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Valea Summer

Christmas Love

Ein Kuss zu Weihnachten





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Impressum

 

Christmas Love – Ein Kuss zu Weihnachten

Romance

©2016 Valea Summer

 

 

Umschlaggestaltung: Designs und Cover - Linda Woods

Bildmaterial: ©shutterstock.com

Korrektorat: Sandra Nyklasz

Text, Lektorat: Valea Summer

 

 

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte liegen beim Autor. Vervielfältigung, Übersetzung und Einspeicherung sind für Bild und Text untersagt.

Ähnlichkeiten mit Personen des realen Lebens, ganz gleich ob lebendig oder tot, sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Widmung

 

 

Für alle Weihnachtsmänner, Engel und Elfen unter uns.

Für alle, die Weihnachten lieben und Besinnlichkeit im Herz tragen.

 

Ich wünsche euch frohe Weihnachten.

 

 

Eins

 

Eine perfekt geformte Schneeflocke fiel auf meine Nasenspitze und brachte mich für einen kurzen Augenblick zum Schielen. Das Gesicht nach oben gewandt, sah ich in den Nachthimmel, dessen Sterne von dicken Wolken verschluckt wurden. Dafür fielen unzählige, kleine Schneeflocken auf mich herab. Sie landeten auf meinem Gesicht und blieben in den lockigen Haaren hängen, die unter der Wollmütze hervorlugten. Ich liebte diese Jahreszeit. Ich liebte den Winter mit all seinen Facetten, besonders um die Weihnachtszeit herum.

Es lag nicht an dem Schnee, der die Landschaft in ein glitzerndes Weiß tauchte und in eine angenehme Stille hüllte. Es lag nicht an den vielen Lichtern, die überall die Bäume und Häuser schmückten. Das alles waren Nebensächlichkeiten, die ich an der Weihnachtszeit liebte. Meine Liebe zum Fest ging tiefer. Um diese Zeit hatte ich die schönsten Momente meines jungen Lebens verbracht. Weihnachten wurde nicht ohne Grund das Fest der Liebe und Besinnlichkeit genannt. Ein warmes Gefühl schlich sich in die Herzen der Menschen, damit sie ihre Sorgen für eine Weile vergessen konnten. Auch mir war es so ergangen. Bis vor einem Jahr.

Für einen Augenblick schloss ich die Augen und konnte die Leichtigkeit der Schneeflocken auf den Lidern fühlen. Wie Federn gleich lagen sie auf der dünnen Haut, deren Wärme sie in Sekunden zum Schmelzen brachte. Sie waren ebenso vergänglich wie das Leben. Ich dachte zurück an das letzte Weihnachtsfest. Zurück an die Zeit, in der ich nicht glücklicher hätte sein können.

An jenem Tag, der für uns der schönste im Jahr hätte werden sollen, hatte die Welt aufgehört sich zu drehen. Mit einem Mal hatte sie stillgestanden. Alles, wirklich alles, war an diesem Tag aus den Fugen geraten. Plötzlich war da keine Besinnlichkeit mehr, keine Liebe und keine freudigen Gesichter. Da waren nur noch Trauer und Leere, die mein Herz erfüllten. Dieser Schmerz machte mich blind gegenüber der Schönheit des Winters. Ich nahm nur noch einen Schleier aus Schwarz und Grau wahr.

Hals über Kopf war ich geflohen. Vor meiner Heimat, meiner Vergangenheit, vor meinen Gefühlen und vor allem vor dem Schmerz. Ich hatte es nicht mehr ausgehalten. Nicht, wenn mich alles an Mary erinnerte. Sie war nicht nur meine beste Freundin gewesen. Sie war wie eine Schwester für mich. Sie bedeutete mir die Welt, so sehr hatte ich sie geliebt. Das tat ich noch. Nun war sie fort. Aus der Welt gerissen. Von dem einen auf den anderen Tag war sie mir genommen worden. Noch immer konnte ich es nicht verstehen. Warum? Warum tat Gott so etwas? Warum beendete er ein so junges Leben? Warum gerade sie? Sie war so glücklich gewesen mit ihrem Freund, dass sie sogar erwogen hatte zu heiraten. Das war ihr nun nicht mehr vergönnt.

Heiße Tränen liefen über die kühle Haut meiner Wangen und verfingen sich in dem dicken Wollschal um meinen Hals. Von schweren Schluchzern geschüttelt, setzte ich mich auf eine schneebedeckte Bank, die neben einer eisernen Laterne stand. Das Gesicht hinter den Händen verborgen, ließ ich den Tränen freien Lauf. Zu lange hatte ich sie zurückgehalten. Mary fehlte mir so unwahrscheinlich, dass ich kaum noch Luft bekam.

Zwanzig Jahre war es her, dass sie mit ihren Eltern neben uns eingezogen und meine beste Freundin geworden war. Seither waren wir unzertrennlich gewesen. Sie war immer für mich da gewesen. Selbst jetzt noch konnte ich spüren, dass sie bei mir war. Ich glaubte, die seidenen Federn ihrer Schwingen zu fühlen, wenn es mir wieder mal den Boden unter den Füßen wegzerrte. Sie war mein Engel. Sie gab auf mich Acht. Ein leichtes Lächeln huschte über mein Gesicht und trocknete die Tränen. Selbst nach ihrem Tod spendete sie mir Trost und gab mir die Kraft, mein Leben weiterzuleben.

Ja. Ich hatte richtig entschieden. Es war an der Zeit, nach Hause zu kommen. Viel zu lange hatte ich meiner Familie und meinen Freunden den Rücken zugekehrt. Sie wussten weder, wo ich wohnte, noch, ob ich zurückkehren würde. Ich wusste zwar, dass mir keiner die Auszeit übelnehmen würde, trotzdem war es nicht fair gewesen. Ich hatte Zeit gebraucht, um meinen Weg wiederzufinden, aber das war alles andere als nach Plan verlaufen. Ich war kein bisschen über meine beste Freundin hinweggekommen. Und nun, da ich meine Familie zu Weihnachten besuchen wollte, saß ich hier fest. Mitten im verschneiten London.

Seufzend stieß ich den Atem aus, der kleine Wölkchen in der kalten Nachtluft bildete. In den letzten zwei Wochen hatte es so viel geschneit, dass die Flugzeuge nicht mehr flogen. Selbst im Bus- und Bahnverkehr musste der Betrieb eingestellt werden, weil die Fahrzeuge nicht von einem Ort zum anderen kamen. Mittlerweile war ein Großteil der Straßen Londons freigeräumt worden, sodass man sich wenigstens mit dem Auto fortbewegen konnte. Ein Auto besaß ich leider nicht, weshalb ich auch nicht aus London herauskam. Dabei wollte ich nicht nur meine Eltern überraschen, sondern auch Marys Familie.

Ich vermisste sie. Ich vermisste die gemeinsamen Abende sowie die unzähligen Feiern mit unseren Familien. Das alles hatte in dem Augenblick geendet, als Mary uns alleingelassen hatte. Es hätte ihr sicher nicht gefallen, dass wir getrennte Wege gingen, aber sie konnte nichts tun. Sie war nicht hier. Wir alle hatten unsere Zeit gebraucht, Zeit, um zu trauern und sich an den Schmerz zu gewöhnen. Er würde niemals vergehen, dessen war ich mir bewusst. Denn es tat heute noch genauso weh wie vor einem Jahr.

Wenn ich im Nachhinein darüber nachdachte, ob es richtig gewesen war, alles hinter sich zu lassen, konnte ich nicht sagen, ob es das wirklich war. Ich hatte versucht, mein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen und auf eigenen Beinen zu stehen. Dabei hatte ich Mary nie vergessen. Ich tat es, weil sie nicht gewollt hätte, dass ich mich so hängenließ. Ihretwegen zwang ich mich dazu, nach vorne zu schauen, um nicht in der Trauer zu ertrinken.

Instinktiv legte ich die Hand an mein Dekolleté. Dorthin, wo unter meinem Pullover der Herzanhänger von Mary ruhte. Das letzte Geschenk, das ich von ihr zu Weihnachten bekommen hatte.

»Cailin?« Eine Stimme, die sich von der Kälte etwas rau anhörte, erklang neben mir.

Langsam drehte ich den Kopf nach links, woher die Stimme kam. Ich erkannte einen stattlichen Mann in meinem Alter, der mich mit erhobenen Brauen ansah. Durch den warmen Schein der Laterne, der mich blendete, konnte ich nicht erkennen, um wen es sich handelte – zumal ich in London niemanden kannte. Vielleicht hatte er mich auch mit jemandem verwechselt. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass dies zutraf, war relativ gering. Immerhin hatte er mich direkt angesprochen.

»Cailin?«, wiederholte er leise meinen Namen. Es klang so vertraut, dass sich unwillkürlich eine Gänsehaut auf meinem Körper ausbreitete. Der Klang seiner Stimme, die sich scheinbar von Natur aus etwas heiser anhörte, kam mir bekannt vor. Ich konnte mich nur nicht erinnern. Mein Gefühl sagte mir, dass ich etwas verdrängte, das nun langsam wieder an die Oberfläche geriet. Mit aller Mühe kämpfte es sich nach draußen, bis mein Herz eine Sekunde lang aussetzte. Plötzlich war mit bewusst, mit wem ich es zu tun hatte.

»Logan.«