Copyright © der deutschen Ausgabe: Junfermann Verlag, Paderborn 2017

Copyright © der Originalausgabe: Cary L. Cooper, Jill Flint-Taylor und Michael Pearn 2013

First published in English by Palgrave Macmillan, a division of Macmillan Publishers Limited under the title Building Resilience for Success by Cary Cooper, Jill Flint-Taylor and Michael Pearn. This edition has been translated and published under licence from Palgrave Macmillan. The authors have asserted their right to be identified as the author of this Work.

Übersetzung: Friederike Moldenhauer

Coverfoto: © Ruslan Grumble – fotolia.com

Covergestaltung / Reihenentwurf: Christian Tschepp

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2017

Satz, Layout & Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn

ISBN der Printausgabe: 978-3-95571-499-4

ISBN dieses E-Books: 978-3-95571-531-1 (EPUB), 978-3-95571-533-5 (PDF), 978-3-95571-532-8 (MOBI).

Einführung

Die Bedeutung von Resilienz und der Zweck dieses Buches

In diesem Buch geht es um die Stärkung individueller Resilienz oder – wie man sie auch nennt – der psychologischen, emotionalen oder persönlichen Resilienz. Wir verwenden diese Begriffe synonym. Was aber meinen wir genau mit Resilienz? Die offensichtlichste, wenn auch recht eng gefasste Antwort darauf lautet, dass diese Art der Resilienz die Fähigkeit beschreibt, sich von Rückschlägen zu erholen und auch angesichts hoher Anforderungen und schwieriger Umstände weiter effektiv zu handeln. Darauf aufbauend geht unsere Definition über die Erholung von anstrengenden oder potenziell anstrengenden Ereignissen hinaus und umfasst eine andauernde Gesundung und einen nachhaltigen Vorteil: die Stärke, die aus dem erfolgreichen Umgang mit solchen Situationen entsteht.1 Die Fähigkeit, die so entwickelt wird, hilft, mit alltäglichen Problemen ebenso umzugehen wie mit Herausforderungen – individuelle Resilienz ist keineswegs nur in Extremsituationen oder bei Heldentaten gefragt.

Unser Ziel war es, ein Werk zusammenzustellen, das Führungskräften, Fachleuten im Bereich der Personalentwicklung, Personen im Lehrbetrieb, weiteren Experten im Bereich Lernen und Entwicklung und anderen dazu dient, Maßnahmen zur Stärkung von Resilienz am Arbeitsplatz zu initiieren, zu entwickeln, umzusetzen und zu evaluieren. Wir beschreiben und diskutieren viele unterschiedliche Ansätze, Erkenntnisse und praktische Anwendungen, berichten von unseren eigenen Erfahrungen, machen Vorschläge und geben Empfehlungen ab. Es ist nicht unsere Absicht, eine Anleitung zur Selbsthilfe oder ein Handbuch für Trainer zu präsentieren. Stattdessen wollen wir eine breite Basis an Wissen, Ideen und Lösungen zur Verfügung stellen, die auf verschiedene Arten genutzt werden kann, um unterschiedliche Bedürfnisse zu decken und in Organisationen unter unterschiedlichen Bedingungen angewendet zu werden.

Zunächst stellen wir in Teil I die Entwicklungen des Themas in den letzten 20 Jahren dar. Dabei beziehen wir uns sowohl auf die Forschung als auch auf die Praxis. Basierend auf Theorie, empirischen Ergebnissen und Erfahrung präsentieren wir ein zweiteiliges Rahmenwerk, das dazu dient, innerhalb von Organisationen die Stärkung von Resilienz zu strukturieren und die Umsetzung zu erleichtern. Teil I stellt die Anwendung von Expertenwissen aus Forschung und Praxis dar, um ein stabiles Bezugssystem zu entwickeln, das in Organisationen angewendet werden kann. Interessierten bieten wir detaillierte Verweise auf die Forschung, die hinter unserem Ansatz steckt.

Danach schauen wir uns in Teil II genauer an, wie sich die praktischen Maßnahmen zur Stärkung von Resilienz im Laufe der Zeit aufgrund neuer Forschungsergebnisse und Theorien verändert haben. Dabei werden Beispiele gegeben, die aufzeigen, was sich im Kontext einer Organisation erreichen lässt, und es werden Vorschläge detailliert präsentiert. In diesem Abschnitt werden insbesondere verschiedene Techniken und Erkenntnisse aufgrund einzelner Erfahrungen von Personen und Organisationen reflektiert. Wo angemessen, verweisen wir auf wichtige Untersuchungen, doch liegt das Hauptaugenmerk auf praktischen Vorschlägen und Beispielen.

Schließlich geben wir in Teil III eine strategische Übersicht und zeigen einige wichtige Wege auf, wie die Stärkung von Resilienz im Kontext größerer Organisationsziele und Interventionen verankert werden kann. Dazu gehören die Förderung von Führungsqualitäten (Leadership Development), der Wandel in der Organisation und die Leistungsverbesserung.

Umgang mit Belastungen: individuelle Unterschiede

Wenn wir uns auf individuelle Resilienz beziehen, dann bleiben einige Fragen offen, da wir auf die Tatsache hinweisen, dass diese Fähigkeit bei Personen unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Viele Menschen haben sich vermutlich schon einmal gewundert, wie ruhig ein Politiker im Fernsehen angesichts eines gegen ihn gerichteten Proteststurms bleiben kann. Bei anderer Gelegenheit verwundert es vielleicht, dass ein Freund oder Kollege sehr verletzlich auf etwas reagiert hat, was einen selbst in derselben Situation weniger angegriffen hätte. Daher ist es wichtig, mehr darüber zu erfahren, wie Resilienz funktioniert. Worin bestehen diese persönlichen Unterschiede, und sind sie in Stein gemeißelt oder kann jeder mit der Zeit seine Resilienz verbessern?

Was die letzte Frage betrifft, lässt sich sehr gut belegen, dass Resilienz in der Tat entwicklungsfähig ist. Auf die Forschungsergebnisse kommen wir später zu sprechen und in einigen Kapiteln werden wir einige praktische Maßnahmen und Ansätze untersuchen, die dazu beitragen, dieses Ziel, Resilienz zu entwickeln, zu erreichen. Zunächst müssen wir uns jedoch genauer anschauen, warum einige Menschen besser mit Belastungen umgehen als andere und warum dies für Organisationen ebenso wie für deren Mitarbeiter wichtig ist.

Beschreiben wir eine Person als resilient, dann meinen wir damit häufig, dass er oder sie gut mit Druck umgehen kann. Manche Menschen scheinen in Belastungssituationen sogar aufzublühen. Das Gegenteil wird im Allgemeinen beschrieben als Tendenz, „verletzlich auf Stress, Rückschläge oder Enttäuschungen“ zu reagieren. Hier wird deutlich, dass Belastungen „positiv“ (eine Herausforderung, die einen Antrieb darstellt) oder „negativ“ (belastend) sein können. Um also Resilienz zu begreifen, ist es notwendig, das Wesen von Belastungen und Stress zu verstehen.

Zunächst müssen wir festhalten, dass ein und dieselbe Situation für eine Person eine positive Herausforderung darstellen kann, während sie für eine andere eine Anstrengung ist. Beispielsweise kann das passieren, wenn der Vertriebsleiter die Ergebnisse für das Quartal präsentiert und deutlich zu verstehen gibt, dass er mit der Leistung des Teams unzufrieden ist. Ein Teammitglied mag das anspornen, sich in der nächsten Woche stärker anzustrengen, während ein anderes besorgt reagiert und entmutigt wird. Noch komplizierter wird es, da dieselbe Person in der nächsten Woche vielleicht ganz anders reagiert, auch wenn die Aussage vom Vertriebsleiter mehr oder weniger dieselbe ist.

Für diese unterschiedlichen Reaktionen gibt es viele Gründe, die sowohl auf situativen als auch stärker intrinsischen Faktoren der Beteiligten basieren. Für einen Manager mögen diese Einflüsse offensichtlich sein, oder zumindest für das betreffende Teammitglied. Andere Einflüsse sind schwieriger nachzuverfolgen, doch sie wirken sich dennoch darauf aus, wie sich die betreffende Person fühlt und was sie als Nächstes tut. Richard Lazarus2 erklärte individuelle Unterschiede im Erleben und im Ausdruck von Gefühlen im Sinne eines Prozesses, den er „Bewertung“ (­appraisal) nannte:

„Bewerten zwei Individuen dieselbe Situation unterschiedlich, werden sich ihre emotionalen Reaktionen unterscheiden. Und wenn sie unterschiedliche Situationen gleich bewerten, wird ihre emotionale Reaktion dieselbe sein. Auch Coping … funktioniert durch die Beeinflussung und Änderung der Art und Weise, wie ein Individuum die Bedeutung dessen bewertet, was gerade passiert, und wie man damit umgehen könnte.“ (S. 336)

Diese theoretische Position ist nur eine von vielen, die die Rolle subjektiver Wahrnehmung und Überzeugung betonen, wenn es darum geht zu bestimmen, wie wir auf ein Ereignis reagieren. Sie stimmt vollkommen mit unserer Definition von Stress überein, der nämlich entsteht, wenn die Belastung die selbst wahrgenommene Fähigkeit, eine Situation zu bewältigen, übersteigt.3 Richard Lazarus sprach über Emotionen im Allgemeinen, aber viele Forscher und praktizierende Psychologen nehmen einen ähnlichen Standpunkt ein, wenn es um Ängste, Depressionen und Stress im Besonderen geht. Aus diesem Gebiet der klinischen Psychologie und psychischen Gesundheit, dazu gehört auch die Erforschung von Belastungen am Arbeitsplatz, stammt unser Verständnis von Resilienz zum Großteil.

Glücklicherweise sorgte ein reges Interesse an den Ursachen und der Behandlung von Angststörungen und Depressionen dafür, dass immer mehr auf diesem Gebiet geforscht wurde, während lange Zeit der Trend in der akademischen Psychologie vorherrschte, die Erforschung von Emotionen als unzeitgemäß abzutun. Jedoch ist das derzeitige steigende Interesse an Resilienz als Aspekt eines normalen Lebenszyklus von Erwachsenen – außerhalb der klinischen Psychologie und psychischen Krankheiten – eine eher jüngere Entwicklung. Am Ende dieses Buches kommen wir zu dem Schluss, dass sich Resilienz, insbesondere im betrieblichen Kontext, von einer Kur gegen Schwäche zu einem Kompetenzträger entwickelt hat, der dabei hilft, Stärken noch weiter zu stärken. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, ein Verständnis dafür zu entwickeln, woher das Konzept stammt und warum der Bedarf an Resilienz immer noch einen negativen Beiklang hat.

Resilienz als etwas Normales anzusehen, zu akzeptieren, dass sie ein Teil des Alltags und Arbeitslebens für jeden ist, passiert zu einer Zeit, in der das Interesse an Positiver Psychologie steigt. Zweifelsfrei spielte eine jüngere Studie über „positive Emotionen und Erfahrungen“ eine wichtige Rolle dabei, den potenziell nützlichen stärkenbildenden Aspekt von „positiver Belastung bzw. Herausforderung“ hervorzuheben. Darüber hinaus bereicherte sie unser Verständnis davon, auf welchen unterschiedlichen Wegen Resilienz entwickelt werden kann.

Eine Einführung in die Stärkung von Resilienz am Arbeitsplatz

Zuerst richtete sich das allgemeinere Interesse an Resilienz auf das Themengebiet Arbeitsplatz. In den 1970er- und 1980er-Jahren begannen Forscher aus den USA zu untersuchen, welche Qualitäten einigen Managern bei der Bewältigung von Belastungen über einen längeren Zeitraum halfen.4 In den späten 1980er-Jahren begann der amerikanische Psychologe Martin Seligman, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie die Ergebnisse dazu genutzt werden könnten, Angestellten beim Umgang mit Herausforderungen am Arbeitsplatz zu helfen. Zuvor hatte sich Seligman viele Jahre lang mit der Erforschung von Angst und Depression beschäftigt. Er entwickelte ein eintägiges Resilienz-Training für Versicherungsvertreter, deren Arbeit neben Kaltakquise (unaufgefordert bei potenziellen Kunden anrufen) auch ein hohes Maß an Ablehnung beinhaltete.

Vom Erfolg von Seligmans Trainingskurs inspiriert, entwickelten Forscher des Institute of Psychiatry in London einen längeren und intensiveren Kurs, der in der Versicherungswirtschaft und mit Fachleuten und Führungskräften durchgeführt wurde, die länger als ein Jahr arbeitslos gewesen waren. Wieder waren die Ergebnisse sehr ermutigend und umfassten im Vergleich mit einer Kontrollgruppe, die ein anderes, aber themenbezogenes Training absolvierte, neben einem besseren allgemeinen Wohlbefinden und höheren Verkaufszahlen auch eine längere Verweildauer (in der Studie der Versicherungsbranche) und eine höhere Anzahl von Vorstellungsgesprächen und Jobangeboten (bei den arbeitslosen Teilnehmern).5

Diese Kurse zur Resilienz-Stärkung wurden als praktisch und effektiv wahrgenommen und das Design wurde von einigen Firmen und Verwaltungen übernommen. Jedoch gab es einige Hindernisse, die die weitere Verbreitung dieses Ansatzes erschwerten, sogar in den Organisationen, die aufgrund ihrer Teilnahme an der Forschung davon bereits finanziell oder anderweitig profitiert hatten. Denjenigen von uns, die sich in den 1990er-Jahren mit der Verbreitung der Trainings im Wirtschaftsbereich beschäftigten, wurde klar, dass die größte Hürde darin bestand, dass Wirtschaftsorganisationen noch nicht für diese Maßnahmen bereit zu sein schienen.6

Das war tatsächlich ein Problem, da man mittlerweile die Bereitschaft innerhalb der Organisation als eine der wichtigsten Voraussetzungen für die erfolgreiche Implementierung von innovativen Trainings- und Entwicklungsprogrammen hält. Die „Herzen und Köpfe“ der Budgetverantwortlichen und einflussreichen Interessengruppen waren durch Verkaufszahlen und Einsparungen leicht zu gewinnen, und diese rationalen und schlagenden Argumente erleichterten die Einführung von Resilienz-Trainings. Dennoch herrschte ein eher emotionales Misstrauen gegen Trainings mit einem „psychologischen“ Hintergrund vor. Ängste kamen hoch, wenn es darum ging, sich mit einem Thema zu beschäftigen, dass so eng mit Stress am Arbeitsplatz verbunden war. „Resilienz-Trainings“ waren einigermaßen stigmatisiert. Sie schienen sich an diejenigen zu richten, die nicht mit Belastungen zurechtkamen. Diese Wahrnehmung erschwerte es, dass die Entwicklung von Resilienz in Organisationen angenommen wurde, obgleich die finanziellen und anderen Vorteile gut belegt waren. Verbunden mit diesen Vorbehalten wurden die Programme zur Stärkung von Resilienz argwöhnisch betrachtet, weil man sie für einen manipulativen „Management-Trick“ hielt, der dazu angelegt ist, sicherzustellen, dass immer mehr Druck auf die Arbeitnehmer ausgeübt werden kann, um Output und Profit zu maximieren.

Während solche Vorbehalte immer noch deutlich werden, steht ihnen die wachsende Überzeugung entgegen, dass die Fähigkeit, Belastungen standzuhalten, eine wichtige Kompetenz am Arbeitsplatz darstellt. Auch wurde die Akzeptanz dadurch erhöht, dass Resilienz-Trainings weniger als Heilmittel, sondern als ein auf Stärken basierender Ansatz gesehen werden, dessen Wurzeln in der immer populärer werdenden Bewegung der Positiven Psychologie liegen. Darüber hinaus haben jüngste Untersuchungen und die Praxis gezeigt, dass es zwischen dem individuellen Wohlbefinden und den Ergebnissen der Organisation (dazu gehört auch die Produktivität) eine starke und unmittelbare Verbindung gibt.

Es besteht immer die Gefahr, dass ein Werkzeug oder eine Methode dazu benutzt wird, auf zynische Weise Menschen oder Ressourcen auszubeuten, aber das steigende Augenmerk auf das Wohlbefinden am Arbeitsplatz hilft sicherzustellen, dass solche Interventionen sowohl zum Wohle des Individuums als auch der Organisation eingesetzt werden.

In Kapitel 3 zeichnen wir eingehender nach, wie die Entwicklung von Resilienz über die letzten zwanzig Jahre Einzug in die Organisationen gehalten hat, wobei der Impetus mittlerweile so groß ist, dass Resilienz „als Idee, deren Zeit gekommen ist“ begriffen wird. Als Konsequenz suchen nun zukunftsgerichtete Führungsteams angemessene Entwicklungsmethoden für alle Mitglieder ihrer Organisation, Gruppen von Entscheidungsträgern oder diejenigen, die besonderen Belastungen ausgesetzt sind. Wir stellen eine größere Akzeptanz für diese Art von Unterstützung bei Führungskräften fest, wenn es auch vielen immer noch schwerfällt, sich das einzuge­stehen.

Die Geschichte von den zwei Vorstandsvorsitzenden

Wenn es um die Belastung geht, die ein Führungsposten mit sich bringt, dann besteht kein Zweifel, dass jeder Chef eines Unternehmens mit Herausforderungen konfrontiert wird, die manchmal unüberwindbar scheinen. Um überhaupt solch einen Posten zu bekommen, ist ein hohes Maß persönlicher Resilienz nötig, was aber nicht gleichzustellen ist mit Unverwundbarkeit. Mehr als ein CEO hat uns berichtet, dass die Ernennung zum Geschäftsführer die steilste – und einsamste – Lernkurve mit sich brachte, die sie oder er jemals durchgemacht hat.

Nehmen wir die beiden folgenden Geschichten: Die erste handelt von dem Gründer eines der weltweit erfolgreichsten Hi-Tech-Unternehmen, der unter Belastungen, die der Rest von uns sich kaum vorstellen kann, aufblühte, um dann einer Krebserkrankung zu erliegen, die gemeinhin als heilbar gilt. Gefragt, warum eine Operation aufgeschoben wurde, antwortete der Autor von Steve Jobs Biografie: „Ich glaube, er hatte irgendwie das Gefühl: Wenn man etwas ignoriert, von dem man nicht will, dass es existiert, können Gedanken Wunder bewirken. In der Vergangenheit stimmte das für ihn. Er hat es bereut.“7

Unsere zweite Geschichte handelt von dem CEO der größten Privatkundenbank in Großbritannien, der sich für längere Zeit krankmeldete, nachdem er unter „Erschöpfungszuständen aufgrund von Überarbeitung“ litt. Dennoch „sagen Kollegen von ihm, er ist detailbesessen, reagiert gelassen auf Belastungen und zeigt wenig Anzeichen von Stress.“8

Natürlich werden wir in beiden Fällen nie erfahren, was wirklich schiefgelaufen ist. Dennoch zeigen diese kurzen Anekdoten, dass persönliche Resilienz nicht einfach abzutun ist, dass auch die Stärksten eine Achillessehne haben und dass immer die Gefahr besteht, von just den Qualitäten und Haltungen beeinträchtigt zu werden, die viele Jahre lang die Basis unseres Erfolgs dargestellt haben.

Vor dem Hintergrund dieser beiden Geschichten werden fünf grundlegende Prinzipien deutlich:

  1. Individuen unterscheiden sich sowohl in der Art als auch im Maß ihrer Fähigkeit, Belastungen und Rückschlägen gewachsen zu sein.
  2. Psychologische Resilienz ist komplex und nicht eindimensional. Es ist keine Eigenschaft, die wir haben oder nicht haben – die meisten von uns sind in gewisser Hinsicht resilient, bei anderen Themen weniger.
  3. Auch die Menschen mit sehr hoher Resilienz haben ihre Grenzen, obgleich sie sich dessen nicht unbedingt bewusst sind, wenn sie diese Grenzen erreicht haben.
  4. Bestimmte Qualitäten und Haltungen, wie Optimismus oder Selbstvertrauen, können in den meisten Situationen unsere Resilienz stärken, können aber auch Schaden anrichten, wenn sie zu extrem sind.
  5. Resilienz resultiert aus der Interaktion eines Individuums und einer Situation, es ist kein statisches Persönlichkeitsmerkmal und kann weiterentwickelt werden.

Übersicht über den Inhalt

Unser Ziel ist es, mit diesem Buch einen Rahmen zu schaffen, der die Integration von Entwicklungsmaßnahmen für persönliche Resilienz innerhalb einer breit angelegten Strategie erlaubt, um sowohl individuelles Wohlbefinden als auch die Leistung der Organisation zu verbessern. Dabei möchten wir zu einem Verständnis des Arbeitskontexts beitragen, insbesondere zu der Einsicht, was die Hauptursachen von Belastungen am Arbeitsplatz sind und wie Unterstützung aussehen kann. Ohne dieses Verständnis ist es schwer möglich, das Beste aus den Chancen zu machen, die das Stärken von Resilienz am Arbeitsplatz mit sich bringt. Doch ist es ein Kontext, der zu weit mehr Verbesserungen führen kann als das weitverbreitete Format einer kurzen, einmaligen Trainingseinheit.

Teil I

Resilienz verstehen

In Kapitel 1 geht es um die Frage, was die individuellen Unterschiede ausmacht, und es wird ein Bezugssystem aufgestellt, um die Stärken und Risiken persönlicher Resilienz einzuordnen. Wir präsentieren eine detailliertere Definition von Resilienz und geben eine Übersicht über die relevante Forschung sowie über verschiedene Diagnosemethoden und Ansätze.

Den Einzelnen in der Organisation schauen wir uns in Kapitel 2 an. Wir beschreiben die Hauptursachen für Belastungen am Arbeitsplatz und wie Unterstützung aussieht. Darüber hinaus diskutieren wir, wie beides Individuen unterschiedlich beeinflusst, bestimmt von der Beschaffenheit und dem Maß der individuellen Resilienz. Das Hauptaugenmerk liegt hier auf der Interaktion einer Person mit ihrer Arbeitssituation und der Art und Weise, wie die individuellen Resilienz-Ressourcen von dieser Interaktion gestärkt oder unterlaufen werden.

Kapitel 3 beschreibt die Geschichte „früher und heute“ für die Leser, die aus beruflichen Gründen den Hintergrund verstehen möchten, wie die Entwicklung der Resilienz-Forschung verlaufen ist, um sicherzustellen, dass es sich bei der Stärkung von Resilienz nicht nur um eine „Eintagsfliege“ in ihrer Organisation handelt.

Teil II

Resilienz stärken

Die Kapitel 4 und 5 behandeln die Dinge, die jeder Einzelne tun kann, um seine Resilienz zu entwickeln, sowohl allein als auch mit der Unterstützung seines Arbeitgebers. Die Betonung liegt hier darauf, dass die Stärkung der Resilienz das Streben des Einzelnen und ein „lebenslanges“ Unterfangen ist – auch wenn der Katalysator dafür und die Unterstützung im Berufskontext liegen. In Kapitel 4 geht es vor allem darum, die persönliche Ausgangssituation zu erkennen und zwei der wichtigsten Techniken für die Bildung von Resilienz anzuwenden, die sich dem Bedarf entsprechend auf eine Vielzahl von Situationen und in unterschiedlichen Kontexten anwenden lassen. Wie persönliche Resilienz innerhalb des Rahmens der vier Haupt­elemente von Resilienz, die in Kapitel 1 vorgestellt werden, gestärkt werden kann, wird in Kapitel 5 beschrieben.

In Kapitel 6 und 7 konzentrieren wir uns darauf, was Manager und Beschäftigte tun können, um die Stärkung von Resilienz zu fördern. Zum einen geht es um Interventionen, die Resilienz fokussieren, wie Coaching und Resilienz-Workshops (Kap. 6), zum anderen um gute Verfahren und Strategien des Managements, die für die Entwicklung von Resilienz besonders relevant sind (Kap. 7). Wir differenzieren zwischen der Verbesserung der Resilienz auf individueller Ebene und auf der Ebene des Teams, dabei beziehen wir uns mit dem Begriff „Team-Resilienz“ auf einen eher vorübergehenden Zustand eines Kollektivs.

Teil III

Stärkung der Resilienz für zukünftigen Erfolg

In Kapitel 8 präsentieren wir eine Übersicht der Implikationen für Arbeitgeber und entwerfen darüber hinaus ein Bild, wie in Zukunft verschiedenartige Maßnahmen in Teams und Organisationen aussehen könnten.

Anhang

Anhang I bietet einen Leitfaden, um Ihren persönlichen Resilienz-Plan aufzustellen, und in Anhang II führen wir eine detaillierte Liste mit Themen auf, die in einem Resilienz-Training und bei dessen Entwicklung berücksichtigt werden können.

Schließlich müssen wir in dieser Einführung auch klarstellen, was wir in diesem Buch nicht behandeln werden. Da wir uns auf die Resilienz von einzelnen Personen beschränken, geht es nicht um Detailfragen über Resilienz in Gruppen oder Organisationen. Organisations-Resilienz ist viel mehr als die Summe der individuellen Resilienz von Angestellten, Managern und Führungskräften. Sie umfasst solch unterschiedliche Kompetenzen wie Notfallmaßnahmen für Technologie-Systeme oder langfristige Finanzplanung. So hängt die Resilienz von einzelnen Abteilungen und Teams als kollektive Charakteristik einer Gruppe von verschiedenen Faktoren ab wie Angemessenheit der Ressourcen, effektiven Kommunikationswegen, effizienten Strukturen oder einem konstruktiven Führungsstil.

Kurz gehen wir auf eine Art von Gruppen-Resilienz ein, die wir „Team-Resilienz“ nennen. Sie wird erreicht, wenn ein hohes Maß an Wohlbefinden die Fähigkeit des Teams stärkt, mit Rückschlägen umzugehen und auch angesichts großer Herausforderungen weiterzumachen. Team-Resilienz ist ein Produkt aus effektivem Management der Auslöser von Belastungen am Arbeitsplatz und entsprechender Unterstützung (s. Kap. 2), was auch einen großen Einfluss auf die individuelle Resilienz hat. Jedoch sind diese beiden Themen ganz unterschiedlich. Eine Darstellung von Team-Resilienz würde den Rahmen dieses Buches sprengen.

Kurzanleitung für die Nutzung dieses Buches

Hier folgt ein kurzer Leitfaden zum Gebrauch des Buches, um Ihre eigenen Interventionen zur Stärkung von Resilienz zu konzipieren:

Zusammenfassung des Kapitels

Relevanz für die Planung

1. Kapitel

beantwortet die Frage nach individuellen Unterschieden und entwirft einen Rahmen für das Verständnis der persönlichen Stärken und Risiken für Resilienz. Es wird eine Übersicht über die relevante Forschungslage präsentiert, ebenso wie verschiedene Diagnostikinstrumente und Herangehensweisen.

Bietet die wissenschaftliche Grundlage, um das Wesen individueller Resilienz und wie sie sich entwickelt zu verstehen und zu erklären.

Führt ein Modell mit vier Elementen ein, das zur Beschreibung und Bewertung individueller Resilienz-Ressourcen dient.

Einige der wichtigsten diagnostischen Messwerte werden vorgestellt, die bei dem Modul Selbsteinschätzung und Entwicklungsplan Ihrer Intervention wichtig sind.

2. Kapitel

Es geht um den Einzelnen in seinem Arbeitskontext. Die Hauptursachen von Belastungen und Unterstützung am Arbeitsplatz werden beschrieben sowie die Art und Weise, wie diese uns individuell unterschiedlich beeinflussen. Die Interaktion zwischen Person und Arbeitssituation wird untersucht, ebenso in welcher Weise die Resilienz-Ressourcen dadurch entweder gefördert oder unterminiert werden.

Verschiede Ursachen von Belastungen und Unterstützung am Arbeitsplatz werden anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse dargestellt.

Es wird erklärt, wie sich Resilienz am Arbeitsplatz entwickeln kann.

Präsentiert ein Modell mit sechs Elementen, mit dessen Hilfe der Einfluss von beruflichen Faktoren auf die individuelle Resilienz erhoben und gemanagt werden kann.

3. Kapitel

zeichnet die Entwicklung des Verständnisses von Resilienz nach, stellt den Hintergrund dieses Konzepts dar und vermittelt einen breit angelegten systemischen Ansatz. Es wird gezeigt, dass es sich bei der Stärkung von Resilienz nicht um eine vorübergehende Modeerscheinung handelt.

Vermittelt einen umfassenden historischen Abriss, um neue Maßnahmen zu entwickeln oder zu beauftragen.

Erklärt, warum Resilienz unternehmensweites Stress-Management und Programme zur Verbesserung des Wohlbefindens von Mitarbeitern ergänzt.

Beschreibt eingehender, wie das Wissen um Belastungen am Arbeitsplatz und der Einfluss von Vorgesetzten dazu genutzt werden kann, Resilienz und Wohlbefinden
zu verbessern.

4. und 5. Kapitel

Was kann der Einzelne tun, um seine Re­silienz sowohl selbst als auch mithilfe des Arbeitgebers zu fördern? Die Betonung liegt hier darauf, dass Resilienz das Bemühen des Einzelnen ist, das ein Leben lang währt, auch wenn der Arbeitskontext dieses Bestreben unterstützt.

Geben Details und Literaturempfehlungen zu den Techniken, die vom Einzelnen erlernt und angewendet werden können, sei es im Rahmen von Resilienz-Trainings im Unternehmen oder allein.

Präsentieren weitere Informationen über die beiden einflussreichsten und flexibel einsetzbaren Techniken für die Verbesserung von Resilienz.

Beschreiben Techniken, die sich besonders anbieten, jede einzelne Komponente von Resilienz (z. B. Zuversicht) zu verbessern.

6. und 7. Kapitel

Unterstützung von Resilienz durch Führungskräfte und Organisationen. Dabei geht es um Interventionen, die Resilienz unmittelbar verbessern sollen (wie etwa Workshops) sowie generell gute Führungspraxis, die dieses Ziel verfolgt. Es wird der Unterschied zwischen der Verbesserung der Resilienz des Einzelnen und besserem Wohlbefinden im Team (Team-Resilienz) erklärt.

Vor dem Hintergrund eines breiteren Kontexts von Führung und Organisationsentwicklung und anhand von Praxisbeispielen wird

  • erläutert, wie Manager und Vorgesetzte die Entwicklung von Resilienz bei ihren Mitarbeitern fördern können,
  • anhand von anerkannten bzw. bekannten Führungsmodellen beschrieben, wie die Stärkung von Resilienz in Führungskräftetrainings integriert wird,
  • illustriert, wie gutes Management und Führungspraxis dabei helfen, Resilienz zu fördern.

8. Kapitel

bietet eine Übersicht über die Implikationen für Arbeitgeber. Praktische Beispiele erklären die unterschiedlichen Ausprägungen von Interventionen für Teams und ganze Organisationen. Ein Leitfaden erklärt, wie man mithilfe dieses Buches Maßnahmen für das eigene Unternehmen entwickeln kann.

Es wird eine Übersicht über Schlussfolgerungen und Prinzipien gegeben.

Praktische Szenarien für resilienzfördernde Interventionen werden entworfen,
Praxisbeispiele helfen dabei.

Anhang I

stellt einen Leitfaden für die Planung auf, um die eigene Resilienz zu stärken.

Anhang II

beinhaltet eine detaillierte Liste mit Themen für ein Resilienz-Training.

3. Stärkung von Resilienz im Laufe der Jahre: von einer Abhilfemaßnahme zur Leistungssteigerung

In den letzten 20 Jahren wurden in verschiedenen Formen und Kontexten zahlreiche Maßnahmen zur Stärkung von Resilienz entwickelt. Trotz durchgängig guter Ergebnisse konnten sie sich nicht etablieren. Zurzeit jedoch scheint sich dies zu ändern. Die Nachfrage an Resilienz-Trainings ist höher als jemals zuvor. Scheinbar erfreut sich persönliche Entwicklung mittlerweile einer größeren Akzeptanz – nicht nur in den Personalabteilungen, in der Bildungsbranche oder der Psychologie. Ebenso offensichtlich üben ökonomische und soziale Umstände großen Druck auf die Arbeitswelt aus. Das ist sicherlich auch schon zuvor der Fall gewesen, doch wahrscheinlich wird dieser Druck auch in der Zukunft unvermindert zunehmen.

Unserer Meinung nach gibt es aber noch viel Arbeit, um sicherzustellen, dass die Entwicklung von Resilienz am Arbeitsplatz gut gestaltet, weit verbreitet und mit der Zeit wohlfundiert ist, um nachhaltige Ergebnisse für Individuum und Organisationen gleichermaßen sicherzustellen. Ist dies auch Ihr Ziel, ist es sinnvoll, sich anzuschauen, was bisher auf diesem Gebiet passiert ist.

3.1 Unterstützung bei Verlust des Arbeitsplatzes und Programme zur Wiedereingliederung in den Job

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, wurde Resilienz-Training überraschenderweise im privaten Sektor nur zögerlich angenommen, obgleich die Ergebnisse der Fortbildungsprogramme der University of London in den frühen 1990er-Jahren bestechend waren. Jedoch bekam dieser Ansatz mehr Zugkraft bei der Unterstützung bei Arbeitslosigkeit und Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Dies geschah zu einer Zeit, als sich die Menschen in Großbritannien an die Idee gewöhnen mussten, dass massenhaft Personalabbau betrieben wurde und die Outplacement-Branche eine der wenigen war, die beständig wuchs. Einige Anbieter von Outplacement-Services, die Arbeitnehmer aus ihrer Beschäftigung heraus an andere Unternehmen vermitteln, führten Resilienz-Training als einen Bestandteil ihres Angebots ein. Diese Trainings basierten auf dem Modell der University of London.

In diesem Kontext spielten die Vorbehalte gegen psychologische Interventionen weniger eine Rolle, da auf diesem Sektor Beratung und Trainingsmaßnahmen zur Stärkung von Durchsetzungskraft und interpersonellen Kompetenzen zur Tagesordnung gehören. Allerdings gab es andere Hürden, wie es häufig bei Finanzdienstleistern und Outplacement-Organisationen der Fall ist. Insbesondere lagen diese darin begründet, dass die Teilnehmer, auf denen sich die Ergebnisse der Studie von der University of London bezogen, jede Woche einen halben Tag lang den Kurs besuchten, in dem sie das Gelernte im Alltag anwendeten und individuell übten. Während dieses Vorgehen allgemein Anerkennung fand, barg es jedoch viele Hindernisse auf praktischer Ebene, nicht zuletzt hinsichtlich der Organisation und der Kosten. Daher wurden Elemente dieses Modells in bereits bestehende Trainings und Einzelsitzungen übernommen, und eine weitere Verbreitung des vollständigen Trainingsprogramms fand nicht statt.

Mittlerweile sind viel mehr Berater, Trainer und Coaches mit den Prinzipien der kog­nitiven Verhaltenspsychologie vertraut, die dem Resilienz-Training der ­University of London zugrunde liegt. Das war in den 1990er-Jahren nicht der Fall, was vielleicht auch ein Grund dafür war, dass die Entwicklung individueller Resilienz bei Outplacement-Maßnahmen unberücksichtigt blieb, obgleich deren Effizienz gut belegt war.

Die Ergebnisse beweisen, dass die Teilnehmer innerhalb von vier Monaten nach Abschluss des Trainings signifikant erfolgreicher bei der Jobsuche waren als eine Kontrollgruppe, die eine andere Art von Bewerbungstraining hinter sich hatte.63

Natürlich waren diese Ergebnisse von großem Interesse für die Arbeitsagentur der damaligen Regierungsbehörde, die den Auftrag hat, die Beschäftigungszahlen in Großbritannien zu steigern. Die Arbeitsvermittlung war an der Studie über Resilienz-Training der University of London beteiligt und nutzte das Modell für ihre Trainingsprogramme.

Im Verlauf der Jahre sind ähnliche Programme in Großbritannien und anderen Ländern von ganz verschiedenen Regierungsorganisationen eingeführt worden, um die psychische Gesundheit von Arbeitslosen zu verbessern und die Arbeitslosenzahlen zu senken. Wie immer ist es schwer, den Fortschritt ungehindert voranzubringen. Im Rückgriff auf eine Evaluation einer Maßnahme in Australien stellen Vanessa Rose und Elizabeth Harris die Schwierigkeiten dar, groß angelegte, aus öffentlichen Geldern finanzierte Interventionen durchzuführen, auch außerhalb des Kontexts von umfassenden wissenschaftlichen Studien. Sie stellen fest: „Der einfache Beweis für die Effizienz einer Intervention reicht nicht aus, um für eine effektive Verbreitung unter arbeitslosen Menschen zu sorgen.“64

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ist die jüngste Umsetzung eines von der britischen Regierung finanzierten Resilienz-Programms Teil eines Kompetenztrainings unter dem Banner des Youth Contract, einer Strategie, die sich speziell auf die Reduzierung von Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen richtet. Bei diesen Maßnahmen findet auch mentale Resilienz Berücksichtigung.

3.2 Karrierefaktor Resilienz

In den USA waren in den 1990er-Jahren viele Unternehmen, besonders aus der Informationstechnologie-Branche, offen für die Idee der „beruflichen Resilienz“. Sie wurde definiert als „die Fähigkeit, die eigene Karriere in einer sich sehr schnell wandelnden Umwelt zu gestalten. Das Ergebnis von Selbstbewusstsein in beruflicher Hinsicht … die Fähigkeit, sich an neue Umstände anzupassen, auch wenn diese entmutigend und störend sind.“65

Diese Beschreibung zeigt, wie ähnlich dieses Konzept dem der persönlichen oder individuellen Resilienz ist, wie wir es in diesem Buch definiert haben. In der Praxis wurde diese Idee jedoch speziell dafür entwickelt, um Karriereentwicklung und Maßnahmen zur Karrieregestaltung zu verbessern. Dies war die Antwort auf den steten Wandel der Beschäftigung und auf das, was als Niedergang des traditionellen, linearen Berufsweges und des „Jobs fürs Leben“ gesehen wurde. Technologieunternehmen, wie Sun Mikrosystems in Kalifornien, machten diese Idee publik und ermunterten ihre Angestellten, die ganze Branche als ihren Arbeitgeber zu betrachten, nicht nur das jeweilige Unternehmen. Maßnahmen in Organisationen konzentrierten sich darauf, eine „in beruflicher Hinsicht resiliente Belegschaft“ zu entwickeln – eine Gruppe karriereorientierter Arbeitnehmer, die nicht nur von der Idee des lebenslangen Lernens begeistert sind, sondern auch bereit sind, sich immer wieder neu zu erfinden, um mit dem Wandel mithalten zu können, die die Verantwortung für die Gestaltung der eigenen Karriere übernehmen und sich nicht zuletzt für den Erfolg ihres Unternehmens engagieren.“66

Dieser Ansatz war so erfolg- wie einflussreich, obgleich die Umsetzung der Maßnahmen nicht wie gewünscht weitreichend angelegt war, sondern in einigen Fällen sogar beeinträchtigt wurde, weil man einige der innovativsten und reflektiertesten Besonderheiten nicht verstanden, geschweige denn umgesetzt hatte. Eine vereinfachte Herangehensweise an diesen Ansatz konnte dazu führen, dass eine Organisation bezichtigt wurde, ihre Verantwortung bei der Karriereförderung abzugeben. Ein wichtiges Prinzip bestand darin, anzuerkennen, dass Berufstätigkeit einem steten Wandel unterliegt und eine Investition in Maßnahmen sinnvoll ist, die Arbeitnehmern helfen, die Entwicklung ihrer „mobilen“ Fertigkeiten und Fähigkeiten wertzuschätzen und für sie Verantwortung zu übernehmen.

Lesern, die im Rahmen der persönlichen Resilienz insbesondere am Aspekt Karriereentwicklung interessiert sind, empfehlen wir die Literatur über Resilienz als Karrierefaktor. Sun Microsystems und andere Unternehmen aus dem Silicon Valley sind gute Beispiele für die Umsetzung dieser Methoden. Der Artikel „Toward a Career-Resiliant Workforce“67 aus der Harvard Business Review bietet eine gute Grundlage.

3.3 Stress und Stressmanagement in Organisationen

Innerhalb des privaten Sektors gibt es eine Branche, die schon seit vielen Jahren eine umfassendere Herangehensweise in Bezug auf das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter hat, dazu gehören auch Aspekte des mentalen Wohlbefindens wie beispielsweise Stressmanagement und Resilienz. Es ist leicht nachvollziehbar, dass Gesundheitsorganisationen im Allgemeinen und Pharmaunternehmen im Besonderen seit jeher weniger davor zurückschrecken, sich mit Themen der psychischen und physischen Gesundheit auseinanderzusetzen. Aus der Perspektive der Markenbildung und des Rufs des Unternehmens erheben viele von ihnen in der Tat ganzheitliche Maßnahmen für das Wohlbefinden der Angestellten zur Priorität.

Häufig sind das Trainingsangebote für die Mitarbeiter, um deren Resilienz zu stärken. Zum Beispiel bietet GlaxoSmithKline (GSK), ein britisches Pharmaunternehmen mit Hauptsitz in London, ein Resilienzprogramm an, bei dem alle Mitarbeiter – das sind ca. 99.000 weltweit – an einem dreieinhalbstündigen Workshop teilnehmen. In einer Fallstudie auf der Website des britischen Ministeriums für Arbeit und Renten wurde darauf hingewiesen, dass der GSK-Workshop „die Prinzipien des Energie-Managements berücksichtigt“ und „den Angestellten [ermöglicht], ihren Energiehaushalt zu verbessern und Verhaltensweisen anzunehmen, die der Gesundheit, der positiven Einstellung und der Resilienz des Einzelnen dienen.“68

Im Großen und Ganzen nimmt der Gesundheitssektor normalerweise eine Vorreiterstellung ein, wenn es um Best-Practice-Studien hinsichtlich des Wohlbefindens von Mitarbeitern geht. Eine detaillierte Fallstudie lieferten Fikry Isaac und Scott Ratzen von Johnson & Johnson aus den USA, einem Unternehmen, das die beiden Autoren als „die weltweit größte Firma im Gesundheitswesen“69 bezeichnen.

In diesem Buch differenzieren wir bewusst individuelle Resilienz von einem allgemein guten psychischen oder mentalen Gesundheitszustand. Darüber hinaus möchten wir betonen, dass die Stärkung von Resilienz nur ein einzelnes Element der Verbesserung im Umgang mit Stress und dem Wohlbefinden von Mitarbeitern in Organisationen ist. Allerdings besteht ein enger Zusammenhang zwischen den drei Faktoren individuelle Resilienz, Stressmanagement und Allgemeinbefinden.

Daher ist es sinnvoll, sich an dieser Stelle die Zeit zu nehmen, um die Entwicklung von individueller Resilienz in den Kontext des allgemeinen Stressmanagements und der Unternehmensinitiativen zum Wohle der Mitarbeiter zu setzen. Schauen wir uns zunächst einmal an, wie sich dieser Bereich innerhalb des Gesundheitswesens entwickelt hat: Als in den 1990er-Jahren der Druck durch Unternehmenszusammenschlüsse und andere Wirtschaftsfaktoren stieg, begannen Unternehmen wie Glaxo, Wellcome und deren Konkurrenten, hinsichtlich des Wohlbefindens ihrer Angestellten das Augenmerk stärker auf die Sensibilisierung gegenüber Stress und auf das Stressmanagement zu richten. Dieser Ansatz war im Wesentlichen dem Risiko-Management geschuldet und wurde zugunsten der Erhaltung der Arbeitskraft vorangetrieben. Daher war er in seinem Ursprung und in seiner Ausrichtung ein ganz anderer als der, der den Untersuchungen der University of London innewohnte. Diese zielten auf die individuellen Resultate für den Einzelnen (Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt) und das Unternehmen (Verkaufszahlen, Bindung von Angestellten etc.) ab.

Zunächst ging es sowohl in der Forschung als auch in der Praxis darum, das Stressniveau der einzelnen Mitarbeiter zu senken – eine Strategie, in der das Training zur Stärkung von Resilienz seinen Stellenwert hat. Jedoch wurden schnell die Grenzen dieses Ansatzes deutlich. In Veröffentlichungen von Cary Cooper und Susan Cartwright70, von Sydney Finkelstein und Cary Cooper71 und von Jac van der Klink72 wurde darauf hingewiesen, dass das Problem eher strategisch angegangen werden müsse, indem die Ursachen von Stress innerhalb des Unternehmens identifiziert und gelenkt werden müssten.

Als die britische Health and Safety Executive (HSE), die in Großbritannien für wesentliche Bereiche des Arbeitsschutzes zuständig ist, 2002 eine Best-Practice-Studie zum Thema Stressmanagement in Auftrag gab, begannen die Unternehmen im Gesundheitswesen, sehr viel umfassendere Interventionen einzuführen. Die Studie, die unter dem Namen „Beacons of Excellence“73 („Leuchtturm der Exzellenz“) bekannt wurde, bestätigte die Vorreiterstellung multinationaler Pharmaunternehmen unter den Organisationen im privaten Sektor, angesichts der Summen, die sie in die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeiter investierten. Die Studie machte auch das diesbezüglich weitverbreitete Commitment der Unternehmen im privaten Sektor deutlich. Dabei wurden verschiedene Beiräte und die Treuhandgesellschaften des National Health Service, NHS, als „Leuchttürme der Exzellenz“ ermittelt, da sie Präventionsstrategien gegen Stress und niedrigschwellige Interventionen (um die Ursachen von Stress am Arbeitsplatz anzugehen) umsetzten.

Bei diesen Unternehmen und Organisationen, die willens waren, in die Verbesserung des Stressmanagements zu investieren, war die Idee, strukturell bedingte Stress-Ursachen zu ermitteln und zu bekämpfen, mittlerweile fest verankert. Gemeinsam mit den universitären Forschern und öffentlichen Einrichtungen wie der HSE und der Teilnahme an Projekten wie dem „Beacons of Excellence“ trugen diese Organisationen dazu bei, ein gemeinsames Verständnis davon zu entwickeln, was bei der Ermittlung und beim Risiko-Management von Stress am Arbeitsplatz als positiv gelten kann. Wesentlich dafür war die Einteilung der Stress-Management-Interventionen in drei verschiedene Ebenen. Im folgenden Kasten sind die drei Stufen erläutert:

Ebenen der Stress-Management-Intervention:

  1. Stufe: den / die Stressoren am Arbeitsplatz ausmerzen oder zumindest den Mitarbeiter der Ursache der Negativbelastung (bzw. der „hindernden“ Belastung) weniger aussetzen. Das bezieht wahrscheinlich eine Änderung der Strategie, des Vorgehens, Strukturen, Abläufe oder Prozesse mit ein.
  2. Stufe: Sie zielt auf die individuelle Fähigkeit ab, mit Ursachen von Belastungen am Arbeitsplatz umzugehen, insbesondere solchen, die sich durch primäre Interventionen (Stufe 1) nicht beheben lassen. Dazu gehören häufig Maßnahmen wie Training oder Coaching.
  3. Stufe: Hier erhalten einzelne Mitarbeiter Unterstützung, um sich von den negativen Auswirkungen des durch Arbeit oder durch private Gründe ausgelösten Stresses oder Anstrengungen zu erholen. Normalerweise besteht sie in individueller Beratung, häufig durch einen externen Anbieter im Rahmen eines Employee Assistance Programs (EAP; „Unterstützungsprogramm für Mitarbeiter“).

Fortbildungen zur Stärkung von Resilienz am Arbeitsplatz fallen in die 2. Kategorie der Interventionen. Obgleich diese Kurse nicht die ursächlichen Stressquellen beheben, spielen sie eine wichtige Rolle. In der Praxis werden sie allerdings manchmal von einigen Arbeitgebern als „Pflaster“ gesehen, die die darunterliegenden Probleme nur abdecken, und tatsächlich besteht diese Gefahr. Man kann ihr begegnen, indem sichergestellt wird, dass Resilienz-Training ein Element einer umfassenderen und gut kommunizierten Strategie ist. Wie dies am besten geschieht, schildern wir in den folgenden Kapiteln.

Ohne diesen organisatorischen Rahmen können Führungskräfte schnell frustriert werden, wenn sie den Wert eines Resilienz-Trainings erkennen und es mit den besten Absichten in ihrem Bereich einführen wollen. In ein solches Projekt waren wir involviert. Der Bereichsleiter einer wichtigen Schaltstelle einer Firma aus dem Finanzsektor gab den Auftrag für eine Reihe von Resilienz-Workshops. Sie waren Teil eines umfassenden Programms, um das Führungsteam und eine Gruppe Mitarbeiter dabei zu unterstützen, einige besonders große Herausforderungen im Zuge einer Unternehmensrestrukturierung zu meistern.

Obgleich die Gesamtbewertung des Pilot-Workshops positiv ausfiel und obgleich andere Maßnahmen des Führungsteams, um Belastungen am Arbeitsplatz einzudämmen, klar kommuniziert wurden, stagnierte die weitere Umsetzung der Workshops. Der Bereichsleiter führte das darauf zurück, dass die Teilnehmer die Workshops als Versuch ansahen, die eigentlichen Probleme der Mitarbeiter nicht angehen zu müssen. Ihm war klar, dass dies möglich war, doch war er von dem Zynismus seiner Mitarbeiter enttäuscht, da das Führungsteam seine Mitarbeiter sonst engagiert unterstützte.

Solche Verläufe sind keinesfalls ungewöhnlich und im Laufe der Jahre zeigten sich Führungskräfte zögerlich, solch ein Risiko einzugehen, auch wenn sie von den Vorteilen solcher Programme überzeugt waren. Auch von anderen Seiten gab es Druck, um die Programme zur Unterstützung der Mitarbeiter umzusetzen. Angesichts der Entwicklung von Maßnahmen zur Stärkung von Wohlbefinden am Arbeitsplatz ist es verständlich, dass Akademiker und Arbeitnehmervertretungen in den letzten zehn Jahren auf Maßnahmen der 1. Stufe gedrängt haben. In den 1990er-Jahren wurden die Maßnahmen der 3. Stufe weitestgehend akzeptiert und sind mittlerweile etabliert. Während die Unternehmen wachsendem externen ökonomischen und umweltbedingten Druck ausgesetzt sind, wird ihr Engagement für Interventionen der 1. Stufe immer stärker.

Daraus resultierend tendierten diejenigen Organisationen, die Best Practices im Stressmanagement bereitwillig umsetzen, dazu, die Risiken von Stress zu bewerten und dementsprechend Handlungspläne zu entwickeln. In Großbritannien wurden von der HSE und einer Anzahl kommerzieller Unternehmen Online-Tools zur Erhebung von Stress eingeführt. Die meisten Mitarbeiterbefragungen beinhalten nun auch einige Fragen zu Stress am Arbeitsplatz, um die Unternehmen darauf aufmerksam zu machen. Auf dem privaten Sektor verlässt man sich gemeinhin auf die jährliche Mitarbeiterbefragung, um systemimmanente Stress-Risiken zu erkennen, während auf Team- oder Mitarbeiterebene reaktive Maßnahmen umgesetzt werden. Im öffentlichen Sektor und im kommerziellen Gesundheitswesen verbreitete sich das Vorgehen, Belastungsursachen, die im Unternehmen begründet liegen, regelmäßig zu erfassen, stärker, wenn auch noch nicht durchgängig. Dies wiederum änderte sich mit Budgetkürzungen im öffentlichen Sektor und zentralisierten Mitarbeiterbefragungen sowie Trainingsmaßnahmen, Mitarbeiterentwicklung und den dazugehörigen Interventionen.74

Organisationen im öffentlichen Sektor haben angesichts dieser Beschränkungen ­wenig Spielraum, Stress-Risiken eingehend zu untersuchen oder die bereits erwähnten Interventionen umzusetzen, um die Ursachen von Stress am Arbeitsplatz besser handeln zu können. Diese Situation besteht trotz der Empfehlungen der britischen Regierung, die im Foresight Project on Mental Capital and Wellbeing75 (Vorsorge-Projekt für geistiges Kapital und Wohlbefinden) betont, wie wichtig regelmäßige Unternehmensüberprüfungen hinsichtlich Wohlbefinden und Ursachen von Stress sind.