Die grossen Western 164 – Blutiger Showdown

Die grossen Western –164–

Blutiger Showdown

Roman von U. H. Wilken

»Ich krieg’ sie alle.«

Wenn Maverick allein war, ging es um Leben und Tod.

Er war oft allein.

Auch an diesem frühen Morgen.

Unten am Berg ließ er Sattel- und Packpferd zurück, klemmte sich Winchester und Sharps unter die Achseln und stieg empor.

Über sich am Hang sah er in der Morgenröte die Hütte.

Im Tal hatte jemand ihm einen Tip gegeben. Fremde sollten oben in der alten Schäferhütte sein. Was sie dort wollten und wieviel es waren, so hatte er gesagt, wußte er auch nicht.

Langsam stieg Maverick immer höher.

Jäh stand er reglos. Ein Mann in Stiefeln und langer Unterhose kam aus der Hütte. Lässig warf er den Waffengurt mit Halfter und Colt über die nackte Schulter und trat schlendernd an den Abhang heran.

Plötzlich weiteten sich die Augen des halbbekleideten Halunken. Heiser schrie er auf, warf sich herum und riß den Gurt von der Schulter.

»Stehenbleiben!« brüllte Maverick, ließ die Sharps fallen, hob die Winchester an.

Blindwütig schoß der Halunke auf ihn.

Da feuerte Maverick.

Getroffen wirbelte der Halunke durch die offene Tür in die Hütte hinein und stürzte mit dem Tisch polternd zu Boden.

Sekundenlang war ein Mann schemenhaft an der Tür zu sehen – dann schlug die Tür zu. Gleichzeitig zerbrach die hintere Bretterwand der Hütte.

Klirrend zersplitterte die staubblinde Scheibe des kleinen Fensters.

Mündungsfeuer flammte auf. Schüsse krachten. Kugeln sirrten über den Hang, zwangen Maverick in Deckung.

»Ich krieg’ sie alle.«

Das, was er vor Wochen gesagt und was wie ein Schwur geklungen hatte schien sich nicht zu erfüllen. Maverick stieß auf erbitterten Widerstand.

Sie schossen wie wahnsinnig aus dem Fenster.

Das waren Killer. Mindestens zwei. Doch Maverick blieb kühl. Mit Widerstand hatte er gerechnet. Und einer der Halunken schied bereits aus. Dem war Mavericks Blei in die Knochen gefahren. Aber zwei könnten Maverick immer noch die Seele aus dem Körper pusten.

Schlagartig verstummten die Waffen.

Pulverrauch quoll aus Fenster und Fugen. Der beißende Geruch von verbranntem Pulver ließ einen der Halunken so heftig husten, als würde er jeden Moment ersticken.

Dumpf rumorte es dann, als sie den umgestoßenen Tisch als zusätzliche Deckung vor die Tür schoben.

Maverick kniete am Hang hinter einem Felsen. Noch hielt er die Winchester. Kalt überlegte er. Über die anfängliche Stärke der Bande wußte man nichts Genaues. Einst sollte die Bande aus zehn Mitgliedern bestanden haben. Inzwischen war sie geschrumpft, war zusammengeschossen worden. Maverick vermutete in der Hütte drei Mann. Und er war davon überzeugt, daß es die letzen drei Banditen waren.

»Kommt raus!« brüllte er nach oben. »Langsam. Mit erhobenen Händen! Einer nach dem anderen! Sonst schieße ich euch die Hütte weg!«

Wieder hustete drinnen jemand. Rauch zog auch nach hinten weg. Da mußte ein Loch in der Rückwand sein.

Mit schriller Stimme schrie einer der Halunken: »Komm doch rauf, du Misthund! Wir bekleckern die Felsen mit deinem Blut.«

Maverick nickte vor sich hin. So eine Antwort hatte er erwartet. Sie würden niemals aufgeben. Nur dann, wenn sie eine Kugel im Leib hatten.

Bedächtig legte er die Winchester hin und packte die Sharps. Langsam schob er den dicken Lauf über den Felsen. Eine doppelte Ladung wartete darauf, gezündet zu werden. Das 36kalibrige Geschoß hatte eine gewaltige Durchschlagskraft.

»Mein letztes Wort!« brüllte er hinauf. »Kommt und bringt den Verwundeten mit raus.«

»Hol uns doch«, schrie der Bandit mit der schrillen Stimme. Hohngelächter gellte durch die Morgenluft.

Wieder dröhnten Schüsse in der Hütte, weckten im weiten Tal hallende Echos, die selbst die ferne Ortschaft erreichten.

Kugeln schrammten über den Felsen. Maverick duckte sich. Fluchend riß er die schwere Sharps vom Felsen.

Oben polterten Pferde, brachen Bretter. Plötzlich schlugen Hufe mit hartem hellem Klang über Felsboden.

Trotz der Schüsse ruckte Maverick hoch, sah einen Reiter hinter den Felsklippen rechts von der Hütte verschwinden. Das geschah so schnell, daß er den Mann im Sattel nicht erkennen konnte.

Da oben gab es einen Weg.

Daran hätte er denken müssen. Denn im Nachbartal hausten Schafzüchter. Diese Hütte war ihr Beobachtungsposten. Von hier aus konnten sie die weit hinten im Tal gelegene Ortschaft sehen und die Leute im Tal beobachten. Schafzüchter waren unbeliebt, hatten stets Feinde.

Er wollte nach oben, doch der Halunke schoß auch jetzt noch.

Wenn Maverick die Hütte stürmen wollte, mußte er durch die Tür.

Die Zeit drängte. Der Reiter gewann einen Vorsprung.

Maverick legte die Sharps wieder auf den Fels, zielte und drückte ab. Die Büffelflinte entlud sich mit einem Donnerknall, sprengte ihre Ladung förmlich durch die Brettertür und ließ Holz durcheinander wirbeln. Mit einem knirschenden Geräusch fiel die Tür ins Innere der Hütte.

Maverick stürmte los, raste den Hang empor, hielt jetzt die Winchester gepackt.

Hinter der Hütte tobte ein Pferd los. Ein Reiter hetzte hervor, geriet in Mavericks Schußfeld. Die Winchester peitschte Blei über den Platz vor der Hütte. Der Reiter zuckte heftig, fiel nach vorn, blieb aber auf dem Pferd und folgte dem Komplicen.

Hart warf Maverick sich gegen die Hüttenwand. Rauch wallte aus Tür und Fenster. Irgendwer kroch über den Boden. Metall rieb aufeinander. Dann zerbrach knirschend Glas.

Der Halunke, den Maverick angeschossen hatte, richtete sich am Fenster auf. Zitternd vor Schwäche hob er die Hand mit dem Colt.

In diesen Sekunden warf sich Maverick in die Hütte hinein, rollte herum und kam mit der Winchester im Anschlag halb hoch.

»Gib auf!« brüllte er.

Doch der Halunke am Fenster glaubte an eine Chance, richtete den Colt auf ihn und wollte abdrücken.

Da spuckte die Winchester in Mavericks Händen Feuer. Der Schuß hob den Halunken auf die Fußspitzen und stieß ihn herum. Mit dem Oberkörper fiel er durch das Fenster, mitten in die Glassplitter hinein. Schlaff blieb er stecken, halb stehend, halb hängend – tot.

Maverick drang schon über zerbrochene Bretter durch das Loch in der Rückwand hinaus. Von der Hütte aus führte der Weg um den Berg und dann in die Tiefe des Nebentals.

Bei Sonnenaufgang ging er abwärts zu Sattel- und Packpferd. Über einen abseits gelegenen steilen Pfad ritt er zur Hütte und daran vorbei.

Der Weg war schmal. Er konnte das Packpferd nicht mehr hinter sich herziehen. Darum trieb er es voraus. Dornensträucher, Felsen und Kakteen verengten den Weg.

Plötzlich krachten Schüsse.

Kugeln zerrissen Blätter, schlugen gegen Felsen. Röhrend brach das Packpferd zusammen. Im Nu war Maverick aus dem Sattel, rannte geduckt nach vorn und sah noch, wie Staub hinter zwei Reitern hochschlug.

Die beiden Halunken glaubten, daß er nun ohne Pferd wäre. Sie wußten nichts von einem Packpferd.

Als er den Berg verlassen hatte, stieß er auf die Spuren der beiden Flüchtigen. Manchmal entdeckte er etwas Blut. Dem einen hatte er eins verpaßt. Die Wunde war vielleicht nicht schlimm, aber bestimmt schmerzhaft.

Die Spur führte nicht zu den Schafzüchtern.

Maverick folgte ihr kühl und gelassen. Vielleicht ritt er zum letztenmal auf der Spur von Banditen.

Ein Mann mußte wissen, wann Schluß war. Schluß mit dem Dasein als Gunfighter und Kopfgeldjäger.

*

Maverick kam gemächlich näher.

Vor ihm in der Abendsonne lag eine fremde kleine Stadt.

In dieser Stadt wollte er für immer Schluß machen. Siegen, um aufzugeben. Um für immer unterzutauchen.

Der Name der Stadt war auf dem staubbeschlagenen Holzschild nicht mehr zu entziffern. Er war auch unwichtig für einen Mann wie Maverick C. Rooster, der schon in über hundert Städten und Drecknestern gewesen war.

Nur drei Ortsnamen blieben wichtig für ihn, weil jene Städte zu rauhen Meilensteinen seines Lebens geworden waren. Omaha, Cottonfield und Sundance Corral.

Lässig lenkte er das Pferd hinter den Häusern entlang, überquerte schmutzige Hinterhöfe.

Er mied die Straße – bis er gefunden hatte, wonach er suchte.

Plötzlich stand er in der Tür des Sheriffs-Office. In einem zerschlissenen langen Staubmantel. Mit hochgeschlagenem Kragen. Den staubbeladenen Stetson tief in die Stirn gerückt.

Und er sagte rauh: »Zwei Spuren führen in die Stadt. Die Spuren von zwei Killern. Ihre Pferde stehen hinterm Saloon. Einen der Halunken hat es erwischt. Ich leg’ sie um. Halten Sie sich raus, Sheriff. Die beiden Mörder sind ’ne Nummer zu groß für Sie.«

Er machte kehrt und ging.

Der Sheriff starrte durch die leere Tür hinaus. Er hatte den großen Fremden erkannt.

»Großer Gott!« flüsterte er und kam hinterm Schreibtisch hoch. »Das war doch Rooster! Maverick C. Rooster. Die lebende Legende!«

Er tastete sich um den Tisch, näherte sich der Tür, hörte große feste Schritte und dann Hufschlag.

»Himmel!« ächzte er. »Jetzt auch noch Rooster! Zwei Revolverkönige in der Stadt! Das geht in die Geschichte ein!«

Er hastete hinaus und wollte Maverick etwas nachrufen. Zu spät. Rooster ritt schon davon, zum Stiefelhügel hinaus.

Gebannt blickte der Sheriff ihm nach.

In seinen Augen ähnelte Maverick C. Rooster einem herrenlos umherstreunenden Hund, war wie ein struppiger Wolfshund.

Aber Rooster war ein Wolf. Ein narbiger, zäher Wolf, der noch um sich biß. Die Indianer nannten ihn »Lobo Rooster«.

Rooster wollte allein sein. Wie immer, bevor er in den Kampf ging. Allein mit Winchester, Sharps und Colt.

Auf dem Friedhof fand er die Stille, die er brauchte.

Tief stand die Sonne fern über der Wüste. Durchhängender Telegrafendraht führte hinter den Häusern von Mast zu Mast in die Ferne, wo bronzefarbene Hitzeschleier längs des Horizonts dahinzogen.

Wind kam auf. Staub trieb über die Straße, wirbelte durch enge Gassen. Feiner Sand schlug gegen Fenster. Einige waren bereits von innen erhellt.

Winselnd fing sich der Wind in den eisernen Verzierungen alter rostender Kreuze, schüttelte die verwilderten Ziersträucher neben den eingesunkenen Gräbern.

Maverick blickte auf die zerbrochenen steinernen Namenstafeln. Hier lag sein Bruder nicht begraben. Er hatte auf dem Friedhof von Omaha sein Grab gefunden.

Maverick straffte die Schultern, stapfte los. Durch hartes Gras, Unkraut und Disteln. Vorbei an brüchigen Grabsteinen, die in das Abendrot emporragten.

Es war soweit. Der letzte Kampf. Und dann vergessen. Alles, was vorher war. Er wollte nicht mehr länger nach demjenigen suchen, den es vielleicht schon gar nicht mehr gab. Nach dem Mörder seines Bruders Benjamin.

Unten am Rand des Stiefelhügels stieg er in den Sattel, ritt langsam an und näherte sich dem Saloon.

Kurz davor rutschte er aus dem Sattel – und das Pferd ging weiter. Mit Sharps und Winchester in den Scabbards. So, als wäre es ohne Reiter in die Stadt gekommen.

Und genau vor der Schwingtür des Saloons blieb es am Straßenrand stehen. Hob den Kopf an, prustete laut und scharrte mit dem rechten Vorderhuf.

Im Saloon waren an diesem Abend wenige Gäste. Zwar hätten viele Einwohner gern mit eigenen Augen den berühmten zwielichtigen Revolverkönig gesehen, doch stilles Unbehagen hielt sie vom Besuch des Saloons ab.

Vor dem Saloon stampfte das Sattelpferd ziemlich heftig, als wollte es auf sich aufmerksam machen.

Stumm bediente eine junge Mexikanerin die beiden Fremden am Tisch in der Nische.

Als der eine nach ihrem Arm griff und sie an sich zog, sträubte sie sich, sagte aber kein Wort.

»Laß sie los, Fremder«, sagte der Mann an der Theke kühl, »sonst schieß ich dir den Kopf ab.«

Die bildschöne Mexikanerin kam frei und huschte barfuß durch einen Glasperlenvorhang nach hinten.

Auf dem dunklen Gang konnte sie kaum etwas erkennen. Jäh stieß sie mit Maverick zusammen, atmete geräuschvoll ein und wich ihm aus, preßte sich an die Wand und sah ihm nach.

Er näherte sich dem Perlenvorhang.

Das Mädchen schlich ihm lautlos nach.

Noch immer lehnte der in Schwarz gekleidete Revolvermann an der Theke. Er lächelte auf eine seltsame Art. Richtig genießerisch. Bedächtig fingerte er aus seiner langen Jacke ein Zigarillo hervor, rauchte es an und blickte kurz hinaus auf das Sattelpferd.

»Ihr bekommt Besuch, Jungs«, sagte er in freundlichem Ton, nickte den beiden Banditen am Tisch zu und langte nach dem Glas Whisky. »Ich bin nicht gemeint. Das weiß ich. Ich hab’ keine Freunde.«

Offensichtlich wußten die beiden Halunken nicht, wer vor ihnen an der Theke stand. Er hatte sie bislang aber auch noch nicht mit seinen blauen Augen kalt angesehen.

»Wir haben auch keine Freunde!« fauchte der Bandit, der nicht verwundet worden war, und bekam einen Hustenanfall. »Wer, zum – Teufel, bist – du?«

»Das ist jetzt unwichtig für euch. An eurer Stelle würde ich schnellstens verschwinden und tausend Meilen reiten. Dabei würde ich keine einzige Rast einlegen und niemals zurückblicken.«

»An deiner Stelle würde ich das Maul halten!« fauchte der Killer und kam angespannt hinter dem Tisch hoch. »Halt endlich dein dreckiges Maul, sonst stopfe ich es dir mit einem Haufen Blei, verdammt!«

Hustend krümmte er sich, starrte den Mann am Tresen haßerfüllt an und rang mühsam nach Luft.

Der Komplice quälte sich hoch. Rücken und Schulter waren notdürftig verbunden. Mavericks Kugel hatte ihm eine blutige Schramme übers Kreuz gerissen.

Beide Halunken wurden steckbrieflich gesucht. Die Prämien waren nicht hoch, doch für einen Revolvermann, der leichtes Spiel mit ihnen hatte, auch nicht zu verachten.

Maverick stand hinter dem glitzernden Glasperlenvorhang. Im flackernden Schein der Petroleumlampe und der beiden Talglichter auf dem Tresen konnte er die Gesichtszüge der drei Männer deutlich erkennen.

Auf einmal runzelte er die Stirn und blickte mit verengten Augen auf den Mann am Tresen.

Das war Donovan Fairbanks!

Ein Revolvermann wie er. Ein König der Colts. Und wie er selbst schon zu Lebzeiten eine Legende.