image

Martin Olden

Kommissar Platow

Band 4:

Der Westend-Würger

Krimi-Serie aus den 70er Jahren

Die Kommissar Platow-Serie

Frankfurt, Mitte der 70er Jahre. Die Kriminalität boomt. Drogen. Terrorismus. Bandenkriege. Mittendrin: Kommissar Joachim „Joe“ Platow. Gemeinsam mit seinem Assistenten Mike Notto und Schutzhündin Abba kämpft er gegen das Verbrechen. Dabei wird Platow immer wieder von seinem persönlichsten Fall eingeholt – seine Ex-Verlobte Petra, die sich der RAF angeschlossen hat ...

Band 4: Der Westend-Würger

Drei Callgirls der Luxus-Klasse. Sie waren jung, schön und hatten ihre Liebesnester im schicken Frankfurter Westend. Bis der Würger sie besuchte. Mein Partner Mike Notto und ich jagten den Dirnenkiller. Dabei kamen wir einem alten Feind in die Quere, der eine Rechnung mit mir zu begleichen hatte …

Image

Der Autor

Martin Olden ist das Pseudonym des Journalisten und Kinderbuchautors Marc Rybicki. Er wurde 1975 in Frankfurt am Main geboren und studierte Philosophie und Amerikanistik an der Goethe-Universität. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet Rybicki als Filmkritiker für das Feuilleton der „Frankfurter Neuen Presse“. Ebenso ist er als Werbe- und Hörbuchsprecher tätig.

Bei mainbook erscheint auch Martin Oldens Krimi-Reihe mit Kommissar Steiner: 1. Band: „Gekreuzigt“. 2. Band „Der 7. Patient“. 3.Band „Wo bist du?“. 4. Band „Böses Netz“. 5. Band „Mord am Mikro“. 6. Band „Die Rückkehr des Rippers“. 7. Band "Vergiftetes Land". Im Jahr 2013 veröffentlichte er zudem seinen ersten Thriller „Frankfurt Ripper“.

Weitere Titel von Marc Rybicki sind die Kinderbücher „Mach mich ganz“, „Wer hat den Wald gebaut?“, „Wo ist der Tannenbaum?“ und „Graue Pfote, Schwarze Feder“.

(Autorenwebsite: www.sonnige-sendung.de)

Image

Copyright © 2016 mainbook Verlag, mainebook Gerd Fischer
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-946413-21-9

Lektorat: Gerd Fischer
Layout: Olaf Tischer
Copyright Titelmotiv: fotolia © bearsky23

Besuchen Sie uns im Internet: www.mainbook.de oder www.mainebook.de

Alle Fälle der „Kommissar Platow“-Serie basieren auf wahren Begebenheiten und tatsächlichen Fällen.

1

Mittwoch, 21. Mai 1975

Auf dem Plattenteller rotierte „Lady Marmalade“. Susanne Peters tanzte durch ihr Schlafzimmer. Das Mädchen ließ die Hüften im Takt der Musik kreisen, warf die hellbraunen Locken in den Nacken und sang: „Voulez-vous coucher avec moi?“

Zum Verdruss ihres Besuchers traf Susanne die Töne nicht so sauber wie Patti LaBelle.

„Soll ich dich ausziehen oder machst du das selbst?“, fragte sie.

Der Fremde nahm einen Schluck aus seinem Whiskyglas und deutete auf ihre orangefarbene Bluse und die Hotpants. „Du zuerst! Langsam!“

Sein Befehlston missfiel ihr. Dafür würde er bezahlen müssen. „Striptease? Okay. Kostet aber extra.“

„Wie viel?“

„Zwanzig.“

Der Mann zückte seine Brieftasche. Ein Zwanzig-Mark-Schein landete neben der Lavalampe auf dem Nachttisch. Ein Hunderter und ein Fünfziger lagen bereits dort. „Gesalzene Preise hast du.“

„Hab ja auch einen scharfen Körper.“ Susanne knöpfte die Bluse auf. Das Lächeln auf ihren knallrot geschminkten Lippen galt nicht dem lüstern dreinblickenden Freier. Sie war glücklich, dass die Zeiten hinter ihr lagen, in denen sie sich als Hertie-Verkäuferin acht Stunden täglich die Beine in den Bauch gestanden hatte. In ihrem neuen Job machte sie einige Minuten am Tag die Beine breit und kassierte dafür das Zigfache ihres früheren Gehalts. Seit einem Monat inserierte Susanne Peters in der Zeitschrift „Heim und Welt“. Sie nannte sich „Schmusi-Susi – das tabulose Schulmädchen.“ Aus dem Pennäleralter war die kurvige Brünette zwar schon raus, aber mit zweiundzwanzig noch jung genug, um die Kundenlust nach Frischfleisch zu bedienen. Hundertfünfzig Mark kostete der einfache Verkehr. Sonderwünsche wurden nur gegen Aufpreis erfüllt. Ihre Klientel konnte es sich leisten. In der Regel handelte es sich um verheirate Beamte oder Angestellte im gehobenen Dienst bei Banken und Versicherungen. Susanne empfing die Herren in ihrer Wohnung im Kettenhofweg. Der Sex mit ihnen machte selten Spaß. Sie waren entweder zu alt, zu dick oder hatten nie gelernt, wie man eine Frau befriedigen muss. Die meisten rutschten einfallslos über sie drüber. Zum Glück hielten sie nie sehr lange durch. Nach ein paar ungeschickten Stößen war alles vorbei und Susanne konnte aufhören, die Augen zuzukneifen und an Robert Redford zu denken. Hinterher entschädigte sie das Knistern der Geldscheine für jedes unflätige Grunzen und Keuchen in ihren Ohren.

Doch der Typ, vor dem sie sich jetzt auszog, schien aus einem anderen Holz geschnitzt zu sein. Attraktives Gesicht, sportliche Figur und in einem passablen Alter. Mit ihm könnte es heiß werden. Allein seine Manieren ließen zu wünschen übrig.

„Gefällt dir, was du siehst, Süßer?“, fragte Susanne und warf ihren Büstenhalter auf den Boden.

Er gab keine Antwort, sondern stellte sein Glas auf den Tisch und wischte die Handflächen an den Hosenbeinen ab.

Oh Gott, dachte Susanne. Einer von den Nervösen, die schweißfeuchte Hände bekommen, wenn vor ihnen eine nackte Frau steht, die zwanzig Kilo weniger wiegt als ihre Alte daheim. Der Mann trat einen Schritt näher. Sie erwartete, jeden Moment seine glitschigen Finger auf ihren Brüsten zu spüren. Würde er sie zittrig betatschen? Oder durchkneten wie einen Klumpen Hefeteig? Erstaunt sah Susanne, wie der Freier sich bückte und ihren BH aufhob. Mit kindlicher Freude strich er über das Gewebe aus Tüll. Seine Augen glänzten.

„Macht dich das an?“ Susanne warf ihm den Slip vor die Füße und lachte. „Hier, bitte! Den kannst du auch befummeln. Ist deine Sache, wie du dich in Stimmung bringst.“

„Stimmt.“ In seinen Blick schlich sich ein stolzer Ausdruck. „Ich mache, was ich will. Ich bin der Boss!“

Blitzartig schlang er das Wäschestück um ihren Hals. Susannes Aufschrei verkam zu einem kehligen Röcheln, als seine Schraubstockhände den Stoff gegen ihre Kehle pressten. Sie japste nach Luft. Verzweifelt schlug sie um sich und strampelte mit den Beinen. Ihre Fäuste trafen die starken Oberarme des Wahnsinnigen. Für eine Sekunde lockerte sich sein Griff. Doch schon im nächsten Moment packte er wieder zu, fester als zuvor. Erstickte Laute drangen aus ihrem weit geöffneten Mund, während ihr Peiniger sie würgte und auf den Fußboden drückte. Unter der unbarmherzigen Gewalt seiner Finger gab Susanne den Widerstand auf. Arme und Beine erschlafften wie die Glieder einer Marionette, der die Fäden durchgeschnitten wurden. Tränen liefen über ihre Wangen. Sie fühlte Nässe zwischen den Schenkeln. Im Todeskampf hatte sich ihre Blase entleert. Die Welt um sie herum begann sich zu drehen. Vor ihren aufgerissenen Augen verschwammen die Schlafzimmerdecke, das Bett und das vor Anstrengung gerötete Gesicht des Würgers ...

2

Donnerstag, 22. Mai

Mike, Abba und ich besuchten meine Eltern in Bornheim. Wir brachten schlechte Nachrichten.

„Das Bundeskriminalamt lässt euer Telefon weiter überwachen“, sagte ich zerknirscht.

Vater ließ sich in den Fernsehsessel fallen. „Wozu? Hat dieser Hauptkommissar Spreewald noch nicht genug?“

„Der Mann heißt Seewald“, korrigierte ich. „Und ich fürchte, der kriegt nie genug.“

Weil ich Petra Helms Anruf bei meinen Eltern an das BKA gemeldet hatte, war ihre Leitung angezapft worden. Eine kurzfristige Sicherheitsmaßnahme, wie mir Seewald versprochen hatte. Ich hätte mir gleich denken können, dass er nicht die Wahrheit sagte. Dank meines Hinweises auf die französisch sprechenden Stimmen, die ich während meines Telefonats mit Petra im Hintergrund gehört hatte, war den Behörden in Belgien ein Terrorist der Baader-Meinhof-Bande ins Netz gegangen. Obwohl es aufgrund der Sachlage höchst unwahrscheinlich erschien, dass meine ehemalige Verlobte jemals wieder das Risiko eingehen und bei meiner Familie anläuten würde, beharrte der misstrauische Seewald darauf, den Lauschangriff auf unbegrenzte Zeit fortzusetzen.

„Bitte, wenn er`s so haben will, lass ihn mithören“, sagte Mutter leichthin und gab Abba einen Hundekuchen aus ihrer Schürze. „Wir haben nichts zu verbergen. Gell, mein Schatz?“

Abba wedelte mit der Rute. Genau, Oma! Was ich denke, darf jeder wissen.

„Dir ist es egal, Irmgard. Aber mir nicht!“, wetterte Vater und hakte die Daumen in seine Hosenträger ein. „Ich habe es satt, wie ein Verbrecher behandelt zu werden, bloß weil mein Sohn einen schlechten Frauengeschmack hat! In was für einem Staat leben wir eigentlich, in dem Sippenhaft betrieben wird?!?“

„Reg dich nicht auf, Kurt!“, mahnte Mutter. „Denk an deinen Blutdruck!“

„Mein Blutdruck wäre tadellos, wenn Joachim diese Verbrecherin nicht ins Haus geschleppt hätte! Damit hat doch die ganze Misere angefangen!“

„Zufällig liegt mir etwas an dieser Verbrecherin“, brummte ich.

„Das ist überhaupt der größte Blödsinn!“, donnerte Vater.

Mike meldete sich zu Wort. „Du hättest ihren Anruf ja nicht unbedingt melden müssen. Dann wäre deinen Eltern der Ärger erspart geblieben.“

Mutter lachte ihn an. „Na, Sie sind mir ein schöner Polizist! Es ist doch seine Pflicht gewesen! Hätte er vielleicht eine Frau decken sollen, die per Steckbrief gesucht wird?“

„Früher hat er`s mit der Ehrlichkeit auch nicht so eng genommen“, warf Vater ein. „Wie war das mit dem Geigenunterricht und den FKK-Heftchen?“

„Da bin ich dreizehn Jahre alt gewesen“, entgegnete ich.

Mike wurde hellhörig. „FKK-Heftchen? Schau, schau. Die Geschichte kenne ich gar nicht.“

Auch Abba spitzte die Ohren. Klingt aufregend. Lass Opa erzählen!

„Mein werter Herr Sohn hat seinerzeit Geigenunterricht in Bockenheim bekommen. Auf dem Weg zu seinem Lehrer, einem älteren Herrn aus ...“

„Wir können das abkürzen“, unterbrach ich. „An einem Kiosk in der Ginnheimer Straße habe ich mir für das Geld, das für den Lehrer bestimmt gewesen ist, ein paar Hefte mit Bikini-Mädchen gekauft. Damit es nicht rauskommt, habe ich behauptet, ich hätte das Geld unterwegs verloren.“

„Ich bin schockiert!“, rief Mike in gespielter Entrüstung. „Das hätte ich nie von dir gedacht. Was sagst du dazu, Abba? Dein Herrchen hat es faustdick hinter den Ohren.“

Und ob! Wahrscheinlich kann er sich deshalb so gut in Verbrecher hinein versetzen.

„Hab den Schwindel natürlich durchschaut“, sagte Vater. „Und wir haben ein ernstes Gespräch zum Thema Aufrichtigkeit geführt.“

„Wie du siehst, hat es bis heute nachgewirkt“, meinte ich und zwinkerte ihm zu. „Allerdings habe ich Petra nicht aus Pflichtgefühl verraten. Sondern weil ich sie liebe.“

Im Wohnzimmer trat Stille ein. Mutter sah mich besorgt an. Vater zwirbelte seinen Schnurrbart. Mike legte mir die Hand auf die Schulter und grinste.

„Die Masche merke ich mir, Joe. Der nächsten Braut flüstere ich ins Ohr: Schatzi, ich liebe dich so sehr, dass ich dich vom BKA verfolgen und einsperren lasse.“

„Du verstehst mich nicht. Ich will, dass Petra gefasst wird, damit sie im Gefängnis zur Besinnung kommt und ein neuer Anfang für uns möglich wird.“

„Aber sie ist doch schon mal im Knast gewesen und hat nichts draus gelernt“, sagte Mike.

„Die Zeit ist viel zu kurz gewesen, um sie aufzurütteln. Sie hat ja nicht mal zwei Jahre gesessen, ehe sie befreit worden ist. Wenn sie erst mal ihre volle Strafe verbüßt hat, dann ...“

Vater fiel mir ins Wort. „Nun hör sich einer diesen Bockmist an! Kaum zu glauben, dass du zweiunddreißig Jahre alt bist. Wenn es um dieses Frauenzimmer geht, benimmst du dich so naiv wie mit wie fünfzehn!“

„Ich finde, dass ich mich sehr erwachsen benehme, denn ich leiste mir eine Haltung. Ich trete für meine Gefühle und Überzeugungen ein. Das hast du mir beigebracht, Vater.“

„Sicher, das habe ich. Doch ich darf dich daran erinnern, dass deine Haltung eine gänzlich andere gewesen ist, als deine Holde vor Gericht gestanden hat. Während des Prozesses ist dir das Wort Liebe nie über die Lippen gekommen. Nicht ein einziges Mal hast du sie im Gefängnis besucht. Nein, du hast stattdessen in diesem Zimmer gesessen und wie ein Rohrspatz auf sie geschimpft!“

Mike lächelte frech. „Muss schon sagen, Joe, was ich heute alles über dich erfahre ... war eine gute Idee von dir, mich mitzunehmen.“

Ich bereute den Einfall und spielte verlegen mit meiner Krawatte. „Zugegeben, ich habe damals schlecht über Petra gesprochen. Weil ich entsetzt gewesen bin über ihre Handlungen und keine Möglichkeit gesehen habe, dass sie jemals Vernunft annehmen würde. Jetzt habe ich Hoffnung, dank ihres Anrufs. Damit hat sie nämlich gegen das oberste Gebot der Bande verstoßen: Sprich niemals mit einem Vertreter des Schweinesystems. Die Anarchisten wollen keine offene Debatte führen wie anno `68. Wie eine Sekte bleiben sie strikt unter sich, um keine Argumente hören zu müssen, die ihre Weltsicht ins Wanken bringen könnten. Aber dadurch zerstören sie ihr eigenes Ideal einer freien, toleranten Gesellschaft. Ich bin sicher, Petra hat das längst erkannt. Ist euch klar, welches Risiko sie auf sich genommen hat, bloß um mir zum Geburtstag zu gratulieren? Wie viel Druck sie von der Gruppe bekommen wird, weil sie Kontakt mit einem Feind hält? Aber das ist ihr egal, weil sie mich liebt. Ich weiß, es klingt kitschig, doch unsere Liebe ist der Anker, der Petra retten kann. Früher oder später wird sie sich von den Mördern lossagen. Ich kann ihr dabei helfen, indem ich sie spüren lasse, dass ich sie nicht aufgegeben habe.“

„Na hoffentlich hat sie deine liebende Fürsorge auch gefühlt, als ihr Kumpel wegen dir verhaftet worden ist“, bemerkte Mike hämisch.

„Erstens wird diese Fanatikerin nie etwas einsehen, weil sie stur ist wie ein Esel“, maulte Vater. „Zweitens wird sie zwanzig Jahre in den Bau wandern, wenn sie erst mal verhaftet worden ist. Hast du darüber mal nachgedacht? Möchtest du so lange auf sie warten?“ Er zeigte mir einen Vogel. „Du bist ja bekloppt!“

„Mutter hat auch auf dich gewartet, als du in Kriegsgefangenschaft gewesen bist.“

„Das kann man wohl nicht vergleichen!“

Mike zuckte mit den Schultern. „Immerhin spricht unser Polizeipräsident von Bürgerkriegszuständen.“

„Da hörst du es“, sagte ich triumphierend.

Mutter brach ihr Schweigen. „Kurt, ich finde, Joachim hat recht. Es ist anständig, dass er zu dem Mädel steht und sich nicht davonmacht wie ihre Eltern. Die Helms sind nach der Stockholm-Sache ausgewandert, weil sie nicht länger auf ihre Tochter angesprochen werden wollten. Petras Vater hat mir sogar erklärt, es wäre gerecht, wenn sie erschossen würde. Ich frage dich, was ist das für ein Mensch, der so etwas sagt? Schon in der Bibel steht, die Kranken brauchen den Arzt und nicht die Gesunden.“ Sie griff nach meinem Arm. „Sei ihr ein Freund, mein Junge. Dagegen ist nichts zu sagen ... aber trotzdem könntest du dir eine andere Frau suchen. Eine, mit der du Kinder haben kannst und ...“

„Bitte Mutter! Lass uns das ein anderes Mal diskutieren, ja?“, sagte ich mit einem Seitenblick auf meinen dauergrinsenden Partner.

Vater entzog sich dem Gespräch auf seine Art. Er schaltete den alten schwarzweiß Fernseher an.

„Wollt ihr euch nicht mal einen modernen Kasten zulegen?“, fragte ich.

„Bei dem Programm? Überflüssig! Wenn ich diesen blöd quatschenden Holländer schon sehe ...!“ „Sie meinen Rudi Carrell? Der ist doch witzig!“, meinte Mike.

Vater winkte ab.

„Es gibt ja auch noch Frankenfeld“, sagte Mutter.

Auf der Mattscheibe erschien das verwegene Gesicht von Andreas Baader. Die Nachrichten brachten einen Bericht über den zweiten Verhandlungstag gegen den harten Kern der RAF. Neben Baader saßen Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Jan-Carl Raspe auf der Anklagebank. Ihnen wurde vierfacher Mord und versuchter Mord in 54 Fällen vorgeworfen. Die Verhandlung würde sich über Monate hinziehen. Die Staatsanwaltschaft hatte 997 Zeugen vorgeladen und über 80 Sachverständige bestellt.

„Der Gerichtssaal ist extra für den Prozess in Stuttgart-Stammheim gebaut worden – für 12 Millionen Mark“, wusste Mike. „Mit Sicherheitsschleusen, Hi-Fi-Anlagen für Tonbandprotokolle und einem Netz auf dem Dach gegen Bombenangriffe. Der Spaß kostet den Steuerzahler ein Vermögen. Billiger wäre es, man würde die Figuren gleich an die Wand stellen.“

„Versündigen Sie sich nicht, Herr Notto“, tadelte Mutter. „Gott sei Dank sind in unserem Land die Zeiten vorbei, in denen Menschen einfach so hingerichtet werden konnten.“

„Ja, stimmt schon“, erwiderte mein Freund. „Auch wenn in den Ämtern noch genug Bürokraten hocken, die unter Onkel Adolf Karriere gemacht haben.“