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America’s Test Kitchen
Guy Crosby

übersetzt von Michael Schickenberg

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VORWORT ZU BAND DREI DER DEUTSCHEN AUSGABE

Wie werden Kuchen, Torten, Cupcakes und Brote perfekt? Dieser Frage widmet sich der dritte und letzte Teil der Reihe „Perfektion – Die Wissenschaft des guten Kochens“.

Zentrale Erkenntnisse aus „America’s Test Kitchen“ sind in dieser Reihe versammelt. America’s Test Kitchen ist eine 230 Quadratmeter große Laborküche, in der mehr als drei Dutzend Köche, Wissenschaftler und Redakteure mit einem Ziel arbeiten: die ultimativ besten Rezepte für die beliebtesten Gerichte zu entwickeln. Dafür werden in aufwendigen Testreihen und Experimenten Zubereitungsmethoden, Zutatenkombinationen sowie Temperaturen und Backzeiten mehrfach überprüft und optimiert. Die Tester wollen genau verstehen, wie und warum ein Rezept funktioniert. Alle Experimente basieren dabei auf wissenschaftlichen Fakten, die unter der Leitung des Harvard-Dozenten und Lebensmittelchemikers Guy Crosby eingebracht werden.

Die wichtigsten Koch- bzw. Backverfahren werden jeweils in einem Theorie- und einem Praxisteil dargestellt. Jedes „Konzept“ beginnt mit einer Beschreibung der „Wissenschaft dahinter“. Die anschließenden Experimente am Herd zeigen, welche Erkenntnisse die Wissenschaft für die Küche liefert. Anhand der zahlreichen Rezepte können Sie die Erkenntnisse aus den Experimenten selbst anwenden.

Die grundlegenden Erklärungen wie zur Wissenschaft von Zeit und Temperatur sowie die Empfehlungen zur Küchenausstattung finden Sie auch in diesem Band – so sind alle Bände unabhängig voneinander verständlich.

Das Buch wurde für den deutschen Markt gründlich überarbeitet. Zutaten, die in deutschen Supermärkten nur schwer erhältlich sind, wurden ersetzt oder es werden Alternativen angegeben.

INHALT

VORWORT

REZEPTE

EINLEITUNG

DIE WISSENSCHAFT VON ZEIT UND TEMPERATUR

DIE WISSENSCHAFT VON WÄRME UND KÄLTE

DIE WISSENSCHAFT DER SINNE

DIE WISSENSCHAFT VON KÜCHENGERÄTEN UND ZUTATEN

DIE RICHTIGE KÜCHENAUSSTATTUNG

LEBENSMITTELSICHERHEIT

LITERATUR

REGISTER

IMPRESSUM

KONZEPT 3.1 VIEL WASSER LOCKERT DIE BROTKRUME

KONZEPT 3.2 IMMER MIT DER RUHE: WARUM ES WICHTIG IST, DASS BROTTEIG RUHT

KONZEPT 3.3 EINE FRAGE DER ZEIT: WIE BROT NOCH AROMATISCHER WIRD

KONZEPT 3.4 MAISBROT, MUFFINS UND CO.: MIT SPATEL STATT MIXER

KONZEPT 3.5 BACKPULVER ODER NATRON? BEIDES!

KONZEPT 3.6 LOCKERES GEBÄCK: AUF DIE BUTTERSCHICHTEN KOMMT ES AN

KONZEPT 3.7 MÜRBER KUCHENTEIG MIT WODKA

KONZEPT 3.8 ZART-LUFTIGES GEBÄCK MIT PROTEINARMEM MEHL

KONZEPT 3.9 SCHAUMIG GESCHLAGENE BUTTER LÄSST KUCHEN AUFGEHEN

KONZEPT 3.10 UMGEKEHRTE AUFSCHLAGMETHODE FÜR FLACHE KUCHEN

KONZEPT 3.11 ZUCKER KANN MEHR ALS NUR SÜSSEN – ER VERÄNDERT AUCH DIE TEXTUR

KONZEPT 3.12 SAFTIGE FRÜCHTE: ERST ZUCKER, DANN ZEIT

KONZEPT 3.13 MAXIMALES AROMA MIT ECHTEM KAKAOPULVER

KONZEPT 3.14 CREMIGE EIERDESSERTS UND KUCHEN MIT SANFTER HITZE

KONZEPT 3.15 SO BLEIBT EISCHNEE BESTENS IN FORM

VORWORT

Auch wenn es Katzen sind, denen man nachsagt, neugierig zu sein (und dadurch bisweilen zu Tode zu kommen), so ist es doch der Mensch, der sich durch seine Neugier von allen anderen Säugetieren unterscheidet. Vor 100 Jahren haben die meisten Köche zwar nur über eine begrenzte Zahl von Rezepten und Zutaten verfügt, dafür aber über jede Menge Erfahrung in deren Zubereitung, sodass diese Rezepte stets zuverlässig klappten. Heute stellt sich die Situation anders dar: Viele sind an der Kunst des Kochens zwar brennend interessiert, doch fehlt ihnen die jahrelange Praxis, die einen guten Koch ausmacht.

Wie lässt sich dieses moderne Dilemma lösen? Die Antwort erinnert ein wenig an den Physiker Lawrence Krauss, der den Mysterien unseres Universums nachspürt. Um den Kosmos und unseren Platz darin zu verstehen, sagt er, muss man nach dem Wie und Warum fragen. Hat man diese Fragen gestellt, kann man Experimente entwickeln, die die Theorien entweder bestätigen oder widerlegen.

Allen, die an diesem Buch mitgearbeitet haben, dürfte das sehr bekannt vorkommen. Wir stellen uns tagtäglich Fragen. Schmeckt Fleisch intensiver, wenn man es mit Knochen gart? Warum wird Speiseeis im Gefrierschrank zwar fest, gefriert aber nicht hart? Um solche Fragen zu beantworten, denken wir uns Kochexperimente aus. Ziel ist dabei immer, dass die Rezepte in der heimischen Küche zuverlässig gelingen und das Essen besser schmeckt.

Einige Beispiele: Die These, es sei besser, bei der Zubereitung von Omelettes dem Ei kleine gefrorene Butterstücke hinzuzufügen, haben wir überprüft, indem wir ein 900 Gramm schweres Angelblei auf die fertigen Omelettes gelegt haben. (Das luftigere Omelette konnte das Gewicht nicht halten.) Um zu zeigen, dass man Fleisch nach dem Garen am besten noch etwas ruhen lässt, haben wir einen frisch aus dem Ofen kommenden Braten in Scheiben geschnitten und die ausgetretene Flüssigkeit gemessen: Es waren 10 EL. Bei einem zweiten Braten haben wir mit dem Schneiden 10 Minuten gewartet – prompt reduzierte sich der Flüssigkeitsverlust auf 4 EL. Und spielt es für Brownies wirklich eine Rolle, wie man die Teigzutaten vermengt? Wir haben den Vergleich gemacht und drei Brownie-Teige zubereitet: Für den ersten haben wir die Zutaten nur leicht vermischt, sodass noch einige Mehlschlieren sichtbar geblieben sind. Den zweiten Teig haben wir so gründlich gemischt, dass das Mehl komplett eingerührt war. Für den dritten Teig schließlich haben wir eine Küchenmaschine verwendet. Das Ergebnis: Nur die Brownies aus dem leicht verrührten Teig waren perfekt, alle anderen hatten eine unangenehm zähe Konsistenz.

Das ist sicher alles interessant und unterhaltsam, aber unser eigentliches Ziel ist es, Sie in Ihrer eigenen Küche zu einem besseren Koch zu machen. Den Unterschied zwischen den zwei Stärkeformen Amylose und Amylopektin zu kennen, ist gut und schön, nützlich wird dieses Wissen allerdings erst, wenn man es einsetzen kann, um die Konsistenz von Kartoffelpüree zu verbessern. Hilfreich ist auch zu wissen, wie die Hitze von der Oberfläche eines Bratens ins Innere gelangt, denn so wird klar, dass man große Fleischstücke besser langsam und bei niedriger Temperatur gart. Die äußere Schicht bleibt auf diese Weise saftig, bis das Fleisch ganz bis nach innen durchgegart ist.

An dieser Stelle fällt mir die Geschichte von einem alten Ladenbesitzer in Vermont ein, den ein Kunde fragt, ob er ein besonders begehrtes Produkt bald wieder reinbekäme.

„Nein“, antwortet der Alte.

„Wieso nicht?“, will der Kunde wissen.

„Weil es dann eh gleich wieder ausverkauft ist!“

Auch die Wissenschaft des Kochens folgt oft einer etwas verqueren Logik. Zunächst ergibt etwas gar keinen Sinn, aber wenn man länger darüber nachdenkt, versteht man es plötzlich. Wer mit den wissenschaftlichen Grundlagen vertraut ist, durchschaut nach und nach die Vorgänge beim Kochen und lernt, dieses Wissen zu nutzen. Beim nächsten Mal, wenn Sie den Teig für einen Pie, also einen gedeckten Obstkuchen oder eine würzige Pastete, machen, werden Sie vielleicht wie selbstverständlich die Hälfte des Wassers durch Wodka ersetzen. Dadurch wird der Teig geschmeidig und nach dem Backen schön mürbe. Oder Sie werden Bohnen vor dem Kochen in Salzlake einlegen und geschnittene Früchte zuckern.

Also: Wenn es ums Kochen geht, werden Sie in diesem Buch und den beiden weiteren Bänden „Perfektion – Die Wissenschaft des guten Kochens“ auf die meisten Ihrer Fragen eine Antwort finden, besonders auf jene, die mit Warum beginnen – dem wichtigsten Fragewort überhaupt.

CHRISTOPHER KIMBALL
Gründer und Verleger
America’s Test Kitchen

REZEPTE

BROT

Pizza Bianca

Brot (fast) ohne Kneten

Oliven-Rosmarin-Brot

Knusprige rustikale Brötchen

Roggenmischbrot

Rosmarin-Focaccia

Vollkornsandwichbrot

Knusprig dünne Pizza „New York Style“

Knusprig dünne Pizza „New York Style“ mit weißer Sauce

Maisbrot

Pikantes Jalapeño-Cheddar-Maisbrot

Heidelbeer-Frühstücksmaisbrot

TARTES UND OBSTKUCHEN

Sommerliche Obsttarte

Sommerliche Obsttartelettes

Apfel-Galette

Sicher gelingender Mürbteig (Boden und Deckel)

Sicher gelingender mürber Kuchenboden (gebacken)

Sicher gelingender Mürbteig für Cremefüllungen

Gedeckter Heidelbeerkuchen

Extradicker gedeckter Apfelkuchen

KLASSISCHE KUCHEN

Perfektes Bananenbrot

Luftiger Gelber Schichtkuchen mit Schoko-Frosting

Chiffon Cake

Mokka-Nuss Chiffon Cake

Chiffon Cake mit Zitrone (und Kokosnuss)

Chiffon Cake mit Orange (und Cranberrys)

Marmorierter Chiffon Cake

Klassischer amerikanischer Rührkuchen

Rührkuchen mit Mandeln

Rührkuchen mit Orangenaroma

Klassischer Rührkuchen aus der Gugelhupfform

Amerikanischer Zitronengugelhupf

Feiner Gelber Schichtkuchen mit Buttercremefrosting

Streuselkuchen „New York Style“

Einfacher Schokokuchen

Zartbitterer Schokomoussekuchen

Zitronenkuchen mit Baiser

Angel Food Cake

KÄSE- UND KÜRBISKUCHEN

Amerikanischer Kürbis-Käsekuchen mit Gewürzen

Kürbis-Bourbon-Käsekuchen mit Pekannussboden

Käsekuchen „New York Style“

Kürbiskuchen

Zitronen-Käsekuchen

Zitronen-Käsekuchen mit Ziegenkäse und Haselnussboden

Käsekuchen mit dreierlei Zitrusfrüchten

GEBÄCK (COOKIES, MUFFINS, HÖRNCHEN & CO.)

Klassische Butterhörnchen

Feine Hefewaffeln

Hefewaffeln mit Heidelbeeren

Perfekte Weizenkleie-Muffins

Heidelbeermuffins

Perfekte Buttermilch-Pancakes

Mehrkorn-Pancakes

Topping aus Äpfeln, Cranberrys und Pekannüssen

Einfache Buttermilch-Biscuits

Weiche Zuckercookies

Weiche Zuckercookies mit Chai-Gewürzen

Weiche Zuckercookies mit Kokos und Limette

Weiche Zuckercookies mit Haselnüssen und brauner Butter

Knusprige Hafercookies

Knusprige Hafercookies mit Kokos

Knusprige Hafercookies mit Mandeln und Orange

Knusprige Hafercookies mit Salz

Blättrige Buttermilchbiscuits

Heidelbeer-Scones

Rindfleisch-Empanadas

Rindfleisch-Empanadas mit Mais und schwarzen Bohnen

Klassische Brownies

Perfektes Shortbread (Extra dicke Butterkekse)

Boston Cream Cupcakes

Glasierte Butterplätzchen

Vollrohrzucker-Cookies

Schoko-Haferflocken-Cookies mit Pekannüssen und Kirschen

Perfekte Chocolate-Chip-Cookies

Saftige Brownies

Schokocupcakes mit Ganache-Füllung

Graham-Cracker

Baisers

Schokoladenbaisers

Baisers mit gerösteten Mandeln

Orangenbaisers

Espressobaisers

DESSERTS

Orangen-Sahnesorbet

Limetten-Sahnesorbet

Zitronen-Sahnesorbet

Himbeer-Sahnesorbet

Honigmelone, Mango und Himbeeren mit Limette und Ingwer

Pfirsich, Brombeeren und Erdbeeren mit Basilikum und Pfeffer

Pfirsich-Crumble

Erdbeerküchlein (Amerikanische Biscuits mit Erdbeerfüllung)

Berry Fool mit Erdbeeren, Himbeeren und Sahne

Crème brûlée

Crème brûlée mit Espresso

Crème brûlée im Voraus zubereiten

Dunkle Mousse au Chocolat

Extradunkle Mousse au Chocolat

Schokolade-Himbeer-Mousse

Vanilleeis

Grand-Marnier-Soufflé mit Raspelschokolade

CREMES, FROSTINGS & MEHR

Selbstgemachte Clotted Cream

Vanillebuttercremefrosting

Kaffeebuttercremefrosting

Schoko-Sahne-Frosting

Schlagsahne

Schokocreme fürs Topping

Schlagsahne mit braunem Zucker

Schlagsahne mit braunem Zucker und Bourbon

Topping mit frischen Erdbeeren

Kandierte Süsskartoffeln

Selbstgemachtes Kürbispüree

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EINLEITUNG

Gelingen und Misslingen liegen beim Kochen oft dicht beieinander. Erfolgreiches Kochen hängt davon ab, ob man in der Lage ist, schnell zu reagieren und die richtigen Anpassungen vorzunehmen. Auch wenn es Sie überrascht: Lebenslange Erfahrung ist keine Grundvoraussetzung, um ein guter Koch zu sein (aber natürlich schadet es nicht).

Wissen ist allerdings unerlässlich. Ein guter Hobbykoch versteht die Grundprinzipien des guten Kochens und wendet sie fast instinktiv an.

Aber welche Prinzipien sind das und wie erlernt man sie? Wir befassen uns seit 20 Jahren damit, zu erklären, wie Kochen funktioniert – und warum Rezepte manchmal eben nicht klappen. Dabei haben wir gelernt, dass ohne fundierte Techniken und Wissen gutes Kochen unmöglich ist.

Natürlich spielt Kreativität eine Rolle – bei der Kombination von Zutaten, dem dekorativen Anrichten usw. –, aber gutes Kochen beginnt zunächst mit guter Wissenschaft und Empirie. Man muss die Grundlagen verstehen, die harten Fakten kennen – zum Beispiel, dass Fleisch bei niedriger Gartemperatur saftiger bleibt oder dass salzige Marinaden Fleisch mürber machen als saure Marinaden –, bevor man sich an die Kunst wagen darf.

Aber wie eignet man sich die grundlegenden Kochprinzipien und die wissenschaftlichen Konzepte, auf denen sie beruhen, an? Ein Leben lang Erfahrung sammeln ist eine Möglichkeit. Ein aufmerksamer Koch wird sich seine Fehler merken und aus ihnen lernen, bis er ganz automatisch bei seiner Arbeit auf diese Lehren oder Prinzipien zurückgreift.

Aber genauso gut kann man die Prinzipien gezielt erlernen. Es ist leichter als Sie glauben, die wissenschaftlichen Grundlagen zu verstehen, die jedem Erfolg oder Misserfolg in der Küche zugrunde liegen. Vertrauen Sie uns.

Die Wissenschaft des guten Kochens macht Sie mit 50 grundlegenden Konzepten vertraut, die jeder gute Koch beherrschen sollte. Die wissenschaftlichen Grundlagen werden dabei in einfachen Worten und praxisbezogen dargestellt, damit Sie sie wirklich verstehen und beim Kochen berücksichtigen können. Stellen Sie sich dieses Buch einfach als Bedienungsanleitung für Ihre Küche vor.

Am besten lesen Sie zuerst die folgenden Grundlagenkapitel. Vergessen Sie nicht, einen Blick in den Anhang zu werfen, wo Sie Informationen über Küchenausstattung, Zutaten und Lebensmittelsicherheit finden.

Noch ein letzter Rat: Bleiben Sie neugierig. Machen Sie sich stets bewusst, was Sie beim Kochen gerade tun und warum Sie es tun. Das ist die wichtigste Lektion, die die Wissenschaft Sie lehren kann.

DIE WISSENSCHAFT VON ZEIT UND TEMPERATUR

ZEITANGABEN KÖNNEN TRÜGEN

Zeitangaben sind nützlich fürs Kochen, aber oft wird ihnen zu viel Bedeutung beigemessen. Unsere Rezepte enthalten sowohl Zeitangaben als auch weitere Hinweise, um abschätzen zu können, wann die einzelnen Zubereitungsschritte abgeschlossen sind. Die angegebenen Zeiten sollten Ihnen als grobe Orientierung für die Planung der Mahlzeit dienen (schließlich ist es nicht unerheblich, ob ein Braten eine Stunde braucht oder zwei) und nicht als exakte Anweisung, die es genau zu befolgen gilt. Vertrauen Sie auf Ihre fünf Sinne, um zu entscheiden, ob ein Teilschritt abgeschlossen oder das ganze Rezept fertig ist. Sieht das Essen aus wie beschrieben? Wenn im Rezept steht, dass Sie etwas garen sollen, bis es „fest“ ist, prüfen Sie die Konsistenz mit den Fingern. Genauso, wenn das Rezept sagt, man solle etwas kochen, bis es „aromatisch duftet“. Verlassen Sie sich lieber auf diese sensorischen Hinweise als auf die Zeitangaben.

TEMPERATURGENAUIGKEIT VON BACKÖFEN
15 unserer Köche stellten ihre Backöfen daheim auf 175 °C. Die tatsächlich gemessenen Temperaturen lagen zwischen 150 und 200 °C.

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Letztere sind deshalb nicht besonders zuverlässig, weil die Eigenschaften der benutzten Gerätschaften und Zutaten variieren können. Die Heizleistung von Grills und Kochfeldern unterscheidet sich von Gerät zu Gerät, und ebenso beeinflussen das Gewicht und der Durchmesser Ihrer Töpfe die Garzeit.

Auch Ihr Backofen ist nicht so zuverlässig, wie Sie vielleicht glauben. Woher wir das wissen? In unserer Versuchsküche haben wir mehr als zwei Dutzend Backöfen, und in jedem von ihnen steht ein Ofenthermometer, damit wir sicher sein können, dass sie noch genau kalibriert sind. Anders formuliert: Erreichen und halten sie wirklich die eingestellte Temperatur? Unserer Erfahrung nach klaffen die eingestellte und die tatsächliche Temperatur eines Ofens nach wenigen Monaten intensiver Nutzung weit auseinander, sodass wir ihn vom Fachmann neu einstellen lassen müssen. In der heimischen Küche geht dieser Prozess sicher langsamer vonstatten, aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Ihr Backofen nicht 175 °C heiß ist, selbst wenn die Skala am Drehknopf das anzeigt. Um das zu überprüfen, haben wir 15 unserer Köche ein hoch präzises Ofenthermometer mit nach Hause gegeben, um dort ihre Backöfen zu testen. Sie haben das Gerät auf 175 °C eingestellt und es eine halbe Stunde heizen lassen, dann haben sie die tatsächliche Temperatur gemessen und notiert. Die Messergebnisse haben zwischen 150 und 200 °C geschwankt. Für einen Kuchen, der bei 175 °C gebacken werden soll, kann es einen erheblichen Unterschied machen, ob der Ofen 25 °C heißer oder kälter ist. Es liegt auf der Hand, dass die notwendige Backzeit sich ändert, aber auch auf die Farbe und Konsistenz des Teigs hat eine höhere oder niedrigere Temperatur Auswirkungen. Was fangen wir nun mit diesem Wissen an?

Zunächst sollten Sie nicht davon ausgehen, dass die Temperatur ihres Backofens akkurat stimmt, und das Essen besser schon eine Weile vor Ablauf der angegebenen Garzeit im Auge behalten. Kaufen Sie sich außerdem ein Ofenthermometer (auf Seite 227 finden Sie einige Empfehlungen). Dieser Einkauf könnte die Qualität der Speisen, die Sie in Ihrem Ofen zubereiten, dramatisch verbessern. Sollte Ihr Ofen wirklich deutlich heißer oder kälter sein als die eingestellte Temperatur (sagen wir 25 oder 30 °C), sollten Sie sich überlegen, ob Sie ihn nicht von einem Fachmann neu einstellen lassen.

Eine geringe Abweichung dagegen ist ganz normal. Ein Backofen heizt nämlich nicht einfach hoch, bis er die gewünschte Temperatur erreicht hat und hält diese dann. In den meisten Modellen kennen die Heizelemente nur zwei Zustände: aus und an. Um die gewünschte Temperatur zu halten, werden die Heizelemente entsprechend der vom Hersteller festgelegten Automatik zyklisch ein- und ausgeschaltet; sie heizen den Ofen bis knapp über die Wunschtemperatur und schalten sich dann ab, bis er wieder knapp unter diese abgekühlt ist. So haben unsere Messungen genau im Zentrum eines auf 175 °C vorgeheizten Elektrobackofens ergeben, dass die Temperatur zyklisch zwischen 168 und 183 °C geschwankt hat. Auch in einem Gasbackofen haben wir entsprechende Messungen durchgeführt; hier lag die Schwankung zwischen 173 und 182 °C.

Die simple Schlussfolgerung lautet: Beurteilen Sie Ihren Ofen nicht nach einer einzigen Messung und machen Sie sich keine Sorgen, falls die abgelesenen Temperaturen 5 oder 6 °C zu hoch oder zu niedrig sind – das liegt im Normbereich. Ist Ihr Ofen allerdings immer deutlich, d. h. 15 °C oder mehr, zu heiß oder zu kalt, haben Sie ein Problem.

ENTSCHEIDEND IST IMMER DIE TEMPERATUR

Die spezifischen Eigenschaften der verwendeten Geräte beeinflussen zwar die Garzeit, doch lassen sich diese Variablen nur schwer bestimmen. Woher soll man schließlich wissen, ob die eigene Pfanne schneller heiß wird als die, die wir in unserer Versuchsküche verwenden? Die zweite variable Größe, die Einfluss auf die Garzeit hat, ist dagegen leichter zu fassen.

KALIBRIERUNG EINES DIGITAL-THERMOMETERS

Ein digitales Bratenthermometer ist nur dann sinnvoll, wenn es auch genau misst. Daher sollten Sie die Messgenauigkeit direkt nach dem Kauf prüfen und die Prüfung in regelmäßigen Abständen wiederholen. Dazu gehen Sie folgendermaßen vor:

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HERSTELLUNG EINES WASSER-EIS-GEMISCHS
Füllen Sie ein Glas oder eine Schüssel mit einer Mischung aus Eis und möglichst kaltem Leitungswasser und lassen Sie das Ganze zwei Minuten stehen, damit die Temperatur sich stabilisiert. Tauchen Sie nun die Sonde des Thermometers in das Gemisch, ohne dass sie die Wände oder den Boden des Gefäßes berührt. Wenn die angezeigte Temperatur nicht 0 °C beträgt, setzen Sie die Kalibriertemperatur mit dem entsprechenden Knopf auf 0 °C. Haben Sie ein analoges Thermometer mit Zeiger, stellen Sie diesen auf die Null-Grad-Position (die Vorgehensweise unterscheidet sich von Modell zu Modell; eventuell müssen Sie mit einer Zange eine kleine Stellschraube auf der Rückseite betätigen).

Die Ausgangstemperatur der Zutaten spielt für viele Rezepte eine wichtige Rolle. Wie entscheidend sich diese Temperatur auf die Garzeit auswirken kann, zeigt das folgende Beispiel:

Grillen Sie zwei große Steaks, wobei Sie das eine direkt aus dem Kühlschrank auf den Grill geben und das andere erst eine Weile zum Anwärmen auf der Arbeitsplatte liegen lassen. Dabei werden Sie feststellen, dass die Garzeiten erheblich voneinander abweichen. Wir haben dieses Experiment mit zwei 900-Gramm-Rindersteaks aus der Keule durchgeführt, von denen jedes knapp 4 cm dick war. Das erste ist direkt aus dem Kühlschrank gekommen; die Temperatur hat etwa 4,5 °C betragen, als es auf den Grill gekommen ist, und es hat 22 Minuten gedauert, bis die gewünschte Kerntemperatur von 49 °C erreicht war. Das zweite Steak wurde in Frischhaltefolie eingeschlagen und eine Stunde in einen Eimer mit Wasser gegeben, bis es 21 °C warm war. Dieses Steak hat auf dem Grill nur 13 Minuten gebraucht, um dieselbe Kerntemperatur zu erreichen. Kalte Lebensmittel brauchen demnach länger zum Garen als jene mit Zimmertemperatur. Verlangt ein Rezept explizit eine gekühlte Zutat oder eine, die Zimmertemperatur hat, so sollten Sie diese Anweisung ernst nehmen.

Die Ausgangstemperatur der Zutaten beeinflusst nicht nur die Garzeit, sondern auch die Beschaffenheit des fertigen Gerichts. Wenn die Butter für Ihren Mürbeteig nicht richtig kalt ist, wird das Ergebnis zäh und ledrig anstatt schön locker und mürbe. Gekühlte Eier lassen sich besser trennen, weil das Eiklar dann dickflüssiger ist. Bitte beherzigen Sie die folgenden Hinweise zur Temperatur von Zutaten:

GARSTUFEN FÜR FLEISCH, GEFLÜGEL UND FISCH

Da die Kerntemperatur von Fleisch (Rind, Schwein und Lamm) durch Ruhenlassen nach dem Garen noch weiter ansteigt (Nachgareffekt), sollte man es aus dem Ofen, vom Grill oder aus der Pfanne nehmen, wenn die Temperatur noch 3 bis 6 °C unter der gewünschten Serviertemperatur liegt. (Genaueres zu diesem Phänomen ist in Buch 1, Konzept 1.4 nachzulesen.) Der Nachgareffekt tritt bei Geflügel und Fisch nicht auf (ihr Fleisch speichert Wärme nicht so gut wie das dichte Muskelgewebe beim Rind, Schwein und Lamm), deshalb sollte man diese tatsächlich bis zur gewünschten Serviertemperatur erhitzen. Der folgenden Tabelle ist zu entnehmen, bei welcher Temperatur man den Garprozess am besten beendet.

LEBENSMITTEL   KERNTEMPERATUR
RIND/LAMM Blutig/rare 46 bis 49 °C (49 bis 52 °C nach dem Ruhen)
  Rosa/medium rare 49 bis 52 °C (52 bis 54 °C nach dem Ruhen)
  Halb durch/medium 54 bis 57 °C (57 bis 60 °C nach dem Ruhen)
  Halb durch/medium well 60 bis 63 °C (63 bis 66 °C nach dem Ruhen)
  Durch/well-done 66 bis 68 °C (68 bis 71 °C nach dem Ruhen)
SCHWEIN Halb durch/medium 60 bis 63 °C (63 bis 66 °C nach dem Ruhen)
  Durch/well done 66 bis 68 °C (68 bis 71 °C nach dem Ruhen)
HÄHNCHEN/PUTE Helles Fleisch 71 °C
  Dunkles Fleisch 79 °C
FISCH Blutig/rare 43 °C (nur Thunfisch)
  Glasig/medium rare 52 °C (Thunfisch und Lachs)
  Halb durch/medium 60 °C (Fisch mit weißem Fleisch)

TIPPS ZUR THERMOMETERVERWENDUNG IN DER KÜCHE

Thermometer müssen nicht nur richtig kalibriert sein, man muss auch wissen, wie man sie richtig verwendet. Hier einige Tipps zur Handhabung:

Image Die Messsonde tief ins Innere des Lebensmittels stecken; auf keinen Fall darf sie irgendwo herausragen.

Image Die Sonde sollte weder Knochen noch das Kochgeschirr berühren und nicht in Hohlräume ragen (z. B. in einem Truthahn oder Hähnchen) – das verfälscht das Messergebnis.

Image Um die Temperatur von Steaks, Koteletts und anderen eher dünnen Lebensmitteln zu messen, das Gargut mit einer Zange aus der Pfanne oder vom Grill nehmen und die Sonde seitlich einstechen.

Image Besser mehrere Messungen vornehmen, besonders bei großen Bratstücken und ganzen Geflügelbraten. Für Letztere empfiehlt es sich, die Temperatur auf beiden Seiten des Brustbeins sowie in beiden Schenkeln zu messen, da je nach Lage im Backofen die eine Seite schneller gart als die andere.

Image Den Nachgareffekt berücksichtigen, wenn man den Garzeitpunkt bestimmt (siehe Buch 1, Konzept 1.4).

Zimmertemperatur entspricht in der Regel etwa 21 °C.

Gekühlt (aus dem Kühlschrank) sind Zutaten, wenn sie eine Temperatur zwischen 1,5 und 4,5 °C aufweisen. Ist Ihr Kühlschrank wärmer als 4,5 °C, können Lebensmittel verderben. Liegt die Temperatur bei 0 °C oder darunter, gefrieren Ihre Lebensmittel.

Tiefgefroren bedeutet in der Regel –18 bis – 12 °C. Ihr Gefriergerät sollte –18 °C kalt sein.

Mehl und Getreide sollten zum Zeitpunkt der Verarbeitung Zimmertemperatur haben. Wenn Sie Vollkorn- und Maismehl im Gefrierschrank lagern, damit es nicht ranzig wird (was eine gute Idee ist, sollten Sie es nicht innerhalb weniger Monate aufbrauchen), bringen Sie es erst auf Zimmertemperatur, bevor Sie damit backen. Kaltes Mehl lässt den Teig nicht so gut aufgehen, und das Backwerk wird unnötig fest. Um Mehl und Getreide schnell anzuwärmen, verteilen Sie es in einer dünnen Schicht auf einem Backblech und lassen es eine halbe Stunde stehen.

Eier werden stets gekühlt verarbeitet, es sei denn, im Rezept steht ausdrücklich etwas anderes. Sollen sie doch Zimmertemperatur haben und es muss schnell gehen, legen Sie sie fünf Minuten in eine Schüssel mit warmem Wasser (natürlich mit intakter Schale).

Butter ist ebenfalls gekühlt zu verarbeiten, solange nichts anderes angegeben ist. Weiche Butter ist zwischen 16 und 20 °C warm. Versuchen Sie auf keinen Fall, Butter in der Mikrowelle weichzumachen, da sonst unweigerlich ein Teil davon schmilzt. Stellen Sie die Butter stattdessen auf die Arbeitsfläche und lassen Sie sie langsam warm werden (dauert circa eine Stunde). Um die Sache zu beschleunigen, nehmen Sie die Butter aus dem Papier und zerteilen Sie sie in kleinere Stücke. Abgekühlte zerlassene Butter sollte immer noch flüssig und handwarm (29 bis 32 °C) sein.

GARTEMPERATUREN FÜR ANDERE LEBENSMITTEL

Außer für Fleisch, Geflügel und Fisch lässt sich auch für viele andere Lebensmittel der Garpunkt oder der richtige Weiterverarbeitungszeitpunkt mithilfe der Temperatur bestimmen. Die folgende Tabelle listet einige Beispiele auf.

LEBENSMITTEL GARTEMPERATUR
Öl (zum Frittieren) 160 bis max. 180 °C
Zucker (um ihn zu karamellisieren) 175 °C
Hefeteigbrot (herzhaft, eher leicht) 95 bis 100 °C
Hefeteigbrot (süß, eher schwer) 90 bis 95 °C
Eier (für Eis) 82 °C
Eier (für Englische Creme oder Lemon Curd) 77 bis 82 °C
Gebackene Eier (z. B. Crème brûlée oder Crème caramel) 77 bis 80 °C
Käsekuchen 65 °C
Wasser (zum Brotbacken) 40 °C (in einigen Fällen bis 45 °C)

Fleisch, Geflügel und Fisch sind, wenn nicht anders angegeben, gekühlt zu verarbeiten. Beachten Sie, dass sich ab 4,5 °C in allen verderblichen Lebensmitteln Bakterien vermehren. Dies gilt ganz besonders für Fleisch und Geflügel sowie Fisch. (Mehr zum Thema „Lebensmittelsicherheit“ steht auf Seite 232.)

Um die Temperatur wirklich genau bestimmen zu können, empfehlen wir den Kauf eines digitalen Bratenthermometers. Neben hochwertigen Messern und Töpfen ist ein gutes Thermometer womöglich das wichtigste Utensil in jeder Hobbyküche.

GARZUSTAND PER TEMPERATUR BESTIMMEN

Nicht nur die Ausgangstemperatur der Zutaten ist wichtig, wir messen die Temperatur auch, um zu bestimmen, wann Speisen gar sind. Schneiden Sie Lebensmittel nicht ein, um zu sehen, ob sie „durch“ sind, sondern verwenden Sie lieber ein Bratenthermometer. Auf diese Weise lässt sich kinderleicht prüfen, ob der Festtagsbraten schon auf den Tisch kann (siehe auch Tabelle oben).

DIE WISSENSCHAFT VON WÄRME UND KÄLTE

WAS IST WÄRME UND WAS BEWIRKT SIE?

Was genau passiert eigentlich beim Kochen? Was geschieht, wenn man Lebensmittel über einem heißen Feuer erhitzt? Zunächst ein kurzer Exkurs in die Geschichte des Kochens.

Die Beherrschung des Feuers gehört zu den wichtigsten Entdeckungen in der Evolutionsgeschichte. Es hat den Menschen in die Lage versetzt, Lebensmittel zu garen. Warum war das so entscheidend? Vor der Entdeckung des Feuers haben unsere Urahnen den Großteil ihres Tages damit verbracht, durch hartnäckiges Kauen zähe Pflanzennahrung so zu zerkleinern, dass sie sie schließlich hinunterschlucken und verdauen konnten. In seinem faszinierenden Buch „Feuer fangen – Wie uns das Kochen zum Menschen machte“ (2009) führt der Primatenforscher Richard Wrangham die immense Vergrößerung des menschlichen Gehirns auf die Entdeckung des Feuermachens zurück. Garen habe die Verdauung von hochwertigem – besonders tierischem – Eiweiß erleichtert, was wiederum die Entwicklung des Gehirns begünstigt habe. Gleichzeitig sei durch den Garvorgang die Nahrung leichter kaubar geworden, wodurch der Mensch nicht mehr den ganzen Tag aufs Essen verwenden musste. Die plötzlich frei gewordene Zeit habe man fortan auf andere Tätigkeiten wie Jagen, Erkunden und Bauen verwenden können – kurz, um zu dem Menschen zu werden, der wir heute sind.

WARUM SCHMECKT WARMES ESSEN BESSER?

Dafür gibt es zwei Erklärungen: Erstens haben Forscher herausgefunden, dass unsere Geschmackswahrnehmung von bestimmten mikroskopisch kleinen Proteinen in den Geschmacksknospen verstärkt wird. Diese sogenannten TRPM5-Kanäle sind sehr temperaturempfindlich und bei höheren Temperaturen wesentlich leistungsfähiger als bei niedrigeren. Studien zeigen, dass sich die Kanäle beim Verzehr von Essen, das auf 15 °C oder kälter abgekühlt wurde, so gut wie gar nicht öffnen und so die Geschmackswahrnehmung stark gehemmt bleibt. Erwärmt man das Essen aber auf knapp 37 °C, öffnen sich die Kanäle und die TRPM5-Sensitivität steigt um den Faktor 100. Speisen schmecken so deutlich intensiver.

Zweitens wird unser Schmecken stark vom Geruch des Essens mitbestimmt, den wir als winzige Moleküle einatmen. Je heißer das Essen, desto mehr Energie haben diese Moleküle und desto wahrscheinlicher ist es, dass sie den Weg vom Tisch hinauf in unsere Nase finden.

Was lernen wir daraus? Gerichte, die eigentlich heiß gegessen werden, sollte man immer aufwärmen, und Gerichte zum kalten Verzehr, wie Gazpacho und Kartoffelsalat, sollte man extra kräftig würzen, um den Aromaverlust bei niedrigen Temperaturen auszugleichen.

Auch wenn es einfach zu verstehen ist, wie Kochen uns zu Menschen gemacht hat, wissen nur die wenigsten, was tatsächlich in Lebensmitteln vor sich geht, wenn man sie erhitzt. Wärme ist eine Form von Energie. Der Begriff gibt die Geschwindigkeit von Molekülen in einer Substanz wie Luft oder Wasser an; je höher die Temperatur, desto schneller bewegen sich die Moleküle und desto mehr Energie (= Wärme) enthalten sie.

Bei der Wärmeübertragung von einer Substanz auf eine andere kollidieren schnelle Moleküle mit langsamen und beschleunigen diese. Die Gasmoleküle eines Feuers, die Metallatome einer heißen Pfanne oder die Luftmoleküle eines heißen Backofens stoßen also mit den langsamen Molekülen – besonders Wassermolekülen – des Essens zusammen und bringen sie in Fahrt.

Die Beschleunigung der Moleküle im Essen hat eine ganze Reihe von Reaktionen zur Folge. Durch Gase, die aus dem heißen Essen austreten, oder wärmebedingte chemische Reaktionen kann sich die Farbe des Essens ändern. Von den Molekülen gebundenes Wasser wird freigesetzt, wodurch das Essen Flüssigkeit verliert. Zellwände, die dem rohen Lebensmittel ihre Stabilität geben, lösen sich auf – das Essen wird so weicher. Was im Einzelfall tatsächlich geschieht, hängt vom jeweiligen Lebensmittel, der Intensität der Wärme, der Art der Wärmeübertragung und der Zeit, die die Wärme auf das Essen einwirkt, ab. Wärme sorgt dafür, dass viele Lebensmittel besser schmecken, manchmal jedoch verschlechtert sich der Geschmack, z. B. wenn Fette oxydieren oder Bitterstoffe freigesetzt werden.

Beim Kochen sind mehrere Arten der Wärmezufuhr möglich; die üblichsten – Wärmeleitung (Konduktion), Wärmeströmung (Konvektion) und Wärmestrahlung (Radiation) – sind in Buch 1, Konzept 1.1 näher beschrieben. Die meisten Garverfahren, z. B. Braten, Grillen oder Frittieren, sind eine Kombination aus mehreren Arten der Wärmezufuhr und -übertragung. Ein Braten beispielsweise, der in einem Metallbräter im Backofen gegart wird, wird durch Wärmeleitung erhitzt (Wärme wird im Fleisch von Molekül zu Molekül übertragen), durch Wärmeströmung (die heiße Ofenluft erhitzt den Bräter und dieser wiederum das Fleisch) sowie durch Wärmestrahlung (die Heizelemente strahlen Wärme ab, die vom Essen absorbiert wird).

KÄLTE UND WAS SIE BEWIRKT

Genau wie Wärme Lebensmittel verändern kann, hat auch Kälte eine Wirkung. Viele natürliche Prozesse kommen durch Kälte zum Erliegen. Beispielsweise verhindert eine Lagertemperatur unter 4,5 °C in Pfirsichen die Aktivität bestimmter Enzyme, die während des Reifens das Pektin der Zellwände abbauen. Werden diese Enzyme deaktiviert, bevor die Frucht reif ist, bleibt das Pektin intakt und der Pfirsich bekommt eine mehlige Konsistenz.

Dagegen ist Kälte bei der Lagerung anderer Lebensmitteln sehr anzuraten. Milchprodukte und Fleisch verderben bei Temperaturen über 4,5 °C deutlich schneller. (Daher sollten sie in der kältesten Zone des Kühlschrankes im unteren Fach über dem Gemüsefach bei 2 bis 4 °C gelagert werden.) Diese Lebensmittel enthalten von Natur aus Bakterien, deren Aktivität unterhalb von 4,5 °C gehemmt wird. Ist die Temperatur höher, geraten die Speisen in die „kritische Zone“ (zwischen 4,5 und 60 °C), in der sich die meisten Mikroben rapide vermehren. Das Essen verdirbt dann möglicherweise, und der Verzehr kann gesundheitsschädliche Folgen haben. Übrigens wird auch durch Erhitzen und Garen die Bakterienaktivität häufig zum Stillstand gebracht. (Mehr zum Thema „Lebensmittelsicherheit“ findet sich auf Seite 232.)

TIEFKÜHLEN

Ab 0 °C beginnt die in Lebensmitteln enthaltene Flüssigkeit zu gefrieren, wobei sich Eiskristalle bilden. Diese Kristalle reißen in frischen Lebensmitteln, z. B. Gemüse und Obst, Zellwände und Zellorganellen auf und setzen so Enzyme frei, die vorher eingeschlossen waren. Werden die Lebensmittel später wieder aufgetaut, bewirken diese Enzyme, dass sie mitunter unangenehm schmecken oder braun und matschig werden.

WARUM WIRD SPEISEEIS NICHT HART WIE EIS?

Wieso sind Eiswürfel eigentlich steinhart, während Speiseeis weich ist und sich mit dem Löffel portionieren lässt, selbst wenn beides im selben Gefrierschrank lagert? Zucker – wie jede andere wasserlösliche Substanz – verschiebt den Gefrierpunkt von Wasser. Je mehr Zucker im Wasser ist, desto tiefer sinkt der Gefrierpunkt.

In Gemüse kann man diese Enzyme durch vorheriges Blanchieren, also kurzes Überbrühen, unschädlich machen. Deshalb sieht tiefgefrorener Brokkoli aus dem Supermarkt so saftig grün aus – er wurde während der Herstellung blanchiert. Wer schon einmal zu Hause rohen Brokkoli ohne Blanchieren eingefroren und ihn dann gekocht hat, der kennt den schwefeligen Geschmack, die matschige Konsistenz und die unschöne Farbe.

Im Gegensatz zu Gemüse verträgt Obst leider kein Blanchieren, deshalb versetzen die Hersteller es vor dem Frosten mit Zucker. Dadurch werden die Kristalle nicht so groß und richten weniger Schaden an. Manchmal wird auch Ascorbinsäure beigegeben – sie schaltet die Enzyme aus, die für die unschöne Braunfärbung verantwortlich sind.

GARMETHODEN

Wenn es darum geht, wie eine bestimmte Speise zu garen ist, findet sich in Kochbüchern eine ganze Reihe verschiedener Fachbegriffe.

Auch dieses Buch macht da keine Ausnahme. Im Folgenden werden die Begriffe kurz erklärt.

METHODE KURZDEFINITION BESCHREIBUNG
BRATEN IN DER PFANNE (KURZBRATEN) Garen mit wenig Fett in der Pfanne Dieses Garverfahren eignet sich am besten für kleinere, relativ dünne Lebensmittel wie Steaks, Koteletts und Schnitzel sowie für Speisen, die aus kleineren Teilen bestehen, z. B. geschnittenes Gemüse, Shrimps oder Muscheln.
BRATEN IM BACKOFEN (LANGZEITBRATEN) Garen in Kochgeschirr im Backofen Geeignet für eine breite Palette von Speisen, von großen Rinderbratenstücken über ganze Geflügelbraten bis zu Kartoffelscheiben.
FRITTIEREN Garen mit einer größeren Menge Fett in Topf oder Pfanne Das Gargut schwimmt im Fett oder wird teilweise davon umschlossen. Für die erste Methode werden ein großer Topf und 1–2 Liter Fett benötigt. Für die zweite Methode reichen meist eine Pfanne und weniger Fett (etwa 250 ml). Viele Lebensmittel, die sich zum Kurzbraten in der Pfanne eignen, können auch frittiert werden; frittierte Speisen sind oft paniert oder im Teigmantel.
KOCHEN Garen in siedender Flüssigkeit Auf Meereshöhe siedet Wasser bei 100 °C; der Siedepunkt sinkt pro 300 Höhenmeter um ca. 1 °C. Ist der Siedepunkt erreicht, wallen große Blasen in der Flüssigkeit auf und durchbrechen in schneller, regelmäßiger Folge die Oberfläche. Diese Garmethode ist günstig für Nudeln, Getreide und Gemüse.
KÖCHELN Garen in Flüssigkeit knapp unter dem Siedepunkt Je nach gewünschter Garintensität liegt die Temperatur der Flüssigkeit zwischen 82 und 96 °C. Wenn eine Flüssigkeit köchelt, steigen in unregelmäßigen Abständen vereinzelte kleinere Blasen an die Oberfläche auf. Viele Getreidearten, darunter Reis, gart man am besten köchelnd. Für Brühen, Suppen und Saucen ist Köchelnlassen unabdinglich.
POCHIEREN Garen in Flüssigkeit deutlich unter dem Siedepunkt im geschlossenen Topf Pochieren ähnelt dem Köcheln, allerdings ist die Temperatur niedriger (es steigen keine Blasen auf). Man pochiert im Allgemeinen mit Deckel, um die Temperatur möglichst konstant zu halten und das Essen schonend zu garen. Eignet sich besonders für empfindlichen Fisch und Früchte.
DÄMPFEN Garen über schwach siedender Flüssigkeit im geschlossenen Topf (meist mit Dämpfeinsatz) Dämpfen ist eine besonders schonende Garmethode. Im Gegensatz zu anderen feuchten Garverfahren bleibt das Aroma der Lebensmittel gut erhalten. Dämpfen ist die Methode erster Wahl für Gemüse, Fisch und empfindliche Speisen wie Klöße.
SCHMOREN Garen durch Anbraten und anschließendes Zugeben von Flüssigkeit und Köchelnlassen im geschlossenen Topf Ideal für eher feste Fleischstücke, die eine lange Garzeit benötigen, um zart zu werden, z. B. Rinderschmorbraten.
SCHMORTOPF Eine Form des Schmorens (Anbraten mit anschließendem Köcheln) Für einen Schmortopf werden Lebensmittel meist nicht im Ganzen, sondern zerkleinert geschmort.
DIREKTES GRILLEN Garen auf dem Rost über offenem Feuer Auch wenn „grillen“ häufig für jede Form von Garen über offenem Feuer verwendet wird, beschränkt sich der Begriff in diesem Buch meist auf das relativ kurze Garen von Steaks, Koteletts, Gemüse, Fisch, Krustentieren etc.
INDIREKTES GRILLEN Garen auf dem Rost über mäßig starkem Feuer in einem geschlossenen Grill, wobei das Grillgut nicht direkt über der Wärmequelle liegt Durch den geschlossenen Deckel des Grills ähnelt dieses Garverfahren dem Braten im Backofen, besonders, wenn das Grillgut nicht direkt über dem Feuer liegt und dadurch nur langsam bräunt. Am besten geeignet für große, dicke Fleischstücke, die eine lange Garzeit bei niedriger Temperatur brauchen, z. B. ganze Hähnchen oder Braten.
GRILLEN IM RAUCH Garen auf dem Rost über schwachem, stark rauchendem Feuer in einem geschlossenen Grill, wobei das Grillgut nicht direkt über der Wärmequelle liegt Das klassische US-amerikanische Barbecue (BBQ), wenn auch nicht unbedingt im Smoker. Diese Grillmethode funktioniert im Prinzip wie indirektes Grillen, jedoch ist das Feuer kleiner und man verwendet zusätzlich Holz, was dem Grillgut ein rauchiges Aroma verleiht. Am besten geeignet für eher zähes Fleisch (z. B. Rinderbrust oder Rippchen), das lange garen muss, um zart zu werden.

Beim Einfrieren von Fleisch, Geflügel und Fisch ist Flüssigkeitsverlust das größte Problem. Die Eiskristalle beschädigen die Zellstruktur, wodurch Tiefkühlfleisch beim Garen mehr Flüssigkeit verliert als frisches Fleisch. Außerdem wird der Fleischoberfläche beim Einfrieren Wasser entzogen. Um den Flüssigkeitsverlust zu messen, haben wir drei 200-Gramm-Proben Rinderhack (15 % Fettanteil) auf mittlerer bis großer Flamme in einer kleinen Pfanne gebraten. Die erste Probe war frisch, die zweite tiefgefroren und aufgetaut, die dritte zweimal tiefgefroren und aufgetaut. Wir haben die jeweils ausgetretene Flüssigkeit aufgefangen und die Menge bestimmt, dann haben wir das Experiment mit weiteren Fleischproben wiederholt.

Während das frische Hackfleisch im Durchschnitt ¾ TL Flüssigkeit verloren hat, sind beim einmal tiefgefrorenen Fleisch 2 TL und beim zweimal tiefgefrorenen Fleisch sogar 1 EL verloren gegangen. Anders betrachtet: Ein Burger mit 200 g frischem Hackfleisch enthält 1¼ TL mehr Fleischsaft gegenüber einem Burger mit Hack aus der Tiefkühltruhe. Das Ergebnis: Hier ein saftiger, zarter Burger, dort ein Burger, der schmeckt wie trockenes Brot.

Ein weiterer Nachteil des Einfrierens hängt mit der Aufbewahrung im Gefrierschrank zusammen. Idealerweise halten Gefriergeräte konstant eine Temperatur von –18 °C. In Wirklichkeit schwankt diese Temperatur aber oft, besonders, wenn das Gerät häufig geöffnet und geschlossen wird. Jedes Mal erwärmen sich die Lebensmittel ein wenig und kühlen anschließend wieder ab, was die Schädigung durch Eiskristalle verschlimmert. Als sichtbare Folge häufigen Antauens und Wiedereinfrierens bildet sich eine Eiskristallschicht auf dem Lebensmittel, der sogenannte Gefrierbrand.

DIE WISSENSCHAFT DER SINNE

DIE FÜNF GESCHMACKSQUALITÄTEN

Keine Frage, zum Kochen braucht man seine fünf Sinne: sehen, riechen, tasten, schmecken und hören. Sieht das Hähnchen schon knusprig braun aus? Fühlt sich der Kuchenteig fest an? Klumpt die Sauce oder ist sie schön glatt? Riecht der Knoblauch intensiv und aromatisch? Ist das Gericht gut abgeschmeckt?

Bleiben wir zunächst beim Geschmackssinn. In der Schule haben wir gelernt, dass es vier primäre Geschmackswahrnehmungen gibt: süß, sauer, salzig und bitter. In den letzten Jahren hat sich in der Wissenschaft die Auffassung durchgesetzt, dass es noch eine fünfte Geschmacksqualität gibt: umami. Am ehesten lässt sich diese als „fleischig“, „herzhaft“ und „vollmundig“ beschreiben. Der Geschmack wird durch eine natürlich vorkommende Aminosäure hervorgerufen: Glutamat (genauer: Glutaminsäure). Glutamat kommt in freier Form in relativ hoher Konzentration in bestimmten Früchten (z. B. Tomaten), Gemüsen und Käsesorten (besonders Parmesan) vor. Außerdem ist es als Baustein der meisten Proteine in Fleisch und Milchprodukten vorhanden. Auch Pilze erhalten ihren typisch fleischigem Geschmack durch einen hohen Glutamatgehalt. Allgemein eignet sich Umami-Aroma gut, um Speisen würziger und schmackhafter zu machen. (Siehe auch die Tabelle mit den Glutamatwerten verschiedener Lebensmittel in Buch 1 auf Seite 237.)

Im Geschmacksverstärker Mononatriumglutamat (MNG), der durch das Züchten bestimmter Bakterien auf Zucker bzw. Melasse und Mais gewonnen wird, zeigt sich die ganze Würzkraft der Glutamate. Unsere Versuche beweisen, wie stark MNG das Aroma von Speisen intensivieren kann: Nachdem wir unserer Rindfleisch-Gemüse-Suppe Glutamat (aus dem Supermarkt) hinzugefügt hatten, schwärmten unsere Koster von dem „vollen und superintensiven Rindfleischaroma“. (Mehr über Glutamate und die wichtigen Nukleotide erfahren Sie in Buch 1, Konzept 1.17.)

WIE DER GESCHMACKSSINN FUNKTIONIERT