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STEINBRUCH

IMPRESSUM

STEINBRUCH

Herbert Lachmayer

Herausgeber

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INHALT

VORWORT Herbert Lachmayer

STEIN

ALLGEGENWÄRTIGKEIT DES STEINS
Walter Eppensteiner

VOM WERDEN UND VERGEHEN DES STEINS
Walter Eppensteiner

EIGENSCHAFTEN DES STEINS
Walter Eppensteiner

STEINBRÜCHE IN ÖSTERREICH
Maria Heinrich

TECHNIK

ZUR GESCHICHTE DER ABBAUTECHNIKEN
Walter Eppensteiner

ARBEIT MIT STEIN
Käthe Springer

STEINTRANSPORT
Walter Eppensteiner

WIRTSCHAFT

DIE WIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG DER STEINBRÜCHE IN ÖSTERREICH
Stefan Imhof

STEINBRUCHUNTERNEHMEN IN ÖSTERREICH
Stefan Imhof

ARBEITSPLATZ: STEINBRUCH
Käthe Springer

UMWELT

NATUR UND STEINBRUCH
Georg Schumacher

MÖGLICHKEITEN DER NACHNUTZUNG
Georg Schumacher

DER STEINBRUCH IN DER LANDSCHAFT
Georg Schumacher

ZUM BEISPIEL: BAD DEUTSCH-ALTENBURG

BAD DEUTSCH-ALTENBURG – ORT UND GEGEND
Katharina Sacken

DIE HOLLITZER BAUSTOFFWERKE
Katharina Sacken

VORWORT

Herbert Lachmayer

An der Wende zum 21. Jahrhundert stehen für den kritisch denkenden Teil unserer Gesellschaft Natur und Technik nicht in feindlichem Gegensatz und auch nicht in jenem Verhältnis zueinander, welches durch das Wort „Naturbeherrschung“ charakterisiert ist. Natur ist als Rohstoff notwendige Ressource einer technikdominierten Zivilisation und als Landschaft kulturell angeeignete wie gestaltete Umwelt zur physischen und psychischen Regeneration. Am Steinbruch tritt beides zutage: die Notwendigkeit des Materialabbaus und die dadurch entstehende Architektur derr Landschaft, deren ökologischer Bestand ein Wert auch für die Zukunft ist. Stein verweist auf die Vergangenheit, auf Erdgeschichte und auf Menschheitsgeschichte mit ihren Mythologien genauso wie auf die Zukunft und die künftigen Chancen unserer industrialisierten Zivilisation, die Stein für die Erzeugung nahezu aller technischen Produkte – vom Bahndamm bis zum Kunststoff – benötigt. In der griechischen Version des Sintflut-Mythos schufen Deukalion und Pyrrha, der Vernichtung durch die vom Göttervater Zeus verhängte Flut entronnen, ein neues Menschengeschlecht, indem sie, wie das Orakel empfiehlt, Steine über ihre Schultern warfen. In der Beschaffenheit des Steins findet sich eine Existenzform alles Menschlichen wieder: „Davon sind wir ein hartes Geschlecht, ausharrend im Mühsal“, drückt es Ovid in den Metamorphosen aus. Mit dem Steinbruch tritt Stein als Abbauform in unser Bewußtsein und damit die Geschichte menschlicher Arbeitsleistung und -technik: von der Materialbeschaffung der ägyptischen Pyramiden durch die Arbeitskraft von Sklavenheeren, über aufwendige Steintransporte seit dem Mittelalter bis hin zum computergesteuerten hochtechnisierten Steinbruchbetrieb von heute mit seinen wenigen qualifizierten Fachkräften – eine Entwicklung, die zur Neueinschätzung einer früher höchst negativ bewerteten Arbeit geführt hat.

Die folgenden Beiträge versuchen nun, aus der Sicht von Experten unterschiedlicher Bereiche – wie Geologie, Technik, Wirtschaft oder Umwelt – einen Überblick über die historische, gegenwärtige und zukünftige Bedeutung des Phänomens Steinbruchs geben.

STEIN

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ALLGEGENWÄRTIGKEIT DES STEINS

Walter Eppensteiner

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Reinweißer Marmor wird nicht nur als Bau- und Bildhauerstein verwendet, sondern dient auch zur Erzeugung von „Whitings“.

Wie allgegenwärtig Steine in unserem Leben sind, geht schon aus der Tatsache hervor, daß unser Planet Erde – stark vereinfacht ausgedrückt – eine Steinkugel ist. Mit dem Wort Stein verbinden wir gewöhnlich die Vorstellung von Pflaster- und Mühlsteinen, von Pyramiden, Tempeln und Burgen, von Denkmälern und Plastiken aller Epochen oder auch von Tauf- und Grabsteinen als Ecksteinen des christlichen Lebens – kurz, die Vorstellung von „sichtbarem“ Stein. Nicht bewußt ist uns in der Regel, wie, feinst gemahlene, mit freiem Auge nicht sichtbare Gesteine im Alltag gegenwärtig sind. Warum ist hochwertiges Papier, insbesondere ein Buch mit Kunstdrucken, so schwer? Weil es feinste Füllstoffe in Form von Steinmehl enthält, sogenannte „Whitings“. Auch wenn wir uns die Zähne putzen, ist Stein im Spiel, denn Zahnpaste enthält wie die meisten kosmetischen und pharmazeutischen Produkte feinstes Kalksteinmehl. Beim Wäschewaschen, Hausputz, Ausmalen der Wohnung – bei unzähligen Gelegenheiten also – haben wir mit Stein zu tun, da fast alle Wasch-, Putz- und Poliermittel genau wie Wandfarben und Kunststoffe Steinmehl enthalten. Rollen wir komfortabel über eine neue Asphaltstraße denken wir kaum daran, daß Straßen zu mehr als 95% aus unsichtbarem Steinmaterial bestehen. Und dies nicht erst seit heute: Schon die Straßen des römischen Weltreichs, rund 76.000 Kilometer lang, bestanden aus Stein. Übrigens: Autostoßstangen aus Kunststoff enthalten rund 40% Steinmehl in Form von Talk, eines – auf die Aufgaben einer Stoßstange bezogen – intelligenten Materials.

Natürliche Gesteine weisen weltweit den größten Massenumsatz aller technisch genutzten Stoffe auf. Weit weniger verbreitet hingegen ist die Kenntnis ihrer so vielfältigen technischen Eigenschaften. Nur dieses Wissen jedoch ermöglicht die optimale Nutzung des Gesteins.

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Die wichtigsten mineralischen Rohstoffe unserer Erde nach Handelswert (1a) und produzierter Menge (1b) weltweit.

VOM WERDEN UND VERGEHEN DES STEINS

KREISLAUF DER GEOLOGISCHEN VORGÄNGE

Walter Eppensteiner

Mit dem Begriff Gestein, etwa mit Granit, verbinden wir meist die Vorstellung von etwas Immerwährendem, gleichsam Unvergänglichem. Hier müssen wir umdenken: Auch Gesteine sind einem steten Wandel unterworfen. Sie haben eine Entstehungsgeschichte und eine unterschiedliche Lebenserwartung, sie durchlaufen Veränderungen (Metamorphosen) und sind der Zerstörung durch Verwitterung oder Einschmelzung ausgesetzt. Dies alles sind geologische Vorgänge und Teile eines Kreislaufs.

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Verwitterung, Erosion, Transport und Sedimentation gehen an oder nahe der Erdoberfläche vor sich (gestrichelter Bereich). Diagenese beginnt bereits kurz nach der Sedimentation bei geringer Bedeckung. Faltung, Metamorphose, Aufschmelzung (Anatexis) und Schmelzaufstieg vollziehen sich hingegen in der Tiefe der Erdkruste. Die Grenze zwischen den einzelnen geologischen Vorgängen ist jedoch nicht scharf: Es gibt Übergänge, z.B. zwischen Diagenese und Metamorphose.

Um die Vielfalt der Gesteine zu begreifen, betrachten wir am besten ihre Entstehung, die untrennbar mit dem Kreislauf der geologischen Vorgänge verbunden ist.

Die feste Gesteinsbildung beginnt mit dem Magma, wie es heute unter der festen Erdkruste vorliegt. Ein solches Magma besteht aus Gesteinsschmelzen mit unterschiedlichem Chemismus, insbesondere sehr unterschiedlichem Kieselsäuregehalt. Durch den Aufstieg dieser Schmelzen in Richtung Erdoberfläche kommt es sehr langsam zur Abkühlung, damit zum Auskristallisieren von Mineralen und letztlich zu deren Zusammenwachsen zu festen Gesteinen. Da sich diese Vorgänge in der Tiefe der Erdkruste abspielen, werden die dabei entstehenden Gesteine, z. B. die kieselsäurereichen Granite, als Tiefengesteine bzw. Plutonite bezeichnet.

Gelangt derartiges Magma durch vulkanische Vorgänge an „Schwächestellen“ der Erdkruste zur Erdoberfläche – die Gesteinsschmelze heißt nun Lava –, so kühlt es rasch ab, wodurch die Minerale wenig Zeit zum Auskristallisieren haben und nur sehr kleine Mineralkörner entstehen können. Unter besonderen Umständen unterbleibt ein Auskristallisieren weitgehend oder überhaupt ganz: es entsteht Gesteinsglas, wie der pechschwarze oder auch rote Obsidian. Enthält die Lava überdies hochgespannte Gase, wird sie durch die plötzliche Druckentlastung beim Ausbruch eines Vulkans schaumig aufgebläht, und es bildet sich weißer Bimsstein, dessen Festanteile ebenfalls aus Gesteinsglas bestehen. Alle Gesteine, die durch Zutagetreten von Lava an der Erdoberfläche entstanden sind, z. B. die meist schwarzen kieselsäurearmen Basalte, werden als Ergußgesteine oder Vulkanite bezeichnet.

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Herschenberger Granit aus dem nordwestlichen Waldviertel. Die hellen Anteile sind die Feldspate, die grauen der Quarz, die dunklen bis schwarzen der Biotit (Dunkelglimmer).

Tiefengesteine und Ergußgesteine bilden die Gruppe der Erstarrungsgesteine. Dazu gehören auch die sogenannten Ganggesteine, die in den als „Gänge“ bezeichneten Spalten, den Auf stiegswegen des Magmas zur Erdoberfläche, steckengeblieben und auskristallisiert sind.

Jedes Gestein unterliegt an der Erdoberfläche oder in deren Nähe der Verwitterung durch verschiedene Einflüsse – physikalische (z.B. Temperaturwechsel, Frost), chemische (z.B. Lösung) und biogene (z.B. Mikroorganismen). Verwitterungsvorgänge sind also durchaus positiv zu sehen, da sie eine der Voraussetzungen für die Fruchtbarkeit unserer Erde bilden.

Verwitterungsvorgänge zermürben und zerkleinern die Gesteine und machen sie dadurch leichter transportierbar für die Erosion durch Wasser, Gletschereis oder Wind. Während des Transports werden die Gesteine mechanisch beansprucht, verkleinert und zugerundet. So wird z. B. aus dem eckigen Gesteinsschutt der Gebirge gerundeter Kies oder Sand. Läßt die Strömungsgeschwindigkeit des Wassers nach, oder schmelzen die Gletscher, oder hört der Wind auf zu wehen, werden die transportierten Gesteine wieder abgelagert: Sie werden sedimentiert.

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Säulenbasalt in Island. Beim Auskühlen basaltischer Laven entstehen Schwundrisse, die häufig zur Ausbildung meist fünf - oder sechseckiger Säulen führen.

Vorwiegend mechanisch zerkleinertes Gestein trägt je nach seiner Korngröße – gereiht vom Feinen zum Groben – die Bezeichnung: Ton, Schluff, Sand, Kies oder Stein.

Zusammen bilden sie die sogenannten mechanischen Sedimente, zunächst in Form von Lockergesteinen.

Durch Verfestigungsvorgänge, die sogenannte Diagenese, z. B. Verkittung durch Kalkspat, können aus den Lockergesteinen wieder Festgesteine werden: Aus Ton wird der Tonstein, aus Sand der Sandstein, aus rundem Kies das Konglomerat, aus kantigem Schutt die Breccie.

Die bei Verwitterung im Wasser gelösten Stoffe werden unter bestimmten Bedingungen, z. B. Übersättigung der Lösung, ausgefällt und bilden die Gruppe der chemischen Sedimente oder Fällungsgesteine. Dazu gehören Salze, Gips/Anhydrid, Kalktuff/Kalksinter und ein Teil der Kalksteine.

Ein anderer Teil der im Wasser gelösten Stoffe wird von pflanzlichen oder tierischen Organismen, z. B. Kalkalgen, Korallen, Muscheln, Schnecken, usw., zum Bau ihrer Stützskelette oder Schalen genutzt. Die nach dem Tod dieser Organismen zurückbleibenden anorganischen Reste – die „Fossilien“ – bilden dann, meist zusammen mit eingeschwemmtem oder chemisch gefälltem Material, die Gruppe der biogenen Sedimente. Sie umfaßt die Hauptmenge der Kalksteine, Kreide, Kieselgur, Feuerstein. Aus den organischen Resten entstehen unter bestimmten Erhaltungs- und Bildungs-bedingungen Kohle, Erdöl und Erdgas.

Gelangen Gesteine der bisher angeführten Entstehungsweisen durch sehr langes Andauern der Sedimentation oder durch gebirgsbildende Vorgänge in tiefere Teile der Erdkruste, sind sie sowohl zunehmendem Druck als auch zunehmender Erwärmung ausgesetzt. Sie werden im Zuge von Gebirgsbildungen zunächst mechanisch verformt, meist gefaltet, und beginnen bei weiterem Druck- und Temperaturanstieg umzukristallisieren, wobei vielfach neue Mineralarten entstehen. Durch die mit der Gebirgsbildung verbundene „Durchbewegung“ verlieren die Gesteine ihre bisherigen Strukturen, sie werden „umgeprägt“ und erhalten in der Regel eine parallele Anordnung ihrer Minerale aufgezwungen, die „Schieferung“. Dergestalt veränderte Gesteine werden daher als Umprägungsgesteine oder Metamorphite bzw. Kristalline Schiefer bezeichnet.

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St. Margarethener Sandstein. Der Sandanteil dieses Gesteins besteht aus Kalk, ebenso sein Bindemittel, das den Sand zum festen Sandstein verkittet. Die rundlichen Gebilde sind in der Brandung abgerollte Kalkalgen.

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Ternitzer Konglomerat. Dieses Gestein ist ein sehr gut verfestigter ursprünglicher Kiessand mit bunten Komponenten. Die Löcher im Gestein entstanden durch nachträgliches Herauslösen von wenig verwitterungsbeständigen Kieskörnern.

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Travertino oniciato. Dieses lagenweise gebildete Sedimentgestein verdankt seine Entstehung sowohl chemischer Fällung als auch biogenen Prozessen. Die rötlichbraune Färbung deutet auf geringfügig erhöhten Eisengehalt.

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Untersberger Kalkstein Hell. Dieser Kalkstein enthält viele gut abgerundete Bruchstücke von älteren Kalksteinen und dickschaligen Muscheln in einer feinkörnigen Kalkmasse. Die fein verteilten roten Einschlüsse führten zur Handelsbezeichnung „Forellenmarmor“.

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Wachauer Marmor. Der hell-dunkel gestreifte Kalkmarmor aus Mühldorf enthält lagenweise verteilt Graphit. Das Ausgangsmaterial dieser Graphite war die im ursprünglichen Kalkschlamm enthaltene organische Substanz.

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Gneis. Die wichtigsten Minerale in Granit und Gneis – Feldspat, Quarz und Glimmer – sind im Granit richtungslos im Gestein verteilt, im Gneis weitgehend parallel gelagert. Das ist besonders gut am dunklen Biotit zu erkennen, der die Parallelstruktur deutlich nachzeichnet.

Mit weiter zunehmender Temperatur beginnt ein zunächst teilweises Aufschmelzen der Gesteine und ein Vermischen mit Magma, wodurch die Gruppe der Mischgesteine oder Migmatite entsteht – heute sehr gefragte Dekorgesteine in kräftigen Farbtönen.

Nimmt die Temperatur noch weiter zu, erfolgt ein vollständiges Aufschmelzen der Gesteine, die sogenannte Anatexis: Es entsteht neues Magma – der Kreislauf der geologischen Vorgänge schließt sich und kann von neuem beginnen.

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Migmatit (Mischgestein). Das Beispiel zeigt einen Gneis (die dunkleren Partien), der mit Magma (die rötlichen Partien) vermischt wurde. Bei weiterer Erwärmung wäre das Gestein wieder vollständig eingeschmolzen worden.

EIGENSCHAFTEN DES STEINS

Walter Eppensteiner