabei im Augustiner-Chorherrenstift, der letzte im Schloss Adelsheim (heute: Heimatmuseum). Offenbar galt während dieser Zeit der altbekannte deutsche Spruch „Unterm Krummstab ist gut leben“:

 

Wenn jemand vom Himmel auf die Erde müßte,

so würde er sich Berchtesgaden wählen.4

 

„Das Sprichwort lebte im Volksmund, als Berchtesgaden noch unter dem Krummstabe stand. Aber es gilt noch so gut wie damals, wenn auch in anderem Sinne. Wenn die fetten Pfründen und das üppige Leben der Geistlichen und Beamten, auf die das Wort gemünzt war, auch nicht mehr da sind, so ist doch das Land so voll der Schönheiten und Reize der Natur, daß es auch jetzt noch begehrenswert erscheint.“5 Auch Bronner schreibt in Bezug auf Berchtesgaden von der „Herrlichkeit des wahrhaft paradiesischen Fleckes“.6

Das einschlägige Sprichwort wurde zudem von einem berühmten Schriftsteller abgewandelt: „‚Wen Gott lieb hat, den läßt er fallen
in dieses Land’, schreibt auch Ludwig Ganghofer. Der gebürtige Schwabe, der … trotzdem zu einem der bedeutendsten Heimatdichter Oberbayerns aufstieg, meinte mit diesen Worten genau genommen zwar nur die Gegend um Berchtesgaden. Längst aber münzen PR-Strategen den Satz auf die ganze Region.“7

Den Ausspruch Ganghofers findet man in der Tat werbewirksam z. B. auf einer Tafel am Gipfel der Kneifelspitze im Berchtesgadener Land. Eine leicht abweichende Version des eingangs erwähnten Sprichwortes findet sich bei v. Koch-Sternfeld: Wenn jemand vom Himmel wieder auf die Erde müßte: der würde sich Berchtesgaden wählen.8 Doch gab es auch eine andere Behauptung:

 

Es wird eine Zeit kommen,

da aus Berchtesgaden kriechen möchte,

wer nicht gehen könnte.9

 

Die sprichwörtliche Vorhersage hatte sich für Wander bereits Mitte des 19. Jhs. erfüllt: „Die fetten Pfründen und das üppige Wohlleben der Stiftsherren und Beamten … ist jetzt verschwunden; und insofern sich mit ihnen auch diejenigen, die nur in fetten Pfründen einen Vorgeschmack der himmlischen Seligkeit zu finden wissen, von hier auf- und davongemacht haben, ist auch die dem Sprichwort [Gemeint ist damit: „Wenn jemand vom Himmel auf die Erde müßte, so würde er sich Berchtesgaden wählen“, Anm. d. Verf.] nachhinkende Prophezeiung: ‚es werde eine Zeit kommen, da aus Berchtesgaden kriechen möchte, wer nicht gehen kann’, in gewissem Sinn bereits eingetroffen. Aber trotzdem besitzt das Berchtesgadener Ländchen in seiner Natur der Reize und Schönheiten noch immer so viele, dass es auch jetzt als einer der schönsten Punkte der Erde erscheint.“10

 

Die Berchtesgadener muss man preisen,

sie fressen den Esel bis aufs Eisen,

und aus dem Eisen haben sie’s Opfer gemacht.

 

„Volksmund. Der Leonhardstag wird in vielen Gegenden durch Leonhardsritte – berittene Wallfahrten – gefeiert, denn St. Leonhard ist der Schutzpatron der Vieh-, namentlich der Pferdezucht. Man opfert ihm die Hufeisen der kranken Pferde, die er heilen soll, in natura oder Wachs, und seine Kapellen hängen voll von diesen Opfereisen, namentlich die Leonhardskapelle auf dem Schellenberge im Berchtesgadener Land – daher der Volkswitz.“11

 

Lass dir’s bei den Berchtesgadenern drachseln.

 

(drachseln = drechseln.) Das sagte man in Südbayern zu einem, der mit der abgelieferten Arbeit nicht zufrieden war. „Die alte bairische Redensart erinnert noch heute an die Blütezeit der holzverarbeitenden Volkskunst im Berchtesgadener Land.“12

 

▶ Der Markt Berchtesgaden liegt 20 km von der Kreisstadt Bad Reichenhall entfernt. Die Gnotschaft (lokale Kurzform für „Genossenschaft“) Obersalzberg (seit 1972 ein Ortsteil von Berchtesgaden) war schon lange ein Anziehungspunkt für Touristen gewesen, bevor sie im Dritten Reich quasi zweiter Regierungssitz wurde. Dadurch ist Berchtesgaden noch heute die kleinste Gemeinde Deutschlands, die einen Hauptbahnhof besitzt. In der Vorweihnachtszeit gibt es in der Region den „Stuck“, ein rundes Roggengebäck mit Zimt und Korinthen. Bekannt ist die Marktgemeinde auch durch ihr Salzbergwerk; ein Festzug mit Bergknappen findet zu Pfingsten statt.

Bernbeuren (Lkr. Weilheim-Schongau)

 

Die Beurer sind Leirer.1

 

„Die Redensart ‚Die Beurer sind Leirer‘ wird wohl nur des Reimspieles wegen auch auf Bernbeuren bei Schongau angewendet.“2 „Leirer“ bedeutet dabei so viel wie „schlauer, listiger Mensch“, könnte aber auch einen „Langweiler, Faulenzer“3 bezeichnen. Glock jedenfalls versah die oberalemannische Version für „Ein Bauer ist ein Laurer“, nämlich „E Buur isch e Luur“ mit der Erklärung: „Er weiß auch seinen Vorteil.“4 Und Schellhorn kommentierte die hochdeutsche Formel „Der Bauer ist ein Lauer“ 1797 in ähnlicher Weise: „Ist schlau, nicht so albern, als er vielleicht angesehen wird.“5

Der Reim kursierte in der jeweiligen Mundartform im gesamten deutschen Sprachraum und hat daher gewiss als Vorbild für die entsprechenden Aussagen über die Bernbeurer bzw. die Kaufbeurer gedient. Als „Laurer“ galten zudem bestimmte Handwerker: „Die Zimmerleut und Maurer, das sein rechte Laurer, ehe sie essen, messen, stehen und sich besinnen, ist der Tag von hinnen.“6 Hier aber ist „Laurer“ zweifelsohne ein Synonym für Faulpelz. Die zwei Bedeutungskomponenten hat jedoch bereits Franz Xaver von Schönwerth festgehalten: „Das Wort Lauer bezeichnet einen feigen, faulen Knecht; … die Bedeutung: schlauer, lauernder Mensch ist erst daraus abgeleitet.“7

 

▶ Die Gem. Bernbeuren am Auerberg liegt in der Region Oberland. Sie gehörte früher zum Hochstift Augsburg.

Böhmfeld (Lkr. Eichstätt)

 

Böhmfeld, o Böhmfeld,

schöne Moile, weni Geld;

dürre Roß, magers Feld,

pfuet di Gott, o Böhmfeld!1

 

(= B., o B., schöne Mädchen, wenig Geld; dürre Pferde, mageres Feld, behüt dich Gott, o B.!) Zum „mageren Feld“ merkte Bronner an: „steiniges Juraplateau“.2

 

▶ Die Gem. Böhmfeld liegt im Naturpark Altmühltal. Der Ortsname lässt sich mit „Feld des Pemmo“ erklären.3

Bruckmühl (Lkr. Rosenheim)

 

Noderwiechs sieht ma kam

vo lauter Aepfelbam;

schad, daß koa Pflaster hat,

sunst war’s a Stadt.

 

(= N. sieht man kaum vor lauter Apfelbäumen; schade, dass es kein Pflaster hat, sonst wäre es eine Stadt.) Dazu schrieb Bronner im Jahr 1911: „Die Noderwiechser, welche fleißig Obstbau treiben, bilden sich viel auf ihr hübsches Dörflein ein.“1 Dieses ist inzwischen ein Ortsteil von Bruckmühl. Das gilt auch für Sonnenwiechs:

 

Zwischen Noderwiechs und Sonnenwiechs

is der Weg recht koate;

rare Deandln war’n scho drin,

aber lauter roate.2

 

(= Zwischen N. und S. ist der Weg recht kotig; hübsche Mädchen wären schon drin, aber lauter rote.) Neben Noderwiechs und Sonnenwiechs (wo jedes Jahr das Fest der Brucker Bullen gefeiert wird) gibt es in Bruckmühl u. a. auch das Dorf Wiechs. Von ihm behauptet der Volksmund:

 

In Wiechs wachst nix.

 

„Wortspiel.“3Ein weiterer Ortsteil von Bruckmühl ist Högling, über den folgender Reim kursierte:

 

Höglinger Boschen

kriegt man 99 um 1 Groschen.4

 

„Höglinger Boschen“ war ein Ortsneckname für die Höglinger. Mit „Boschen“ bezeichnete man eigentlich einen Nadelholzstrauch (den Boschen). „Die Boschen“ stand dann für ein junges (Nadelholz-)Gebüsch. Da die Höglinger aber auch den Uznamen „Dornschleher“ führten, waren mit „Boschen“ wohl Schlehdornbüsche gemeint. In Högling hat man übrigens bis in die 50er-Jahre des vorigen Jhs. noch „gehögelt“. Es handelte sich dabei um eine Aufnahmeprozedur in die Dorfgemeinschaft. Neuhöglinger (z. B. Knechte, die den Dienstherrn gewechselt hatten) wurden am Kirchweihmontag dreimal hochgehoben und mit Wasser übergossen. Danach steckte man einen Lindenzweig in das Knopfloch ihrer Jacken. Dieser stammte von der über 1000-jährigen Dorflinde, die noch heute existiert.

 

▶ Der Markt Bruckmühl liegt im Unteren Mangfalltal. Der Ortsname geht auf die „Mühle zu Prugg“ zurück, die erstmals 1325 erwähnt wurde.

Burggen (Lkr. Weilheim-Schongau)

 

Burggener Streach

han Läus und Fleach!1

 

(= B. Streiche haben Läus’ und Flöh’!) Die Burggener verlachte man einst, ebenso wie die Thierhauptener bei Augsburg, als „Streiche“. Darunter verstand man früher grillenhafte Personen, Menschen mit sonderbarem Betragen. „Einen Streich haben“ bedeutete so viel wie „nicht ganz richtig im Kopf sein“.2

 

▶ Die Gem. Burggen ist Mitglied der VG Bernbeuren. Der Ort liegt im Lechrain, an der Römerstraße Via Claudia Augusta, die einst die Hauptstadt der Provinz Raetien, nämlich Augusta Vindelicorum (heute: Augsburg), mit Norditalien verband.

Burghausen (Lkr. Altötting)

 

Zwischen Ach, Weh, Kümmernis und Klausen

liegt das Schindernest Burghausen.1

 

Unter Schinder verstand man früher nicht nur den „Abdecker“ bzw. „Wasenmetzger“, sondern manchmal auch den Scharfrichter oder Henker. Es waren also die „Burghauser Stadtrichter, die seit 1591 Todesurteile verhängen durften“, welche „dafür sorgten, dass Burghausen in der Umgebung einen ganz besonderen Ruf erhielt. Innerhalb von 30 Jahren (1748–1776) wurden 1100 Todesurteile vollstreckt. Burghausen war ein ‚Schindernest‘ geworden, und ein Spruch ging damals um: ‚Zwischen Ach …‘“2 Eine um einen Ort erweiterte Variante war Zwischen Ach und Weh, Kreuz, Kümmernis und Klausen, liegt das Schindernest Burghausen.3 Später hat man den anrüchigen Terminus „Schindernest“, der dann offensichtlich auch nicht mehr zutraf, fallen gelassen und den Reim von einer despektierlichen Bemerkung zu einer rein geografischen Ortsbestimmung umfunktioniert: Zwischen Ach, Weh, Kreuz, Kümmerniß und Klausen, liegt Burghausen.4

Dazu bemerkte Johann Nepomuk Sepp im Jahr 1876: „Auf dem Maria Hilf- oder Kümmernißberg bei Burghausen, wo bis zum Anfang dieses Jhs. eine Kapelle dieser Heiligen stand, liegt ein großer Granitblock, welcher glaubhaft einst zu heidnischen Opfern diente. Die Bürger bauten 1858 das Kirchlein neuerdings auf dem Berge, der über die wundervollste Aussicht von der Zugspitz bis zum Arber, Rachel und Lusen im bayerischen Wald gebietet. Noch hat sich das Sprichwort erhalten: ‚Zwischen Ach …‘“5 (Sankt Kümmernis war übrigens eine fiktive Heilige, die der Legende nach ihr eigener Vater ans Kreuz hatte schlagen lassen. Der Schönheit war nämlich mit göttlicher Hilfe zur Abwendung einer unerwünschten Ehe ein Bart gewachsen.)

Eine weitere Version obigen Ortsreimes stammt aus Oberösterreich: Zwischen Ach und Weh, Kummeraus und Klausen,dazwischen liegt Burghausen.6 Dazu enthält Wanders Sprichwörterlexikon vom Jahr 1881 einen erläuternden Kommentar: „Ach wird mir als ein Pfarrdorf bezeichnet, das der baierschen Stadt Burghausen, von der es durch den Fluss getrennt ist, gegenüber liegt. Die Ortschaften Weh, Kummeraus und Klausen müssen in der Nähe … liegen.“7

Das ist in der Tat der Fall. Denn bei „Ach, Weh, (Heilig-) Kreuz, Kümmernis und Klausen handelt es sich um Ortsnamen aus der Umgebung bzw. heutigen Stadtteilen von Burghausen.“8 Dabei war in Weh die alte Richtstätte und an Klausen erinnert noch die Klausenstraße. Heilig Kreuz ist ebenfalls als Burghauser Straßenname erhalten. Hochburg-Ach liegt jedoch in Österreich.

 

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Abb. 3: Die Burg zu Burghausen mit stolzen 1043 Metern Länge

 

Dazu wäre anzumerken, dass das jetzt zu Oberösterreich gehörende Innviertel vor dem Frieden von Teschen im Jahr 1779 bayerisch war und für Burghausen ein wirtschaftlich wichtiges Hinterland bildete. Das heute oberbayerische Burghausen gehörte übrigens früher zu Niederbayern, und die ehemalige Residenz der Herzöge von Niederbayern ist mit einer Nord-Süd-Ausdehnung von 1043 m die längste Burg der Welt. In Burghausen sind aber angeblich auch kleinere Wohnstätten nicht zu verachten:

 

Auch in Burghausen ist gut wohnen.9

 

„Aus Allem geht hervor, daß das damals geläufige Sprüchwort nicht unrichtig war: ‚Auch in Burghausen …‘ Es will sagen: ist Burghausen auch die kleinste der bayerischen Hauptstädte, so wohnt man doch auch hier so angenehm, wie in jeder andern.“10 Bei diesen Ausführungen Hubers aus seiner Geschichte der Stadt Burghausen wäre noch zu ergänzen, was mit „Allem“ und „damals“ gemeint war. Letzteres verweist auf das 18. Jh. und mit „aus Allem geht hervor“ nahm er auf das vorher zu dieser Epoche Geschilderte Bezug. Dabei war er auf den florierenden „Gewerbe-Betrieb“ der Stadt eingegangen, in der u. a. Ringler, Windenmacher, Kornmesser, Glettmacher, Weißbierzäpfler und Chocolade-Sieder werkelten. Zudem beschäftigte allein das örtliche Spital im Jahr 1703 16 Dienstboten, die man in Altbayern „Ehhalten“ nannte. Darunter waren der vordere Baumann, der hintere Nachgeher, der große Rößl-Bub, der Ochsenknecht, das Khuchl-Mensch, die Mitterdirn und die Gras-Dirn.11

 

Wer vom Himmel fällt,

der soll in Burghausen fallen.12

 

„Schon anno 1828 sagte ein Staatsrat: ‚Ein gutmütigeres und fröhlicheres Völklein ist mir noch nie vorgekommen, als die Burghauser waren.‘ Daraus entstand das Sprichwort: ‚Wer vom Himmel fällt …‘“13 Bei dem besagten Staatsrat handelte es sich um Clemens von Neumayr.14 Für den Spruch dürften aber weniger die Wesenszüge der Burghauser als vielmehr die Reize der Landschaft ausschlaggebend gewesen sein. So heißt es z. B. bei Bronner: „Wegen der malerischen Lage des Ortes um die Burg hatte die niedliche Salzachstadt im Volksmunde einmal den Ehrennamen ‚Klein-Salzburg‘. Im Mittelalter wurde es ob seines milden, geschützten Klimas auch das bayerische Meran genannt.“15 Letzteres ist noch heute der Fall.

 

▶ Im Mittelalter hatte Burghausen als herzogliche Residenzstadt und Hauptumschlagplatz für das aus Hallein kommende „weiße Gold“ seine Blütezeit. Auf den mittelalterlichen Salzkähnen kann man heute als Tourist eine „Plättenfahrt“ unternehmen. Die Einwohner der Grenzstadt zu Österreich (die Grenze bildet die Salzach) heißen „Burghauser“.

Dachau (Lkr. Dachau)

 

Lieber Gott, mach mich stumm,

daß ich nicht nach Dachau kumm.1

 

Den Spruch prägte der Volksmund in Bayern bereits 1933 und nach dem „Anschluss“ Österreichs brachte er auch dort die Furcht vor drastischen Sanktionen bei Kritik am NS-Regime zum Ausdruck. Der Vers erfuhr dann noch spöttische Zusätze wie „Lieber Gott, mach mich taub, dass ich nicht am Radio schraub“ oder „Lieber Gott, mach mich blind, dass ich alles herrlich find“ bzw. „Bin ich blind, taub und stumm zugleich, bin ich reif fürs Dritte Reich.“

Der politischen Satire dienten seinerzeit auch bewusste Abwandlungen von populären Phraseologismen: Schweigen ist Gold, Reden ist Dachau.2Diese Warnung gab es im Volksmund noch in direkterer Form: Sei still, sonst kommst du nach Dachau! Dazu heißt es bei Körner: „Der Satz … wurde bald eine häufige Redensart.“3 Die ist aus dem nahen Niederbayern z. B. in folgender Form überliefert: Wenst nit staat bist, dann kimmst nach Dachau.4

In Dachau errichteten die Nationalsozialisten 1933 das erste „offizielle“ Konzentrationslager. Dass sie dieses in der Öffentlichkeit zur Abschreckung politischer Gegner groß herausstellten, dürfte mit zur Entstehung der einschlägigen Sprichwörter und Redensarten beigetragen haben. Heute befindet sich auf dem einstigen KZ-Gelände die Gedenkstätte Dachau.

 

▶ Die Große Kreisstadt Dachau, an der Amper gelegen, feierte 2005 ihr 1200-jähriges Stadtjubiläum. Wie Schloss Nymphenburg oder der Schlosskomplex Schleißheim war auch das Dachauer Schloss auf dem Schlossberg eine Sommerresidenz der Wittelsbacher. Der dortige Englische Garten mitsamt der Lindenalleee zählt heute mit zu Dachaus Sehenswürdigkeiten. Im Rahmen des Dachauer Volksfestes wird in ungeraden Jahren der „Dachauer Kinderfestzug“ abgehalten, bei dem über 500 Kinder in farbenprächtigen Kostümen durch die Altstadt ziehen.

Denkendorf (Lkr. Eichstätt)

 

Zandt und Bitz –

sind nichts nütz;

Bitz und Zandt –

sind bekannt.1

 

Ein anderer Reim präzisiert, in welcher Hinsicht die beiden „bekannten“ Orte „nichts nütz“ sind: Ein Weib von Zandt und eine Kuh von Bitz – sind all’ beid nichts nütz.2In einer Variante ist dann Bitz gegen Kasing (→ Kösching) ausgetauscht worden: Von Zandt ein Weib und von Kasing eine Kuh – der Mann hat Plag g’nu.3Zandt und Bitz, die Bronner 1911 als „2 Juradörflein bei Kipfenberg“ apostrophierte, sind heute Ortsteile von Denkendorf. Zu Bronners Zeiten gehörten sie noch zu Mittelfranken. Im Zuge der Gebietsreform in Bayern kam dann der Landkreis Eichstätt zu Oberbayern.