Zum Buch:

Einmal ganz neu anfangen! Wenn sie ehrlich ist, ganz so hat Cat sich das nicht vorgestellt. Sie hatte nur einer Freundin helfen wollen und deren quirligen Welpen mit zur Arbeit genommen. Dass sie deshalb ihren Job verlieren würde, hatte sie nicht erwartet. Na ja, dann kann sie jetzt wenigstens in ihrer freien Zeit auf die Hunde ihrer Freunde aufpassen, während die ihrer Arbeit nachgehen. Und schon ist Cats neue Geschäftsidee entstanden: Sie wird „Leinen los“ gründen, ein Hundebetreuungs- und Gassi-geh-Unternehmen. Ehe Cat sich versieht, ist auch sie ein Teil des wunderbar turbulenten Lebens in Fairview, mit all seinen Problemen, Hoffnungen und Glücksmomenten …

„Herzerwärmend und wundervoll ... überschäumend mit Charakteren, die Sie lieben werden.“

Miranda Dickinson

Zur Autorin:

Cressy wurde im Südosten Londons geboren – umgeben von Büchern und mit einem Kater als Spielgefährten, der nach Lawrenz von Arabien benannt worden war. Sie studierte Englisch an der Universität von East Anglia und lebt inzwischen gemeinsam mit ihrem Ehemann David in Norwich.

Noch hat Cressy keinen eigenen Hund, und bis es so weit ist, schmust sie noch mit den flauschigen Vierbeinern ihrer Freunde.

Wenn sie gerade einmal nicht schreibt, dann liest sie oder macht Urlaub in ihrer Heimat London und an der wunderschönen Küste Norfolks.

Cressida McLaughlin

Leinen los – Ein Jahr voller Hundeglück

Roman

Aus dem Englischen von Holger Hanowell

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MIRA® TASCHENBUCH

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MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2017 by MIRA Taschenbuch

in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der englischen Originalausgabe:

A Christmas Tail

Copyright © 2015 by HarperCollins Publishers

erschienen bei: Harper

An imprint of HarperCollins Publishers

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner GmbH, Köln

Umschlaggestaltung: Büropecher, Köln

Redaktion: Christiane Branscheid

Titelabbildung: Arcangel / Alexis Ziemski

ISBN eBook 978-3-95649-939-5

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Alle handelnden Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Danksagung

Ein herzlicher Dank an meine fantastische Verlegerin, Kate Bradley, die mit mir zusammen das Risiko auf sich nahm und mich ganz wunderbar unterstützt hat und die mir von Anfang an eine Hilfe und Freundin gewesen ist.

Ein Dankeschön an Mary Chamberlain und Juliet Von Oss, meine Lektorinnen, die mit Geduld und Präzision dafür gesorgt haben, dass meine Worte Sinn ergeben.

Dank an das ganze HarperCollins-Team: an Charlotte Brabbin, Amy Winchester, Kim Young, Katie Moss, Martha Ashby, Ann Bissell und Charlotte Ledger.

Mein Dank geht auch an Alexandra Allden, die Gestalterin des wunderbaren Einbands.

Für das, was gemeinhin als ein einsames Unterfangen angesehen wird, hatte ich während der Arbeit eine Fülle von Ratschlägen, Ermutigung und so manche brillante Idee von zahlreichen Autorinnen und Autoren. Erwähnen muss ich Alexandra Brown, Lucy Robinson, Miranda Dickinson, Holly Martin, Lisa Dickenson, Belinda Jones, Hannah Beckerman, Sarah Perry, Ali McNamara, RJ Ellory und Edith Griffiths. Ich bewundere euch alle.

Dank an das Team Novelicious – ich bin ziemlich sicher, dass ich ohne euch heute nicht hier wäre. Besonders Kirsty Greenwood und Cesca Major, die auch in dem vorhergehenden Absatz hätten Erwähnung finden sollen und bessere Cheerleader waren als Kirsten Dunst.

Dank an alle Blogger, mit denen ich über Bücher geplaudert und gepiepst und getwittert habe, danke dafür, dass Ihr über mein Buch geplaudert und getwittert habt.

Bedanken möchte ich mich bei Katy Jones, die die Weichen für mich gestellt hat.

Ein herzliches Dankeschön an meine Familie und meine Freunde – an Emily und Joe für ihre guten Ratschläge, an Tina, Debbie, Judy und Cousine Rachel, die meine Geschichte mit Begeisterung begleitet haben, und an Tom, Sandra, Jon, Lisa, Tim und Suzanne. An Lynsey, die mich als großartige Freundin sehr unterstützt hat! An Kate und Tim für all die Gründe zum Lachen, für Kreta und den Hibiskus. An Kate Gaustad, meine beste Freundin seit über zwanzig Jahren.

Dank an die besten Teamkameraden – Chris „The Rottweiler“ Williams, Well Done Ben Dunne und Anne Tansley Thomas – die sich alle täglich abfinden mussten mit meinen im Werden begriffenen Geschichten und nun zurechtkommen müssen mit den jetzt veröffentlichten. Das ist einfach VERRÜCKT.

Dank an Katy Chilvers, die vielleicht aufgeregter als ich war und die mir bei der romantischen Heldensuche geholfen hat. Aramis muss für vieles geradestehen.

Ich bedanke mich bei allen, die mein Buch lesen – ihr helft, dass mein Traum wahr wird. Danke, und ich hoffe, ihr habt Freude daran!

Dank an Lucy, meine Schwester, die (mit zwölf) die beste Detektivgeschichte geschrieben und mich damit angespornt hat. Mein Dank geht auch an Mama und Papa für eure beständige Unterstützung und Inspiration; dafür, dass ihr alles gelesen habt und mir euer unparteiisches, konstruktives Feedback sowie eure ganz parteiische Ermutigung habt zuteilwerden lassen. Ich habe wirklich Glück, dass ich eure Tochter bin.

Dank gebührt David, der vom ersten Wort an mich geglaubt hat – durch all die schwierigen Perioden, die lustigen Perioden und die mit Champagner – und der der großartigste Mensch ist, den ich je kennengelernt habe. Ohne dich hätte ich diese Danksagung überhaupt nicht schreiben können.

Zu guter Letzt bedanke ich mich bei den Hunden, die ich kenne und liebe: bei Max und Timmy, die mich in ihr Körbchen ließen; bei Huey und Ella und Humph; bei dem schönen, durchtriebenen Wags und auch bei Pete (dem schlimmsten Hund), der so viel Angst vor dem hölzernen Nilpferd hat. Natürlich könnt ihr das hier nicht lesen, aber irgendwo spielt ihr alle in der Geschichte mit.

GUMMISTIEFEL UND WESTIES

TEIL 1

1. Kapitel

„Bleib einfach in der Tasche, bis ich es sage, okay? Du hast zwei Möglichkeiten, und das ist die eine.“

Cat drückte den wuscheligen Kopf des Tieres zurück in ihre geräumige türkisfarbene Handtasche und hievte sie dann über die Schulter. Dabei strich sie sich eine Strähne ihres kurz geschnittenen kastanienbraunen Haares aus der Stirn. Die Sonne kam nur zögerlich hervor, und der Frühmärztag war zu kalt, als dass man ihn hätte mild nennen können, aber immerhin strengte er sich an. Und der Gedanke, nun endlich den Winter hinter sich zu haben, beflügelte ihre Schritte. Sie ging auf die Eingangstür des Fairway-Kindergartens zu, während sie den Eltern lächelnd zunickte, die ihre Kinder an diesem Morgen brachten. Die meisten schoben die Kleinen im Buggy, manche begleitet von älteren Kindern, die auf dem Weg in die Grundschule waren. Cat hoffte, dass niemand die ungewöhnliche Wölbung ihrer Handtasche bemerken würde. Alison war schon im Büro und gerade damit beschäftigt, die Liste mit dem Tagesprogramm auszudrucken; dabei hörte sie aufmerksam die Nachrichten auf dem Anrufbeantworter ab. Einige Eltern hatten angerufen, um ihre Kinder wegen Krankheit zu entschuldigen, andere, um sich nach den Öffnungszeiten über Ostern zu erkundigen.

Cat nahm die Tasche von der Schulter und stellte sie vorsichtig auf den Stuhl an der Garderobe. Die Tasche bewegte sich ein bisschen, und die Schlüssel darin klimperten vernehmlich. Alison warf ihr einen fragenden Blick zu, wobei sich ihre feinen dunklen Augenbrauen unter dem matt glänzenden Pony zusammenzogen. Betont gelassen legte Cat Schal und Mantel ab, hängte beides an den Haken und setzte den Wasserkessel auf.

„Guten Morgen“, sagte Alison, als sie die Nachrichten zu Ende abgehört hatte. „Hattest du ein schönes Wochenende?“

„Ja, danke. Ich war spazieren, habe ausgeschlafen und bin mit einer Freundin essen gegangen.“

„Mit Polly?“

„Ja.“

„Die, mit der du zusammenwohnst?“

„Ja, und mit ihrem Bruder.“ Cat goss Milch in ihren Tee und tat ein Stück Würfelzucker in Alisons Kaffee. „Ich kenne sie seit Jahren, und als ich dieses Jobangebot bekam …“, sie geriet ein wenig ins Stottern, „sie hatten Platz, und so …“ Ihre Worte verloren sich, und sie fragte sich, wie ihre Chefin – sie war ein paar Jahre älter und knapp zehn Zentimeter kleiner als sie – es anstellte, dass Cat ständig das Gefühl hatte, ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Vielleicht war es heute aber auch besonders stark; denn während sie zu Alison hinüberblickte und auf die gedämpften Geräusche lauschte, die aus ihrer Handtasche drangen, wurde Cat klar, dass sie die schlechteste Entscheidung seit ihrem Umzug nach Fairview getroffen hatte.

Sie pustete in ihren Tee und versuchte, entspannt zu wirken. „Und wie war dein Wochenende so?“

„Gut.“ Dabei nickte Alison einmal kurz. „Kannst du mir helfen, den Kindern die Jacken auszuziehen? Ich will die Kleinen gleich hereinlassen.“

Cat verdrehte die Augen. Wieder einmal war es ihr nicht gelungen, auch nur den kleinsten Einblick in das Privatleben ihrer Chefin zu bekommen, irgendeine Information, die Cat hätte verraten können, warum eine Frau Anfang dreißig so völlig ohne Wärme war und trotzdem einen Kindergarten leitete. Cat war schon immer stolz auf ihre Fähigkeit gewesen, Leute richtig einzuschätzen, aber an Alison biss sie sich die Zähne aus.

Sie folgte ihr in den Gruppenraum. Kleine Stühle und Tische standen vor einer Tafel, und auf einem weichen roten Teppich lagen Sitzkissen für die Märchenstunde. In der gegenüberliegenden Ecke war der Bastelbereich mit einem Spülbecken, Farbtuben und einem Haufen grellbunter Schürzen.

„Wir nehmen die Liste mit auf den Teppich, dann beginnen wir mit dem ersten Programmpunkt und stellen verschiedene Geräusche vor.“

„Machen wir.“ Cat wusste das alles längst. Alison bereitete ihren Unterricht immer bis ins kleinste Detail vor und besprach mit Cat jeden Freitagnachmittag den Plan für die folgende Woche. Dabei stellte sie sicher, dass es keinen Spielraum für Abweichungen oder spontane Änderungen gab. Cat hätte gern noch mehr gesagt, aber da sie den Job als Assistentin erst seit zwei Monaten hatte, hatte sie sich das immer verkniffen und sich stattdessen bemüht, Alisons Vorgaben genau zu folgen. Jedenfalls bis zu diesem Tag.

Draußen vor der Tür standen Peter und Tom und drückten ihre Nasen an der Glasscheibe platt. Cat winkte ihnen zu, und sie winkten zurück mit ihren kleinen Händen, die in wollenen Fäustlingen steckten. Hinter ihnen wartete Emma, die für ihre vier Jahre schon recht erwachsen war, während ihre Mutter den Kinderwagen des kleinen Bruders hin- und herschob. Emma hielt Olaf an der Leine, einen Cockerspanielwelpen, der an allen Schuhen herumschnupperte und mit dem Schwanz wedelte.

„Ich lasse sie jetzt herein“, sagte Alison.

Cats Winken erstarrte plötzlich, und ihr drehte sich der Magen um. Der kleine Hund hatte ihre Gedanken zurück zu ihrer Handtasche und deren Inhalt gelenkt.

„Bin gleich zurück“, rief sie, als sie aus dem Raum eilte. Alison seufzte vernehmlich und stieß die Doppeltür auf.

Cats Handtasche war auf den Fußboden bis zur Mitte des Büros gerobbt und bewegte sich auf die Tür zu.

Was, wenn Alison das gesehen hätte? Hätte sie die Polizei gerufen? Hätte sie die Tasche hinausgeworfen? Cat begann zu ahnen, dass ihr Plan nicht einfach dumm war, sondern vollkommen irre. Sie nahm die Tasche hoch, öffnete den Reißverschluss weiter und sah eine schwarze Knopfnase, die an der Öffnung schnüffelte, gefolgt von flauschigem grauem Fell. Schließlich schauten zwei dunkle Augen zu ihr auf. Cats Herz setzte einen Schlag aus und schmolz gleichzeitig dahin, wie immer, wenn sie Disco sah, den kleinen Schnauzerwelpen ihrer Nachbarin Elsie.

„Psst, Disco“, flüsterte sie. „Wir gehen nun in das andere Zimmer. Du musst jetzt also wirklich ganz still sein.“ Cat verlieh dieser Anweisung mit einem Leckerchen aus ihrer Tasche Nachdruck, doch natürlich war ihr trotzdem klar, wie nutzlos sie war. Man musste kein Hundeexperte sein, um zu wissen, dass „ganz still sein“ nichts war, was man einem Welpen verordnen konnte. Sie hängte sich die Handtasche über die Schulter und ging möglichst gelassen zurück in den Gruppenraum. Alison war unterdessen dabei, die Jacken und Mützen der Kinder wegzuhängen. Die Eltern halfen ihr, auch wenn ihnen anzumerken war, dass sie ihre Kleinen nur widerstrebend gehen ließen, selbst für wenige Stunden. Alison warf Cat einen vielsagenden Blick zu. Cat stellte ihre Tasche so weit wie möglich vom Teppich entfernt im hinteren Bastelbereich ab. Aus der Tasche kam ein schwaches Jaulen, und Cat griff mit der Hand hinein, kraulte Discos dickes warmes Fell und zog den Reißverschluss dann etwas weiter zu.

„Cat?“, rief Alison mit hoher und gepresster Stimme. „Könntest du mir wohl helfen?“

Cat eilte zur Tür, begrüßte die nächsten Kinder und ließ sie herein. Sie nahm ihnen die Jacken ab und half ihnen, sie an die bunten Garderobenhaken zu hängen. Emma beugte sich zu Olaf herunter, um sich von ihm zu verabschieden. Alison erschien neben ihr, und trotz ihrer zierlichen Gestalt bot sie einer Vierjährigen einen recht imposanten Anblick.

„Komm jetzt, Emma“, sagte sie, „lass den Hund in Ruhe. Es ist Zeit, hineinzugehen.“

Emmas Mutter legte ihre Hand auf die Schulter ihrer Tochter. „Er heißt Olaf.“

„Ah ja“, antwortete Alison, „wir können aber keine Hunde mit reinnehmen. Einige Kinder sind allergisch dagegen.“

„Du meinst wohl eher, du bist allergisch gegen ein bisschen Spaß“, murmelte Cat leise. Hinter ihr prustete der dreijährige Peter vor Lachen, und seine Augen blitzten schelmisch auf.

„Psst“, sagte sie, „verrat mich nicht.“ Augenzwinkernd lächelte sie Peter zu und schickte ihn dann auf den flauschigen Teppich. Emma zog ihre Jacke aus, und Cat sah, dass das Mädchen wütend dreinblickte und die Tränen nur mit Mühe zurückhalten konnte. Gern hätte sie sie in den Arm genommen, aber sie wusste, dass Emma das nicht recht gewesen wäre. Noch viel lieber hätte Cat zur Freude aller Kinder Disco aus der Tasche gelassen und Alison damit in einen Nervenzusammenbruch getrieben. Sie sah, wie die Leiterin des Kindergartens die letzten der ihr anvertrauten Kleinen hereinließ, die Tür schloss und sich mit ihren schlanken Händen über das Haar und den Rock strich, ehe sie sich den Kindern zuwandte und in die Hände klatschte.

Alle versammelten sich auf dem Teppich, Alison vorn auf einem der Sitzkissen, Cat mit übereinandergeschlagenen Beinen in der Mitte, die Kinder um sie herum. Sie trug ein Kleid mit rot-weißem Blumenmuster, dazu Leggings und Stiefel. Ihre Fingernägel hatte sie bunt wie Smarties lackiert, weil sie wusste, dass das den Kindern gefiel. Bestimmt griffen sie bald nach ihren Händen, um die glatten farbenfrohen Nägel zu berühren.

Alison nahm die Liste und erklärte den ersten Programmpunkt, der da hieß: „Was für ein Geräusch ist das?“ Sie schüttelte zwei rosafarbene Plastikrasseln. Die Kinder quiekten und kicherten und langten nach der Kiste mit den Instrumenten.

„Nein, Kinder“, wehrte Alison ab und hielt einen Finger hoch. „Ich gebe nachher jedem von euch ein Instrument, aber zuerst müsst ihr mir sagen, was für ein Geräusch es macht.“ Sie schüttelte die Rassel erneut. „Was ist das?“

„Schlangen!“, rief Andrew.

„Es klingt etwas wie das Klappern einer Schlange, nicht wahr? Ausgezeichnet.“

Einige Kinder machten das Geräusch nach: „Wwwhhssssshhhhh.“

„Gut.“ Sie verteilte Rasseln an einige der Kinder.

„Es hört sich an wie Sand“, sagte Emma.

„Ausgezeichnet, Emma“, lobte Alison. „Und was hat noch etwas größere Körner als Sand?“

Emma dachte einen Moment nach. „Steine?“

Alison nickte. „Kleine Steinchen oder Samen von Pflanzen.“ Sie gab Emma eine Rassel. „Gut gemacht. Die Rasseln sind mit Samen gefüllt, manchmal auch mit kleinen Steinchen. Wenn man sie schüttelt, machen sie so ein Geräusch. Jetzt alle, was ist das?“

Die Kinder riefen wie im Chor „Trommeln!“, als Alison eine kleine Bongotrommel herauszog und darauf zu klopfen anfing. „Und was macht man mit einer Trommel?“

„Man schlägt sie! Man haut drauf!“

Es war Cat, als hörte sie ein leises Jaulen vom anderen Ende des Raums, aber ein kurzer Blick sagte ihr, dass ihre Handtasche sich eigentlich nicht bewegt haben konnte. Sie entspannte sich wieder und beteiligte sich am Trommeln und dem Austeilen der Instrumente.

Alison zog das nächste Objekt aus ihrer Kiste, und Cat erstarrte.

„Weiß jemand, was das ist?“, fragte Alison. Sie hielt einen kleinen Metallgegenstand hoch.

Die Kinder sahen etwas verdutzt aus. Dann nahm Emma einen tiefen Atemzug, und ihr Finger schnellte in die Höhe, als ob sie die Decke berühren wollte.

„Ja, Emma?“

„Eine Pfeife?“

Alison lächelte. „Das stimmt, es ist eine Pfeife. Und was für ein Geräusch macht sie?“

Emma spitzte die Lippen zu einem gespannten „O“, drauf und dran, einen Ton von sich zu geben, da sprang Cat vom Teppich auf und hüpfte geschickt zwischen den Kindern hindurch, um zu ihrer Handtasche zu gelangen.

„Cat? Wo gehst du hin?“ Alisons Ton war freundlich, aber Cat hörte dennoch die Schärfe darin.

„Ich – ich muss nur eben …“ Sie stahl sich weg in Richtung ihrer Handtasche.

„Bitte setz dich wieder hin“, sagte Alison mit gespielter Herzlichkeit. „Wir haben doch so viel Spaß.“

Verzweifelt schielte Cat nach der Tasche, kam dann aber zurück und setzte sich langsam wieder auf den Teppich; dabei fragte sie sich, ob sie das Unvermeidliche irgendwie hinauszögern könnte. Sie zwang sich zu einem Lächeln.

Alison fuhr fort. „Welches Geräusch macht die Pfeife, Emma?“

Emma spitzte wieder die Lippen und blies, so stark sie konnte. Was dabei herauskam, war ein schwaches Prusten. Emma guckte überrascht. „Meine Mama kann das aber“, sagte sie.

Alison nickte. „Man braucht ein bisschen Übung, aber du bist nah dran. Das hier“, sie hielt die Pfeife hoch, „macht es für dich.“ Sie presste die Pfeife an ihre Lippen und blies.

Die Kinder kreischten, einige hielten sich die Ohren zu, und Tom rief: „Hund!“

Alison runzelte die Stirn und versuchte, die Kinder per Handzeichen zur Ruhe zu bringen. „Hund?“

Cat wagte einen kurzen Blick auf ihre Handtasche. Sie war noch immer an derselben Stelle.

„Hund!“, rief Tom wieder, wobei er mit dem Hintern auf dem Teppich auf und ab hüpfte. „Hund!“

„Nun ja“, sagte Alison langsam, „viele Leute benutzen das, um Hunde zu trainieren, aber …“ Plötzlich wurde sie durch ein zwar leises, aber entschlossenes Jaulen unterbrochen.

„Hund!“, kreischte Tom wieder, und die anderen Kinder machten mit. „Hund, Hund, Hund!“

Cat sank auf die Knie. Wenn sie schnell auf allen Vieren krabbelte, würde sie vielleicht noch rechtzeitig ankommen. Kinder waren fantasievoll; man könnte das Ganze als übermäßige Begeisterung abtun. Aber da kamen auch schon die kleine schwarze Nase, das graue Fell und schließlich der ganze flaumige Hundekopf zum Vorschein. Neugierig guckte Disco aus der Handtasche, machte mit Druck den Reißverschluss auf, und schwups war sie ganz draußen. Das kleine Tierchen rannte auf seinen kurzen Beinchen auf Cat zu, stieß dabei drei Farbeimerchen um und lief dann mitten unter die Kinder, die begeistert quiekten.

Disco sprang auf und ab, jaulte kurz, schnüffelte und erkundete die Geräusche, Gerüche und die warmen Körper um sich herum. Ihre kleinen Pfoten tapsten an Knien hoch, und die Kinder streckten ihre Patschehändchen aus, um das Tier zu streicheln und zu knuddeln. Cat versuchte, den Welpen zu sich zu ziehen, aber Disco und die Kinder hatten viel zu viel Spaß zusammen. Und so drehte Cat sich um, um die Reaktion ihrer Chefin zu prüfen. Dabei kam ihr kurz der Gedanke, ob Alison nicht vielleicht sogar davon angetan sein könnte, dass Cat den Kindern eine solche Freude bereitet hatte. Doch ein Blick in ihre Richtung genügte, um Cat schlagartig klarzumachen, dass sie verloren war. Alison stand mit verschränkten Armen da und starrte Cat wutentbrannt an. Sie machte nur eine Handbewegung in Richtung des Hundes – Worte waren nicht nötig.

Disco stand mit ihren Vorderpfoten auf Peters Knie, und Cat sah mit Schrecken, wie sich der Teppich um die Hinterbeine des Tieres mehr und mehr dunkel färbte.

„Pipi!“, quiekte Peter.

Cat nahm den Welpen hoch und drückte den zappelnden Körper eng an sich. Die Kinder streckten ihre Hände nach dem Tierchen aus, und als Cat den Teppich verließ, fiel ihr Blick auf Emma. Das kleine Mädchen grinste spitzbübisch mit unverhohlener Befriedigung.

„So, Kinder“, sagte Alison mit kalter Stimme, „das sind genug Geräusche für heute. Ihr setzt euch jetzt schön auf eure Stühle, und dann können wir bis zur Obstpause ein bisschen malen. Cat, du wartest im Büro auf mich.“

„Alison …“ Cat machte einen zaghaften Versuch. „Soll ich das nicht eben wegmachen?“

„Ich kümmere mich darum, sobald ich kann.“ Alison wandte sich wieder den Kindern zu. Peter zog an Cats Rock, er strahlte über das ganze Gesicht. „Ja“, sagte sie, „was ist, Peter?“

„Allergisch gegen Spaß“, sagte Peter und zeigte mit dem Finger auf Alison. „Hatschi!“

„Wie konntest du mir das nur antun, Catherine? Nach allem, was wir besprochen haben? Nach all den Regeln, die wir durchgegangen sind.“

„Es tut mir leid, ich habe nicht nachgedacht.“ Cat lehnte sich gegen den Tisch im Büro. Disco war an einer Bank draußen neben der Hintertür angebunden, weil Alison es keinen Moment länger aushalten konnte, „es“ anzugucken, nicht nach dem Unheil, das „es“ angerichtet hatte. Cat bezweifelte, dass es ihrer Sache mehr Gewicht verleihen würde, wenn sie Alison darauf hinwies, dass Disco eine „Sie“ und kein „Es“ war.

„Du denkst einfach nicht mit, schon gar nicht an die Sicherheit des Kindergartens. Du hast zwar Fantasie und gute Ideen, aber du machst dir nicht einen Moment Gedanken über deren Folgen.“ Alison lief in dem winzigen fensterlosen Raum auf und ab, wobei ihr langer Zopf hin und her wippte und ihre Arme und Beine vor Wut ganz angespannt waren. „Wie konntest du nur glauben, dass ein Hund in meinem Kindergarten irgendjemandem guttun würde? Die Kinder hätten verletzt werden können, sich anstecken – irgendwas!“

„Ich habe nur einer Freundin helfen wollen“, sagte Cat leise. „Aber jetzt weiß ich, dass ich das nicht hätte tun dürfen.“ Sie scharrte mit der Fußspitze über den Boden und sah zur Tür.

„Ach ja?“, schoss Alison zurück. „Wirklich? Ich denke nämlich, dass du genau dasselbe noch einmal tun würdest, wenn du die Gelegenheit dazu hättest. Du führst keine Sache richtig zu Ende, Cat. Und das täte die Assistentin, die ich brauche. Es klappt nicht mit uns beiden, aber das hast du dir wohl schon gedacht.“

Cat bekam ein flaues Gefühl in der Magengegend. „Wenn du mir noch eine Cha…“

„Nein!“ Alison schüttelte energisch den Kopf. „Die Chance hast du vertan. Ich bin überrascht, dass du dich auf deiner letzten Stelle so lange halten konntest. Man kann sich nicht auf dich verlassen, du bist keine Hilfe, ehrlich gesagt störst du nur den Betrieb. Deine Zeit hier im Fairway-Kindergarten ist vorbei, und wenn ich nicht so wütend auf dich wäre, würde ich dich regelrecht bedauern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du mit diesem Verhalten irgendwo anders Erfolg haben wirst. Geh jetzt zur Hintertür raus, und nimm das Ding mit.“

„Darf ich mich denn wenigstens verabschieden?“

„Nein. Du bekommst in einem Schreiben meine Entscheidung noch einmal offiziell mitgeteilt, und dein restliches Gehalt wird dir überwiesen.“

Cat starrte auf den Fußboden, unfähig zu irgendeiner Reaktion, während Alison den Raum verließ und die Tür hinter sich zuschlug. Dann stieß sie sich vom Tisch ab, unterdrückte das Schluchzen, das in ihrer Kehle hochstieg, und nahm ihren Mantel vom Haken. Draußen hatte Disco die Leine ganz um ein Bein der Bank gewickelt und saß da, die Nase an das Holz gepresst, als ob sie zur Strafe in der Ecke stehen müsste. Genau so fühlte sich Cat.

Als Cat den Kindergarten verließ, schien die Sonne vom klaren Himmel und ließ den Raureif zu kristallenen Tropfen schmelzen. Cat würde nicht wiederkommen, es sei denn, Alison bekäme mithilfe einer Transplantation etwas Sinn für Humor eingepflanzt. Sie war hier nicht mehr willkommen – das hieß auch, sie hatte keinen Job mehr.

„Na gut“, sagte sie zu der kleinen Hündin, die zu Cats Füßen den Bürgersteig entlangsprang, an den Grasrändern schnüffelte und kräftig an ihrer kurzen Leine zog. „Zumindest sind wir mit dem Leben davongekommen. Zwischenzeitlich war ich mir da nicht so sicher, du?“

Als Antwort ließ Disco ein leises Jaulen vernehmen, und Cat schlug eine andere Richtung ein, ging am Rand des Fairview- Parks entlang und ließ die Hände über das schwarze Geländer eines Zauns gleiten. Von der Idylle ihrer neuen Heimat war sie immer noch begeistert. Hier gab es den Strand, den Park und breite ruhige Straßen, die eher zum Schlendern einluden, als zur Eile anzutreiben. Fairview war nicht groß. Der Ort lag an der Seeseite der Südküstenstadt Fairhaven, und Cat hatte schon einige besonders reizvolle Stellen der Gegend kennengelernt. Im Fairview-Park war es schön und friedlich, dort fühlte sie sich besonders wohl. Die weiten Grasflächen wurden von kleinen Wegen durchzogen; der ovale Teich und der Pavillon mit dem Café lagen etwas zurück hinter hohen immergrünen Gehölzen, die den Park von den umliegenden georgianischen Reihenhäusern trennten; auch das Rauschen des Meeres, nur zwei Straßen weiter, wurde durch die Hecken und Büsche gedämpft.

Zu dieser frühen Stunde war der Park voller Leben: Hundebesitzer führten ihre Lieblinge aus, und Paare gingen in der Frühlingssonne spazieren. Disco war noch nicht alt genug für lange Spaziergänge; ihre kurzen Beinchen wurden schnell müde, obwohl sie ansonsten über eine grenzenlose Energie zu verfügen schien. Die kleine Hündin blieb stehen und schnüffelte begeistert an einem der Geländerstäbe; Cat wartete ab und ließ sie gewähren – sie musste ja nirgendwohin.

Einige der regelmäßigen Besucher des Parks kannte Cat bereits. So sah sie etwa Mr. Jasper in der Nähe einer Baumgruppe hin und her laufen; er hatte den Kopf gesenkt, als hätte er soeben wieder eines seiner Protestschilder aufgestellt und wollte von keinem der Hundebesitzer, die er allesamt verachtete, erkannt werden. Cat spürte plötzlich eine Anspannung in den Schultern; an diesem Tag hatte sie wirklich die Nase voll von Hundehassern. Alison mochte ja noch das Recht haben, gegen Hunde in ihrem Kindergarten zu sein, doch Cat war es ein Rätsel, wie Mr. Jasper glauben konnte, dass die Möglichkeit bestand, sämtliche Hunde aus dem Park zu verbannen.

Ein Tennisball landete mit Wucht diesseits des Zaunes, und Disco jaulte laut auf, als ein Bordercollie mit glattem Fell heranraste und nach dem Ball suchte. Der große Hund steckte seine glänzende Nase durch die Gitterstäbe, um Disco zu begrüßen. Cat kauerte sich hin und streichelte die Schnauze des Hundes. Als sie wieder aufblickte, sah sie, dass jemand sie beobachtete. Der Mann war groß und breitschultrig; ein wilder Schopf von dichtem dunkelbraunem Haar umrahmte sein Gesicht, das scharf geschnittene attraktive Züge hatte. Selbst aus der Entfernung spürte Cat die starke Wirkung seines Blickes. Der Mann hatte beide Hände tief in die Taschen seiner Lederjacke geschoben und den Kragen gegen die Kälte hochgeschlagen.

Immer noch sah der Fremde unverwandt herüber. Kein Zweifel, sein Blick galt nicht dem Hund, von dem Cat annahm, dass er ihm gehörte. Cat wurde plötzlich bewusst, dass sie den Atem anhielt.

Dann bellte Disco, biss in den Ärmel ihrer purpurfarbenen Jacke und zog daran. „Tut mir leid, Disco“, flüsterte sie. Vorsichtig zog sie den Kiefer des Tieres auseinander. Als sie wieder aufsah, war der Mann im Begriff, sich mit langen Schritten zu entfernen. Er pfiff kurz, der Collie nahm den Tennisball ins Maul und rannte ihm hinterher. Cat sah ihm nach. „War das wirklich seltsam, Kleines, oder habe ich mir das bloß eingebildet?“ Disco wedelte mit dem Schwanz. „Genau das habe ich mir gedacht.“

Als sie in ihre Straße einbogen, dachte Cat noch immer über das seltsame Beinahe-Zusammentreffen nach.

Primrose Terrace war eine elegante halbmondförmige Straße mit hohen, herrschaftlich wirkenden Stadthäusern. Einige waren in einem besseren Zustand als andere, doch alle besaßen ihren eigenen Charme. Jedes der Häuser war in einem anderen Pastellton gestrichen, zu den hohen Eingangstüren führten vom Bürgersteig aus jeweils drei breite Stufen. Die Rasenstreifen davor waren im Frühling gesprenkelt mit Primeln, und die auf alt gemachten Straßenlaternen gaben Cat das Gefühl, dass sie in die Zeit von Charles Dickens gereist war, wann immer auch nur der leiseste Nebelschwaden aufstieg.

Kurz nach Weihnachten war sie von dem nicht weit entfernten Brighton hierhergezogen, um in der Nähe ihrer Freundin Polly und weiter weg von ihren wohlmeinenden, aber neugierigen Eltern zu sein, und außerdem, um als Assistentin in dem Kindergarten anzufangen. Das war zugegebenermaßen ein recht kurzes Vergnügen gewesen – wobei der Ausdruck Vergnügen hier wohl nicht ganz passte. Nun war Cat plötzlich arbeitslos und hatte keinen blassen Schimmer, wie es für sie weitergehen sollte. Doch so verzweifelt sie auch war, sie wollte Joe so kurz nach ihrem Einzug nicht um eine Stundung der Miete bitten. Daher versuchte sie, keine Panik in sich aufsteigen zu lassen. Sie wohnte mit Polly und Joe in Nr. 9, Elsie Willows, Chalky und Disco in Nr. 10. Die Hausnummern waren aufsteigend auf einer Seite angeordnet und nicht nach gerade und ungerade getrennt. Obwohl Primrose Terrace Nr. 10 kleiner war als viele der anderen Häuser, galt das Haus als eines der schönsten. Es war in zartem Blau gestrichen mit glänzend weißen Fensterrahmen, die die großen Sprossenfenster besonders betonten. Die Eingangstür war so rot wie die Briefkästen, und neben die Stufen hatte Elsie Töpfe mit knospenden Hortensien gestellt.

Cat ließ Disco vor sich herspringen und klingelte. Es dauerte ziemlich lange, bis die Tür geöffnet wurde und Elsie im Eingang erschien, auf eine Krücke gestützt. Mit dem kurz geschnittenen weißen Pagenkopf, der Strickjacke und dem langen Rock sah sie so nett und adrett aus wie ihr Haus, und Cat fühlte, dass sie rot wurde.

„Es ging dann doch wohl nicht so gut, wie du gehofft hattest?“, fragte Elsie mit Blick auf Cats Gesicht, ehe sie die Tür weit öffnete und diese hereinbat. Dann humpelte sie hinter ihr her in das gut gelüftete Wohnzimmer.

Cat ließ Disco von der Leine, und der Welpe sprang zu dem Körbchen unter dem Fenster, wo Chalky, Elsies älterer Zwergschnauzer, sein Vormittagsschläfchen hielt. Disco rieb ihre Nase an Chalkys Gesicht, jaulte, nahm dann ein angeknabbertes Knuddelschweinchen ins Maul und baute sich erwartungsvoll vor dem älteren Hund auf.

„Nein“, seufzte Cat, und das Lächeln wich aus ihrem Gesicht. „Es war noch schlimmer als alle meine Worst-Case-Szenarien.“

„Ich habe dir ja gesagt, dass Alison nicht damit einverstanden sein würde.“

„Ich hatte gehofft, sie würde ihre Meinung ändern.“

„Das, Catherine, ist ein Triumph des Optimismus über den gesunden Menschenverstand, und das ist noch freundlich ausgedrückt.“

Cat streichelte Chalky und kraulte Discos Fell. Elsie ließ sich langsam in einen Sessel sinken.

„Ich wollte Disco nicht allein zu Hause lassen, während du bei deiner Untersuchung warst“, sagte Cat. „Welpen fühlen sich schnell einsam und machen dann irgendeinen Unsinn.“ Genau wie ich, dachte sie. „Mein Plan war, erst herauszufinden, in welcher Stimmung Alison ist, und Disco dann in der Pause hervorzuholen und zu den Kindern zu bringen.“

„Aber so weit ist es wohl nicht gekommen?“

Cat schüttelte den Kopf.

„Du weißt doch, wie Alison ist“, sagte Elsie, „und dass sie Hunde hasst. Sie hat sich vermutlich noch mehr darüber geärgert, dass du dich nicht an ihre Prinzipien gehalten hast, als über den Unsinn, den du – oder eben auch mein Hund – hättest anrichten können. Aber es tut mir wirklich leid, weil du mir damit einen Gefallen tun wolltest.“

„Wie war die Untersuchung überhaupt? Ich bin überrascht, dass du schon zurück bist.“

„Oh, alles in Ordnung.“ Elsie machte eine abfällige Handbewegung. „Das Knie heilt, aber recht langsam. Ich soll es möglichst noch ein paar Wochen schonen. Das wusste ich aber sowieso. Und, welche Nachteile hast du jetzt von der Episode? Suspendiert? Gehaltskürzung?“

„Gefeuert“, erwiderte Cat. „Keine zweite Chance, kein Verhandlungsspielraum. Möchtest du eine Tasse Tee?“

Elsie starrte sie fassungslos an, doch Cat stand auf und ging in die Küche, um Tee zu kochen und nach Schokoladenplätzchen zu suchen. Sie spürte immer noch ein leichtes Gefühl von Panik, aber jetzt, wo sie Elsie alles erzählt hatte, ging es ihr langsam besser. Als sie in die Primrose Terrace gezogen war, hatte sie nur vier Tage gebraucht, um sich mit ihren Nachbarn anzufreunden. Und was Elsie nicht über Fairview wusste, brauchte man auch nicht zu wissen. Die ältere Frau hatte gerade eine Knieoperation hinter sich, auf die sie lange gewartet hatte, und Cat half ihr und ging mit Disco und Chalky raus, wann immer sie konnte; manchmal kochte sie auch für Elsie oder leistete ihr einfach nur Gesellschaft.

„Es tut mir so leid“, sagte Elsie, als Cat mit dem Tablett zurückkam. „Ich hätte nicht gedacht, dass sie so weit gehen würde.“

Disco wuselte auf dem Sofa herum und suchte nach irgendwelchen Schätzen, die zwischen den Kissen verborgen zu sein schienen. Cat schenkte Tee ein und nahm den Welpen auf den Schoß. Disco zappelte, leckte Cats Hand und legte sich dann ruhig hin: eine atmende warme Kuscheldecke.

„Sie war unheimlich wütend“, antwortete Cat. „Es war eine verrückte Idee, das weiß ich. Aber ich habe wohl gedacht, dass sie begreifen würde, wie wunderbar Hunde sein können, wenn sie Disco erst einmal gesehen hätte. Ich meine, wie kann sich denn irgendjemand über so ein niedliches Tier ärgern?“

„Nicht jeder hat Hunde gern, und manche Menschen mögen sie eben gar nicht. Sie stinken manchmal, sind oft schmutzig und womöglich auch noch schlecht erzogen.“

„Ja, aber sieh doch bloß!“ Disco atmete ruhig, ihre kleinen Ohren bedeckten ihre Augen, und ihr Köpfchen ruhte auf den Vorderpfoten.

„Mir brauchst du das nicht zu sagen“, sagte Elsie voller Wärme, „aber ich glaube nicht, dass du Alison wirst überzeugen können. Ärgere dich nicht mehr über sie – was geschehen ist, ist geschehen. Du musst jetzt an dich denken und an das, was du tun willst.“

Cat blickte starr aus dem Fenster und sah einen Mann vorbeigehen, der einige Häuser weiter wohnte. Er hatte einen Neoprenanzug an und hielt ein Surfbrett unter dem Arm. Cat dachte, dass es heute trotz der Sonne recht kalt im Wasser sein musste. Sie rührte ihren Tee um.

„Cat?“, Elsie schaute sie erwartungsvoll an.

„Entschuldige, was?“

„Was willst du jetzt machen, wo du keinen Job mehr hast?“

Cat sah die Aufforderung in den Augen der älteren Frau und wusste, dass sie mit Selbstmitleid nicht davonkommen würde. „Ich habe keine Ahnung“, antwortete sie. Sie starrte auf ihre Hände und bemerkte, dass sich der Lack an einem ihrer Nägel zu lösen begann – auf dem, der orange wie eine Mandarine war.

„Wie wäre es mit deinem früheren Kindergarten? Würden die dich zurückhaben wollen?“ Elsie ließ nicht locker; das war eine ihrer hervorstechenden Eigenschaften. Man musste – in diesem Fall noch vor Sonnenuntergang – Lösungen finden und sich auf sie einigen.

Cat dachte an den kleinen Kindergarten auf einer Anhöhe nahe der Strandpromenade in Brighton. Dort war es sehr lebhaft und spontan zugegangen, ihr Exfreund Daniel, ein Lehrer, hatte sie ihrer Kreativität wegen den Leitern der Einrichtung empfohlen. Alles war hier so, wie es bei Alison nicht war, und mit seiner Hippie-Einstellung fiel der Kindergarten in Brighton wohl in keine der üblichen Kategorien. Aber Cat wollte trotzdem nicht dorthin zurück.

„Ja, das würden sie schon“, antwortete sie, „aber ich bin hierhergezogen, weil ich eine neue Sicht auf das Leben, eine neue Umgebung und neue Menschen kennenlernen wollte. Mir gefällt Primrose Terrace, und ich wohne gern mit Polly zusammen. Ich muss hier etwas finden.“

„Verstehe.“ Elsie streichelte Discos Fell. Die kleine Hündin war von Cat auf Elsies Schoß gesprungen und dann eingeschlummert. „Du bist begeisterungsfähig und mutig“, antwortete Elsie, „du könntest selbst etwas auf die Beine stellen. Vielleicht ist diese Idee verlockender, als dir jetzt schnell einen Job als Verkäuferin oder Kellnerin zu suchen.“

Cat strich sich mit der Hand über ihr kurzes Haar. „Fürs Kellnern habe ich eh nicht die nötige Geduld. Und ich habe nicht das künstlerische Talent meiner Mutter, um zum Beispiel Grußkarten zu gestalten, zu stricken oder Hüte zu entwerfen.“

„Was kannst du denn?“ Elsie machte eine wegwerfende Handbewegung, als Cat ihr einen scharfen Blick zuwarf. „So meine ich das nicht – ich weiß, dass du einen Schauspielabschluss hast und als Kindergartenassistentin qualifiziert bist, aber was kannst du machen? Was machst du gern? Wie wäre es mit dem Theater in Fairhaven? Die suchen bestimmt Freiwillige, und wenn es auch nur vor der Bühne ist.“

Cat drückte ihre Hand gegen das Sofa. „Aber ich muss Miete zahlen, und das Problem mit Theatern ist, dass sie nie Geld haben. Ich könnte mich bewerben, aber es würde Jahre – wenn nicht Jahrzehnte – dauern, bis ich eine bezahlte Arbeit bekäme.“

„Was machst du denn noch gern?“

„Lange baden, kochen – aber nur manchmal –, an der frischen Luft sein, am Strand spazieren gehen. Mich interessieren Menschen.“

Während sie sprach, schwand ihre Begeisterung dahin. Der anfängliche Schock war inzwischen abgeklungen; jetzt wollte sie nur noch ein ausgedehntes Bad nehmen und sich vor ihrer eigenen Dummheit verstecken.

„Das hört sich an wie ein Profil für Onlinedating, und zwar nicht gerade ein originelles.“

„Ich kann nichts dafür, dass ich so langweilige Interessen habe“, antwortete Cat. „In den meisten Dingen bin ich okay, nirgendwo außergewöhnlich, gut im ‚so tun als ob‘, gut auch mit Kindern und Tieren – außer dass Tiere Pollys Domäne sind.“

„Nur weil Polly eine Ausbildung zur Tierarzthelferin macht, heißt das noch lange nicht, dass du nicht auch mit Tieren kannst. Kein Selbstmitleid, junge Dame. Und du hast auch keine langweiligen Interessen. Ja, es stimmt, du hast heute ganz schön was abgekriegt – und daran bist du zum großen Teil selbst schuld –, doch du bist intelligent und begeisterungsfähig und könntest fast alles tun, was du anpackst. Was möchtest du aus deinem Leben machen, Cat Palmer? Betrachte die Situation doch als eine Chance.“

Elsie lehnte sich nach vorn und schenkte noch mal Tee nach. In diesem Augenblick richtete Disco sich auf – ihre Augen waren ganz wach –, sprang auf die Füße und stieß dabei an Elsies Arm. Elsie konnte nicht verhindern, dass sie den Tee über den Rest der Plätzchen schüttete.

„Du Racker“, schalt Elsie sie sanft.

„Aber immer noch ganz allerliebst“, sagte Cat mit Wärme. „Lieber als alles andere würde ich Zeit mit Disco verbringen. Ich würde meinen Kopf in ihr gesprenkeltes Fell drücken, würde sie ausführen und mit ihr auf dem Schoß fernsehen. Das kann ich doch hoffentlich die nächsten paar Tage tun, oder?“

„Du weißt, dass du dir Disco jederzeit ausleihen kannst. Aber ich dachte immer, dass Joe keinen Hund im Haus erlaubt?“ Dabei runzelte Elsie die Stirn.

„Stimmt“, erwiderte Cat leise, und eine nicht zu unterdrückende Gefühlsaufwallung schnürte ihr fast die Kehle zu. „Das würde er nicht erlauben. Er hat eine Katze, also sind Hunde anscheinend nicht gestattet. Wenn wir allerdings den richtigen Hund fänden, dann kämen die beiden bestimmt gut miteinander aus. Aber er ist da unerbittlich.“

„Er schien mir immer ein sehr angenehmer junger Mann zu sein, und ich weiß auch, dass Leute sehr sensibel in Bezug auf ihre Haustiere sein können – oft auch zu Recht –, aber ich bin überrascht, dass er dir nicht erlaubt, einen Hund zu halten.“

„Manchmal ist er ja ganz nett, doch die meiste Zeit ist er ein knurriger Miesepeter. Aber mit Polly wohne ich gern zusammen, ich bin gern hier in Primrose Terrace und möchte auch hier bleiben.“

„Oh, Kopf hoch! Fang nicht an zu weinen.“

„Das tue ich auch nicht.“ Cat schluckte und blinzelte. „Es ist nur, wenn eine Sache schiefgeht, dann scheint das alle anderen kleinen ärgerlichen Dinge in riesige Hindernisse zu verwandeln.“ Ihre Stimme zitterte leicht.

„Deswegen musst du jetzt selbst die Initiative ergreifen und nach vorn schauen. Geh weiter vorwärts. Und nimm dir noch einen Keks.“

Cat blickte auf den Teller, wo die Plätzchen im Tee schwammen. Sie zuckte die Achseln und steckte sich ein Plätzchen in den Mund, ehe die Schokolade ihr die Hand verschmieren konnte. „Ich kann Disco und Chalky wenigstens sehen, und ich werde beide zweimal täglich ausführen, bis du wieder auf den Beinen bist.“

„Ja, das hört sich doch schon viel besser an!“

„Viel Frühlingssonne und deine beiden allerliebsten Hunde, das ist genau das, was ich brauche, während ich einen Plan ausarbeite.“ Cat schnippte mit den Fingern, und Disco sprang quer über den Teppich und begann, ihr Handgelenk zu lecken. Cat lachte, als die Schnurrhaare des Tieres ihre Hand kitzelten.

„Damit könntest du recht haben.“ Elsie trommelte mit den Fingern gegen ihre Lippen, und ihr Blick ruhte auf dem dichten Rasenstreifen vor dem Fenster, wo die Primeln gerade anfingen, durch die Erde zu stoßen. „Ich glaube, Cat, dass du vielleicht gerade deine eigene perfekte Lösung gefunden hast.“

2. Kapitel

„Hunde ausführen? Als Job?“

„Ja, Polly. Mit den Hunden anderer Menschen spazieren gehen. Der Markt boomt –, Leute, die den ganzen Tag arbeiten, vielbeschäftigte Familien, Menschen wie Elsie, die zeitweilig nicht in der Lage sind, mit ihren Tieren selbst rauszugehen. Ich möchte wetten, dass es eine ganze Menge von Hundebesitzern gibt, die nicht einmal ahnen, dass es diese Möglichkeit gibt. Jetzt werden sie es erfahren – durch mich.“

Sie saßen auf den weichen hellblauen Sofas im Wohnzimmer der Primrose Terrace Nr. 9 und hatten eine Flasche Wein vor sich. Polly war spät zurückgekommen aus der Tierarztpraxis in Fairview, wo sie ein Praktikum für ihren Abschluss als Tierarzthelferin machte. Sie trug einen blauen Baumwollpyjama und hatte die bloßen Füße auf dem Kaffeetisch ausgestreckt.

„Und du bist sicher, dass Alison dich nicht im Kindergarten zurücknehmen würde, selbst wenn du zu Kreuze kriechst?“

„Ich würde nicht einmal zurückgehen, wenn sie zu Kreuze kriechen würde. Ich glaube auch nicht, dass das der richtige Job für mich ist, jedenfalls nicht in einem konventionellen Kindergarten. Elsie hat recht: Was ich vorhabe, ist einfach perfekt. Die Gegend zwischen Strand und Park ist eine ganz hervorragende Hundegegend, und ich würde nichts lieber tun, als mit den Hunden anderer Leute dort spazieren zu gehen.“

Polly sah sie mit ihren großen blauen Augen prüfend an. „Ich bin sicher, dass du das schaffen kannst“, sagte sie langsam und bedächtig, „aber man muss eine ganze Menge Sachen bedenken. Eine ganze Menge. Wie viel wirst du dafür nehmen? Wie viele Hunde kannst du gleichzeitig ausführen? Geben die Besitzer ihren Tieren Leckerchen? Wenn ja, welche und wie oft? Wirst du sie alle von zu Hause abholen? Werden die Tiere sich untereinander vertragen? Und denk auch mal daran, wie viele Kackhaufen du entsorgen musst. Das wird kein Spaziergang, sage ich dir.“

„Oh, sehr witzig!“

Polly grinste schelmisch. „Ist aber wahr. Ich weiß ja, dass du alles durchdenkst, aber du bist oft …“

„Impulsiv, spontan?“

„Leicht erregbar, ein bisschen wie ein Hund.“

Cat warf ein Kissen nach ihr. „Ich weiß, dass ich das alles wie ein Geschäft sehen muss, aber ich bin so aufgeregt, Pol. Ich bin so aufgeregt wie vor dem Umzug hierher. Es ist toll, hier bei dir zu wohnen. Und ich glaube, ich kann das schaffen. Zumindest kann ich es ausprobieren und gucken, ob irgendjemand außer Elsie hier an jemandem interessiert ist, der Hunde ausführt.“

„Du berechnest ihr doch nichts, oder?“

„Ich habe ihr gesagt, dass ich ihr nichts berechnen würde, aber sie besteht darauf. Sie wird meine erste Kundin sein. Natürlich werde ich ihr einen besonderen Rentnerrabatt machen.“ Cat nippte an ihrem Weinglas und strahlte. Sie hatte das erhebende Gefühl, etwas erreicht zu haben, obwohl sie ja streng genommen erst einmal nur über ihre Idee gesprochen hatten.

„Zumindest ist das Ganze ziemlich originell“, sagte Polly, „geradezu inspirierend.“

„Wirklich?“

„Ja. Du hattest vielleicht nicht vor, deinen Job heute aufzugeben.“

„Rausschmiss, meinst du?“

„Aber“, fuhr Polly fort und hob den Zeigefinger, „vielleicht war es sogar besser so. Und du hast eine fast fertige Tierarzthelferin zur Hand, wenn etwas schrecklich schiefgehen sollte.“

„Was soll schrecklich schiefgehen?“ Joe schlurfte ins Zimmer, setzte sich neben Polly und goss sich ein Glas Rotwein ein. Er trug seine übliche Arbeitskleidung, Jeans und Kapuzenpullover, einen von denen, die jetzt modern waren, marineblau mit einem Goldfisch vorne drauf. Sein kurzes Haar stand in wilden Büscheln hoch, als ob er sich den ganzen Tag am Kopf gekratzt hätte.

„Ein Tsunami rast auf den Strand von Fairview zu. Stell dir das Massensterben vor, das er anrichten wird!“

Joe richtete sich blitzartig auf und verschüttete fast seinen Wein. „Was? Wer hat etwas von einem Tsunami gesagt?“

„Komm wieder runter“, sagte Polly und gab ihm einen sanften Rippenstoß. „Cat wollte dich nur veräppeln. Kein Tsunami.“

„Verstehe.“ Joe blitzte Cat an, und sie grinste schelmisch. Joe und Polly hätten fast Zwillinge sein können. Beide waren blond und hatten blaue Augen. Polly hatte einen fast so schlanken Körperbau wie ein Junge, nur Joes blondes Haar ging eher ins Rot- als ins Aschblond. Cat war nie von ihm genervt, nur seine permanente schlechte Laune störte sie manchmal. „Also, was soll dann schiefgehen?“, fragte er.

„Cats neue Geschäftsidee – wenn die Sache schiefgeht, dann bin ich zur Hand.“

„Mit moralischer Unterstützung?“ Jetzt bemerkte Joe Pollys Füße auf dem Kaffeetisch und schob sie sanft auf den Fußboden.

„Um medizinische Hilfe zu leisten.“

„Sind wir jetzt wieder beim Tsunami? Oder warum sollte sie sonst medizinische Hilfe brauchen? Wirken deine Methoden denn jetzt auch bei Menschen?“ Joe fuhr sich mit der Hand über die Stirn.

„Nicht bei Menschen, du Dummkopf“, antwortete Polly, „bei Hunden.“

„Hunde?“ Joe richtete sich wieder auf, und dieses Mal passte er genau auf seinen Wein auf. „Was für Hunde?“ Da war eine Spur von Panik in seiner Stimme, was Cat unter anderen Umständen amüsant hätte finden können, aber es war ja gerade Joes Abneigung gegenüber Hunden, die Cat daran hinderte, einen eigenen Hund in der Primrose Terrace zu halten.

„Alle Hunde.“ Cat reckte die Hände über den Kopf in die Höhe. „Ich will die Hunde von Fairview ausführen. Ich kümmere mich um alle, von Chihuahuas bis zu Dänischen Doggen. Ich sorge dafür, dass sie Auslauf bekommen und die Liebe und Freiheit, die sie verdient haben, und ich bekomme Geld dafür!“

Joe trank bedächtig einen weiteren Schluck Wein. In den zwei Monaten, in denen sie hier wohnte, hatte Cat herausgefunden, dass diese Bewegungen bedeuteten, dass Joe ein Argument formulieren wollte. Doch bevor er es äußerte, prüfte er es genau. Spontaneität war nicht sein Ding. Cat erwartete eine sorgfältig durchdachte Attacke auf alles, was mit Hunden zu tun hatte. Doch sie kam nicht.

„Deine Zeit im Kindergarten“, begann er leise, „ist also jetzt … zu Ende?“

„Woher weißt du das?“

„Ich wusste es nicht. Aber … es schien mir unvermeidlich zu sein.“

„Warum?“

Joe lächelte. „Jedes Mal, wenn ich dich fragte, wie dein Tag war, hast du mir detailliert beschrieben, was du alles gern mit den Kindern gemacht hättest – für einiges davon wärest du nebenbei gesagt verklagt worden –, weil die wirkliche Antwort zu uninteressant war, als dass man darüber reden hätte wollen. Es war nicht schwer, zu erraten, dass du dort nicht glücklich warst. Entschuldige, wenn ich damit etwas Falsches gesagt habe.“

„Nein, nein, du hast sicher recht, ich habe mich im Kindergarten nicht wohlgefühlt.“

Seit sie bei den beiden wohnte, hatte sich ein Abendritual entwickelt. Cat erzählte Joe immer, was sie mit den Kindern gemacht hätte, wenn es nach ihren Wünschen gegangen wäre. Und Joe, ein freischaffender Illustrator, ließ sich in ironischem Ton darüber aus, wie wunderbar kooperativ