Haupttitel

Liebesbriefe großer Männer

ewig Dein,
ewig mein,
ewig uns
Herausgegeben von Sabine Anders und Katharina Maier
marixverlag
Impressum
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ISBN: 978-3-8438-0009-9
 
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Inhalt

Plinius der Jüngere (um 61-115)

an seine Frau Calpurnia

Epistula 6,4: Gaius Plinius grüßt seine Calpurnia

Epistula 6,7: Gaius Plinius grüßt seine Calpurnia

Epistula 7,5: Gaius Plinius grüßt seine Calpurnia

Pietro Bembo (1470-1547)

an Lucrezia Borgia

Martin Luther (1483-1546)

an seine Frau Katharina (Herr Käthe)

Voltaire (François-Marie Arouet) (1694-1778)

an Marie-Louise Denis

Johann Joachim Winckelmann (1717-1768)

an Friedrich Reinhold von Berg

Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803)

an Maria-Sophia Schmidt (Fanny) und Margaretha Moller (Clärchen)

an Maria-Sophia Schmidt

an Margaretha Moller / Klopstock

Meta an Klopstock

Klopstock an sein »Clärchen«

Meta an Klopstock, kurz vor ihrem Tod im Kindbett

Grigori Potjomkin (1739-1791)

an Katharina die Große

Brief an Katharina die Große mit Marginalien der Kaiserin

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

an Friederike Brion, Charlotte von Stein, Christiane Vulpius und Marianne Willemer

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)

an seine Braut / Frau Konstanze

an die Braut

an die Frau

Friedrich von Schiller (1759-1805)

an Charlotte Lengefeld, seine spätere Frau

Wilhelm von Humboldt (1767-1835)

an seine Braut / Frau Caroline und an Johanna Motherby

an Caroline von Dacheröden

Caroline an Humboldt

Humboldt an Johanna Motherby

Napoleon Bonaparte (1769-1821)

an Kaiserin Joséphine

Ludwig van Beethoven (1770-1827)

an die »Unsterbliche Geliebte« und an Bettina Brentano / von Arnim

an die »Unsterbliche Geliebte«

an Bettina Brentano / von Arnim

Friedrich Hölderlin (1770-1843)

an Louise Nast und Susette Gontard (Diotima)

an Lousie Nast

Diotima an Hölderlin

Hölderlin an Diotima

Diotima an Hölderlin

Hölderlin an Diotima

Friedrich Creuzer (1771-1858)

an Karoline von Günderrode

Karoline von Günderrode an Creuzer

Creuzer an Karoline von Günderrode

Heinrich von Kleist (1777-1811)

an Wilhelmine von Zenge und Henriette Vogel

an Wilhelmine von Zenge

an Henriette Vogel

Henriette an Kleist

Clemens Brentano (1778-1842)

an Sophie Mereau, Karoline von Günderrode und Achim von Arnim

an Karoline von Günderrode

an Achim von Arnim

Achim von Arnim (1781-1831)

an Bettina Brentano (Bettine)

Bettine an Arnim

Arnim an Bettine

Bettine an Arnim

George Gordon, Lord Byron (1788-1824)

an Isabella Milbanke, Augusta Leigh und Teresa Guiccioli3

an Isabella Milbanke

an Augusta Leigh

Franz Grillparzer (1791-1872)

an Katharina Fröhlich

Percy Bysshe Shelley (1792-1822)

an Harriet Shelley, Mary Godwin und Emilia Vivani4

an Harriet

Shelley an Mary Godwin

Auszüge aus den Briefen an Emilia Vivani, geschrieben zwischen Dezember 1820 und Januar 1821:

John Keats (1795-1821)

an Fanny Brawne

Heinrich Heine (1797-1856)

an Mathilde Heine (Nonotte) und Elise Krienitz (die Mouche)

an Mathilde Heine

an Elise Krienitz (die Mouche)

Alexander Puschkin (1799-1837)

an seine Frau Natalja Puschkina

Briefentwurf an seine Braut

an seine Frau

Christian Dietrich Grabbe (1801-1836)

an Louise Christiane Clostermeier

Victor Hugo (1802-1885)

an Juliette Drouet

Adalbert Stifter (1805-1868)

an Franziska Greipl und Amalia Stifter

an Franziska Greipl

an Amalia Stifter

Edgar Allan Poe (1809-1849)

an Sarah Helen Whitman

Robert Schumann (1810-1856)

an Clara Wieck / Schumann

Clara an Robert

Robert an Clara

Franz Liszt (1811-1886)

an Marie Gräfin d’Agoult und Carolyne Sayn-Wittgenstein

an Marie d’Agoult

Marie d’Agoult an Liszt

Liszt an Carolyne Sayn-Wittgenstein

Richard Wagner (1813-1883)

an Mathilde Wesendonck

Otto von Bismarck (1815-1898)

an Johanna von Puttkammer

Theodor Storm (1817-1888)

an Berta von Buchau

Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha (1819-1861)

an Königin Victoria

Theodor Fontane (1819-1898)

an seine Frau Emilie

Gottfried Keller (1819-1890)

an Luise Rieter

Lev Tolstoj (1828-1910)

an seine Frau Sophia

Mark Twain (Samuel Langhorne Clemens) (1835-1910)

an Olivia Langdon

Peter Tschaikowsky (1840-1893)

an Nadeshda Philaretowna von Meck

Oscar Wilde (1854-1900)

an Lord Alfred Douglas (Bosie)

Arthur Schnitzler (1862-1931)

an Adele Sandrock (Dilly)

Adele Sandrock an Schnitzler

Enrique Granados (1867-1916)

an seine Frau Amparo (Titin)

Rainer Maria Rilke (1875-1926)

an Lou Andreas-Salomé und Magda von Hattingberg (Benvenuta)

Rilke an Lou Andreas-Salomé

Lou Andreas-Salomé an Rilke nach Berlin

Rilke an Lou Andreas-Salomé

Rilke an Benvenuta

Benvenuta an Rilke

Franz Kafka (1883-1924)

an Hedwig Weiler, Felice Bauer und Milena Jesenská

an Hedwig Weiler

an Felice Bauer

an Milena

Fernando Pessoa (1888-1935)

an Ophelia Queiroz

Kurt Tucholsky (1890-1935)

an Mary Gerold

Quellenverzeichnis

Fußnoten

Kontakt zum Verlag

Plinius der Jüngere
(um 61-115)

an seine Frau Calpurnia1

Plinius der Jüngere gilt als Begründer der literarischen Gattung des zur Veröffentlichung gedachten Briefes. Über seine ersten beiden Ehefrauen weiß man nichts. An seine dritte Ehefrau Calpurnia, die sehr jung war, sind drei Briefe des römischen Senators erhalten. Die Ehe blieb kinderlos, Calpurnia erlitt eine Fehlgeburt.

Epistula 6,4: Gaius Plinius grüßt seine Calpurnia

Niemals habe ich mehr über meine Geschäfte geklagt, die mir nicht erlaubt haben, Dir zu folgen, als Du wegen Deiner Gesundheit nach Campanien aufbrachst, noch Dir nach Deinem Weggang unverzüglich nachzureisen. Denn jetzt wünsche ich besonders, mit Dir zusammen zu sein, um mich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, ob Du Dich körperlich erholt hast und ob Du letzten Endes die Freuden der Abgeschiedenheit und den Reichtum der Gegend unbeschadet überstehst. Allerdings würde ich mich selbst dann um Dich sorgen, wenn Du kräftiger wärest; denn es erfüllt einen mit Ungewissheit und Sorge, zeitweise nichts über denjenigen zu wissen, den man am innigsten liebt. Im Augenblick jedoch leide ich sowohl unter dem Gedanken an Deine Abwesenheit als auch unter dem an Deine schwache Konstitution; beides quält mich mit den verschiedensten Sorgen und Ungewissheiten. Ich befürchte alles Mögliche, ich bilde mir alles Mögliche ein, wie es natürlich ist, wenn man sich sorgt, und was in mir die größten Befürchtungen auslöst, ist meiner Einbildungskraft am nächsten. Umso mehr bitte ich Dich, mir ein oder zwei Briefe am Tag zu schreiben, um meine Furcht zu lindern. Denn solange ich sie lese, bin ich beruhigt, und meine Angst setzt sofort wieder ein, wenn ich mit dem Lesen fertig bin. Lebe wohl.

Epistula 6,7: Gaius Plinius grüßt seine Calpurnia

Du schreibst, dass Dir meine Abwesenheit sehr zu schaffen macht, und dass Dein einziger Trost darin besteht, an Stelle von mir meine Briefe zu bekommen und sie vor Dir zu haben. Es freut mich, dass Du nach mir fragst, und es ist bezaubernd, dass Du Dir mit Hilfe meiner Briefe Linderung verschaffst. Ich wiederum lese Deine Briefe mit dem größten Eifer und nehme sie wieder und wieder zur Hand, als wären sie neu. Umso mehr stehe ich jedoch vor Sehnsucht nach Dir in Flammen. Denn wenn die Briefe schon so viel Liebenswürdigkeit ausstrahlen, wie viel dann erst ihre süße Verfasserin beim Sprechen! Schreibe mir trotz allem so oft wie möglich, auch wenn es mir gleichermaßen Freude wie Leid bereitet. Lebe wohl.

Epistula 7,5: Gaius Plinius grüßt seine Calpurnia

Es ist unglaublich, wie sehr ich mich nach Dir sehne. Vor allem ist die Liebe daran schuld, denn schließlich können wir uns nicht daran gewöhnen, ohne den Geliebten zu sein. Das ist der Grund dafür, dass ich einen Großteil der Nächte mit Deinem Bild vor Augen wach liege, daher kommt es, dass mich meine Füße ohne mein Zutun untertags – zu der Zeit, in der ich früher immer mit Dir zusammen war – im wahrsten Sinne des Wortes zu Deinem Zimmer führen, und dass ich dann traurig und betrübt wie ein Ausgesperrter von dem leeren Haus zurückkehre. Diese Qual lässt nur dann nach, wenn ich mich auf dem Forum in Gerichtsreden für Freunde verausgaben kann. Beurteile Du, wie mein Leben aussieht, wenn ich Ruhe nur noch in der Arbeit und Trost nur noch in Sorge und Kummer finde. Lebe wohl.

Pietro Bembo
(1470-1547)

an Lucrezia Borgia

Pietro Bembo war ein italienischer Humanist und Kardinal. Er soll mit Lucrezia Borgia, der Tochter von Rodrigo Borgia, dem späteren Papst Alexander VI., ein Verhältnis gehabt haben. Er widmete ihr eines seiner bedeutendsten Werke, Gli Asolani, einen philosophischen Dialog über die platonische Liebe.

Venedig, 10. Februar 1505

Solange ich lebe, erinnere ich mich nicht, je einen Brief erhalten zu haben, der mir so süß gewesen wäre, wie der, den Eure Herrlichkeit mir bei meiner Abreise übergab und in dem Ihr mir den deutlichsten Beweis liefertet, dass ich in Eurer Huld stehe. Wenn ich auch dafür schon früher einige Anzeichen gehabt habe, so hat mir doch diese Gewissheit von Eurer Hand unendliche Genugtuung und Beruhigung gewährt. Ich sage Euch daher allen Dank, den ich Euch für ein so köstliches Geschenk schulde – habe ich doch auf der Welt nichts anderes als Euch. In Erwiderung auf die Stelle, in der Ihr sagt, ich hätte wohl daran getan, Euren Kummer durch meinen Brief zu lindern, und dass Ihr schon längst darauf gewartet hättet, versichere ich Euch, dass ich Euch das erste Mal, das ich Euch sah, so fest in mein Herz geschlossen habe, dass Ihr in keinerlei Weise wieder herauskönnt. Und wenn ich lange Zeit Euch gegenüber geschwiegen habe, so ist dies aus dem Grunde geschehen, weil mein verwünschtes Missgeschick, das sich all meinen weiterreichenden Wünschen auf das Heftigste entgegenstemmt, es gewollt hat, dass mein einziges Sinnen und Trachten darauf stand, wie ich die Glut in meinem verwundeten und entflammten Herzen stillen könnte. Obgleich nun dieses selbe Missgeschick mir jetzt mehr als je hindernd in den Weg tritt, so schreckt es mich dennoch nicht ab und wird mich niemals abschrecken, Euch trotzdem zu lieben, Euch für meine und meines Lebens einzige und teure Herrin zu halten und Euch mit all jener lauteren und von Herzen kommenden Treue zu dienen, mit der ein aufrichtig und unwandelbar Liebender der Dame, die er über alles auf Erden liebt und verehrt, dienen kann. Ich bitte Euch inständig, ändert Eure Gesinnung betreffs dieser Liebe nicht, wenn sich auch, wie Ihr seht, vieles unseren Wünschen hindernd in den Weg stellt, sondern seid umso mehr darauf bedacht, Eure Liebe zu höherer Glut anzufachen, je mehr Ihr die Schwierigkeiten Eures Unternehmens erkennt, und bedenkt, dass jedermann zu lieben versteht, wo alles leicht und günstig und glatt vonstattengeht, wo sich aber tausend Schwierigkeiten und Hemmnisse, tausend Wachen, tausend Barrikaden, tausend Mauern entgegenstellen, da vermag nicht jedermann zu lieben oder will es nicht, wenn er es auch vermag, oder besitzt keine Ausdauer, wenn er es auch will. Daher ist es auch etwas sehr Seltenes, und weil es sehr selten ist, ist es auch etwas sehr Schönes, Hochherziges, Rühmenswertes und ein klarer Beweis sowie ein deutliches Anzeichen einer edlen, erhabenen Gesinnung. Denn, wie sehr ich auch eine ruhige Entwicklung unserer Liebe Schwierigkeiten vorziehe, so höre ich doch nicht auf, mich an der Kühnheit des Gedankens zu weiden, dass ich Euch allen Schicksalsgewalten zum Trotz liebe, und dass es nichts gibt, was mir diese Liebe aus dem Herzen reißen kann. Ich stelle mir vor, dass, wenn auch Ihr Euch durch nichts bewegen lasst, mir Eure Liebe zu entziehen, endlich doch der Tag kommen muss, an dem das Schicksal von uns besiegt und überwunden wird, wenn wir nur den Mut nicht sinken lassen. Dann wird uns die Erinnerung an unsere Festigkeit und Beständigkeit lieb und wert sein, und wir werden uns bei dieser Erinnerung glücklich fühlen, da der Triumph umso größer und erhebender ist, je schwerer und mühsamer der Sieg zu erringen war. Da Ihr mir versichert, Ihr wünschtet das Leben »nur, um es mir zu widmen«, so erkläre ich Euch, dass ich fortan nicht nur ebenfalls mein Leben einzig zu dem Zwecke verwenden will, Euch zu dienen, und nach nichts anderem trachten, auf nichts anderes sinnen, sondern dass ich mich auch keinen Augenblick bedenken will, es Euch zuliebe aufs Spiel zu setzen und hinzuopfern. Da man doch auf alle Fälle sterben muss und zehn bis zwanzig Jahre mehr oder weniger keinen Unterschied ausmachen, so wäre es mir viel erwünschter, wenn ich doch einmal diese Welt verlassen muss, dass dies jetzt und in Eurem Dienste geschähe, als dass ich, Eurer Huld beraubt, noch lange zu leben hätte. Da Ihr wisst, dass ich mich glücklich schätze, wenn ich Euch etwas zuliebe tun kann, so bitte ich Euch, Ihr möchtet ganz ohne Rücksicht auf mein Leben über mich verfügen. Vor allem aber bitte ich Euch, darauf achtzuhaben, dass niemand Eure Gedanken erfahren oder erraten kann, damit uns die Wege, die zu unserer Liebe führen, nicht noch mehr versperrt und verlegt werden, als es jetzt schon der Fall ist. Traut niemandem, es sei auch, wer es wolle, bis ich zu Euch komme, was bestimmt zu Ostern geschehen wird, wenn ich dann noch am Leben bin. Der Überbringer dieser Zeilen, der mir auf das Treueste ergeben ist, wird auf dem Rückweg von Verona wieder bei Euch vorsprechen, um sich zu erkundigen, ob Ihr mir keine Befehle zu erteilen habt. Habt die Gewogenheit, in der Zwischenzeit eine Antwort für mich fertigzumachen und sie ihm in der größten Heimlichkeit auszuhändigen; dann wird sie mir auf das Sicherste überbracht werden. Da wir uns ferner nicht mündlich unterhalten können, so bitte ich Euch, damit zufrieden sein zu wollen, dass Ihr brieflich mit mir nach Herzenslust plaudern könnt, und mir zu berichten, in welcher Weise Ihr lebt, welches Eure Gedanken sind, wer Euer Vertrauter ist, was Euch quält und was Euch tröstet. Achtet wohl darauf, dass Euch niemand schreiben sieht; denn ich weiß, dass man Euch bewacht. Ich werde also, wie erwähnt, zu Ostern kommen und auf einen Monat oder etwas länger nach Rom gehen.

Nunmehr küsse ich Eure allersüßeste Hand, von der mein Herz zusammengepresst wird, und außerdem küsse ich, wenn Ihr mir die Erlaubnis dazu gebt, eins von Euren holden, strahlenden und süßen Augen, die mein ganzes Herz verzaubert haben und die hauptsächlichste und schönste, wenn auch nicht die einzigste Ursache meiner Liebesglut sind. Erinnert Euch bisweilen daran, dass ich an nichts anderes denke, nichts anderes vor Augen habe, nichts anderes verehre als Euch, und dass ich keine Schicksalsschläge, kein Unglück, das mich treffen könnte, fürchte, wenn ich weiß, ich gehöre Euch in treuem Gedenken und in Liebe an, dass ich keine andere Seligkeit in diesem Leben kenne als Eure Zuneigung, die der sicherste Hafen und Ruheplatz für mein umhergeworfenes Lebensschifflein ist. Habt die Gewogenheit, das beifolgende Agnus Dei, das ich eine Zeitlang auf meiner Brust getragen habe, zuweilen des Nachts aus Liebe zu mir zu tragen, wenn Ihr es am Tage nicht tragen könnt, damit die teure Wohnstatt Eures herrlichen Herzens, die ich ein einziges Mal küssen möchte, und sei es um den Preis meines Lebens, wenigstens von dem Amulett, das lange Zeit auf der Wohnstatt des meinen geruht hat, berührt wird.

Martin Luther
(1483-1546)

an seine Frau Katharina (Herr Käthe)

Der Reformator Martin Luther verhalf Katharina von Bora auf ihre Bitte hin mit einigen anderen Nonnen zur Flucht aus dem Kloster. Er brachte die Frauen in Wittenberg unter und vermittelte ihnen Ehemänner oder Anstellungen. Katharina heiratete er schließlich selbst, nachdem zwei Versuche, sie mit anderen zu vermählen, gescheitert waren.

Dessau, 24. Juli 1534

Lieber Herr Käthe!

Gestern hatte ich einen bösen Trunk gefasset, da musst ich singen. Trink ich nicht wohl, das ist mir leid, und tät’s so recht gerne, und gedacht, wie gut Wein und Bier hab ich daheime, dazu eine schöne Frauen oder (soll ich sagen) Herren. Und du tätest wohl, dass Du mir herüberschicketest den ganzen Keller voll meins Weins und ein Pfloschen Deines Bieres, so erst Du kannst. Sunst komme ich für dem neuen Bier nicht wieder. Hiermit Gott befohlen, samt unsre Jungern und allem Gesind. Amen.

Dein Liebchen
Martin Luther

Weimar, 2. Juli 1540

Gnädige und freundliche liebe Jungfrau Käthe, Gnädige Frau von Zülsdorf (und wie Euer Gnaden mehr heißt), ich füge Euch und Euer Gnaden untertäniglich zu wissen, dass mir’s hier wohl gehet; ich fresse wie ein Böhme und saufe wie ein Deutscher, das sei Gott gedankt. […] Ich habe der Kinder Briefe gekriegt, aber von Euer Gnaden hab ich nichts kriegt. Werdet jetzt auf die vierte Schrift, ob Gott will, einmal antworten, mit Eurer gnädigen Hand. […]

Seid fröhlich alle und betet. Amen!

Martinus Luther

Dein Herzliebchen

Voltaire (François-Marie Arouet)
(1694-1778)

an Marie-Louise Denis2

François-Marie Arouet alias Voltaire wird so manch abenteuerliche Frauengeschichte nachgesagt. Schon als 19-jähriger Sekretär in Den Haag hätte der spätere große Aufklärer beinahe eine 17-jährige Hugenottin entführt, die eine satirische Zeitschrift herausgab. Voltaire hat nie geheiratet; eine seiner Geliebten war Marie-Louise Denis, seine Nichte, mit der er seinen Lebensabend verbrachte und die er in seinem Testament als Universalerbin einsetzte. Marie-Louises erster Mann war nach nur vier Jahren Ehe gestorben. Nach Voltaires Tod heiratete sie im Alter von 68 Jahren noch einmal.

Montag, 27. Dezember 1745

Sie haben mir einen beglückenden Brief geschrieben, den ich an mein Herz gedrückt habe; ich bin gar nicht überrascht, dass Sie so gut Italienisch schreiben. Es ziemt sich für Sie, die Sprache der Liebe zu beherrschen. Bei Gott, ich kann Ihnen keinen Glauben schenken, wenn Sie mir sagen, dass Sie keinen Liebhaber hätten. Wie kann das möglich sein? Wie können Sie so viel Anmut einfach brachliegen lassen? Sie – und keine sinnliche Liebe? Ach, meine Allerliebste, Sie beleidigen Ihren Gott. Sie sagen mir, dass mein Brief brennende sinnliche Begierde in Ihnen geweckt hat, auch ich brenne vor Begierde. Ihre Worte haben mein Herz höher schlagen lassen und meine Leidenschaft entflammt. Ihrem Brief habe ich den Tribut entrichtet, den ich Ihrer Person hätte spenden wollen. Die Begierde verflüchtigt sich jedoch bald, aber die Freundschaft, die uns verbindet, das gegenseitige Vertrauen, die Freude des Herzens, die Begierde der Seele schwinden nicht so schnell dahin. Ich werde Sie bis zu meinem Tod lieben. Hier in meinem Zimmer werden Sie die vier Karten für die Aufführung von Armida vorfinden. Ich werde sie Ihnen zu Füßen legen und anschließend mit meiner lieben Denis von Paris nach Versailles fahren. Leben Sie wohl, ich umarme Sie tausendmal.

Diesen Mittwoch, Abends

Mein liebes Kind, Ihr Brief tröstet mich sehr über das Unglück hinweg, das es für mich bedeutet, hier in Versailles zu sein, über all die Mühen, die ich hier auf mich nehmen muss, damit mir auch nur die bescheidensten Bitten gewährt werden und um die Bosheiten abzuwehren, die man hier stets bereit ist, einander zuzufügen. Ich werde noch ganz blöd davon und bin sehr unglücklich, dass ich nicht zusammen mit Ihnen in Ruhe und Frieden leben kann, irgendwo weit weg von Königen, Höflingen und Armleuchtern. Diese Gedanken stürzen mich in Verzweiflung. Es treibt mir die Röte ins Gesicht, dass ich ein so großer Philosoph in der Theorie sein kann und ein so armseliges menschliches Exemplar in der Praxis. Nur jene finden Glück und einen Sinn im Leben, die selbiges mit ihren Freunden verbringen. Ich hoffe darauf, bald zurückzukehren; Ihre Gegenwart vertreibt all meinen Kummer und meine Sorgen. Aber welch ein Schicksal ist dies, fortwährend voneinander getrennt zu sein! Sich nach einander zu sehnen, ohne sich sehen zu können! Ach, ich bin es leid, nicht mit Ihnen im selben Haus zu weilen! Es scheint mir, dass Sie mir Seelenfrieden bringen.

Leben Sie wohl, mein liebes Kind. Lieben Sie den Wütenden von Versailles ein wenig!

[1746]

Ach, großer Gott, mein liebes Kind, wer sind die Übeltäter, die Ihnen erzählt haben, ich hätte mit Mme Le Dosseur zu Abend gegessen? Ich habe ganz sicherlich mit überhaupt niemandem zu Abend gegessen, seit ich mit Ihnen zu Abend gegessen habe!

Kommen Sie morgen doch zur Generalprobe, wenn Sie können, zusammen mit Mme Desfontaines, falls Sie kann. […]

Doch das sind schöne Bagatellen. Ich liebe Sie von ganzem Herzen. Das ist Ernst. Man wollte mich begraben, aber ich bin ihnen entschlüpft.

Einen Guten Abend,
V.

Mein liebes Kind, da gibt es tausend Dinge, die ich Ihnen sagen muss. Falls Sie bei sich zu Hause dinieren, werde ich zwischen 3 und 4 Uhr vorbeikommen, um Sie nach ihrem Diner zu sehen. Erwarten Sie den allerbesten ihrer Freunde.

V.

Freitag
[März 1749]

Mia cara, ich habe größere Lust, Sie zu küssen, als Sie keine haben, einen Rückfall zu erleiden. Ich diniere nicht mehr, ich habe um Ihretwillen meine Essgewohntheiten völlig auf den Kopf gestellt, bis Sie sich endlich dazu herablassen, mit mir zu Abend zu essen. Geben Sie um meinetwillen Mme du Bocage einen Korb, sie liebt Sie nicht so wie ich.

Johann Joachim Winckelmann
(1717-1768)

an Friedrich Reinhold von Berg

Der Archäologe Johann Joachim Winckelmann beschäftigte sich Zeit seines Lebens mit griechischer Kunstgeschichte, und seine Schriften wurden maßgebend für die Rezeption der antiken Kunst im 19. Jahrhundert. Er hatte Beziehungen zu mehreren jungen Männern, von denen er in Briefen an Gleichgesinnte offen erzählte, und behauptete sogar, dass der Sinn für männliche Schönheit und für Kunst untrennbar seien. 1768 wurde er aus ungeklärten Gründen in einem Hotel in Triest erstochen; möglicherweise hatte er seinem Mörder, dem Koch des Hotels, Avancen gemacht. Der Täter wurde durch Rädern hingerichtet.

Rom
den 9. Jun. 1762

Edler Freund!

So wie eine zärtliche Mutter untröstlich weinet um ein geliebtes Kind, welches ihr ein gewalttätiger Prinz entreißt und zum gegenwärtigen Tod ins Schlachtfeld stellet; eben so bejammere ich die Trennung von Ihnen, mein süßer Freund, mit Tränen, die aus der Seele selbst fließen. Ein unbegreiflicher Zug zu Ihnen, den nicht Gestalt und Gewächs allein erwecket, ließ mich von dem ersten Augenblicke an, da ich Sie sahe, eine Spur von derjenigen Harmonie fühlen, die über menschliche Begriffe gehet, und von der ewigen Verbindung der Dinge angestimmet wird. In 40 Jahren meines Lebens ist dieses der zweite Fall, in welchem ich mich befunden, und es wird vermutlich der letzte sein. Mein werter Freund, eine gleich starke Neigung kann kein Mensch in der Welt gegen Sie tragen: Denn eine völlige Übereinstimmung der Seelen ist nur allein zwischen zweien möglich; alle anderen Neigungen sind nur Absenker aus diesem edlen Stamme. Aber dieser göttliche Trieb ist den mehresten Menschen unbekannt, und wird daher von vielen übelverstanden gedeutet. Die Liebe in dem höchsten Grad ihrer Stärke muss sich nach allen möglichen Fähigkeiten äußern:

I thee both as Man and Woman prize
For a perfect love implies

Love in all capacities. – Cowley.

Und diese ist der Grund, worauf die unsterblichen Freundschaften der alten Welt, eines Theseus und Pirithous, eines Achilles und PatrocIus gebaut sind. Freundschaft ohne Liebe ist nur Bekanntschaft. Jene aber ist heroisch und über alles erhaben; sie erniedrigt den willigen Freund bis in den Staub und treibt ihn bis zum Tod. Alle Tugenden sind teils durch andere Neigungen geschwächet, teils eines falschen Scheines fähig; eine solche Freundschaft, die bis an die äußersten Linien der Menschlichkeit gehet, bricht mit Gewalt hervor, und ist die höchste Tugend, die jetzt unter den Menschenkindern unbekannt ist, und also auch das höchste Gut, welches in dem Besitze derselben besteht. Die christliche Moral lehret dieselbe nicht; aber die Heiden beteten dieselbe an, und die größte Taten des Altertums sind durch dieselbe vollbracht.

Ein einziger Monat Ihres verlängerten Aufenthalts in Rom und mehr Muse, mit Ihnen, mein Freund, besonders zu sprechen, würden diese Freundschaft auf unbeweglichen Grund gesetzt haben, und alle meine Zeit wäre Ihnen gewidmet gewesen. Dem ungeachtet hätte ich mich in starken und schriftlich unaussprechlichen Worten erklären müssen, wenn ich nicht gemerket, dass ich Ihnen in einer ungewöhnlichen Sprache reden würde. Sie können also glauben, dass ich nicht bezahlt sein wolle; Ihre gütige Meinung aber behält, ohne dieselbe stattfinden zu lassen, allen ihren Wert, und ich küsse Ihnen die Hände, wie für einen großen Schatz, welchen Sie mir hätten schenken wollen. Der Genius unserer Freundschaft wird Ihnen von ferne folgen bis Paris und Sie dort in dem Sitze der törichten Lüste verlassen; hier aber wird Ihr Bild mein Heiliger sein.

Dem teuern Herrn Grafen von Münnich, welcher aller Menschen Achtung und Liebe erwecket und verdienet, werden Sie mich bestens empfehlen. Meine Wünsche folgen demselben nach auf der großen Bahn der Ehre, die er offen sieht; einst ein großer tugendhafter Mann zu sein, von dessen Bekanntschaft ich in meinem Alter mit Ruhm sprechen kann.

Sie mein Edler, Geliebter, küsse ich mit Herz und Geist, und ersterbe Ihr

untertäniger Diener und eigener
und ewiger Freund
Johann Winckelmann

Friedrich Gottlieb Klopstock
(1724-1803)

an Maria-Sophia Schmidt (Fanny) und Margaretha Moller (Clärchen)

Die unglückliche Liebe des jungen Klopstock zu seiner Cousine Maria-Sophia Schmidt inspirierte ihn zu seinen frühen Oden, in denen sie als »Fanny« verewigt wurde. Knapp zehn Jahre später heiratete der Dichter Margaretha (Meta) Moller, die nur vier Jahre später im Kindbett starb und von Klopstock in seinen Elegien besungen wurde. In seinen Briefen nannte er sie oft »Clärchen«. Im hohen Alter heiratete er ihre Nichte.

an Maria-Sophia Schmidt

Zürich, den 10. September 1750

Aber, gütige Vorsehung, darf ich dich auch um das Größte bitten, was ich in dieser und jener Welt bitten kann, darf ich dich bitten, dass Fanny meine Fanny werde? O angebetete Vorsehung, darf ich dich um dieses himmlische Geschenk angehen?

Ich kann Ihnen, allerliebste Schmidtin, weiter nichts mehr sagen. Denken Sie an meine vielen Tränen, an meine bangen Schmerzen der Liebe, die schon Jahre gedauert haben und die ewig dauern werden, wenn Sie nicht aufhören wollen, hart gegen mein blutendes Herz zu sein. Ich bin Ihr

Klopstock

an Margaretha Moller / Klopstock

Ich bin jetzt früh aufgestanden, um gleich ein bisschen an mein Clärchen zu schreiben. Du hast doch meinen Brief nun schon bekommen? O wenn ich es auch schon durch Dich wüsste! Und dann vorzüglich, wie Dir die Landluft bekommen ist. Du weißt es, und Du musst es immer mehr fühlen, dass mein Leben an Deinem Leben hängt; daher bitte ich Dich um Deiner und meiner Liebe willen, sorge ja für Dein Leben, wie eine Mutter für ihr erstes einziges Kind sorgt, für einen ersten Sohn, den sie unaussprechlich liebt. Versprich mir’s, dass Du das tun willst, Clärchen! Dass Du eine so süße Mutter sein willst (ach, die wirst Du auch bald denn im eigentlichsten Verstande sein). Versprich mir das; so verspreche ich Dir, dass wir einst spät wie Daphnis und Daphne sterben wollen. Nun tritt her, Clärchen: Mache Deine süße kleine Miene, und lächle mit allen Deinen unschuldigen Weiblichkeiten, und versprich:

»Ich, Clärchen Klopstock, bekenne und bescheinige mit diesen zwei Augen, die mein Klopstock sehen muss, wenn sie ihn ansehen, dass ich allen Liebesgöttern befehlen will, dass sie alle kleinen Sorgfältigkeiten für mein Leben (denn von den größeren habe ich nichts zu versprechen!), dass sie hinlaufen und diese alle aufwecken sollen, wenn sie auch auf Rosen schliefen. Das verspreche ich und will es so heilig halten, als wenn ich schon Mutter von unserem ersten Sohne wäre.«

(Hier ist Raum zu Deinem Namen.)

Ich bin seit meinem gestrigen Briefe, bis des Abends bei Gärtner gewesen. Du fehltest mir kaum: So viel habe ich von Dir gesprochen und an Dich gedacht. Mit Ebert viel, und das verdiente seine Entzückung über unsere Liebe. H … ist sehr liebenswürdig. Überhaupt könnt ihr euch’s nur merken, ihr Mädchen, ihr seid dann am liebenswürdigsten, wenn ihr liebt und es sagt, dass ihr es tut.

Wo bist Du denn jetzt, Clärchen? Vielleicht auf dem Garten; und gewiss allein. Denn so liest Du doch meine Briefe. Wenn Du auf dem Garten bist, so setze Dich wo unter die Blumen, und denke, dass Du Clärchen KIopstock bist. Denke diesen Gedanken, bis an jene seligen Hügel hinauf, wo ich nicht mehr Klopstock und Du nicht mehr Clärchen KIopstock heißen wirst, und wo die nun schon Vorangegangenen um unsere Liebe herum sein werden. –

Nun kann ich nichts weiter schreiben, das fühlst Du wohl, – und dazu kömmt in dem Augenblick Giseke. Er grüßt Dich mit seiner ganzen Freundschaft, und ich, meine beste einzige Clärchen, womit denn ich? Mit meinem und Deinem ganzen Herzen. (Das war ein sehr närrischer Einfall!) Doch Dein Herz ist ja auch mein Herz, und also kann ich ja wohl damit machen, was ich will. Nun lebe wohl, mein Clärchen.

Braunschweig, den 19. Juni 1752.

Dein Klopstock.

Meta an Klopstock

Nun bist Du fort! – Mein Klopstock! – Ach! – – O, ich kann nichts schreiben. Ich bin noch zu beklommen. Vor einem Augenblick saßest Du hier noch bei mir. Ach, mein Klopstock! – Ich kann noch nicht zum Weinen kommen; ich weiß nicht, wie das ist. Ich bin sehr, sehr beklommen. Aber unserm Gott, wie Du sagtest, unserm Gott empfehle ich Dich auch. O ja, Deine Reise ist gewiss glücklich. Sei meinetwegen nur nicht besorgt. Ich will mich schon aufrichten. Du liebst mich ja – ich liebe Dich. – – – und ich sehe Dich bald wieder … Lebe wohl. Ich will mich ankleiden und aufs Land fahren, mein Klopstock! – –

Hamburg, den 15. Juli 1752.

Moller.

Klopstock an sein »Clärchen«

Ich habe nur einige wenige Augenblicke Zeit, Dir zu schreiben, aber ich muss doch schreiben. Gleim und Ramler sind bei mir! Wir wollen gleich essen und kommen eben aus Cramers Predigt … Ach, meine Beste, wenn Du sie nur alle um mich herum fragen könntest, wie ich Dich liebe! Das würde zwar nur sehr wenig sein, was Du erführest; denn wie können sie es wissen? Dennoch würde Dir es süß sein, es so mit anzuhören, wie sie mich aus meiner Entzückung aufwecken! Wie ich dann gern viel viel von Dir sagen mögte und doch nicht herausbringe, das einen andern Inhalt hätte, als: Lasst mich nur gehen! Es ist ein einziges Mädchen. Ich mag gar nichts mehr von ihr sagen. Und ach, wie sehr fühl ich dann wieder, dass ich nicht bei Dir bin. Hier, hier, Clärchen! Hier zittert mein Herz nach Dir. – Doch kein Wort mehr, kein Wort mehr davon. Ich will mir’s in meinem Leben nicht mehr unterstehen, die Unaussprechlichkeiten der Umarmung aufschreiben zu wollen … Und doch, Clärchen, und doch (Du verzeihest mir’s gewiss, Du Beste!) habe ich gestern den Bitten meiner Eltern, meiner Geschwister, und Gleims und Cramers und Ramlers, endlich nachgeben, und mich entschließen müssen, erst künftigen Donnerstag zu verreisen. Drei Tage war es schon beschlossen, drei Tage hatte ich alle Unruhe der Freundschaft schon ausgehalten, und es war fest, dass ich morgen gewiss reisen wollte. Aber dafür hab ich’s allen auch als eine recht große Tat angerechnet. Und das ist es auch! Eine Tat, die Du beides belohnen und bestrafen musst, Clärchen. Oder willst Du Dich etwa unter der Belohnung erbitten lassen, die Strafe zu vergessen? Ja, ja, das tust gewiss, Du Kleine!

Du bist ja meine süße, süße ewig geliebte Clärchen Klopstock, und ich bin Dein Dein Klopstock.

Wie Dich alle grüßten und küssen wollten, das verstehst Du ohne dies. Ich schreibe auf den Mittewoch wieder. – Ach, lass mich ja recht viel Briefe von Dir in Braunschweig finden. Meine Grüße, Meta, so ein ungetreues Mäulchen wie ich ihr manchmal gebe, wenn ich Dir eben recht sehr ungetreu bin, und Metas Mutter einen Kuss auf die Hand. Denn mehr erlaubt sie ja auch Dir kaum.

Quedlinburg den 13. August 1752.

Meta an Klopstock, kurz vor ihrem Tod im Kindbett

Ich weiß wohl, dass alle Stunden nicht gleich sind, und vor allem die letzten. Denn der Tod einer Wöchnerin ist nichts weniger als ein leichter Tod. Doch lass die letzten Stunden keinen Eindruck auf Dich machen. Du weißt zu sehr, wie viel der Körper da auf die Seele wirkt. – Nun, Gott mag mir geben, was er will; ich bin immer glücklich, ein ferneres Leben mit Dir – oder ein Leben mit Ihm! Aber wirst Du mich auch so leicht verlassen können als ich Dich? Da Du in dieser Welt bleibst und in einer Welt ohne mich? Du weißt, ich habe immer gewünscht, die Nachbleibende zu sein, weil ich wohl weiß, dass das das Schwerste ist …

Hamburg, September 1758.

Grigori Potjomkin
(1739-1791)

an Katharina die Große

Grigori Potjomkin, im Deutschen besser bekannt als Potemkin, ist der wohl berühmteste der zahlreichen Liebhaber der russischen Zarin. Der Sohn eines Majors wurde schon zu Beginn ihrer Regierungszeit von Katharina der Großen zum Kammerjunker ernannt, wenig später zum Grafen und zu ihrem Generaladjutanten. Er hatte großen Einfluss auf ihre Politik und wurde von ihr als Ratgeber geschätzt. Das Liebesverhältnis der beiden blieb bis zu seinem Tod bestehen. Angeblich hielt er, als er starb, einen ihrer Briefe an seine Brust gedrückt.

Brief an Katharina die Große mit
Marginalien der Kaiserin

Potjomkin – Katharina

Gestatte, Teuerste, Dir jetzt zu sagen, wie unser Streit vermutlich enden wird.

Je eher, je besser.

Wunder Dich nicht, wenn ich um unsere Liebe besorgt bin. Du, neben all den Wohltaten, mit denen Du mich überschüttest, hast Du mich überdies in Dein Herz geschlossen.

Sei unbesorgt. Eine Hand wäscht die andere.

Ich will allein darin wohnen und über all meinen Vorgängern stehen,

Stark und fest.

weil Dich niemand so liebt, wie ich Dich liebe.

Das tust Du und wirst es tun. Ich sehe es und glaube es. Darüber freue ich mich in meiner Seele.

Und da ich das Werk deiner Hände bin, so möchte ich Dir auch meine Ruhe verdanken, so ersehne ich, dass Du froh bist, weil Du mir Gutes erweist,

Gestatte den Gedanken, sich zu beruhigen, und den Gefühlen, ihre Freiheit wiederzuerlangen; sie sind zärtlich und werden schon von selbst den rechten Weg finden.

dass Du Dich bestrebst, mich glücklich zu machen und dass Du darin Entspannung von den ernsten Pflichten findest, die Deine erhabene Stellung Dir auferlegt.

Schluss mit dem Streit.

Amen

Amen

Johann Wolfgang von Goethe
(1749-1832)

an Friederike Brion, Charlotte von Stein, Christiane Vulpius und Marianne Willemer

Eine der ersten Frauen, in die der junge Goethe sich verliebte, war die 19-jährige Pfarrerstochter Friederike Brion, die ihn zu dem berühmten Gedicht Willkommen und Abschied inspirierte. Nach ihrem Tod verbrannte ihre Schwester Goethes Briefe an sie, nur einer ist in einem Entwurf von Goethe überliefert. Ihre Bekanntschaft dauerte ein knappes Jahr und hat Friederike wohl das Herz gebrochen; sie hat nie geheiratet.

Straßburg, 15. Oktober 1770

Liebe neue Freundin,

ob ich Ihnen was zu sagen habe, ist wohl keine Frage; ob ich aber just weiß, warum ich eben jetzt schreiben will und was ich schreiben möchte, das ist ein andres. So viel merke ich an einer gewissen innerlichen Unruhe, dass ich gerne bei Ihnen sein möchte, und in dem Falle ist ein Stückchen Papier so ein wahrer Trost, so ein geflügeltes Pferd: für mich, hier, mitten in dem lärmenden Straßburg, als es Ihnen, in Ihrer Ruhe nur sein kann, wenn Sie die Entfernung von Ihren Freunden recht lebhaft fühlen.

Die Umstände unserer Rückreise können Sie sich ungefähr vorstellen, wenn Sie mir beim Abschiede ansehen konnten, wie leid er mir tat; und wenn Sie beobachteten, wie sehr Weyland nach Hause eilte, so gern er auch unter andern Umständen bei Ihnen geblieben wäre. Seine Gedanken gingen vorwärts, meine zurück, und so ist es natürlich, dass der Diskurs weder weitläufig noch interessant werden konnte.

Zu Ende der Wanzenau machten wir Spekulation, den Weg abzukürzen und verirrten uns glücklich zwischen den Morasten, die Nacht brach herein, und es fehlte nichts, als dass der Regen, der einige Zeit nachher ziemlich freigebig erschien, sich um etwas übereilt hätte; so würden wir alle Ursache gefunden haben, von der Liebe und Treue unsrer Prinzessinnen vollkommen überzeugt zu sein.

Unterdessen war mir die Rolle, die ich, aus Furcht sie zu verlieren, beständig in der Hand trug, ein rechter Talisman, der mir die Beschwerlichkeiten der Reise alle hinwegzauberte. Und noch? Oh, ich mag nichts sagen, entweder Sie können’s raten oder Sie glauben’s nicht. Endlich langten wir an, und der erste Gedanke, den wir hatten, der auch schon auf dem Weg unsre Freude gewesen war, endigte sich in ein Projekt, Sie bald wiederzusehen.

Es ist ein gar zu herziges Ding um die Hoffnung, wiederzusehen. Und wir andern mit den verwöhnten Herzchen, wenn uns ein bisschen was leid tut, gleich sind wir mit der Arznei da und sagen: Liebes Herzchen, sei ruhig, du wirst nicht lange von ihnen entfernt bleiben, von denen Leuten, die du liebst, sei ruhig, liebes Herzchen! Und dann geben wir ihm inzwischen ein Schattenbild, dass es doch was hat, und dann ist es geschickt und still wie ein kleines Kind, dem die Mama eine Puppe statt des Apfels gibt, wovon es nicht essen sollte. Genug, wir sind hier, und sehen Sie, dass Sie unrecht hatten! Sie wollten nicht glauben, dass mir der Stadtlärm auf Ihre süßen Landfreuden missfallen würde.

Gewiss, Mamsell, Straßburg ist mir noch nie so leer vorgekommen als jetzt. Zwar hoffe ich, es soll besser werden, wenn die Zeit das Andenken unsrer niedlichen und mutwilligen Lustbarkeiten ein wenig ausgelöscht haben wird, wenn ich nicht mehr so lebhaft fühlen werde, wie gut, wie angenehm meine Freundin ist. Doch sollte ich das vergessen können oder wollen? Nein, ich will lieber das wenig Herzweh behalten und oft an Sie schrei­ben.

Und nun noch vielen Dank, noch viele aufrichtige Empfehlungen Ihren teuren Eltern, Ihrer lieben Schwester, viel hundert – was ich Ihnen gerne wieder gäbe.

Als Goethe 1775 nach Weimar kam, lernte er die sieben Jahre ältere und unglücklich verheiratete Charlotte von Stein kennen. Ihr Verhältnis dauert fast zehn Jahre und zerbrach erst, als Goethe seine fluchtartige Italienreise antrat. Nach seiner Rückkehr über ein Jahr später dauerte es lange, bis die beiden wieder zu einem freundschaftlichen Umgang miteinander fanden.

3. August 1778

Liebste, ich habe gestern Abend bemerkt, dass ich nichts lieber sehe in der Welt als Ihre Augen und dass ich nicht lieber sein mag als bei Ihnen. Es ist schon was Altes, und doch fällt mir’s immer einmal wieder auf.

Weimar, 23. Mai 1779

Wenn ich nur etwas anderes hätte Ihnen zu schicken als Blumen und immer dieselbigen Blumen. Es ist wie mit der Liebe, die ist auch monoton.

Weimar, 22. März 1781

Dein Liebe ist mir wie der Morgen- und Abendstern; er geht nach der Sonne unter und vor der Sonne wieder auf. Ja, wie ein Gestirn des Pols, das, nie untergehend, über unserm Haupt einen ewig lebendigen Kranz flicht. Ich bete, dass es mir auf der Bahn des Lebens die Götter nie verdunkeln mögen. Der erste Frühlingsregen wird unserer Spazierfahrt schaden. Die Pflanzen wird er aufquellen, dass wir bald des ersten Grüns uns erfreuen. Wir haben noch so keinen schönen Frühling zusammen erlebt; möchte er keinen Herbst haben. Adieu. Ich frage gegen 12 Uhr nach, wie es wird.

Adieu, Beste, Liebste.

Weimar, 19. Juli 1782

Sage mir, liebe Lotte, wie bist Du aufgestanden? Sag mir, ist es physisch, oder hast du etwas in der Seele, was Dich kränkt? Du glaubst nicht, was mich Dein Zustand gestern geängstigt hat. Das einzige Interesse meines Lebens ist, dass Du offen gegen mich sein magst. Das Eingeschlossne halt’ ich nicht aus. Lebe wohl. Der Deine.

Weimar, 24. Juli 1782

Während ich schlief, kam die Erquickung von Dir; wie ich aufwache, erhalte ich sie. Noch weiß ich nicht, wie mir ist; o dass der Zustand bald vorüber gehn möge. Es ist noch so heiß, in einigen Stunden will ich kommen, will abwarten, wo es hinaus will, mein ganzes Wesen ist in seinem Innersten angegriffen. So tief Deine Liebe drang und mir wohl machte, so tief hat der Schmerz die Wege gefunden und zieht mich in mir selbst zusammen. Ich kann nicht weinen, und weiß nicht wohin. Adieu, verzeih mir. Dein Schmerz ist’s, der mich ängstigt. Wenn Dir’s nicht wieder mit mir wohl werden kann, so geb’ ich auf, eine freudige Stunde zu haben.

5. Dezember 1783

Liebe mich, das ist wahrlich fast das Einzige, was mich noch halten mag.

Weimar, 25. Juni 1786

Tue, meine Liebe, was und wie Dir’s recht ist, und es soll mir auch so sein. Behalte mich nur lieb und lass uns ein Gut, das wir nie wiederfinden werden, wenigstens bewahren, wenn auch Augenblicke sind, wo wir dessen nicht genießen können. Ich korrigiere am Werther und finde immer, dass der Verfasser übel getan hat, sich nicht nach geendigter Schrift zu erschießen. Heute Mittag isst Wieland mit mir, es wird über Iphigenien Gericht gehalten u.s.w. Lebe wohl und liebe.

Nur drei Wochen nach seiner Rückkehr aus Italien lernte Goethe seine spätere Frau Christiane Vulpius kennen. Eigentlich suchte sie ihn auf, um ihn um Hilfe für ihren Bruder zu bitten, der keinen Erfolg mit seiner Schriftstellerei hatte. Ein Dreivierteljahr blieb ihr Verhältnis geheim. Als Christiane schwanger wurde, holte Goethe sie als Haushälterin in sein Haus. Er heiratete sie erst Jahre später; seine frühen Briefe an sie hat er verbrannt. Christine starb im Jahr 1816, Goethe überlebte sie um 16 Jahre. Auf ihrem Grab ließ er die Inschrift anbringen: »Du versuchst, o Sonne, vergebens / Durch die düsteren Wolken zu scheinen. / Der ganze Gewinn meines Lebens / Ist ihren Verlust zu beweinen.«

Trier, 25. August 1792

Wo das Trier in der Welt liegt, kannst Du weder wissen noch Dir vorstellen; das Schlimmste ist, dass es weit von Weimar liegt und dass ich weit von Dir entfernt bin. Es geht mir ganz gut. Ich habe meine Mutter, meine alten Freunde wiedergesehen, bin durch schöne Gegenden gereist, aber auch durch sehr garstige, und habe böse Wege und starke Donnerwetter ausgestanden. Ich bin hier, ungefähr noch eine Tagreise von der Armee, in einem alten Pfaffennest, das in einer angenehmen Gegend liegt. Morgen gehe ich hier ab und werde wohl übermorgen im Lager sein. Sobald es möglich ist, schreibe ich Dir wieder. Du kannst um mich ganz unbesorgt sein. Ich hoffe, bald meinen Rückweg anzutreten. Mein einziger Wunsch ist, Dich und den Kleinen wiederzusehen, man weiß gar nicht, was man hat, wenn man zusammen ist. Ich vermisse Dich sehr und liebe Dich von Herzen. […] Wenn ich wiederkomme, bringe ich Dir noch manches mit, ich wünsche, recht bald. Lebe wohl. Grüße Meyern und sei mir ein rechter Hausschatz.

Adieu, lieber Engel, ich bin ganz Dein.

Im Lager bei Verdun, 10. September 1792

Ich habe Dir schon viele Briefchen geschrieben und weiß nicht, wenn sie nach und nach bei Dir ankommen werden. Ich habe versäumt, die Blätter zu nummerieren und fange jetzt damit an. Du erfährst wieder, dass ich mich wohl befinde, Du weißt, dass ich Dich herzlich lieb habe. Wärst Du nur jetzt bei mir! Es sind überall große, breite Betten, und Du solltest Dich nicht beklagen, wie es manchmal zu Hause geschieht. Ach! Mein Liebchen! Es ist nichts besser, als beisammen zu sein. Wir wollen es uns immer sagen, wenn wir uns wiederhaben. Denke nur! Wir sind so nah an Champagne und finden kein gutes Glas Wein. Auf dem Frauenplan soll’s besser werden, wenn nur erst mein Liebchen Küche und Keller besorgt.

Sei ein guter Hausschatz und bereite mir eine hübsche Wohnung. Sorge für das Bübchen und behalte mich lieb. Behalte mich ja lieb! Denn ich bin manchmal in Gedanken eifersüchtig und stelle mir vor, dass Dir ein andrer besser gefallen könnte, weil ich viele Männer hübscher und angenehmer finde als mich selbst. Das musst Du aber nicht sehen, sondern Du musst mich für den Besten halten, weil ich Dich ganz entsetzlich lieb habe und mir außer Dir nichts gefällt. Ich träume oft von Dir, allerlei konfuses Zeug, doch immer, dass wir uns lieb haben. Und dabei mag es bleiben.

[…] Behalte mich nur lieb und sei ein treues Kind, das andre gibt sich. Solang ich Dein Herz nicht hatte, was half mir das Übrige; jetzt, da ich’s habe, möchte ich’s gern behalten. Dafür bin ich auch Dein. Küsse das Kind, grüße Meyern und liebe mich.

Im Alter von 65 Jahren verliebte Goethe sich in die 30-jährige Marianne Willemer, verheiratet mit einem Freund der Familie, der das Verhältnis anscheinend duldete. Sie ist die Suleika des West-Östlichen Divans und faszinierte ihn mit ihrem eigenen schriftstellerischen Talent. Als Goethe sie nach dem Tod seiner Frau wiedersehen wollte, hielt ihn ein Kutschunfall, den er als böses Omen nahm, davon ab.

26. Juli 1819

Nein, allerliebste Marianne, ein Wort von mir sollst Du in Baden nicht vermissen, da Du Deine lieben Lippen wieder walten lässt und ein unerfreuliches Stillschweigen brechen magst. Soll ich wiederholen, dass ich Dich von der Gegenwart des Freundes unzertrennlich hielt, und dass bei seinem treuen Anblick alles in mir rege ward, was er uns so gern und edel gönnt? Ob Du gleich schwiegst, hatte ich allerlei zurechtgelegt, der Rückkehrende vermied uns, und es blieb liegen.