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Liv Hoffmann

Ein Sack voll Probleme

Liebesroman





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Kapitel 1

Die Notaufnahme des St. Alberts Hospital ist komplett überfüllt. Noch ein paar Menschen mehr, und man könnte noch nicht einmal mehr umfallen.

Ich ziehe scharf die Luft durch meine Zähne, während mein Blick auf Blake fällt, der mich vor zwei Stunden, sechsunddreißig Minuten und achtundvierzig Sekunden hier her gebracht hat.

„Du musst nicht die ganze Zeit hier warten – ehrlich!“ Ich versuche meinen Kopf zu drehen, doch die provisorisch angelegte Halskrause lässt mir nicht viel Spielraum. Ich wurde bereits geröntgt und nun warte ich mehr oder weniger geduldig darauf, dass irgendein Arzt Zeit hat, um die Ergebnisse mit mir zu besprechen. Es scheint sich zumindest um keine ernsthafte Verletzung zu handeln, denn sonst, so rede ich mir ein, würden sie mich bestimmt nicht hier schmoren lassen. Wäre ein Wirbel angeknackst befände ich mich sicher schon längst in einem Behandlungsraum. Blake hebt den Kopf und betrachtet mich mit schuldbewusster Miene. „Auf gar keinen Fall lasse ich dich allein! Immerhin ist es meine Schuld, dass du jetzt dieses“, sein Blick streift das Plastik, welches verhindert, dass ich mich wie ein normaler Mensch bewegen kann, „…Ding tragen musst.“ Er seufzt. „Hätte ich dich nicht darum gebeten auf die Leiter zu steigen, wäre das alles nicht passiert.“

Ich seufze ebenfalls und lege ihm meine Hand auf das Knie. „Du kannst nichts dafür“, versuche ich abzuwiegeln. „Unfälle passieren.“

 

Ich war von der Leiter gefallen, als ich Blake dabei half, seinen Laden weihnachtlich zu dekorieren. Vielleicht lag es an meinen Schuhen, oder der Tatsache, dass ich mich zu weit nach rechts gelehnt hatte. Ich kann mich an den Sturz selbst nicht mehr erinnern. Plötzlich fand ich mich mit schmerzendem Rückgrat auf dem Linoleumboden wieder und blickte in Blakes erschrockene, von extremer Besorgnis gezeichnete Miene.

Blake ist mein bester Freund und Inhaber eines ziemlich angesagten Geschenkladens im noch angesagteren Stadtteil Soho. Ich arbeite dort als Aushilfe und bin ihm wirklich extrem dankbar dafür, dass er mir diesen Job gegeben hat. Leider kann ich von den Einnahmen meiner wöchentlichen Kolumne für ein Lifestyle Magazin allein nicht leben. Nicht in New York City. Wer nicht zufällig reich geboren wird, oder anderweitig zu sehr, sehr viel Geld kommt, braucht zwangsweise mehrere Jobs.

Ich hoffe innerlich auf ein Wunder, denn morgen muss ich unbedingt wieder einigermaßen fit sein. Da habe ich ein Vorstellungsgespräch für einen weiteren Nebenjob. Und ich will diesen Job unbedingt. Es klingt nach Spaß, bei guter Bezahlung - Weihnachtself an der Seite von Santa Clause in der Mall am Columbus Circle. Das setzt natürlich voraus, dass meine Wirbelsäule nicht ernsthaft Schaden genommen hat.

 

„Ich geh mir Kaffee holen“, informiert mich Blake und erhebt sich von seinem Stuhl. „Willst du auch was?“

Ich presse die Lippen zusammen und versuche den Kopf zu schütteln. „Nein danke. Aber ich werde deinen Platz bewachen“, erkläre ich. Immerhin ist es ziemlich mutig von ihm, in Anbetracht des komplett überfüllten Wartezimmers seinen Stuhl zu verlassen. Ich muss seit dreißig Minuten aufs Klo, wage es aber nicht, aufzustehen. Zumal ich weiß, dass Blake zu gutmütig ist, um jemanden von meinem Platz zu verscheuchen. Und weil ich keine Lust habe, hinterher herumzustehen, nehme ich lieber eine volle Blase in Kauf. Sofort ruhen ein Dutzend Augenpaare auf mir. Abschätzig betrachten mich einige der Mitwartenden. Wahrscheinlich wägen sie ab, ob sie sich für einen Sitzplatz mit mir anlegen sollen. Ich verenge meine Augen und lasse meinen Blick langsam schweifen. Damit signalisiere ich ihnen sofort: vergesst es! Dieser Stuhl ist besetzt!

Offenbar zeigt meine kampflustige Miene Wirkung, denn niemand versucht, mir den Platz abspenstig zu machen.

 

Ich klappe meine Handtasche auf, weil mein Handy anfängt zu vibrieren. Leider flutscht mir das blöde Teil aus den Fingern und fliegt scheppernd zu Boden. Scheiße!

Einen Moment lang bin ich versucht, lautlos zu fluchen. Doch dann besinne ich mich und versuche all meine Kraft darauf zu verwenden, es trotz steifen Nackens und schmerzender Wirbel vom Boden zu fischen.

Keuchend lasse ich mich nach rechts rutschen und mache meinen rechten Arm so lang es geht. Mit den Fingerspitzen fummele ich auf dem Boden herum, bis ich das kühle Plastik des Gehäuses zu spüren bekomme. Stöhnend, weil der Schmerz meinen Rücken durchzuckt ziehe ich langsam den Arm nach oben, als sich jemand neben mir mit einem lauten Schnaufer auf den Stuhl fallen lässt.

Das klingt nicht nach Blake. Leider kann ich meinen Kopf nicht drehen und so richte ich mich erst umständlich wieder auf, um dann meinen Oberkörper in die Richtung zu drehen, aus der der Schnaufer gekommen war. Im Augenwinkel sehe ich einen Mann, etwa in meinem Alter. Er hat einen Bartschatten und hellbraunes Haar. Soviel kann ich erkennen, wenn auch ein wenig verschwommen. Er tippt auf seinem Telefon herum und scheint keine Notiz von mir zu nehmen.

 

„Ähm …“, beginne ich und muss mich räuspern, weil meine Stimme plötzlich ganz kratzig ist. „Entschuldigen Sie … aber …“

Mein Sitznachbar scheint zu bemerken, dass er angesprochen wird und dreht den Kopf. Er hebt erstaunt seine Brauen, als sein Blick an mir herunterwandert und sein Mundwinkel zuckt für den Bruchteil einer Sekunde – fast belustigt. „Aber was?“, fragt er und der ruhige Klang seiner Stimme versetzt mein Trommelfell in angenehme Schwingung. Es dauerte einige Sekunden, bis ich mich wieder auf mein Anliegen besinnen kann. „Sie … äh, der Platz neben mir ist eigentlich schon besetzt.“ Irgendwie ist es mir plötzlich unangenehm, ihn wieder verscheuchen zu müssen.

„Ach wirklich?“ Er blickt sich suchend um. „Aber … gerade saß doch gar niemand hier.“

„Ja, äh … mein Freund Blake holt sich gerade einen Kaffee … wenn Sie dann so freundlich wären …“ Ich blicke ihm auffordernd in die braunen Augen. Es fällt mir schwer, seinem prüfenden Blick stand zu halten. In meinen Schläfen beginnt es zu pochen.

Zu meinem Erstaunen reagiert der Fremde nicht wie erwartet. Eigentlich war ich fest davon ausgegangen, dass er sich mit einem Satz wie „Oh, tut mir leid, ich wusste nicht, dass dieser Platz schon besetzt war“, entschuldigen und wieder aufstehen würde. Stattdessen glaube ich, ein herausforderndes Blitzen in seinen Augen aufflackern zu sehen.

„Nun ja“, erwidert er, „Wenn ihr Freund wieder zurück kommt, kann er das ja selbst mit mir klären.“

Völlig perplex blinzle ich ein paar Mal und sehe ihm dabei zu, wie er seine Aufmerksamkeit wieder auf sein Telefon richtet. Die Blicke aller Anwesenden brennen auf mir. Ich fange an, auf meiner Unterlippe zu kauen.

Gerade, als ich nach Luft schnappe, um diesen unverschämten Kerl in die Schranken zu weisen, meldet sich meine Blase mit einem unnachgiebigen Stechen. Oh verdammt!

Ich schlage die Beine übereinander und kralle meine Finger in die gepolsterten Armlehnen. Vorsichtig schiele ich zu den Schildern, die die Toiletten am Ende des Flurs ausweisen.

Nein, nein, nein! Ich kann jetzt nicht nachgeben. Nach der frechen Einlage meines neuen Sitznachbarn ist mir klar, dass mein Platz definitiv besetzt sein wird, wenn ich zurück komme! Nervös trommle ich mit den Fingern auf der Armlehne herum und starre zur Tür. Wo bleibt denn nur Blake?! Wie lange kann es dauern, sich einen Kaffee zu besorgen? Allein beim Gedanken an das Wort Kaffee, treten mir Schweißperlen auf die Stirn und der Druck in meinem Unterleib wird unerträglich.

Endlich betritt Blake das Wartezimmer. Er hält einen Pappbecher in der einen und ein Snickers in der anderen Hand. Normalerweise hätte ich ihm den Schokoriegel sofort entrissen, aber im Moment bin ich noch nicht einmal mehr in der Lage zu sprechen. Ich grapsche nach meiner Handtasche, stemmte mich, meinen protestierenden Rücken ignorierend hoch, und rausche an meinem verdutzt dreinblickenden Kumpel vorbei.

 

Was für eine Erlösung! Mit einem erleichterten Seufzer verlasse ich die Toilettenkabine und wasche mir die Hände. Während ich mein Spiegelbild eingehend mustere, wird mir klar, warum der Typ neben mir ein Schmunzeln kaum unterdrücken konnte. Ich sehe zum Fürchten aus. Meine hellbraunen Haare stehen nach allen Seiten ab und Dank der Halskrause sieht es so aus, als ruhe mein Kopf direkt auf meinen Schultern. Auf meiner weißen Bluse prangt ein gelber Fleck des Honig-Senf-Dressings von meinem Salat, den ich heute zu Mittag gegessen habe.

Plötzlich werde ich von meinen Gefühlen überrollt. Mir zum Heulen zumute. Ich will nur noch nach Hause, in mein Bett, und mir die Decke über den Kopf ziehen. Na ja, ehe ich mir die Bettdecke über den Kopf ziehe, würde ich vielleicht noch einen klitzekleinen Becher Ben & Jerrys Caramel Chew Chew verdrücken.

Ich seufze tief und laufe steif zurück ins Wartezimmer.

Blake - der mit Sicherheit wie immer jedem Ärger aus dem Weg gehen wollte, und sich auf meinem Stuhl niedergelassen hat - und der Fremde neben ihm sehen fast zeitgleich zu mir auf. Sofort springt mein bester Freund auf, um mir den Platz frei zu machen, doch ich halte meinen Blick fest auf den dreisten Kerl gerichtet, der noch immer keine Anstalten macht, aufzustehen.

„Es sieht nicht so aus, als hätten Sie irgendwelche körperlichen Beeinträchtigungen, die es nötig machen, diesen Stuhl zu beanspruchen“, spreche ich ihn betont freundlich an. Eigentlich hätte ich jetzt den Kopf schief gelegt, um meine Worte zu unterstreichen aber … na ja.

Die Mundwinkel des Fremden zucken nach oben. Langsam, fast schon wie in Zeitlupe steht er auf und steht dann so nah vor mir, dass ich seinen Atem (der nach Zuckerstangen riecht?!?!) an meiner Wange spüre.

„Vielleicht“, erwidert er fast flüsternd mit Reibeisenstimme und verengt die Augen, „mag es ja für Außenstehende wie Sie nicht offensichtlich sein, dass mir ein zehnjähriger Bengel ohne Vorwarnung sein Knie zwischen meine Beine gerammt hat und mir das aufrechte Stehen seit etwa einer Stunde ziemlich schwer fällt, aber wenn Sie mir nicht glauben, folgen Sie mir gern auf die Herrentoilette und ich zeige Ihnen meine Hoden, die in mehreren Lilaschattierungen leuchten.“

Bitte was?! Ich vergesse zu atmen und starre mein Gegenüber mit hängender Kinnlade und geweiteten Augen an. Hat er mir gerade tatsächlich die Farbe seiner Hoden beschrieben und mir angeboten … sie mir zu zeigen?!

„Ich … äh …“, höre ich mich stammeln, als eine Krankenschwester den Raum betritt und sich suchend umsieht.

„Gemma Parker?“

Obwohl es mein Name ist, den sie fragend durch den Raum ruft, bin ich nicht in der Lage zu antworten.

Ich spüre, wie sich eine Hand auf meinen Rücken legt, dann erklingt Blakes Stimme an meinem Ohr. „Na komm Gem – du bist dran!“ Er drückt er mir den Schokoriegel in die Hand und schiebt mich sanft aber bestimmt aus dem Raum.

 

Während ich der Schwester ins Behandlungszimmer folge, wartet Blake auf dem Flur auf mich. Es dauerte noch ein paar Minuten, bis sich endlich ein Arzt blicken lässt.

Als sich aber endlich die Tür öffnet, setzt mein Herz ein paar Takte lang aus.

Wow!, denke ich, als mir Dr. Mason (so stellt er sich vor) die Hand schüttelt und meine Knie mit seinem strahlenden Grübchenlächeln weich werden lässt. Wenn sich da mal nicht das Warten gelohnt hat! Sofort habe ich den Fremden und seine lila Hoden komplett vergessen.

„Entschuldigen Sie bitte, dass es derart lang gedauert hat. Aber heute ist hier die Hölle los.“ Dr. Mason lacht kopfschüttelnd. „Das ist typisch in der Vorweihnachtszeit – Brandwunden, Stürze, Alkoholvergiftungen … als würden die Leute mit Beginn des Advents ihren Verstand ausschalten.“ Er wirft einen Blick auf meine Röntgenbilder und die Patientenakte. „So, nun aber zu Ihnen Gemma. Die gute Nachricht vorweg: es ist nichts gebrochen.“

Gott sei Dank!

„Die schlechte Nachricht ist, Sie werden dieses Ding um ihren Hals noch ein paar Tage tragen müssen. So leid es mir tut.“ Dabei legt er seine Stirn in Falten und sieht mich an, als wäre es tatsächlich seine Schuld. Ich spüre, wie meine Wagen beginnen zu brennen. Himmel! Dieser Kerl ist ja zum Anbeißen! Ganz automatisch fange ich an zu nicken. „Na gut, wie Sie meinen“, höre ich mich sagen. Wahrscheinlich hätte Dr. Mason in diesem Moment von mir verlangen können, in einen Ganzkörpergips zu schlüpfen – ich hätte es getan.

Als mir klar wird, wie sehr ich ihn anschmachte, rufe ich mich innerlich zur Vernunft! Himmelherrgott Gemma! Reiß dich gefälligst zusammen, du bist doch kein neunzehnjähriges Girlie mehr!

 

Die Tür öffnet sich und die Krankenschwester, die mich vorhin in den Raum gebracht hat, kommt herein.

„Kelly“ Dr. Mason schenkt auch ihr ein Zahnpastalächeln. „Geben Sie Miss Parker doch bitte ein paar Schmerztabletten mit.“ Er wendet sich mit einem Zwinkern wieder an mich. „Damit sollten Sie die nächsten Tage ganz gut überstehen.“

Nachdem Dr. Mason sich von mir verabschiedet und den Raum verlassen hat, streckt Blake seinen Kopf durch den Türspalt. Er verengt prüfend die Augen und grinst so breit, wie die Katze aus Alice im Wunderland.

„Na? Hat dich Dr. McDreamy ordentlich behandelt?“, fragt er mit einem zweideutigen Unterton in der Stimme. Ich rolle die Augen und sehe Blake seufzend an. „Du kannst es einfach nicht lassen, oder?“

„Was denn?“, fragt er scheinheilig.

„In jedem Kerl in meiner unmittelbaren Umgebung einen potenziellen Kandidaten zu sehen“, erwidere ich streng und greife nach meiner Handtasche.

„Na ja“ Blake zuckt mit den Schultern. „Jules´ Hochzeit ist in drei Wochen und du hast immer noch keinen Begleiter“, erinnert er mich an meine Misere. Eigentlich liebe ich an ihm, dass er so eine ehrliche Haut ist. Aber jetzt gerade verspüre ich den Drang, ihn zu würgen.

Jules, meine Schulfreundin aus Kindheitstagen und gemeinsame Freundin von Blake und mir, heiratet. Nicht irgendwann, nein, am 31. Dezember. Ja genau, an Silvester. Und ich schwöre, als vor einem dreiviertel Jahr die Einladung im Briefkasten lag, war ich noch nicht so verzweifelt wie jetzt. Damals hing der Himmel um mich herum nämlich noch voller Geigen. Na ja, fast jedenfalls. Einige Geigen wiesen zwar schon ordentlich Gebrauchsspuren und gerissen Saiten auf, aber dass sich Peter drei Wochen später von mir trennte, erschütterte mein bisheriges Dasein bis in die Grundmauern. Obwohl Blake schwört, dass ich es eigentlich hätte kommen sehen müssen, traf es mich so unvermittelt, dass es bis vor Kurzem gedauert hat, mich davon zu erholen.

Nun zu meinem Dilemma: Peter ist der Trauzeuge von Jules zukünftigem Ehemann Will. Ich wiederum bin Jules Trauzeugin. Ergo gibt es keine Möglichkeit, sich vor diesem Termin zu drücken. Nicht ansatzweise – und ich habe genug über verschiedene Szenarien gegrübelt. Also kam Blake auf die brillante Idee, Peter so richtig eins auszuwischen, indem ich am Tag der Hochzeit mit einem Begleiter auftauche, der meinen Ex-Freund neben sich wie Hänschen Klein aussehen lässt.

Soviel zu dem Plan. Allerdings muss ich zugeben, es hörte sich aus Blakes Mund einfacher an, als es ist, einen Begleiter für diesen Tag zu finden. Und ich habe weiß Gott schon einiges ausprobiert. Am Ende war ich sogar so verzweifelt, dass ich Blake erlaubte, mir in einem der unzähligen Online-Dating-Portalen ein Profil anzulegen.

Doch auch damit konnte ich keinen einzigen Erfolg verbuchen. Die Typen mit denen ich mich traf, waren entweder viel zu alt, viel zu jung oder viel zu pervers.

 

Ich atme tief seufzend aus, als wir uns auf dem Weg zum Parkplatz machen. „Kannst du denn nicht einfach mein Begleiter sein und wir vergessen den ganzen Quatsch von wegen Peter eins reinzuwürgen und so?“, frage ich Blake, schmiege mich wie ein Kätzchen ein seine Schulter und schnurre ein bisschen.

Er streicht mir liebevoll über das Haar und schüttelt bedauernd den Kopf. „Sorry Süße, aber ich habe bereits meine Begleitung und du weißt, dass ich bei dem knackigen Barkeeper unbedingt landen will.“

„Ja“, gebe ich murrend klein bei und steige neben ihm auf den Beifahrersitz. „Aber falls er dich kurzerhand sitzen lässt und ich niemanden finde, dann gehen wir beiden zusammen hin, oder?“

„Natürlich Gemma-Maus“, erwidert Blake und ich weiß, er sagt das nur, damit ich Ruhe gebe.

 

Nachdem Blake mich zuhause abgesetzt hat (ich bewohne ein Ein-Zimmer-Apartment in der Lexington Avenue in Manhattan für schlappe 2000 $ im Monat) überkommt mich eine bleierne Müdigkeit. Kaum betrete ich mein 40 m² kleines Reich, begrüßt mich meine Katze Marshmallow, die so weiß und fluffig ist, wie die leckere Süßigkeit. Schnurrend streicht sie um meine Beine und sagt mir mit leisem Maunzen Hallo. Ich kraule ihren weichen Kopf, doch als ich in die Küche gehe und ihre Futterschale auffülle, bin ich schon wieder uninteressant für sie.

Ich bin mir nicht sicher, ob es an der Aufregung liegt, oder den Schmerzmitteln, aber mit einem Mal verspüre ich den unbändigen Drang, den Krankenhausschmutz von mir abzuwaschen und zwischen meine Laken zu kriechen. Draußen ist es bereits dunkel (so dunkel es mitten in der Stadt eben sein kann) und so verliere ich keine Zeit, ins Bad zu kommen. Die Halskrause nehme ich kurz ab, lege sie mir nach der warmen Dusche sofort brav wieder an. Wie lange soll ich das Ding tragen? Ein paar Tage? Während ich mir die Zähne putze grüble ich darüber nach, wie viel ein paar Tage denn sind. Drei? Vier?

Ohne zu einer Erkenntnis zu kommen, krabble ich in mein Bett und ziehe mir die Decke bis zum Kinn. Zum Glück bleibt mir wenigstens erspart, damit auf Jules Hochzeit aufzutauchen. Mit der Vorstellung von mir, in meinem sanft fließendem, roséfarbenen Trauzeuginnenkleid, edler Hochsteckfrisur und Halskrause, gleite ich langsam in einen unruhigen Schlaf.