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Die wilden Hamster. Achtung, Wieselgefahr!

DIE WILDEN HAMSTER

Krümel auf großer Tour (Band 1)

Achtung, Wieselgefahr! (Band 2)

Rettet das Schlüsselblumental! (Band 3)

Freunde in Not (Band 4)

Alex Fielding ist Teil eines Teams, das gemeinsam die Geschichten über Die wilden Hamster entwickelt. Heute lebt Fielding zusammen mit der Familie und fünf Hamstern, die alle in Die wilden Hamster einen Auftritt haben, in einem abgelegenen alten Bauernhaus in Hampshire.

Helge Vogt wollte als Kind Paläontologe werden. Irgendwann wurde ihm klar, dass er die Dinosaurier und Monster lieber zeichnet. Seine aktuelle Comicserie Alisik wurde schon mehrfach ausgezeichnet. Mehr Infos auf: www.trickwelt.com

1. Kapitel

Krümel streckte sich so lang er konnte und pflückte die saftigste Brombeere von dem schwer beladenen Busch vor ihm. »Hab ich dich!« Er stopfte sich die pralle Frucht in den Mund und seufzte genüsslich, als er den süßen, dunklen Saft auf der Zunge spürte.

»Wetten, dass in meine Backentaschen mehr passt als in deine?« Molly rannte über die kleine Lichtung zu Krümel und setzte sich neben ihn, sodass ihr glattes weißes Fell sein struppiges braunes streifte. »Und auch mehr als in eure, Walnuss und Mümmel. Niemand kann mehr essen als ich!« Krümels Geschwister sahen zu, wie sich Molly, die ein gutes Stück größer war als die beiden, auf den Busch stürzte und sich mit beiden Pfoten die reifen Früchte nur so ins Maul schaufelte. Der lilafarbene Saft lief ihr schon bald die Schnauze hinunter und tropfte auf das weiche Fell.

»Aber klar kann ich dich schlagen, das schaffe ich mit links«, sagte Krümel und rannte ein Stückchen weiter, wo er die Beeren in Windeseile von den Zweigen klaubte. In null Komma nichts waren seine Backentaschen weit ausgebeult und dunkle Sprenkel tupften sein braunes Fell.

»Und, wer liegt vorn? Hast du mitgezählt, Krümel?«, fragte Mümmel begeistert und blickte zwischen Walnuss und Molly hin und her. »Pass auf, der Saft spritzt noch … oh!«

Krümel hielt die Luft an , als er sah, wie Molly in eine besonders pralle Beere biss und dunkler Saft herausspritzte, der in hohem Bogen durch die Luft schoss und mitten auf Mümmels Kopf klatschte! Niemand sagte etwas, aber Krümel meinte zu sehen, dass Molly ein Grinsen unterdrückte. Mümmel lachte nicht.

»Igitt! Wie eklig!«, schrie sie und wischte sich hektisch mit den Pfoten über den Kopf, damit ihr der Saft nicht ins Gesicht lief. »Ich bin total klebrig und dabei hab ich noch nicht mal mitgespielt!« Sie schüttelte sich entrüstet, aber Krümel glaubte doch ein kleines Lächeln zu erkennen.

Hier draußen wird selbst Mümmel etwas entspannter.

»Oh, entschuldige bitte, Mümmel!«, rief Molly und lachte. »Ist es nicht herrlich in der weiten Welt? Einfach herumzutollen, wie man will. Ich hätte nie geglaubt, dass ich wirklich von den Menschen weglaufen würde, um das Schlüsselblumental zu suchen!«

»Ja, und wir haben schon zwei ganze Tage überlebt.« Krümel streckte seine Beine und spürte deutlich, wie kräftig seine Muskeln geworden waren. »Es kommt mir so vor, als wären wir schon viel länger unterwegs, bei allem, was wir bereits erlebt haben.«

»Und überall gab’s so viel Leckeres zu essen«, sagte Walnuss genüsslich.

»Ja, ihr habt wohl recht.« Mümmels Stimme klang etwas unsicher. »Aber jetzt sollten wir uns hinsetzen und ordentlich essen. Das heißt, wenn Krümel und Molly mit ihrer klebrigen Kleckerei fertig sind. Wir können alles, was wir gesammelt haben, ja einfach aufteilen.«

»Gute Idee«, sagte Krümel. Die vier Hamster setzten sich mit einem großen Haufen Früchte zwischen sich neben den Brombeerbusch.

»In dem winzigen Käfig im Zoogeschäft gab’s nie irgendwelche Beeren, wisst ihr noch?«, fragte Krümel und stopfte sich eine besonders saftige in den Mund. »Kein Vergleich zu dem langweiligen alten Trockenfutter!«

»Auf gar keinen Fall!«, stimmte Walnuss ihm zu und achtete nicht weiter darauf, dass ihm etwas Saft über das Kinn lief.

»Wunderbar – aber auch eine ziemliche Sauerei!«, sagte Mümmel, die es nicht lassen konnte, das Gekleckse mit argwöhnischem Blick zu beobachten.

»Alle satt?«, fragte Krümel, als von den Beeren nur noch ein oder zwei leicht matschige übrig waren. Die anderen nickten. »Dann sollten wir uns wohl besser wieder auf den Weg machen, damit wir heute noch so weit wie möglich kommen. Und wir sollten nach einem Ort Ausschau halten, an dem wir ein Lager bauen können, bevor es dunkel wird «

»Oh nein, wenn es dunkel ist, sollten wir nicht mehr draußen herumlaufen«, stimmte Mümmel ihm zu. »In welche Richtung sollen wir gehen?«

»Hier lang, ich glaube, da finden wir einen guten Platz für die Nacht«, rief Krümel. »Mir nach!«

Krümel ging voraus und die anderen Hamster folgten ihm. Sie hüpften um kleine Zweige herum, kletterten über rutschige, moosbewachsene Steine und verhedderten sich kurz in einer Pflanze, deren lange Ranken über den Waldboden wuchsen. Ihre Krallen sanken abwechselnd in feuchte, weiche Erde oder scharrten über trockenen Boden, sodass sie manchmal nur langsam, dann aber wieder zügig vorankamen. Während Krümel seine Freunde an Bäumen und Büschen vorbeiführte, zuckte seine Nase, und es kam ihm fast so vor, als tanzten seine Barthaare vor Begeisterung. Von überall her wehten die unterschiedlichsten Gerüche: manche süß, manche würzig, andere trocken oder modrig. Auch nach zwei Tagen in der weiten Welt konnte er sich nicht vorstellen, dass er sich jemals an all die wunderbaren Düfte gewöhnen würde. Krümel drehte sich um und sah, dass Walnuss, Mümmel und Molly genauso begeistert schnupperten wie er.

»Warte mal, Krümel!«, rief Mümmel. »Kannst du dich an diesen Geruch erinnern? Das riecht so herrlich frisch wie …«

»… die Streu in unserem Käfig«, sagte Krümel. Walnuss schnupperte und nickte: »Genau wie die Bäume hier.« Krümel hob den Kopf und sah die stachelblättrigen Bäume, die sich hoch über ihnen erhoben. Die riesigen, dunklen Stämme wuchsen aus dem rauen Boden empor, der von Tausenden dünnen, spitzen Blättern bedeckt war. Sie waren ungefähr so lang wie die Hamster, dabei aber dünner als ihre Krallen.

»Au! Diese spitzen Blätter können ganz schön piksen«, sagte Walnuss, als sich die vier Hamster im Schatten der Äste sammelten.

»Das sind wirklich komische Blätter«, sagte Mümmel und schob ein paar davon, die schon ein bisschen gelblich waren, mit einer Pfote zu einem kleinen Haufen zusammen. »Gar nicht so einfach, daraus ein gemütliches Lager zu machen!«

Krümel waren die sonderbaren Blätter egal. Er hatte die Augen geschlossen und versuchte, sich an das Gedicht zu erinnern, das ihre Mutter ihm und seinen Geschwistern abends immer zum Einschlafen vorgesagt hatte. Damals, bevor sie von den Menschen adoptiert worden war, so wie fast alle seine anderen Geschwister auch. Ohne das Gedicht über das Schlüsselblumental wäre er überhaupt nicht hier. Krümel hatte immer daran geglaubt, dass es diesen wunderbaren Ort wirklich gab. Ein Tal, in dem alle Hamster frei und ohne Angst leben konnten. Er kannte das Gedicht auswendig und war ihm bis hierher gefolgt: durch die Straßen der Menschen bis zur Käsekammer, dann über den schrecklichen Schwarzweg und an einem riesigen stinkenden Kompost vorbei. Und schließlich hatte er Walnuss, Mümmel und Molly durch eine piksende Brombeerhecke in die weite Welt geführt!

In Gedanken hörte Krümel die Worte des Gedichts: Nun immer fort unter dunklen Bäumen … Hatten sie etwa schon den nächsten Ort erreicht, von dem dort die Rede war? Krümel öffnete die Augen, blinzelte einmal und blickte nach oben. Unter den breiten Ästen war es auf jeden Fall dunkel, viel dunkler als unter allen anderen Bäumen, an denen sie auf ihrem Weg bisher vorübergekommen waren. Doch kaum fiel Krümel die nächste Zeile ein, war es mit seiner Freude vorbei, und es lief ihm kalt den Rücken hinunter: doch Vorsicht, im Schatten lauert Gefahr. Diese Zeile hatte seine Mutter immer nur geflüstert. Krümel schauderte. Hatten sie nicht schon genug Gefahren überstanden? Erinnerungen an den gefräßigen Kater, den lebensgefährlichen Schwarzweg und die hinterhältigen Elstern überfielen ihn und er kniff die Augen schnell wieder zu. Als er auch noch an das bösartige Wiesel Reißzahn dachte, zitterte Krümel am ganzen Körper. Nur ganz knapp war er ihm damals entkommen. Krümel konnte sich nicht vorstellen, welche Gefahr nun hier auf sie lauern sollte, aber was immer es auch war, er würde sich ihr stellen.

»Hört mal her, ich glaube, wir haben die nächste Strophe von Mamas …«, fing Krümel an, als ein begeisterter Ausruf von Molly ihn übertönte.

»Unglaublich! Das hier riecht sooo lecker!« Molly schnupperte aufgeregt und lief zu einem alten, knorrigen Baumstumpf hinüber. Krümel rannte hinterher und kam neben Molly, Walnuss und Mümmel zum Stehen.

»Wie hübsch!«, sagte Mümmel, als die vier Hamster das fremdartige Gewächs betrachteten, das aus dem Baumstumpf herauswuchs. »Seht euch nur den roten Kopf mit den niedlichen weißen Tupfen darauf an.« Krümel schnupperte angestrengt. Das rotköpfige Ding roch erdig und schwer, wenn auch nicht besonders süß. Er fragte sich, wie es wohl schmeckte – für einen kleinen Bissen war neben all den Beeren in seinem Bauch bestimmt noch ein wenig Platz. Krümel beugte sich mit weit geöffnetem Mund vor, als ihn irgendetwas zurückhielt. Der schwere Geruch kam ihm plötzlich bitter vor, fast ein wenig bedrohlich.

»Ich weiß nicht recht, ob wir …«, fing Krümel an und unterbrach sich selbst, als er sah, dass Molly kurz davor war, in das rot-weißgesprenkelte Gewächs hineinzubeißen.

»STOPP! NICHT ESSEN!«

2. Kapitel

Krümel warf sich auf Molly und riss sie zu Boden.

»Oooh, womit habe ich das denn verdient?«, fragte sie leicht verlegen, bevor sie sich schnell wieder aufrappelte und das Fell abklopfte.

»Hast du das nicht gerochen?«, fragte Krümel und sog den Geruch tief ein. »Ich bin mir sicher, irgendetwas stimmt mit dem Ding nicht.«

»Ich glaub, du hast recht.« Mümmel schnupperte ebenfalls noch einmal gründlich. »Was meinst du, Walnuss?«

Walnuss nickte. »Es riecht wirklich ein bisschen seltsam«, sagte er. »Ich wollte gerade sagen, dass es wohl besser aussieht, als es schmeckt, aber du bist mir zuvorgekommen, Brüderchen.«

»Hmm, stimmt wahrscheinlich«, sagte Molly. Sie beugte sich vor und atmete tief ein. »Es riecht wirklich ein bisschen … streng.«

»Oh nein! Nicht schon wieder!« Mümmel sah beunruhigt aus. »Ich habe doch immer gesagt, dass die weite Welt voller Gefahren steckt! Das habe ich doch, stimmt’s, Walnuss?«

Walnuss nickte wieder. »Ja, das stimmt«, sagte er, »aber bisher haben wir es doch immer geschafft, selbst wenn es richtig gefährlich wurde.«

»Du wirst dich schon noch an die weite Welt gewöhnen, Mümmel«, sagte Krümel. »Und manche Gefahr ist doch gar nicht so schlimm wie zuerst gedacht. So wie jetzt. In Mamas Gedicht heißt es:

Nun immer fort unter dunklen Bäumen– doch Vorsicht, im Schatten lauert Gefahr –,

Danach sollten wir suchen und genau das haben wir gefunden – einen schattigen Baum und darunter ein gefährliches Gewächs. Wir sind wieder einen Schritt weiter auf unserer Reise!«

Molly jubelte laut, und auch wenn Mümmel nur ganz leise einstimmte, schmiegte sie sich doch an die anderen drei. Auf einmal fröstelte Krümel und blickte hinauf in den dunkler werdenden Himmel.

»Brrr, sieht aus, als ob es gleich dunkel wird. Die Sonne verschwindet langsam«, sagte er. »Wir sollten uns ein Lager bauen, bevor es zu finster wird. Wer zuerst einen Schlafplatz findet, ist Hamsterkönig!«

»Oder Königin!« Mümmel lachte, und alle vier flitzten in unterschiedliche Richtungen davon, um einen geeigneten Platz für ihr Lager zu suchen.

Krümel stellte bald fest, dass es ein Problem gab. Die großen Baumstämme um sie herum schienen schnurgerade aus der Erde zu wachsen. Nirgends ragten Wurzeln hervor, die kleine Mulden formten und genau richtig gewesen wären für einen gemütlichen Lagerplatz. Er sah, wie Mümmel etwas weiter vorn auf der trockenen Erde herumscharrte und den Kopf schüttelte. Er stellte sich schon auf eine ungemütliche Nacht unter den stacheligen Bäumen ein, als Walnuss plötzlich rief: »Guckt mal, hier drüben!«

Krümel rannte hinüber, aber Molly war schon vor ihm da und schnupperte voller Anerkennung an einem dicken, dunklen Baumstamm, der ganz knorrig und verdreht war.

»Was sagst du dazu, Brüderchen?«, fragte Walnuss. Krümel sog die Luft tief ein. Der Baumstamm roch zwar nicht so angenehm wie die anderen, zwischen seinen Wurzeln war jedoch ein gemütlicher Lagerplatz zu erkennen.

»Genau richtig! Aber wir sollten uns besser beeilen«, sagte Krümel und blickte zum Himmel. »Wo ist Mümmel?«

»Hier bin ich und schon dabei, es uns gemütlich zu machen«, sagte Mümmel und wuselte auf Krümel zu. Sie schob einen Haufen gelber spitzer Blätter mit der Nase vor sich her. »Komm schon, Krümel, hilf mir!«

Krümel lachte in sich hinein, als er sich auf den Weg machte, um ebenfalls Streu für ihr Lager zu sammeln. Hier draußen in der weiten Welt kommandierte ihn Mümmel längst nicht so viel herum wie früher im Zoogeschäft. Und als sie es jetzt doch tat, machte es ihm noch nicht mal etwas aus.

Sie brauchten nicht lange, um ein Lager in der Mulde zu errichten. Während Krümel darauf wartete, dass die anderen drei sich hinlegten, fuhr ihm ein kühler Abendwind durchs struppige Fell, und er zitterte leicht. Sobald es dunkel war, wurde es schnell kalt in der weiten Welt.

»Es ist so finster hier, ich kann gar nichts sehen«, flüsterte Mümmel, als sie hinter Molly und Walnuss ins Nest kroch. »Wo ist der große silberne Mond heute Abend?« Krümel sah nach oben in den dunklen Himmel. Der große runde Lichtschein schien in letzter Zeit stetig kleiner geworden zu sein, bis schließlich nicht mehr von ihm übrig war als eine dünne silberne Sichel.