cover.jpg

 

Impressum

„Die Loge der Jungfrauen-Jäger, Band 1“ von Alexis Verron

herausgegeben von: Club der Sinne®, Eichenallee 23 E, 16767 Leegebruch, Dezember 2016

zitiert: Verron, Alexis: Die Loge der Jungfrauen-Jäger, Band 1, 2. Auflage 2016

 

© 2016

Club der Sinne®

Inh. Katrin Graßmann

Eichenallee 23 E

16767 Leegebruch

www.Club-der-Sinne.de

kontakt@club-der-sinne.de

 

Stand: 01. Dezember 2016

 

Gestaltung und Satz: Club der Sinne®, 16767 Leegebruch

Coverfoto: © conrado/shutterstock.com

Covergestaltung: Club der Sinne®

Copyright Pentagramm: Alexis Verron

 

ISBN 978-3-95604-750-3

 

Dieses eBook ist urheberrechtlich geschützt.

 

Weitere eBooks von Alexis Verron finden Sie hier:

http://www.club-der-sinne.de/index.php?manufacturers_id=114

 

Weitere erotische Literatur zum Sofortdownload finden Sie unter

www.Club-der-Sinne.de oder www.Dirty-Talk-Stories.com

 

Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden und volljährig.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Erfundene Personen können darauf verzichten, aber im realen Leben gilt: Safer Sex!

 

 

Alexis Verron

Die L O G E der Jungfrauen-Jäger

Band 1

 

 

Inhaltsverzeichnis

B A N D   1

1

2

3

4

5

6

7

8

9

Weitere eBooks von Alexis Verron finden Sie hier:

Weitere erotische Literatur zum Sofortdownload finden Sie unter

 

 

 

 

„Wer in der Zukunft lesen will,

muss in der Vergangenheit blättern.“

 

André Malraux

 

B A N D   1

img1.jpg

 

 

 

 

Das Geheimnis der Schwarzen Bibliothek

1

Könnte das Leben schöner sein? Ich saß auf der Veranda meines Sommersitzes in den Tolvaddon Downs, lehnte mich entspannt im bequemen Ohrensessel zurück und genoss die milde Abendsonne – und die Wonne, die mir ein auf meinem Schoß tanzender Rotschopf bescherte.

Ich schlürfte einen Bordeaux. Er stammte aus der Fracht eines befreundeten Weinhändlers, den ich persönlich begleitet hatte. Trotz der Händel um die spanische Erbfolge war es uns gelungen, unbeschadet mit einem Dutzend wertvoller Fässer über den Golf von Biscaya bis nach Cornwall zu segeln.

Mit Genugtuung beobachtete ich die Koppel meines Gestüts, das an die weitläufigen Parkanlagen angrenzte. Meine stolzen Araberhengste und die rassigen Stuten suchten im Umkreis von fünfzig Meilen Ihresgleichen. Seit dem Jahre 1702 gewann ich regelmäßig Preise auf Zuchtausstellungen.

Ich nahm einen tiefen Schluck, stöhnte danach verzückt – auch weil das lüsterne Schmatzen meiner Gespielin gieriger geworden war. Ich stellte meinen Weinkelch auf dem Marmortisch ab, griff ihr beidhändig in die dichten Locken, um ihren Elan zu drosseln, denn schließlich wollte ich ihre Künste so lange wie möglich genießen. Sie verstand, züngelte jetzt wieder gemächlich an meiner Eichel. Während ihre Finger liebevoll an meinem Beutel spielten, schlürfte sie nun am hart geschwollenen Schaft. So blieb mein Erregungszustand hoch, ohne rasant überzuschäumen. Ah, es war herrlich – mit dieser Raffinesse hatte es mir schon lange keine Gespielin mehr besorgt.

Dabei kam mir in den Sinn, dass ich doch wieder einmal nach London reisen sollte, denn die Fähigkeiten dieser Mätresse erinnerten mich an das Talent der drei indischen Mädchen, die mich in Madame Wionnas Salon verwöhnt hatten. Erst lutschten sie abwechselnd an Penis und Hoden, dann mühten sie sich gemeinsam. Das verschmuste Trio war unermüdlich, es brachte meine Lust auch dreimal zum Sprudeln. Es war fantastisch, auch wenn ich nach dieser turbulenten Nacht kaum mehr laufen konnte.

Die anmutigen Inderinnen waren bei meiner letzten Visite die große Attraktion in Madame Wionnas Edelbordell. Die Ostindien-Kompanie brachte von unseren Handelsstützpunkten Bombay, Madras und Kalkutta jetzt nicht mehr nur Indigo, Stoffe und erlesene Gewürze ins Königreich, sondern auch bezaubernde Juwelen exotischer Weiblichkeit. Und somit profitierten nicht mehr nur die Krone und unsere Kaufleute von den Kolonien, sondern inzwischen auch Madame Wionna und ein erlesener Kreis an Freiern. Angeblich sollten in dem Etablissement demnächst Jungfrauen aus der Karibik versteigert werden. Blutjunge, unschuldige Mädchen aus Jamaika. Derartige Machenschaften waren zwar streng verboten, dennoch erfreuten sich nicht wenige hohe Herren aus dem Parlament an den unberührten Geschöpfen aus aller Herren Länder. Vor allem die Perlen aus Schwarzafrika sollten unvergleichliche Erlebnisse bescheren, munkelte man. Es gab also noch viel zu tun. In meiner stolzen Sammlung an Eroberungen fehlte noch so manche Trophäe.

Intensiv aufwallende Lustgefühle rissen mich aus meinen Überlegungen. Selig stöhnend blickte ich an mir hinab. Der Rotschopf nuckelte jetzt wieder an meiner Schwanzspitze. Erst langsam und genüsslich, dann hemmungslos wild. Sie schmatzte und schlürfte, massierte mir zugleich mit hektisch zuckender Faust die Stange – uh, lange würde ich mich jetzt nicht mehr beherrschen können. Ich wollte ihren Feuereifer erneut bremsen, doch mittlerweile war ich machtlos. Wie von Sinnen senkte und hob sich ihr Wuschelkopf. Das entfachte meine Glut derart, dass daraus ein flammendes Inferno wurde. Ich verdrehte leise röchelnd die Augen, wand mich lustvoll im Sessel. Ah, wenn dieses Teufelsweib weiter so wild an mir saugt, würde meine ganze Leidenschaft in ihren Schlund schießen. Aber das war vermutlich genau das, was das scharfe Biest wollte. Sie wollte mein Sperma kosten, wollte es restlos aufsaugen!

Schön, sollte sie ihren Willen haben. Ich würde ihr meine ganze Ladung in den Mund jagen, wollte dabei sehen, ob sie alles schlucken könnte oder ob ihr Mund vor meinen Samenmassen überquellen würde. Oh ja, so wie es in meinen Lenden tobte, konnte es nicht mehr lange dauern. Ich begann zu hecheln. Meine Säfte brodelten jäh auf. In wenigen Sekunden würde ich dem Luder mein heißes Sperma entgegen schleudern, würde ihr Schub um Schub in den unersättlichen Schlund pumpen. Der Druck in meinem Gemächt wurde unerträglich. JA, ich wollte jetzt nur noch eins: abspritzen – wild und hemmungslos abspritzen!

Jeden Moment war es soweit. Der Siedepunkt war überschritten, gleich würde meine Lust überkochen. Ich spürte, wie ich unaufhaltsam auf den ultimativen Gipfel zuraste. Fasziniert beobachtete ich meine entfesselte Gespielin, wuschelte wieder durch das aufregende Haar. Es war so seidig weich, so – Moment – es fühlte sich plötzlich kalt an. Metallisch. Das Tizianrot verfärbte sich dunkel, fing mit einem Male silbrig zu schimmern an. Die Locken bekamen ein Eigenleben – Hilfe, sie bewegten sich mit einem Male völlig unnatürlich: Die Locken waren zu Schlangen geworden! JA, urplötzlich wimmelte es in meinem Schoß. Es wimmelte vor unzähligen, grässlichen Reptilien!

Mein Herzschlag setzte aus, ich wollte schreien, doch bittere Galle schnürte mir die Kehle zu. Ich ruderte hilflos mit den Armen, drohte zu ersticken.

Mir wurde schwarz vor Augen. Ein höllischer Schmerz brannte in meinem Unterleib. Es war, als würden sich tausend glühende Nadeln in meine Weichteile bohren, daran zerren und reißen.

Die Schlangen! Fraßen sie mich bei lebendigem Leib?!

Ich hörte mich gellend schreien. Es war ein entsetzlicher, markerschütternder Schrei. Ein Schrei, von dem ich aufwachte. Wie schon in den furchtbaren Nächten zuvor.

Verzweifelt untersuchte ich mich. Auch diesmal war ich unversehrt. Zumindest körperlich.

Schweißgebadet wankte ich in Richtung Weinkeller. Mein Gesinde, das ich aufgeweckt hatte, war besorgt. Unflätig fluchend jagte ich sie fort.

In dem folgenden Ritual versuchte ich abermals, das Horrorszenario mit Unmengen Wein wegzuspülen. Wie in den Nächten zuvor zwang ich mich, munter zu bleiben, denn allein der Gedanke an Schlaf erfüllte mich mit Panik. Die grauenvollen Träume würden mich noch verrückt machen, mich in den Wahnsinn treiben. Ich verstand es nicht. Warum quälten mich seit einigen Wochen solch schreckliche Albträume? Waren sie die Strafe für mein ausschweifendes Leben? Gehörten sie zu den Prüfungen, die mir eine geheimnisvolle Greisin vor Jahren in der Ruine von Tintagel prophezeit hatte?

Ich kam zu dem Schluss, dass ich Hilfe annehmen musste. Aber wem könnte ich mich anvertrauen? Meiner Kammerzofe? Nein, Amelia war zu jung – und ihre Tante Heather stand leider nicht mehr in meinen Diensten.

Wäre meine Verlobte eine Hilfe? Lady Cynthia Cavendish – um Gottes willen, nein! Die bigotte Matrone würde mir nur einen Exorzisten auf den Hals hetzen. Das Beste an dieser Person war, dass ihr Landsitz eine Tagesreise entfernt lag.

Mit dröhnendem Kopf und bleiernen Gliedern zermarterte ich mir das Hirn. Ohne jedes Ergebnis. Erneut suchte ich Zuflucht im Rotwein. Im Dauerrausch könnte man nichts träumen, suggerierte ich mir. Doch so exzessiv ich auch trank, der groteske Wahn blieb in meinem Unterbewusstsein verankert.

In den folgenden Wochen degenerierte ich und wurde schwer depressiv.

Das Gesinde war meinem unberechenbaren Jähzorn ausgeliefert. Frederic Pitchley und Amelia Burns traf es am härtesten. Der Lakai und die ebenso junge Kammerzofe litten schwer unter meinen Wutausbrüchen. Lediglich meine Verlobte Cynthia, die mich zum Glück nur alle vierzehn Tage besuchte, ertrug meine Misere mit einem Gleichmut, der schon an Apathie grenzte. Ihre Familie hatte unsere Hochzeit schon vor Jahren aus strategischen Gründen beschlossen, denn die Cavendish-Ländereien waren nicht so weitläufig wie die der Turninghams. Allerdings waren sie durch eine kleine, aber florierende Zinn-Mine zu beachtlichem Wohlstand gelangt. Cynthia akzeptierte die Heiratspolitik ihrer Eltern als Gott gegeben. Es war in jeder Beziehung fatal, denn nicht einmal mein Ruf als notorischer Schürzenjäger schreckte dieses Weib ab.

Es gab diverse Aspekte, warum mir eine Allianz zwischen unseren Familien widerstrebte. Wir Turninghams konnten den blasierten Cavendish-Clan noch nie ausstehen. Es waren ausnahmslos gewissenlose Opportunisten. Im Bürgerkrieg wechselte die Bagage damals schneller die Fahne als meine Großväter die Hemden. Cynthia interessierte sich erstaunlicherweise sehr für Politik und vertrat bisweilen sogar vernünftige Standpunkte. Sie war ebenso gebildet wie arrogant. Damit hätte ich leben können, vielleicht auch mit ihrem spindeldürren Gestell, doch weil ihr Herz genauso hager wie ihr Körper war, erschauderte ich bei dem Gedanken, mich an sie zu binden. Zudem war sie entsetzlich humorlos.

Was war schlimmer? Meine grässliche Träume oder eine Ehe mit Cynthia Cavendish? Ich wusste es nicht, wusste jedoch, dass bei einem Leben an ihrer Seite auch die Tage zu Albträumen werden würden.

Der nächtliche Horror peinigte mich weiterhin grausam, meine Alkoholexzesse wurden dramatisch. Bei ihrem letzten Besuch prognostizierte Cynthia in ihrer wenig charmanten Art, dass ich meine Weinfässer wohl bis Weihnachten leer- und mich selbst tot gesoffen hätte.

So falsch war ihre Einschätzung nicht. Meine Misere wurde von Tag zu Tag schlimmer, meine Gedanken düsterer. Auf wilden Ausritten, auf denen ich allen Problemen davon galoppieren wollte, näherte ich mich immer öfter den gefährlichen Steilklippen. Auch heute stierte ich wieder einige Minuten apathisch in die tosende Brandung unter mir … Es bedurfte doch nur eines kühnen Sprungs.

Ich trabte zurück, um Anlauf zu nehmen. Nachdem ich abgestiegen war, um mich von meinem Pferd zu verabschieden, bevor ich mit ihm in die Fluten jagte, brach ich in Tränen aus. Ich durfte das edle Tier nicht mit in den Tod reißen! Der Blick in die großen Augen meines Rappen rettete mir in diesem Moment das Leben.

Es musste andere Möglichkeiten geben, um mich von meinem unrühmlichen Dasein zu erlösen. Sollte ich mich aufknüpfen oder einen Arsen-Cocktail nehmen? Nein, keine dieser Varianten wäre ein würdiger Abgang für einen Turningham.

Während ich zu meinem Landsitz zurück ritt, beschloss ich, mir eine Kugel in den Kopf zu jagen.

2

Verstört den Kopf schüttelnd blätterte Minette Coyn um – was war denn das für eine Story?

Zunächst hatte sie der Roman noch an Abenteuergeschichten und utopische Satiren erinnert, die von Daniel Defoe und Jonathan Swift verfasst worden waren. Den beiden Literaten waren mit Robinson Crusoe und Gullivers Reisen zu ähnlicher Zeit bahnbrechende Werke gelungen. Doch bei den hier vorliegenden Ergüssen war dieser Eindruck schon nach den ersten Passagen gänzlich verflogen: So eine abstruse Erzählung hatte die Internatsschülerin noch nie gelesen!

Und dafür setzte sie ihre hoffnungsvolle Schulkarriere aufs Spiel? Für dreihundert Jahre alte Ergüsse eines Sittenstrolchs?

Minette nickte betrübt, schließlich schnüffelte sie heimlich in der Schwarzen Bibliothek. Es war der Teil des Archivs, der nur der Schulleitung zugänglich war. Im gelben Trakt durften sich die Mädchen der Unter- und Mittelstufe Bücher ausleihen, für die Schülerinnen der Oberstufe, zu denen Minette gehörte, war der orange markierte Trakt reserviert. Das Lehrpersonal nutzte die Rote Bibliothek, zur Schwarzen hatten nur zwei Personen Zugang, die deshalb auch die „verbotene Bibliothek“ genannt wurde.

Minette sah sich immer wieder ängstlich um – nicht auszudenken, wenn sie hier erwischt werden würde – doch der Zwang, den Gerüchten nachzugehen, war größer als ihre Furcht.

Nachdenklich kniff das zierliche Mädchen die Lippen zusammen. Die Zweifel mehrten sich. Sollte der Schlüssel zu dem Geheimnis, dass sie lüften wollte, wirklich in den Memoiren eines dekadenten Landadligen zu finden sein? Sie konnte es sich nicht vorstellen. Das, was Minette gerade über Lord Turningham gelesen hatte, war weder aufschlussreich noch erbaulich. In ihren Augen war der Verfasser der Autobiographie ein egozentrischer Snob. Sie hatte kein Mitleid mit ihm. Im Gegenteil. Sollte er sich der Hurenbock doch erschießen.

Aber darum ging es nicht. Es ging um Valerie Dunn, ihre verschwundene Freundin.

Die Botschaft, die Valerie hinterlassen hatte, war verschlüsselt. Verzweifelt stierte Minette auf den Zettel. Hatte sie ihre Freundin mit dieser Buchstabenkombination wirklich zu dem obskuren Werk des Lords führen wollen?

Minette Coyn raufte sich unschlüssig den blonden Pony – hatte sie Valeries Hinweis falsch interpretiert? War sie auf der falschen Fährte?

Das Mädchen schüttelte bedächtig den Kopf, denn es gab schon einen konkreten Zusammenhang. Das Internat, auf dem sie seit Jahren lebte, befand sich im Norden der Grafschaft Devon, ein altehrwürdiges Gemäuer, das abgeschieden zwischen dem Exmoor und der wild zerklüfteten Steilküste lag. Aber was hatte die Schule, die im ehemaligen Herrschaftssitz Crosswitch Hall untergebracht war, mit diesem Lionel Turningham zu tun?

Nachdenklich strich Minette über das vergilbte Papier, das zum Teil brüchig war. Einige Seiten waren eingerissen. Das mit Hand verfasste Schriftbild war sauber, nur an wenigen Stellen war die bläulich schwarze Tinte verwischt. Waren die Memoiren des Lords ein Unikat, oder diente es auch als Manuskript? Ob die frivolen Abenteuer, denen der Lord vor dreihundert Jahren frönte, auch gedruckt worden waren? Hatte er ebenso minutiös aufgeschrieben beziehungsweise aufschreiben lassen, was er als Großmeister einer Loge erlebt hat? Minette fragte sich auch, ob sich der lose Lebenswandel des Lords in London geändert hätte. Nun, sie könnte es bald wissen, sie bräuchte ja nur die Memoiren weiter studieren.

Die junge Blondine zögerte – sollte sie sich nicht besser davonschleichen, bevor sie erwischt würde? Während sie noch überlegte, wurde sie erneut in den Bann der Turningham-Erzählung gezogen …

3

Als ich nach dem abgebrochenen Selbstmordversuch von den Klippen nach Turningham Hall zurückritt, kam mir eine neue Idee in den Sinn. Warum sollte ich mein Leben nutzlos verschleudern, wenn ich auch mit einem ehrenvollen Heldentot der Krone nützlich sein konnte? In dem Konflikt, der momentan mit Franzosen und Indianern um die Vorherrschaft auf dem nordamerikanischen Kontinent ausgefochten wurde, benötigte unsere Nation doch furchtlose Kämpfer. Seeoffiziere waren besonders im erbitterten Zwist um die reichen Fischgründe Neufundlands gefordert. Also, warum sollte ich dann nicht die Admiralität kontaktieren, um ihr erneut meine Dienste als Leutnant anzutragen? Ja, schon morgen würde ich ein Schreiben an Sir Blake verfassen, um wieder in den Dienst des Vaterlandes zu treten. Ich war stolz auf diese Erkenntnis, schließlich durfte ich nicht das altehrwürdige Geschlecht der Turninghams mit einem feigen Selbstmord entweihen.

Eine Meile später verwarf ich den Plan. Warum sollte ich denn auf meine verstorbenen Vorfahren Rücksicht nehmen? Nach mir die Sintflut – na und? Also, warum den umständlichen Umweg über Seegefechte wählen, die tausende von Meilen westlich vor hier ausgetragen wurden? Ein Schuss in die Schläfe war doch die beste Lösung. Kurz und schmerzlos. Endgültig.

Bei der Ankunft auf meinem Landsitz bemerkte ich vor der Balustrade zum Park einen Fremden. Er schien schon länger auf mich zu warten. Es war ein unscheinbarer Bursche, lediglich der Rabe auf seiner Schulter irritierte mich ein wenig. Wortlos überreichte er mir nach einer unterwürfigen Verbeugung eine Schriftrolle und verschwand mit eigentümlichem Watschelgang.

Ich übergab meinen Rappen dem Stallburschen und ging in das Kaminzimmer, brach das Siegel. Das Siegel des Kensington-Clubs!

Mein Puls begann zu rasen. Als ich die Depesche aus London auf meinem Sekretär glatt strich, wurden meine Augen größer und größer. Ich war völlig konsterniert, vermochte die Bedeutung der Zeilen kaum zu erfassen. Auch nach wiederholtem Lesen konnte ich kaum glauben, dass man mir mit meinen kaum dreißig Lenzen dieses Ansinnen antrug. Gegenüber den betagten Honoratioren, denen dieses Privileg bislang zuteilwurde, war ich noch ein zarter Jüngling – welch eine Ehre!

Diese Ehre hatte allerdings weitreichende Konsequenzen. Eine davon war, dass ich den aktuell anvisierten Hochzeitstermin mit Lady Cavendish erneut umstoßen müsste. Doch hier hatte ich mir ja bereits eine gewisse Routine angeeignet. Es war mir bislang schließlich schon zweimal gelungen, der Vermählung mit dem blutleeren Klappergestell zu entgehen. Tja, aller guten Dinge sind bekanntlich drei. Ich rieb mir die Hände – diesmal musste ich den Grund nicht einmal selbst fingieren.

Ich konnte diese Fügung kaum fassen. Erneut las ich voller Euphorie die wertvoll verzierte Schriftrolle:

Werter Lord Turningham, mein lieber junger Freund Lionel,