RONALD M. HAHN

 

 

HARDCORE-WESTERN

VIII. Heiße Nächte in Laredo

 

 

 

 

Roman

 

 

 

Apex-Verlag/Edition Bärenklau

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 4 

Der Autor 5 

HEISSE NÄCHTE IN LAREDO 7 

In Kürze als E-Book im Apex-Verlag/Edition Bärenklau erhältlich: 116 

 

Das Buch

 

 

Eigentlich wollte Nick Barclay nur die Bank von Laredo überfallen. Doch dann kommt alles ganz anders...

Zuerst muss er feststellen, dass ihm jemand zuvor gekommen und der Überfall schon im Gange ist... Dann erschießt er in Notwehr zwei der Outlaws, vereitelt den Bankraub und gewinnt die Sympathien der Bürger der Stadt.

Nun sitzt er fest – als Held wider Willen. Und im General Store hängt sein Steckbrief! Zwar ist das Foto schlecht und sein Name falsch geschrieben, doch es kann es nicht lange dauern, bis man  ihn erkennt...

Nur zwei Dinge halten Barclay in der Stadt: Das Warten auf das Kopfgeld für die toten Banditen – und die heißen Töchter des Bürgermeisters!

 

Der Autor

 

Ronald M. Hahn, Jahrgang 1948.

Schriftsteller, Übersetzer, Literaturagent, Journalist, Herausgeber, Lektor, Redakteur von Zeitschriften.

Bekannt ist Ronald M. Hahn für die Herausgabe der SF-Magazine Science Fiction-Times (1972) und Nova (2002, mit Michael K. Iwoleit) sowie als Autor von Romanen/Kurzgeschichten/Erzählungen in den Bereichen Science Fiction, Krimi und Abenteuer.

Herausragend sind das (mit Hans-Joachim Alpers, Werner Fuchs und Wolfgang Jeschke verfasste) Lexikon der Science Fiction-Literatur (1980/1987), die Standard-Werke Lexikon des Science Fiction-Films (1984/1998, mit Volker Jansen), Lexikon des Horror-Films (1985, mit Volker Jansen) und das Lexikon des Fantasy-Films (1986, mit Volker Jansen und Norbert Stresau).

Für das Lexikon der Fantasy-Literatur (2005, mit Hans-Joachim Alpers und Werner Fuchs) wurde er im Jahr 2005 mit dem Deutschen Fantasy-Preis ausgezeichnet. Insgesamt sechsmal erhielt Hahn darüber hinaus den Kurd-Laßwitz-Preis – dem renommiertesten deutschen SF-Preis - , u.a. für die beste Kurzgeschichte (Auf dem großen Strom, 1981) und als bester Übersetzer (für John Clute: Science Fiction – Eine illustrierte Enzyklopädie, 1997).

Weitere Werke sind u.a. die Kurzgeschichten-Sammlungen Ein Dutzend H-Bomben (1983), Inmitten der großen Leere (1984) und Auf dem großen Strom (1986) sowie – als Übersetzer – der Dune-Zyklus von Frank Herbert.

Ronald M. Hahn lebt und arbeitet in Wuppertal. 

 

 

 

Ronald M. Hahn

HEISSE NÄCHTE IN LAREDO

 

 

1.

 

Der Morgen war regnerisch. Der Himmel war grau. Auf den Straßen von Laredo rührte sich zu dieser frühen Stunde nichts.

Barclay band seine graue Stute auf der Main Street vor Skinners & Dunns General Store an. Er war ein breitschultriger dunkelblonder Mann und wirkte so abgerissen und finster wie der gerade angebrochene Tag. Natürlich hatte er schon mal bessere Zeiten gesehen. Auf seinem eckigen Kinn zeigten sich ein paar angegraute Stoppeln, die ihn älter wirken ließen als er war. Seine Augen waren so grau wie der im Wind wehende Staubmantel, der seine Unterschenkel umflatterte und blickten in dieser frühen Stunde müde aber auch wachsam in die Welt.

Er betrat den Store und schaute sich kurz um. Am dem langen Tresen sprachen zwei Spitzenhäubchen tragende Ladies mit einem hageren Clerk, der so grämlich wirkte wie ein Prediger, dessen Botschaft niemand glaubte.

An dem Barclay zugewandten Ende der Ladentheke prüfte eine blutjunge Frau mit goldblonden Locken, die ein blauweiß kariertes Männerhemd, eng anliegende Jeans und Schnürstiefel mit hohen Absätzen trug, die ausgelegten Vorhangstoffe. Barclays Blick traf ihren drallen Hintern, und ihm fiel sein letzter Abend im mexikanischen Candela ein.

Als hätte die junge Frau seinen Blick gespürt, drehte sie sich plötzlich um. Unglaublich hellblaue Augen unterzogen Barclay einer prüfenden Musterung. Das, was sie erblickten, schien ihnen zu gefallen, denn ein Lächeln verzog die Lippen ihrer Besitzerin. Barclay schnaubte unhörbar und wandte sich ab. Zugegeben, die Kleine hatte eine zum Träumen einladende Figur, aber sie war höchstens fünfzehn, und mit sowas wollte er sich nicht abgeben.

Außerdem hatten ihn andere Gründe nach Laredo geführt.

Ganz andere Gründe.

Einige Meter links von der Ladentheke kramte ein bärtiger und krummbeiniger Mann mit leise klingelnden Sporen und einem mexikanischen Sombrero im Regal mit den Bohnenkonserven herum. Der Sombrero und die staubigen Kleider sagten Barclay, dass er nicht zum Personal gehörte, sondern ein Kunde war.

An mit Patronen gespickten Gurt des Mannes baumelten zwei Army-Colts. Die Bewegungen des Burschen erschienen ihm eigentümlich vertraut, doch da der Mann ihm den Rücken zuwandte, war er nicht zu erkennen.

Vorsicht. Barclay griff in die Tasche seines Staubmantels, entnahm ihr ein billiges Blech-Etui, klappte es auf und schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen. Als er das Streichholz am Absatz seines rechten Stiefels anriss, fiel sein Blick auf die Wand, die dem Tresen gegenüberlag. Er zuckte unmerklich zusammen.

 

GESUCHT

WEGEN BANKRAUBS

MICK BERKELEY

GRÖSSE: 6 FUSS, 3 ZOLL. HAARFARBE: DUNKELBLOND

NATIONALITÄT: UNBEKANNT

$ 500 BELOHNUNG

DIESER MANN IST BEWAFFNET UND GEFÄHRLICH

HINWEISE, DIE ZU SEINER FESTNAHME FÜHREN

NIMMT ENTGEGEN:

BANKHAUS J.D. O’CONNOR & CO., GUTHRIE, MONTANA

J.D. O’CONNOR, MANAGER

 

Der Steckbrief war auf gelbem Papier gedruckt, doch man musste schon ziemlich phantasiebegabt sein, um auf dem mindestens zehn Jahre alten Foto des vollbärtigen Gesuchten Barclays Gesicht zu erkennen. Außerdem hatte die Bank, in deren Auftrag der Steckbrief verteilt worden war, seinen Namen falsch geschrieben: Sein Vorname war nicht Mick, sondern Nick, und sein Nachname nicht Berkeley, sondern Barclay.

Barclay musste sich ein Grinsen verkneifen. Dass 500 Dollar auf seinem Kopf standen, sagte ihm allerdings, dass J.D. O’Connor es ernst meinte. Er fragte sich, wie dem Mann sein neues Gebiss passte. Er hatte seit Jahren nicht mehr an ihn gedacht und nahm sich vor, auch in Zukunft nicht an ihn zu denken.

Heute Abend würde er wieder in Mexiko sein. Guthrie war weit. Und der Steckbrief war alt. Niemand würde ihn auf dem Bild erkennen. Nicht mal seine Mutter. Das Foto war verwackelt und schlecht gedruckt.

Da der Clerk keine Anstalten machte, sein Gespräch mit den beiden Ladies zu beenden, nutzte Barclay die Gelegenheit: Er baute sich mit der brennenden Zigarette im Mund vor dem großen Fenster auf und schaute auf die Main Street. Genau gegenüber ragte das steinerne zweistöckige Bankhaus von Julius Oppenheimer & Co. auf. In dem Gebäude war momentan noch alles still. Niemand ahnte etwas Böses. Doch dies würde sich in einer Viertelstunde ändern, denn Barclay hatte vor, die Bank auszurauben.

Gleich nachdem er sich mit zusätzlicher Munition eingedeckt hatte.

„Berkeley?“

Barclays Herz blieb beinahe stehen, doch als er sich langsam umdrehte, hätte ihm niemand etwas angemerkt. Der Mann mit dem Sombrero, dessen Bewegungen ihn an jemanden erinnert hatten, stand plötzlich vor ihm. Seine Miene kündete jedoch nicht von Begeisterung. Das unerwartete Wiedersehen ging ihm eindeutig gegen den Strich. Ein Blinder hätte erkannt, dass er es nicht schätzte, an diesem Ort einen Bekannten zu treffen.

„Frenchy?“ Barclay kannte den Mann ziemlich gut. Sie hatten in Mexiko ein halbes Jahr lang für den gleichen Herrn gearbeitet. Es wäre aber eine Untertreibung gewesen, wenn man gesagt hätte, dass er ihn nicht mochte. Er verabscheute ihn. Frenchy provozierte mit Vorliebe Männer, die ihm unterlegen waren, und es gehörte zu seinem bevorzugten Methoden, ihnen mit der Stiefelspitze gegen die Schläfe zu treten, wenn sie besinnungslos am Boden lagen. Henri Lafayette, den seine wenigen Freunde Frenchy und seine zahlreichen Feinde „Froschfresser“ nannten, da er als junger Mann mit seinem Bruder aus Frankreich nach Texas eingewandert war, gehörte zu jenen Menschen, die man lieber gehen als kommen sah. Er war die reine Pest. Wer nach einem harten Arbeitstag in den Saloon ging, um ein Bier zu trinken und einen ruhigen Abend zu erleben, hatte Grund, ihn zu fürchten: Frenchy mochte nämlich keine Menschen, die ruhige Abende liebten. Wenn er einen Saloon betrat, brauchte er Rummel, Whisky, Musik und ausgelassen kreischende Weiber. Wer ihm seine Wünsche versagte, war gut beraten, wenn er schnell sein Testament machte.

„Was willst du denn hier?“ fragte Frenchy gefährlich leise. Seine tückischen gelben Augen wurden zu Schlitzen. Seine Linke kreiste wie ein Geier über seiner rechten Kanone. Dass er zwei Schießeisen trug, war nur Angabe. Hätte er drei Holster an seinem Gurt befestigen können, hätte er vermutlich drei Schießeisen getragen. „Ich dachte, du bist in Mexiko...“

„War ich, bis vor einer Stunde“, sagte Barclay, während sich in seinem Kopf die Gedanken überschlugen. „Aber ich hatte Sehnsucht nach...“ Er zog die Achseln hoch. „...der alten Heimat.“

Frenchy schnaubte verächtlich. „Erzähl keinen Mist“, sagte er. „Du bist in Texas ebenso wenig zu Hause wie ich.“

„Woraus schließt du das?“

„Aus deiner Aussprache... Jedenfalls bei manchen Worten. Du vergisst wohl, wo ich herkomm. Ich komm aus ’ner Hafenstadt. Da hört man viele Sprachen. Du bist ’n Schwede, ’n Norweger oder ’n Holländer...“

Knapp daneben ist auch vorbei, dachte Barclay.

Frenchys Blick wanderte über Barclays Gesicht. „Und alt bist du auch geworden.“

„Danke für das Kompliment, Frenchy“, erwiderte Barclay. „Aber so alt wie du aussiehst, wirst du vermutlich nie werden.“ Er warf einen schnellen Blick auf den Clerk und die beiden alten Kundinnen, die sich gerade über die beste Methode zum Einmachen von Erdbeermarmelade unterhielten.

Goldlöckchen hatte die Vorhangstoffe nun wieder zusammengelegt und blätterte in den Groschenheften herum, in denen Ned Buntline nicht müde wurde, die angeblichen Heldentaten des Ganoven Wild Bill Hickock zu besingen.

Es kam Barclay sehr ungelegen, Frenchy Lafayette hier zu begegnen, denn der Mann zog die Gesetzeshüter an wie ein Kuhfladen die Fliegen. Wenn er sein Vorhaben ausführen wollte, war es nicht gerade von Vorteil, wenn er kurz zuvor mit einem Menschen redete, der für 500 Dollar Kopfgeld sogar seine Mutter ans Messer geliefert hätte.

Es war nicht gut, mit jemanden wie ihm gesehen zu werden, wenn man anschließend eine Bank ausplündern wollte. Zum Glück wusste Barclay, dass auch auf Frenchy eine Belohnung ausgesetzt war – und zwar nicht in Guthrie, Montana, sondern hier, im texanischen Webb County. Vielleicht konnte er sein Wissen als Druckmittel einsetzen, um Frenchy zu bewegen, schnellstens das Weite zu suchen.

„Um der Wahrheit die Ehre zu geben, Frenchy“, sagte Barclay frech, „ich bin dir auf den Fersen, denn du bist ’ne Menge Geld wert.“

Frenchys schmale Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. Aber er erbleichte, und das war schon mal nicht schlecht.

„Willst du mir erzählen, du bist unter die Kopfgeldjäger gegangen?“

„Ich bin ’n bisschen klamm, Frenchy“, erwiderte Barclay schleppend. „Da muss man halt nehmen, was so kommt.“ Er räusperte sich. „Für’n kleines Darlehen wäre ich allerdings bereit, dich ziehen zu lassen.“

Frenchy zeigte sich nicht im Geringsten beeindruckt, was möglicherweise daran lag, dass er nicht zu den Gescheitesten im Lande gehörte. Andererseits war er aber klug genug, um sich vorstellen zu können, dass ein gesuchter Bankräuber es kaum wagen würde, einen gesuchten Doppelmörder anzuzeigen, um eine Belohnung zu kassieren. Doch Barclay sah seinem Gegenüber an den Augen an, dass es noch einen Grund gab, weswegen Frenchy Lafayette sich sicher fühlte: Er war nicht allein hier. Er war in Begleitung. Frenchy fühlte sich immer besonders stark, wenn sein Bruder bei ihm war. Irgendwo im Store – vielleicht auch draußen, vor der Tür – gab es jemanden, auf den er zählen konnte.

„Na schön, Berkeley“, sagte Frenchy leise. „Dann will ich dir jetzt mal was erzählen...“ Er beugte sich vor, damit ihn niemand außer Barclay hörte. „Und ich sag es nur einmal...“ Er räusperte sich leise, und Barclay merkte, dass der Bursche über Gebühr nervös war.

„Du verdrückst dich jetzt“, sagte Frenchy, „und zwar auf der Stelle...“

„Sonst?“ sagte Barclay ungerührt. „Willst du mich etwa versohlen?“ 

„Sonst...“ Frenchy holte tief Luft. Er schaute sich noch mal um. „Sonst kriegst du ’ne Ladung Blei zwischen die Rippen.“

„Hier, mitten im Laden?“

Frenchy nickte. „Hier, mitten im Laden.“ Seine gelben Augen sprühten Funken. Die über seinem Colt kreisende Hand öffnete und schloss sich.

Barclay nahm es aus den Augenwinkeln wahr. Aber er hatte keine Angst vor Frenchy Lafayette, der zwar brutal und völlig skrupellos war, aber eben nicht der schnellste Mann am Drücker.

„Du warst schon immer ’n Großmaul“, sagte Barclay. „Besonders dann, wenn Eddie im Rücken deines Gegners steht.“ Er schaute rasend schnell in den großen Spiegel hinter dem Tresen, konnte aber niemanden hinter sich entdecken. Warum plusterte dieser tückische Bastard sich so auf? Wusste er nicht, dass die  Geschichten, die man sich über Barclay erzählte, der Wahrheit entsprachen? Glaubte er wirklich, er hätte eine Chance gegen ihn? War er verrückt genug, es in diesem Laden auf eine Schießerei ankommen zu lassen? Was ritt diesen Irren? Warum wollte er, dass Barclay verschwand?

Ihm kam ein schrecklicher Gedanke.

„Jetzt sag ich dir noch was“, sagte Frenchy. Er deutete mit dem Kinn auf die Oppenheimer-Bank, vor der nun, wie Barclay im Spiegel sah, auf wundersame Weise mehrere Pferde angebunden waren. „Meine Freunde sind in der Bank. Sie eröffnen gerad ’n Konto.“ Frenchy kicherte. „Ich bin hier, um ihnen den Rücken zu decken, Mann. Und wenn ich jemanden wie dich hier stehen seh, während meine Freunde da drin ’n Ding drehen, bist du ’n Zeuge, den wir nicht brauchen...“

Was?!“ Barclays Kopf zuckte von Frenchy zur Bank zurück. Und von der Bank zu Frenchy. Das kann doch nicht wahr sein! Er hatte noch zehn Dollar in der Tasche. Sein Magen knurrte; er war müde und fertig, seinem Gaul ging es nicht anders. Er war  wochenlang durch den trockensten und staubigsten Teil Mexikos geritten und hatte seit dieser Zeit in keinem Bett geschlafen. Er war hungrig und pleite – und er roch auch nicht sehr gut, wie ihm gerade bewusst wurde. Und jetzt erdreistete sich irgendeine Bande, die sich ausgerechnet auf Frenchy Lafayette verließ, seine Bank auszurauben? Hatte sich denn alles gegen ihn verschworen?

„Sag, dass es ein Scherz ist, Frenchy.“

„Ich meine es verdammt ernst.“ Frenchy schaute auf die Standuhr, die hinter der Ladentheke tickte. Es war zwanzig Minuten nach neun. Um neun Uhr, kurz vor Barclays Ankunft in der Stadt, hatte die Bank aufgemacht. Einige der vor dem Gebäude wartenden Pferde gehörten also Frenchys Freunden, die gerade damit beschäftigt waren, „ein Konto zu eröffnen“.

Es war unfassbar. Barclay zupfte an seinem linken Ohr. Seine Gedanken bewegten sich im Kreise. Er war zu spät gekommen, verflucht noch mal! Die Konkurrenz war schneller gewesen. Und doch blieb die Tatsache, dass es finanziell nicht gut um ihn stand. Er musste irgendetwas unternehmen.

„Hast du mich verstanden, Berkeley?“, fragte Frenchy.

Barclay schaute ihn an. Es hatte keinen Zweck, sich etwas in die Tasche zu lügen. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. „Du hast gewonnen“, sagte er seufzend. „Ist wohl besser, ich verzieh mich.“

Frenchy tippte grinsend an seinen Sombrero. Er wirkte sehr erleichtert. Vielleicht hätte er sich doch nicht getraut, sich mit Barclay anzulegen.

„Ja“, sagte Barclay grinsend. „Bei meinem guten Ruf kann ich es mir nicht leisten, mit Kerlen gesehen zu werden, die Banken ausrauben.“ Er deutete mit dem Kinn zur Ladentheke hin. „Was dagegen, wenn ich noch schnell was einkaufe?“

Frenchy runzelte die Stirn und warf einen Blick auf die tickende Standuhr. „Okay, aber dann mach dich sofort vom Acker.“

„Keine Sorge.“ Barclay nickte ihm zu und trat an den Tresen. Die beiden Ladies mit den Spitzenhäubchen – er schätzte sie auf siebzig – schienen fertig zu sein und strebten dem Ausgang entgegen. Die ältere Dame zwinkerte Barclay auf dermaßen frivole Weise zu, dass dem Clerk vor Schreck die obere Zahnprothese nach unten rutschte. Goldlöckchen war vor Barclay an der Reihe. Sie erstand ein Tüte Zucker und erkundigte sich nach dem Preis der Vorhangstoffe. Sie hatte nämlich, wie Barclay hörte, im Haus ihres Vaters gerade ein größeres Zimmer bezogen und musste es neu einrichten. Der Clerk sprach das Kind höflich als „Miss Virginia“ an, so dass Barclay sie verwundert von der Seite musterte. Hatte er sich etwa in ihrem Alter geirrt?

Es sah ganz so aus: Unter ihrem blauweiß karierten Hemd wölbten sich zwei prächtige runde Hügel, wie man sie bei Fünfzehnjährigen nur selten antraf. Außerdem – dies hatte er zuvor übersehen – waren ihre Lippen aufreizend geschminkt. Während Barclays Blick sich auf das herrlich gewachsene Geschöpf konzentrierte, das neben ihm stand, wurde der am Fenster zur Main Street stehende Frenchy immer ungeduldiger. Hätte Goldlöckchen den Clerk nicht abgelenkt, hätte dieser den Gentleman mit dem Sombrero zweifellos als verdächtig einstufen müssen. Barclay seufzte. Das war das Kreuz mit diesen Berufsverbrechern: Sie waren in der Regel einfach zu dämlich. Als er endlich an die Reihe kam, ohne dass Goldlöckchen Anstalten machte, den Store zu verlassen, kaufte er Patronen ein und erkundigte sich eingedenk seines knurrenden Magens nach einer preiswerten Cantina.

„Oh, die ist gleich nebenan, Sir“, warf Goldlöckchen ein, bevor der magere Griesgram den Mund aufbekam.

Bevor sie jedoch dazu kam, die dort servierten Speisen in aller Ausführlichkeit zu beschreiben, trat Frenchy an den Tresen heran. Seine Miene sagte Barclay, dass es nun wirklich an der Zeit war, den Store zu verlassen, um ein Massaker zu verhindern. Er zahlte, dankte Goldlöckchen, schob die Patronenpäckchen in die Taschen seines langen Mantels und ging zur Tür.

Als er ins Freie trat, krachten in der Bank die ersten Schüsse.

Der Clerk riss die Augen auf und ging hinter der Ladentheke in Deckung. Goldlöckchen kreischte und warf sich zu Boden. Die Tür des weißen Bankgebäudes flog auf. Zwei vermummte drahtige Gestalten sprangen ins Freie und schossen um sich, obwohl sich ihnen niemand entgegenstellte. Barclay blieb wie vom Donner gerührt stehen und zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen. Frenchy, der Grund zu der Vermutung hatte, dass seinen Kumpanen in der Bank etwas Unerwartetes zugestoßen war, fuhr auf dem Absatz herum, zückte unter Goldlöckchens Gekreisch eine seiner Waffen und hechtete zur Tür hinaus. Barclay, der auf dem erhöhten Gehsteig links von der Tür stand, nutzte die Gelegenheit zu einer billigen Rache: Er stellte Frenchy flink ein Bein. Der Mann tat einen unvermutet langen Satz, segelte in den Schmutz der vom Regen aufgeweichten Straße und verlor seinen Sombrero. Aber er war schnell wie eine Katze, rollte sich im Nu herum, brüllte wütend auf, riss den rechten Arm hoch und legte auf Barclay an.

Ich will noch nicht sterben, dachte Barclay. Und schon gar nicht durch die Kugel einer Ratte. 

Seine Rechte flog an seinen Gürtel.

Wumm! Er hat gar keine andere Wahl. Er musste schneller sein.

2.

 

Der Pulverdampf hatte sich noch nicht verzogen, als Barclay zu seinem Schreck erkannte, dass der tote Frenchy nicht nur zwei oder drei, sondern mindestens acht Freunde hatte.

Die verwegen aussehenden Kerle, die schießend aus Oppenheimers Bank stürzten und zu ihren nervös mit den Hufen scharrenden Gäulen eilten, hatten jedoch im Moment anderes zu tun, als sich um den Mann zu kümmern, den sie ausersehen hatten, ihnen den Rücken freizuhalten. Die Gäule, von der Knallerei an den Rand der Panik getrieben, zerrten an den Zügeln, mit denen sie an den Holm gebunden waren und erschwerten es den Männern so, sie loszumachen.

Wumm! Wumm! Wumm!