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Martina Hoblitz

Unerfüllte Liebe


Worte der Autorin: Affären und Intrigen in Adelskreisen gaben die Grundidee für diese dramatische Liebesgeschichte zwischen einer Comtesse und ihrem Skilehrer. Trotz aller Tragik gibt es aber doch noch ein Happy End.


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

UNERFÜLLTE LIEBE

 

 

von Martina Hoblitz

 

 

 

Kapitel 1




Die Orgelmusik brauste auf, denn der alte Organist legte sich mächtig ins Zeug. Zu den herrlichen Klängen von Mendelssohns Hochzeitsmarsch geleitete Graf Eduard von Thalbach seine Tochter Regina den Kirchgang entlang. Trotz seiner schmerzhaften Gicht im rechten Fuß, der mit einem dicken Verband umwickelt war, ließ es sich der Graf nicht nehmen, seine Tochter höchstpersönlich zum Altar zu führen.

 

So hakte er sich mit links bei ihr unter, obwohl es gewöhnlich eher umgekehrt sein sollte, und rechterhand stützte er sich auf einen Ebenholzstock mit Silberknauf. Zum Glück war der Kirchgang der kleinen Dorfkapelle nicht so lang, denn es ging nur Schritt für Schritt vorwärts. Als der Graf seine Tochter am Altar an den Bräutigam übergab, ließ er sich erleichtert in die 1.Bankreihe neben seine Frau sinken.

 

Gräfin Walburga war eine sehr jugendlich wirkenden Frau, die man eher für Reginas ältere Schwester, als für ihre Mutter halten konnte. Sie trug ein lachsfarbenes knöchellanges Kleid aus Crepe de Chine und dazu ein Wagenrad von Hut aus weißem Tüll mit farblich passender Schleife. Neben ihr wiederum saß Reginas Patentante Gräfin Adelheid von Burgfelden, geb. von Thalbach, die Schwester des Grafen Eduard. Sie trug ein royalblaues wadenlanges Seidendirndl mit passendem Fransenschultertuch und statt einer Kopfbedeckung die Haare mit einer großen Silberspange hoch gesteckt.

 

Sie war die 2.Gemalin des Grafen Sebastian, dessen 1.Frau bei der Geburt der Tochter Sylvia gestorben war. Sylvia und ihr älterer Bruder Siegfried standen mit vorne am Altar und fungierten als Trauzeugen. Regina war mit den Geschwistern aufgewachsen, und da sie selbst weder Bruder noch Schwester hatte, ergab es sich ganz selbstverständlich, dass ihre besten Freunde an diesem bedeutenden Schritt in ein neues Leben teilnahmen.

 

Harald Breugel, der Bräutigam war ein gutaussehender junger Mann mit pechschwarzen Locken und stahlblauen Augen. Diese Augen vor allem hatten es Regina angetan. Harald hatte keine Familie und keinen Titel vorzuweisen, aber besaß ausgezeichnete Umgangsformen und bewegte sich in der feinen Gesellschaft, als ob er dazu gehörte. Mit seinen guten Manieren hatte er auch schnell Reginas Eltern überzeugt.

 

Während der Pfarrer die Trauungszeremonie abhielt, war Harald in Gedanken ganz woanders. Er überlegte, welche Vorteile ihm diese Verbindung brachte. Er war so geistesabwesend, dass er fast seinen Einsatz verpasste. Gerade noch rechtzeitig wachte er aus seinen Träumen auf und reichte nach Aufforderung des Pfarrers Regina die Hand, um dann sein Jawort laut und deutlich in den Raum zu sprechen. Seine junge Braut hingegen hauchte ihr Ja nur, sodass es eben nur Harald und der Pfarrer verstehen konnten. Beim Ringtausch zitterte sogar ihre Hand. Er musterte Regina leicht unwillig. Sie war zwar wunderschön mit ihrem kastanienbraunen hüftlangen Haar und den meergrünen Augen, aber für ihre 22 Jahre war sie schrecklich schüchtern und regelrecht naiv. Es war ihm wirklich nicht schwer gefallen, ihr Herz im Sturm zu erobern.



Als das frisch gesegnete Ehepaar unter dem Portal erschien, läuteten die Glocken hell und fröhlich, und das ganze Dorf hatte sich vor der Kirche versammelt. Der Trachtenverein stand Spalier mit selbst gebastelten Blumenbogen und geleitete Regina und Harald bis zu der offenen blumengeschmückten Kutsche, auf deren Bock stilecht der Kutscher in traditioneller Uniform saß, und 2 herrliche Apfelschimmel waren davor gespannt.

 

So ging es unter dem Jubel der Menge den Serpentinenpfad durch die Weinberge hinauf bis zum Schloss. Der alte Graf hatte sich nicht lumpen lassen und ließ sämtliche Dorfbewohner im örtlichen Gasthof auf seine Kosten bewirten. Am Festmahl im Saal des Schlosses nahmen nur die nähere Familie und einige sehr gute Bekannte teil. Darunter waren auch der Hausarzt Dr. Johann Wenninger mit seiner Frau Mathilde und der Familienanwalt Dr. Gerhard Olsen, gleichzeitig auch Bürgermeister des Ortes, mit Frau Hiltrud und Tochter Sabine.

 

Mit den Verwandten derer von Thalbach und von Burgfelden saßen insgesamt 30 Personen an der langen Kaffeetafel.



Niemand ahnte, wie es in Siegfried von Burgfelden aussah! Das Herz krampfte sich ihm zusammen, als Regina an der Seite von Harald vor dem Altar stand.

 

Schon seit sie Teenager waren, hatte er sie geliebt. Eigentlich hatte er nur gewartet bis sie volljährig wurde, um sie dann zu bitten, seine Frau zu werden. Doch ausgerechnet kurz nach ihrem 21.Geburtstag lernte sie diesen Harald Breugel kennen!

 

Siegfried fand ihn von Anfang an unsympathisch. Oder war er vielleicht nicht ganz objektiv? Oh nein! Er spürte einfach, dass dieser Mann nicht gut für seine Regina war!

 

Gut, sein äußeres Erscheinungsbild und sein Verhalten ließen nichts zu wünschen übrig, aber da war noch etwas Anderes hinter der ganzen Fassade. Siegfried ahnte, dass Harald nicht so war, wie er sich gab. Er hatte das Unheil ja kommen sehen und konnte nichts dagegen tun.

 

Vor etwa einem Jahr war es passiert, im Skiurlaub in St. Moritz. Graf und Gräfin v. Thalbach hatten ihrer Tochter zum Geburtstag diese Reise spendiert und luden auch die Familie v. Burgfelden dazu ein, damit Regina in den Geschwistern junge Gesellschaft fand, anstatt nur mit ihren Eltern Vorlieb nehmen zu müssen.

Kapitel 2

 

 

 

Zu dieser Jahreszeit war St. Moritz voll von Leuten aus der allerbesten Gesellschaft, sowohl Adel als auch Prominenz tummelten sich auf den Pisten und beim Après-Ski. Gleich bei ihrer Ankunft trafen Regina und Sylvia ein paar Schulfreundinnen aus dem Pensionat mit ihren Familien. Und bald waren sie eine fröhliche Gruppe von 5 hübschen, jungen Mädchen, die immer zusammen steckten. Siegfried kam sich dabei ziemlich ausgeschlossen vor.

 

So ging er mit seinem Vater und Graf Eduard zum Eisstockschießen, während die Gräfinnen Walburga und Adelheid einen Einkaufsbummel machten. Die Freundinnen verabredeten sich für eine Fahrt im Pferdeschlitten, die ihren krönenden Abschluss in einem malerisch gelegenen Landgasthof fand.

 

Beim gemütlichen Kaffeetrinken und nettem Geplauder stellte sich heraus, dass weder Regina noch Sylvia Skilaufen konnten.

 

Ihre Freundin Julia von Lauterbach war bass erstaunt. „Nun, das gehört aber hier zum guten Ton! Am besten meldet ihr euch gleich morgen zum Skikurs an!“ - „Ihr könnt aber auch Privatstunden nehmen, wozu ich euch raten würde!“ warf Diane von Eutin ein.

 

„Ja, die Skilehrer sind in dieser Saison besonders attraktiv! Schade, dass ich schon Skilaufen kann!“ lachte Ann-Claire de Gautier.

 

„Was meinst du dazu?“ fragte Regina Sylvia unentschlossen.

 

„Wir beide machen gemeinsam einen Gruppenkurs! Das ist bestimmt lustiger!“ entschied Sylvia.

 

Am anderen Tag beim gemeinsamen Frühstück der beiden Familien teilten die Mädchen ihren Wunsch den Eltern mit.

 

Sofort bot sich Siegried an: „Wenn ihr unbedingt Ski fahren lernen wollt, das kann ich euch auch beibringen!“ - „Ach, Brüderchen, das ist doch langweilig!“ lachte Sylvia. „Unsre Freundinnen haben uns so von den netten Skilehrern vor geschwärmt.“

 

Regina schwieg dazu. Erst als ihr Vater sich direkt an sie wandte und sie fragte, was ihr denn lieber war, antwortete sie seufzend: „Am liebsten würd ich’s gar nicht lernen!“ - „Warum denn nicht? Wovor hast du denn jetzt wieder Angst, du Mäuschen?“ regte sich Sylvia auf. - „Sieh dich doch um! Überall Leute mit gebrochenen Beinen oder Armen.“

 

Beruhigend meinte Siegfried: „Das sind aber alles keine Anfänger mehr, sondern solche, die sich zuviel zugetraut haben. Anfänger sind sowieso viel, viel vorsichtiger.“

 

Sie lächelte ihn an. „Wenn du das meinst! Unter deiner Anleitung würd ich’s gern mal versuchen.“

 

Sie ahnte ja nicht, welchen Gefühlsaufruhr sie mit dieser harmlosen Bemerkung in Siegfried auslöste, aber seine Schwester macht das ganze Glücksgefühl zunichte, indem sie empört rief: „Kommt ja gar nicht in Frage! Wenn, dann lernen wir’s gemeinsam, und ich will gewiss keinen Unterricht bei meinem Bruder!“

 

Schließlich mischte sich Graf Sebastian ein: „Ich schlage euch folgendes vor: Ihr beide meldet euch beim Kurs an, und Siegfried übt nebenbei noch ein bisschen mit Regina! Einverstanden?“

 

Die jungen Leute sahen sich an und nickten zustimmend.

 

Erstaunlicherweise bestand der Skikurs, an dem Regina und Sylvia dann teilnahmen, ausschließlich aus Anfängern weiblichen Geschlechts, aber andererseits wurde es verständlich, wenn man den Skilehrer Harald Breugel sah. Dieser gut aussehende junge Mann brachte die Frauen aller Altersstufen auf romantische Gedanken.

 

Selbst Reginas Herz tat ein paar flatternde Schläge, als sie das 1.Mal in seine blauen Augen blickte. Sylvia erschreckte sie mit einem derben Rippenstoß und der leisen Bemerkung: „Meine Güte, sieht der toll aus!“

 

Bei den ersten leichten Übungen brachten es immer wieder einige Damen fertig, sich gerade in Haralds Nähe so unglücklich fallen zu lassen, dass er sie unbedingt auffangen musste, und sie für Sekunden in seinen Armen landeten. Er lachte nur dazu und verlor nie die Geduld mit seinen Schülerinnen. Bis auf Regina hatte schon jede, auch Sylvia, diesen Trick versucht. Regina gab sich hingegen ernsthaft Mühe, es wirklich zu lernen, und sie bemerkte freudig, wie Harald sie manchmal bewundernd betrachtete.

 

Als Siegfried sich beim Abendbrot nach dem Verlauf der 1.Stunde erkundigte, erzählte Sylvia hellauf begeistert nur von Harald Breugel, indes Regina schweigend dabei saß.

 

„Und wie hat’s dir gefallen?“ wandte er sich direkt an Regina.

 

Diese sagte zögernd: „Er sieht wirklich recht gut aus.“

 

Stirn runzelnd stellte Siegfried richtig: „Ich mein nicht den Lehrer, sondern den Unterricht.“

 

Aber ehe Regina etwas erwidern konnte, sprudelte Sylvia hervor: „Sie war die Einzige, die heut nicht hingefallen ist.“ - „Na, dann scheinst du ja schon was gelernt zu haben. Und ihr macht morgen also weiter?“ - „Na klar! Hat doch viel Spaß gemacht. Oder, Gina?“

 

Und Regina nickte nur zustimmend.

 

 

Nach einer Woche und täglichem Training, außer sonntags natürlich, wagte sich der Kursus um Harald Breugel schon an eine leichte Abfahrt. – Etwas kleiner war die Gruppe schon geworden, denn Harald reagierte auf jedwede Art von offen bekundeter Zuneigung mit absoluter Distanz. Darum hatten einige der Damen bereits aufgegeben.

 

Nur Regina machte ihm auch weiterhin keinerlei Avancen, weder durch Gesten noch durch Blicke, während ihre Freundin Sylvia ganz ungeniert versuchte, mit ihm zu flirten, ohne das Harald darauf einging.

 

Seine Aufmerksamkeit galt Regina, deren gute Haltung und ihren Ehrgeiz er immer wieder lobte.

 

Als sie nach Beendigung der Stunde die Ausrüstung zum Geräteschuppen schafften, sprach er sie an: „Aus Ihnen kann eine große Skiläuferin werden, Comtesse!“

 

Und das meinte er wirklich ernst. Sylvia, die natürlich nicht von Reginas Seite wich, bemerkte sogleich: „Sie übt ja auch nebenbei noch mit meinem Bruder.“

 

Regina wurde rot und wich seinem Blick aus. Während er die Skier und Stöcke in den Schuppen stellte, die Mädchen warteten vor der Tür, überlegte er, was diese Reaktion wohl zu bedeuten hatte.

 

Dann lud er die beiden zu einem aufwärmenden Drink ein, und zwar in den Gasthof bei der Seilbahnstation. Sylvia plauderte fröhlich drauflos, indes Regina wie meist ziemlich sprachlos war.

 

Der Zufall wollte es, dass auch Siegfried den Gasthof betrat, und erleichtert winkte Regina ihn heran. Sie stellte vor: „Das ist Harald Breugel, unser Skilehrer. Und dies ist Graf Siegfried von Burgfelden, der Bruder von Comtesse Sylvia.“

 

Die beiden Männer gaben sich die Hand und musterten sich aufmerksam. Harald bemerkte in Siegfrieds Augen ein leichtes Aufblitzen und schlussfolgerte, dass jener Reginas wegen ziemlich eifersüchtig war. Im Stillen amüsierte er sich darüber!

 

Siegfried hingegen beschlich ein mulmiges Gefühl, das er noch nicht deuten konnte. Er warf Regina einen Blick zu und gewahrte erschrocken, wie sie diesen jungen Mann unauffällig anhimmelte.

 

Zum Glück ließ seine Schwester erst gar keine unbehagliche Stimmung aufkommen. Sie forderte ihn auf, sich zu ihnen zu setzen und erkundigte sich, was er gerade so gemacht hatte.

 

„Ich war ein wenig Skilaufen.“ antwortete er und bestellte sich beim Kellner einen Grog.

 

„Welche Abfahrt?“ wollte Harald wissen und staunte nicht schlecht, als Siegfried ihm eine der schwierigsten nannte.

 

„Ich hörte schon von Ihrer Schwester, dass Sie Comtesse Regina neben meinem Unterricht auch noch unterweisen. Wie ich annehme, sind Sie ein sehr guter Läufer?“ - „Es geht so!“ antwortete Siegfried bescheiden.

 

Harald sah Regina an und bemerkte: „Die Comtesse hat einen großen Ehrgeiz. Sie hat das Zeug zu einer sehr guten Skifahrerin.“ - „Sie spielt auch ausgezeichnet Tennis!“ warf Sylvia ein, der es eigentlich gar nicht passte, dass Harald immer nur Reginas Loblied sang. „Dafür kann ich aber besser Golf spielen und Reiten.“ - „Und was machen Sie außer Skilaufen?“ erkundigte sich Siegfried, ohne auf die Bemerkung seiner Schwester einzugehen.

 

„Nun, im Winter bin ich Skilehrer, wie Sie ja feststellen können.“ antwortete Harald zögernd und ließ seine Augen nicht von Regina. „Und im Sommer arbeite ich in einem Ferienclub in Cannes, als Animateur und Tanzlehrer.“

 

Sylvia war begeistert und nahm sich insgeheim vor, ihre Eltern zu einem Sommerurlaub in Cannes zu überreden. Regina reagierte überhaupt nicht, sondern nur stumm vor sich hin.