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Horst Conen

Und ich schaffe es doch!

Für Alexa

Horst Conen

Und ich schaffe es doch!

So befreien Sie sich von negativen Lebensbotschaften und gewinnen an Selbstvertrauen

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

conen@mvg-verlag.de

Nachdruck 2013

© 2005 bei mvgVerlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlaggestaltung: Atelier Seidel, Altötting

Autorenfoto: Andreas Möltgen

Satz: Redline GmbH, S. Wilhelmer

Druck: Books on Demand GmbH, Norderstedt

Printed in Germany

ISBN Print 978-3-86882-321-9

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-372-3

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86415-837-7

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter

www.muenchner-verlagsgruppe.de

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INHALT

Einführung

1. Kapitel

„Das wird ja sowieso nichts!“

Warum wir uns ungünstig programmieren

Sich selbst erfüllende Prophezeiungen im Alltag

Lebensbotschaften werden uns eingepflanzt

Wie Erwartungen unser Leben regieren

Von Selbstbotschaften und Fremdbotschaften

Verwandeln Sie den Nachteil in einen Vorteil

Sie schaffen es nur aus eigener Kraft

2. Kapitel

Der kleine Mann im Ohr

Ein jeder hat so seinen Spuk im Kopf

Unerkannte Botschaften schlummern in der Tiefe

Wie magische Worte wirken können

Lebensbotschaften made in Hollywood

Der Glaube an schicksalhafte Zusammenhänge

Falsch verstandene Sinnbilder korrigieren

Sich von negativer Selbstbeeinflussung befreien

3. Kapitel

So erkennen Sie sich selbst

Brauchen Sie ein neues Selbstverständnis?

Der Erfüllertyp und das Helfersyndrom

Aufpassen, sich nicht selbst zu verlieren

Die eigene Unzufriedenheit analysieren

Negative Lebensbotschaften aufspüren

Lösen Sie Abwertung und Herabsetzung auf

Verniedlichungen sind mit Vorsicht zu genießen

Lassen Sie sich von Bremsersätzen nicht aufhalten

Dem Täter auf der Spur

Die eigenen Schuldgefühle überwinden

4. Kapitel

So ermutigen Sie sich selbst!

Veränderung ist trainierbar

Selbstermutigungs-Übung „Das Gute an mir“

Selbstermutigungs-Übung „Sag: Ich kann“

Selbstermutigungs-Übung „Die sieben Zettel“

Selbstermutigungs-Übung „Übertreiben“

Selbstermutigungs-Übung „Der Große und der Kleine“

Selbstermutigungs-Übung „Positive Rituale“

5. Kapitel

Lass dir nichts mehr einreden!

Die Gedanken kultivieren

So lassen Sie sich nicht anstecken

So lassen Sie sich nicht runterziehen

Sich positiv abgrenzen in Verwandtschaft und Bekanntschaft

Verbitterten Menschen bejahend entgegentreten

So lassen Sie sich im Berufsalltag nicht reinziehen

So lassen Sie sich nicht zumüllen

Die Mentalität des Vorsichtigen überwinden

6. Kapitel

Das Prinzip der Ermunterung

„Keine Angst: Du schaffst das!“

Andere Menschen fördern und befreien

Gehen Sie mit Ermutigungen großzügig um

Danksagung

Weiterführende Literatur

Über den Autor

EINFÜHRUNG

Manchmal stehen wir uns selbst im Weg. Ob beim Rendezvous, einem wichtigen beruflichen Gespräch oder einer Abendeinladung zu Hause, die harmonisch verlaufen soll, dann aber misslingt – irgendwie scheitern wir immer wieder an der gleichen Stelle. Wir haben zwar jedes Mal die besten Absichten und sind überzeugt, dass wir das Richtige tun. Wir bemühen uns, umsichtig zu sein und alles im Griff zu behalten. Doch ohne je zu erfahren, wo die Ursache für unser Scheitern liegt, sehen wir uns immer wieder mit den gleichen Problemen konfrontiert.

Sollten auch Sie manchmal das Gefühl haben, dass Sie viel zu oft an derselben Stelle in Schwierigkeiten geraten, dann ist dieses Buch genau für Sie gemacht. Denn es behandelt vorrangig das Thema: Woran liegt es, dass wir uns ständig selbst zu Fall bringen? Mit diesem Buch möchte ich Ihnen helfen, den »inneren Kobold«, der daran beteiligt ist, aufzustöbern und zu verjagen.

Das fängt beim eigenen Denken an, jener inneren Stimme, die uns manchmal etwas Falsches einredet. Und man muss sagen: Den meisten Menschen misslingen nur deshalb bestimmte Dinge, weil sie sich vorher einreden, dass es nicht gelingen wird. Und weil das ein so weit verbreitetes Phänomen ist, das fast jeder kennt, nahm ich im Jahre 2001 als Experte an einer einstündigen Hörfunksendung des Westdeutschen Rundfunks in Köln teil, die speziell diesem Thema gewidmet war. Sie trug den Titel: »›Ich wusste, es geht schief‹ – sich selbst erfüllende Prophezeiungen im Alltag«.

Die Sendung fand enormen Anklang. Viele Hörer berichteten von Erlebnissen, die genau davon gekennzeichnet waren: Sie hatten sich selbst etwas Negatives eingeredet und die Sache war dann jedes Mal auch negativ ausgegangen.

Weil sogar Monate nach der Sendung der Strom an Hörerfragen noch nicht abriss, entschied ich mich, mit diesem Buch Verständnishilfen zu schaffen. Und Sie werden sehen: Wer die Wirkungsweise seiner gedanklichen Programmierung besser versteht, hat den Trick bald heraus, wie er jene inneren Stimmen entlarven und entschärfen kann, die zuweilen dazu führen, dass man sich selbst schadet und dann tatsächlich eine schlechte Erfahrung macht.

Im 1. Kapitel erfahren Sie, wie es eigentlich dazu kommt, dass wir uns manchmal ungünstig programmieren. Dabei beleuchten wir das Phänomen, wie sehr unsere Erwartungen unsere Erfahrungen bestimmen. Sie werden davon lesen, wie negative oder positive Erwartungen überhaupt zustande kommen. So können Sie für sich selbst ermitteln, von welchen Erwartungen Sie sehr geprägt sind.

Im 2. Kapitel erhalten Sie eine Übersicht über das kulturelle Erbe, das uns alle gleichermaßen beeinflusst. Dabei wird Ihnen bewusst werden, wie sehr Geschichten und Bilder in uns aktiv sind und wie diese in uns Wertmaßstäbe ausprägen, die für unseren Schiffbruch verantwortlich sein können.

Im 3. Kapitel lernen Sie einiges über sich selbst. Vor allem aber ist es dazu gedacht, dass Sie jetzt ganz genau orten, welche Erfahrungen und Personen daran beteiligt sein könnten, dass Sie manchmal schlecht ankommen. Die Einsichten, die Sie hier gewinnen, werden Ihnen helfen, sich zukünftig besser zu steuern.

Das 4. Kapitel ist ein reines Übungskapitel. Hier bekommen Sie sehr konkrete Übungen an die Hand, wie Sie aus negativen Gedankenprogrammierungen aus- und in positive einsteigen. Dabei ist mir wichtig, dass Sie möglichst alle Übungen einmal ausprobieren, um nachher jene für Ihr tägliches Leben zu übernehmen, mit der Sie sich selbst am besten aufbauen können.

Das 5. Kapitel ist speziell den Vorbeugungsmaßnahmen gewidmet: Wie können wir es schaffen, uns in Zukunft nichts mehr einreden zu lassen, was uns zum Nachteil gereichen könnte?

Und im 6. Kapitel möchte ich Sie dazu aufrufen, dass Sie sich nicht nur um sich selbst, sondern auch um Ihr Umfeld bemühen. Jeder von uns kann andere Menschen darin zu bestärken, nicht vor sich selbst zurückzuweichen, sondern auf die eigenen Ziele zuzugehen.

Ich bin sicher, dass Sie nach dem Weg durch diese Kapitel klarer sehen. Ich würde mich freuen, wenn Sie nach dem Lesen dieses Buches für sich selbst ermittelt hätten, wie Sie die für Sie typischen Schwierigkeiten in Zukunft abstellen könnten – wenn Sie in Zukunft statt: »Ich weiß, es geht schief« einfach sagen könnten: »Es wird gut«, und es wird deutlich besser, als es vorher war. Wenn dieses Buch dazu beitragen könnte, dann hätte es seinen Zweck erfüllt.

Ich wünsche Ihnen für diesen nicht immer ganz leichten Weg allzeit ein fröhliches Herz und gutes Gelingen.

Ihr

Horst Conen

»Das Glück des Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab.«

Marc Aurel

1. KAPITEL

„DAS WIRD JA SOWIESO NICHTS!“

Warum wir uns ungünstig programmieren

Kennen Sie diese Sprüche? „Das wird dir nicht gelingen“, „Das kannst du nicht“, „Das schaffst du nie“, „Das können die anderen besser als du“, „Aus dir wird mal eine gute Mutter“ (meint: „… aber keine Frau, die Karriere macht“), „Der Junge wird noch mal genauso enden wie sein Vater“. Und Sie treten tatsächlich in des Vaters Fußstapfen. Oder Vorhaben gehen wirklich schief – ganz so, wie man es Ihnen prophezeit hatte. Oder Sie haben wahrhaftig oft das Gefühl, es nicht zu schaffen, weil Sie irgendwie unbegabt, unbeholfen, trottelig sind. Und Sie tun, wenn auch widerwillig, genau das, was andere Ihnen zuvor verheißen haben.

Das prägt sich ein. Das führt dazu, dass man sich irgendwann selber sagt: „Lass lieber die Finger davon, das geht sowieso daneben“, und dass man etwas unterlässt, wozu man in Wahrheit sehr wohl in der Lage wäre: wie etwa sich beruflich selbstständig zu machen oder sich den Traum vom eigenen, selbst gebauten Haus zu erfüllen. Das hat mit der Zeit Auswirkungen auf Ihr Selbstbild: Sie haben den Eindruck, tatsächlich benachteiligt zu sein – zumindest aber ein Mensch, der in vielerlei Hinsicht schwerer am Leben zu tragen hat als die anderen.

Vielen geht es so. Im Kleinen wie im Großen. Denn kaum, dass Sie denken, „das Tablett mit den Gläsern wird mir bestimmt aus der Hand rutschen“, ist es auch schon passiert. In dem Augenblick, in dem Sie Skepsis entwickeln, ob die Partygäste überhaupt kommen werden, rufen die ersten an und sagen ab.

Sobald einen vor dem ersten Rendezvous die Zweifel überfallen, ob der andere einen wohl attraktiv findet, stolpert man unglücklich und reißt sich mit dem Absatz eine riesige Laufmasche.

Die Reihe ließe sich unendlich fortsetzen. Und jeder – ob Frau oder Mann – hat sofort eine Erfahrung parat, die dazu passt. Ich denke, auch Sie: Ob es das wichtige Vorstellungsgespräch war, bei dem man sich dachte: „O Gott, du wirst bestimmt krank“, und tags drauf lag man mit Fieber im Bett. Oder die erste Begegnung mit den künftigen Schwiegereltern, von denen man sich zuvor schon dachte, dass sie an allem etwas auszusetzen haben. Und dann kommt es tatsächlich so: Die Schwiegermutter bemerkt nebenbei, dass die Topfpflanzen wohl dringend Wasser bräuchten, während sie gleichzeitig mit der Hand die nur flüchtig gebügelte Tischdecke glatt streicht. Denn ob erste Begegnung mit Menschen, wichtige berufliche Termine, Prüfungen, Vorstellungsgespräche oder Lebensveränderungen – programmieren wir uns vorher auf negative Erwartungen, ergeben sich sogleich negative Effekte – zumindest nehmen wir sie als negativ wahr.

Aber gewiss kennen Sie auch genau die gegenteilige Situation: Sie haben sich gedacht: „Das gelingt mir“ – und es gelang! Sie waren voll des guten Willens, eine schwierige Aufgabe zu bewältigen, und haben es allen Unkenrufen zum Trotz geschafft. Sie haben nicht darauf gehört, was andere Ihnen an „klugen“ Ratschlägen mit auf den Weg gegeben haben, und sind genau den richtigen gegangen. Sie haben also positive Erwartungen für sich entwickelt und positive Effekte erzielt.

Nur leider ist uns Letzteres weniger vertraut. Verbreiteter ist es, dass wir negative Erwartungen hegen und sie dann auch bestätigt bekommen. Das nachstehende Beispiel stammt von dem bekannten amerikanischen Psychotherapeuten Paul Watzlawick. Der geschilderte Fall wird Ihnen bestimmt übertrieben vorkommen, aber im Grunde genommen tun wir alle zuweilen genau das Gleiche: Wir beschwören das eigene Desaster meisterlich herauf.

Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort.

Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht’s mir wirklich. – Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch noch bevor er „Guten Tag“ sagen kann, schreit ihn unser Mann an: „Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Rüpel.“

Die Geschichte mit dem Hammer ist mittlerweile ein Klassiker. Und jeder, der sich mit dem Thema „Positives Denken“ befasst, kommt nicht an ihr vorbei. Sie beschreibt ein Phänomen, das wir teilweise auch in diesem Buch behandeln werden: die sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Nun fragen Sie vielleicht: Was hat das mit Prophezeiung zu tun? Dem Mann, der ein Bild aufhängen will, wird doch nichts prophezeit, er manövriert sich mit seinen negativen Erwartungen doch selbst in die Sackgasse hinein. Deshalb soll hier kurz erklärt werden, was eine sich selbst erfüllende Prophezeiung ist – der englische Fachausdruck dafür lautet „self-fulfilling prophecy“.

Sich selbst erfüllende Prophezeiungen im Alltag

Es erscheint uns manchmal wie Hexerei. Wir sagen: „Das wird sowie nichts“, und schon entwickelt sich alles so, dass es am Ende wahrhaftig nichts wird. Doch mit Hokuspokus hat das nicht das Geringste zu tun. Dahinter steckt ein nachgewiesener Zusammenhang, auf den die Wissenschaft schon Ende des 19. Jahrhunderts aufmerksam wurde. Der Amerikaner Joseph Jastrow beschrieb erstmalig entsprechende Beobachtungen, ohne dass er schon den Begriff der sich selbst erfüllenden Prophezeiung dafür prägte. Jastrow bemerkte zum Beispiel, dass bei einem Athleten, der kurz vor dem Wettkampf fürchtete zu versagen, plötzlich das Zusammenspiel körperlicher und geistiger Kräfte nicht mehr optimal funktionierte. Der Sportler zeigte dann tatsächlich eine schwache Leistung und verlor den Wettkampf. Wörtlich schreibt Jastrow schon im Jahr 1900: „Die ständige Vorstellung eines möglichen Versagens im Erreichen des Zieles schwächt die Intensität der Anstrengung und verhindert die Realisierung der bestmöglichen Leistung.“

„Wenn das so einfach ist, warum sagen wir dann nicht jedes Mal ‚Ich werde gewinnen‘ – und schon haben wir unseren persönlichen Wettkampf gewonnen?“, werden Sie sich jetzt fragen.

Deshalb eines schon jetzt in aller Deutlichkeit: Das Prinzip ist richtig und doch reicht „sagen“ allein nicht. Denn die Aussage „Ich werde gewinnen“ muss auch durch den Glauben „Ich werde gewinnen“ unterstützt werden. Erst wenn Menschen wirklich glauben „Ich schaffe das“, dann gelingt es auch. Sie setzen sich gegen Widerstände durch, sie lassen sich nichts einreden und Zweifler sind für sie lediglich ein Anlass, umso energischer am guten Ausgang ihrer Sache zu arbeiten. Und tatsächlich, es gelingt: Der Schritt in die Selbstständigkeit, die Liebe über hunderte von Kilometern hinweg, die Verwirklichung eines Traums – was auch immer. Was geschieht, wird zu einer Kette von Positiverlebnissen, die sich für das scheinbare Glückskind wie Perlen auf einer endlosen Schnur aneinander reihen.

Aber bevor Sie jetzt resigniert den Kopf einziehen, weil Sie sich selbst eher für einen Pechvogel denn für ein Glückskind halten, noch zwei Nachrichten hinterher:

1. Auch Sie können es schaffen: Sie können aus der Kette von Negativerlebnissen aussteigen.

2. Sie müssen nur lernen, diesen Glauben zu entwickeln.

Doch bis dahin ist noch ein Stück Weg zurückzulegen.

Schauen wir uns unterdessen noch einige andere Beispiele dafür an, wie unterschiedlich sich selbst erfüllende Prophezeiungen auftreten können. Eine weitere Jastrow-Untersuchung aus der Arbeitswelt ist nicht minder interessant:

1890 wurde die Hollerith-Tabelliermaschine erstmals in einem Amt aufgestellt und die Mitarbeiter erhielten für die neu entwickelte Maschine eine intensive Schulung. Sie erfuhren vom Erfinder Hollerith persönlich, dass die neue Arbeit besondere Geschicklichkeit und Anstrengung erforderte und dass er davon ausginge, dass am Tag damit ungefähr 550 Karten zu bearbeiten seien.

Nach zwei Wochen Einarbeitungszeit waren die Angestellten entsprechend trainiert und erledigten 550 Karten am Tag. Nach einiger Zeit überschritten sie sogar die erwartete Menge, schafften bis zu 700 Karten am Tag, allerdings nur unter großer Anstrengung. Die Angestellten zeigten so starke Erschöpfungssymptome, dass der Innenminister sogar verbot, künftig Mindestleistungen vorzuschreiben.

Es wurden 200 weitere Mitarbeiter für die neuen Maschinen angestellt, die keine Mindestzahl vorgegeben bekamen und auch nicht intensiv vom Erfinder geschult wurden. Man zeigte ihnen lediglich, was sie ganz konkret zu tun hatten. Innerhalb von drei Tagen erreichten die neuen Mitarbeiter eine Leistung von 700 Karten und steigerten sich in der Folgezeit auf einen Ausstoß von über 2 000 Karten pro Tag, ohne besonders erschöpft zu wirken.

Der Kernpunkt dieser Untersuchung ist: Nur weil den Arbeitern gesagt worden war, dass kaum mehr als 550 Karten zu schaffen seien, schafften sie auch nur wenig mehr. Und weil ihnen vorhergesagt worden war, dass besondere Geschicklichkeit und Anstrengung für die neue Arbeit vonnöten sein werde, waren sie dann auch tatsächlich total erschöpft. Die uninformierte, „schlechter vorbereitete“ Gruppe war nicht auf eine bestimmte Grenze und auf besondere Probleme eingestellt und erreichte ganz locker viel mehr. Die Vorhersage hatte bei der ersten Gruppe dafür gesorgt, dass das Ergebnis auch tatsächlich eintrat.

Vorsicht: mentale Panikmache

Das nächste Beispiel stammt aus der Welt der Finanzen. Der amerikanische Soziologe Robert K. Merton schrieb 1948 in der Zeitschrift „Antioch Review“ einen Artikel mit dem Titel „The Self-Fulfilling Prophecy“. Darin berichtet er von einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung im Bankwesen: dem Zusammenbruch der „Last National Bank“. Das Geldinstitut war zuerst absolut solide und hatte keinerlei Probleme, bis eines Tages das Gerücht von einem bevorstehenden Bankenzusammenbruch verbreitet wurde. Viele glaubten dem Gerücht, ängstigten sich plötzlich um ihr Geld und liefen in Panik zur Bank, um ihr Erspartes rasch abzuheben. Da dies keine Bank verkraftet, war die „Last National Bank“ am Abend wirklich zahlungsunfähig.

Das Typische an einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung ist: Eine Äußerung wird zum Schneeball, der eine Lawine auslöst. Die mentale Panikmache wird zum Selbstläufer. Aus lauter Hysterie in der Art: „Das wird sowieso nichts“, „Das wird bestimmt schlimm enden“ oder: „Ich weiß, es geht schief“, steuern wir zielsicher auf das Missgeschick zu. Das funktioniert, wie wir inzwischen gesehen haben, nicht nur im Privatleben so, sondern auch in Industrie und Wirtschaft. Einschlägig bekannt sind sich selbst erfüllende Prophezeiungen auch an der Börse. Jeder Aktienbesitzer weiß davon ein Lied zu singen. Allein die Vermutung, eine Aktiengesellschaft könne einen großen Auftrag bekommen, kann die Kurse in die Höhe schnellen lassen, was wiederum das Unternehmen rasch gut aussehen lässt und womöglich dazu führt, dass es den Auftrag tatsächlich bekommt. Das tagtägliche Auf und Ab an der Börse lebt von solchen Prognosen: Ein positives Wort beflügelt, ein negatives lässt die Kurse wieder fallen.

Das Phänomen der „sich selbst erfüllenden Prophezeiung“ liefert also jede Menge Stoff für Geschichten und Anekdoten. Wir werden noch einige davon hören. Doch selbst, wenn wir alle Geschehnisse zusammennähmen, so wäre schlussendlich nicht eindeutig zu klären, warum dies alles so vonstatten geht – sonst würde man nicht von einem Phänomen sprechen. Dingfest machen können die Wissenschaftler es also nicht. Hinzu kommt, dass jeder Forscher das Phänomen aus dem Blickwinkel seines Fachgebiets betrachtet und deshalb zu anders lautenden Definitionen kommt. Die eindeutigste habe ich bei Dr. Peter H. Ludwig gefunden, Privatdozent an der philosophischen Fakultät in Augsburg. Sie lautet: „Eine sich selbst erfüllende Voraussage ist eine Voraussage, die ihre eigene Erfüllung selbst bedingt.“

Falls Ihnen das immer noch zu nebulös ist, will ich es mit einer „alltagstauglichen“ Erklärung versuchen. Denn so richtig und wichtig es ist, von den unterschiedlichen Untersuchungsergebnissen der Psychologen und Wissenschaftler zu wissen, am Ende finden sich selbst erfüllende Prophezeiungen ja auch im ganz normalen Alltag statt – in der Umgebung, in der wir die meiste Zeit unseres Lebens verbringen. Und da meine Tätigkeit als Erfolgs- und Lebensberater mich hautnah mit Menschen in Berührung bringt, denen es im alltäglichen Leben darauf ankommt, sich mental besser zu programmieren, so ist meine Definition ohne wissenschaftlichen Anspruch und eher fürs Praktische gedacht. Also für die Frauen und Männer, die sich im Privatleben und im Beruf nicht selbst ein Bein stellen wollen, weil sie sich selbst ungünstig programmieren – für alle, die befreiter, glücklicher und erfolgreicher sein möchten. Auch Sie darf ich wohl in diese Reihe einschließen, sonst hielten Sie dieses Buch nicht in Händen.

Meine Definition lautet: „Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung wird davon bestimmt, was wir erwarten. Erwarten wir Gutes, nehmen wir sogar weniger Gutes als etwas Gutes wahr. Erwarten wir Schlechtes, finden wir an allem, was uns begegnet, etwas Schlechtes. Denn das, was wir erwarten, erfahren wir auch. Wir programmieren uns darauf.“

Lebensbotschaften werden uns eingepflanzt

Die Erwartung und der so genannte „Erwartungseffekt“ sind also zentrale Elemente einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung.

Doch woher kommen die Erwartungen? Warum denken wir überhaupt solche Dinge wie: „Das geht garantiert daneben“?

Dies vorneweg: Hier geht es nicht darum, dass Sie etwas durchführen sollen, was tatsächlich Ihre Fähigkeiten übersteigt. Natürlich würde es keinen Sinn machen, einen Marathon zu laufen, wenn Sie nicht einmal regelmäßig joggen gehen. Es wäre auch dumm, ein Klavierkonzert zu geben, wenn Sie nur „Hänschen klein“ spielen können.

Es soll vielmehr klar werden, dass allein durch die gedankliche Existenz von Erwartungen Verhaltensweisen ausgelöst werden, die den Erwartungseffekt vorantreiben.

Das heißt: Die sich selbst erfüllenden Prophezeiungen des Alltags werden durch jene Sätzchen wie: „Das schaffe ich nie“ oder: „Dafür bin ich nicht die Richtige“ oder: „Ich habe einfach kein Glück“ von uns auf den Weg gebracht. Diese Sätze sind in der Regel nicht das Ergebnis objektiver Erfahrungen. Meist sind es Botschaften, die wir uns selbst geben. So steuern wir dann auf eine Negativerfahrung hin – nicht nur einmal, sondern in bestimmten Situationen immer wieder und oft sogar ein ganzes Leben lang. Ich spreche daher von „Lebensbotschaften“:

Botschaften, die uns möglicherweise von anderen Menschen verbal oder nonverbal für unser Leben eingepflanzt wurden und die wir selbst aufrechterhalten,

Botschaften, die wir uns ganz alleine aufgebaut haben, aufgrund unserer subjektiven Bewertung bestimmter Erlebnisse,

Botschaften, die tief unter der Oberfläche schlummern und von dort immer wieder neue Triebe nach oben schicken.

Das war die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht aber ist: Lebensbotschaften sind veränderbar. Denn in Wahrheit gibt es keinen Zwang zum „Nichtkönnen“ oder etwa „Versagen“, bloß weil uns dies von anderen eingetrichtert wurde oder wir es uns selbst immer wieder sagen. Was wirklich existiert, ist nur ein Programm im Kopf. Das heißt: Die Lebensbotschaft, die uns seit Jahrzehnten präsent ist, wird nur von einem Gedankenkreislauf gebildet, den wir immer wieder auf die gleiche Weise abspulen.

Hier setzt dieses Buch an. Denn wenn wir fremde oder selbst geschaffene geistige Programme aufrechterhalten – ohne Zwang von außen, ganz allein, einfach nur, weil wir das so gewohnt sind –, dann können wir uns auch umgewöhnen. Wenn wir erkennen, wie nachteilig ein negatives Gedankenschema für unser Leben ist, dann können wir auch lernen, es umzuwandeln – ganz gleich, ob wir Banker oder Studentin, Führungskraft oder Sachbearbeiter, Familienvater oder allein erziehende Mutter, intellektuell oder handfest veranlagt, Anfang 30 oder Mitte 60 sind.

Zwei Dinge sind dazu notwendig. Erstens: Dass wir ein negatives Programm erkennen. Zweitens: Dass wir uns ein positives antrainieren.

Gehen wir zunächst weiter auf dem Weg der Selbsterkenntnis. Lebensbotschaften wurzeln meist in Kindheit oder Jugend, manchem werden sie gar in die Wiege gelegt. Der deutsch-kanadische Professor Dr. Klaus Minde, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der McGill University in Montreal, beschäftigt sich vor allem mit der Entwicklung von Frühgeborenen und wird im Rahmen seiner Arbeit oft mit den Erwartungen von Eltern an ihre Kinder konfrontiert. Auf einem Vortrag im Jahr 1999 zeigte er einen Cartoon. In einer Sprechblase war zu lesen:

„Sie sehen hier den nächsten Ober-Manager von Louis’ Pizzadienst“ – das erklärt ein frisch gebackener Vater vor dem Sichtfenster der Neugeborenenstation einem Arzt. Solche Botschaften begleiten manches Kind vom ersten Tag seines Lebens an.

Professor Minde berichtete auch von einer Mutter, die angesichts ihrer extrem früh geborenen Zwillinge – jedes hatte nur etwa 600 Gramm Gewicht – folgende Erwartungen äußerte: „Das wird mal ein Professor, der sieht wie sein Onkel aus. Und der sieht ganz anders aus, der wird vielleicht ein Dieb.“ Eine andere Zwillingsmutter behandelte den ihrer Meinung nach „stärkeren“ und den „schwächeren“ Zwilling von Anfang an so ungleich, dass jeder Außenstehende die eineiigen Zwillinge schon mit drei Monaten deutlich unterscheiden konnte, weil sie so unterschiedlich entwickelt waren. Nur die Mutter hatte Probleme mit der Unterscheidung und brauchte immer farbige Bändchen dafür. Sie bemerkte die Ungleichbehandlung nicht. Die Zwillinge jedoch wachsen mit dieser Lebensbotschaft auf: Professor und Dieb, gepäppelt und vernachlässigt.

Lebensbotschaften können also sowohl über Worte als auch über Gesten vermittelt werden – also die ganze Art und Weise, wie wir jemanden behandeln. In den meisten Fällen findet das in Kindheit und Jugend (etwa in der Ausbildung) statt. Denn wir alle wissen, dass in dieser Zeit das, was wir erfahren, am eindringlichsten wirkt. Weil Kinder und Jugendliche alles ungefiltert aufnehmen und sich aus diesen Informationen ihr eigenes Weltbild bauen, werden die Botschaften, die wir in dieser Zeit aufnehmen oder die man uns weitergibt, von uns wie in Stein gemeißelt oder: wie als Lebenspflanzen eingesetzt. Und es bedeutet nicht selten eine Lebensaufgabe, die so gepflanzten Botschaften zu verändern, denn sie verhalten sich oft wie Unkraut: Auch wenn es uns nicht gefällt, es will immer wieder Raum greifen und ist zählebiger als jede Blume, die wir viel lieber auf dem Beet unseres Lebens hätten.

Manchmal haben wir allerdings am Zustand unserer Lebensbotschaften einen erheblichen Anteil. Das heißt, wir bauen sie weiter aus. Und wir basteln sie uns nicht selten so zurecht, dass wir damit Defizite im Leben anklagen können, die wir uns selbst schaffen. So wie Dörthe zum Beispiel:

Dörthe ist die mittlere von drei Geschwistern und ihr Leben steht von Anfang an unter einem unglücklichen Stern: Bei der Geburt bekommt sie nicht genug Luft und muss unters Sauerstoffzelt. Als Kind ist sie daher sehr schwächlich, ständig krank und wird deswegen in der Schule oft geneckt. Überhaupt hat sie es nicht mit der Schule: Während der ältere Bruder und die jüngere Schwester Abitur machen und studieren, schafft sie „nur“ die Hauptschule und macht danach eine Lehre. „Ich bin eben dumm, ich kapier das nicht“, wird ihre ständige Begründung, wenn am Familientisch Debatten geführt werden, bei denen sie erst gar nicht zu Wort kommt.

Das Gefühl, benachteiligt zu sein, wird für Dörthe zum Programm, das sich immer bestätigt – sogar bei ihrer ersten großen Liebe. Diese scheitert an den Eltern ihres Freundes, die sich für ihren Sohn eine Frau wünschen, „die auch etwas hermacht“.

Mit Mitte 20 glaubt sie den Grund für ihre Defizite entdeckt zu haben: Sie ist das mittlere Kind. Während das älteste besondere Aufmerksamkeit genießt und das jüngste Kind eher verhätschelt wird, fällt dem mittleren oft keine besondere Rolle zu. Das interpretiert Dörthe für sich selbst so, dass sie einfach nicht so geliebt wurde, dass sich keiner für sie interessiert hat und sie aus diesem Grund jetzt „nichts ist“ und „nichts kann“.

Und das setzt sich fort: Ende 20 wird sie ungeplant schwanger. Sie heiratet, doch die Ehe geht in die Brüche. Mühsam findet sie einen Job, der jedoch mit vielen Problemen verbunden ist und sie zwingt, den Arbeitsplatz wieder zu wechseln. Weil ihre kleine Tochter jedoch Schulprobleme hat, reduziert sie ihre Arbeitszeit auf 20 Stunden pro Woche. Die schulischen Leistungen des Kindes bessern sich zwar, dafür ist jetzt das Geld ständiger Sorgenfaktor.

Dörthe betrachtet ihr Leben als eine Kette von Benachteiligungen. Sie klagt immer wieder: „Alle anderen haben es besser, und wenn bei denen mal was schief läuft, sind sie selber dran schuld.“ Sie hat wenig Selbstbewusstsein, ist auch mit sich unzufrieden und erzählt jedem, dass sie vom Leben immer schlecht behandelt wird. Neue Aufgaben packt sie mit großer Skepsis an: „Bei mir wird das ja sowieso nichts“, und der Lauf der Dinge bestätigt jedes Mal ihre Befürchtungen. Mit einer Mischung aus Neid und Resignation blickt sie auf ihre Geschwister, die allein stehend und beruflich erfolgreich sind, und auf die heilen Familien ringsum, die, wie sie sagt, kein Verständnis für sie und ihre Probleme als Alleinerziehende haben.

Kommt Ihnen Dörthe bekannt vor? Sind Ihnen Menschen, die so vom Pech verfolgt scheinen, schon einmal über den Weg gelaufen? Oder erkennen Sie sogar eigene Erfahrungen und Gefühle wieder? Schauen wir weiter. Ein Gegenbeispiel zu Dörthe ist Bastian.

Bastian wurde als mittleres Kind in eine musikalische Familie hineingeboren. Die Eltern haben beide Musik studiert, leiten Instrumentalensembles und geben Musikunterricht. Der Klavierunterricht war für Bastian und seine Geschwister eine Selbstverständlichkeit, Geigen gehörten zur Familie.

Groß war die Überraschung im Familienkreis, als er mit sieben Jahren verkündete, er wolle Cello lernen. Die Skepsis: „So ein großes Instrument für so ein kleines Kind“ wich schnell der Einstellung: „Na, wenn du das gerne möchtest, dann mach mal! Wir unterstützen dich darin.“ Mit Hilfe von Freunden wurde ein Lehrer gefunden, der bereit war, den ungewöhnlich jungen und sehr zierlichen Schüler aufzunehmen. Das Instrument wurde in Kindergröße organisiert und so begann Bastian fröhlich und mit großer Selbstsicherheit auf dem Cello zu üben.