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4. Auflage 2020
 
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Redaktion: Petra Holzmann
Umschlaggestaltung: Verena Frensch
Umschlagabbildung: Marza/shutterstock; Infomages/shutterstock
Satz und E-Book: Daniel Förster, Belgern
 
ISBN Print 978-3-86882-786-6
ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-062-6
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96121-063-3
 
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Inhalt

 
 
 
Einleitung
Geduld mit Leuten
Schrullen
Veränderungen … im Kleinen und im Großen
Liebe und Beziehung
Midlife-Crisis
Eltern
Freunde
Das hat er noch nie gemacht: Was dem Körper so alles einfällt
Abschiede
Gelassenheit und Relativität
Entwicklung ist nicht linear
Man kennt sich (selbst)
Prioritäten
Hier und Jetzt
Nein
Qualität
Beweisen: sich selbst und anderen
Besonnener werden
Vorbilder
Nachwort
 
 
 

Einleitung

Ich weiß nicht, warum das Älterwerden immer mit Bauarbeitern und Nachpfeifen in Verbindung gebracht wird – das Älterwerden von Frauen wohlgemerkt. So wie ich das sehe, sind Bauarbeiter das geringste Problem an der ganzen Älterwerden-Sache. Also eigentlich gar keines. Ich kenne auch keine Einzige, die jemals gesagt hätte: »Also, dass diese dicken, schwitzenden Typen mir jetzt nicht mehr ›Hey Puppe!‹ hinterherrufen, das fehlt mir irgendwie schon.« Das hat noch nie eine gesagt, jemals. Vielleicht ist es eher symbolisch gemeint für diesen komischen Moment, in dem man merkt, dass auch diejenigen Herren, die durchaus noch ins eigene Beuteschema fallen, an einem vorbeisehen wie an einer Zimmerpflanze.

Wann hat dieses Älterwerden überhaupt angefangen? Wenn ich mich recht erinnere, war ich vor ein paar Tagen noch Mitte/Ende zwanzig. Oder irgendwas mit dreißig. Jedenfalls sprach mich noch niemand mit »Sie« an, was einen besonders trifft, wenn man sich selbst insgeheim denkt: Ach, du siehst aber süß aus. – Aua.

Das war kurz nachdem ich merkte, dass ich mit ›Jugend‹ schon länger nicht mehr gemeint war, und als die Klamotten wieder modern wurden, die ich noch getragen habe, als sie das erste Mal modern waren.

Schließlich häuften sich die Schlüsselmomente und aus meinem Mund kamen Sätze, die ich von meiner Mutter kannte – und die plötzlich Sinn ergaben! Hat das erst einmal angefangen, geht es dahin:

Man scrollt auf Webseiten eine halbe Ewigkeit, bis man beim eigenen Geburtsjahr angekommen ist – und wundert sich, dass die 1987 Geborenen heute auch schon 30 Jahre alt sind!

Die erste teure Augencreme zieht ins Badezimmer ein und man erwischt sich dabei, dass man den Artikel über die Hyaluron-­Wunder-Faltenauffüllung jetzt echt gelesen hat.

Die beste Freundin bekommt eine künstliche Hüfte (echt wahr! Jana hat jetzt eine Titanhüfte!) und klar – der behandelnde Arzt ist JÜNGER ALS MAN SELBST!

Außerdem kann man die Speisekarte im Restaurant nur noch lesen, wenn jemand so nett ist und sie an der nächsten Straßenecke für einen hochhält. Es ist eine Frechheit.

Irgendwann stellt man sich dieser Ansammlung unschöner Neuerungen und sieht den Tatsachen ins Auge: Alles deutet darauf hin, dass man tatsächlich nicht ewig jung bleibt. Das wusste man natürlich schon vorher, hat aber dieses Wissen trotzdem irgendwie nicht auf sich bezogen.

Wenn dann noch das Lied »Ich war noch niemals in New York …« im Radio kommt und man tatsächlich noch nie in New York war, dann gute Nacht. Nicht wenige Männer in meinem Umkreis halten nun den Moment für gekommen, eine Affäre oder das Motorradfahren anzufangen, und die Frauen sehen erst mal dumm aus der Wäsche. Dann rappeln sie sich auf, machen doch diese Hyaluron-­Sache oder lassen sich zumindest die Haare färben und gehen anschließend in Rudeln aus, um auch eine Affäre anzufangen.

Während all diese Sachen passierten, schrieb ich gerade an einem Buch, das Am Arsch vorbei geht auch ein Weg 1 hieß, in dem ich eine unliebsame Freundin losgeworden bin: Kathrin.

Einige haben damals schon Bekanntschaft mit Kathrin gemacht, wer sie nicht kennt, dem sei so viel gesagt:

Kathrin ist ganz, gaanz arm dran. Wenn man ihr so zuhört beim Beschweren, Lamentieren und Leiden, ist man fast versucht, eine Hilfsorganisation zu gründen: Rettet Kathrin e. V.! Doch irgendwann merkte ich: Kathrin braucht gar keine Hilfsorganisation, sondern einen Tritt in den Hintern.

Das dauerte allerdings eine Zeit lang, eine Zeit, in der ich sie nach Kräften unterstützte, auf ihren Hund aufpasste und auf ihr Haus, ihr Erledigungen abnahm und ihr alles lieh, was sich in meinem Haushalt befand, außer L. Wobei – beinahe hätte sie den auch noch in Anspruch genommen: L. hat nämlich eine Motorsense – ein unfassbar lautes Gerät, das man laut L. aber AUF JEDEN FALL braucht, wenn man einen Flecken Gras vor der Türe daran hindern will, in den Himmel zu wuchern.

»Duuuu? L. hat doch so eine Motorsense?«, hat mich Kathrin da mit einem Blink-Blink-Augenaufschlag gefragt, als wolle sie mit mir in die Kiste. Und während ich noch dachte, ich müsste ein klein wenig Überzeugungsarbeit leisten, wenn ich L. die Sense aus den Rippen leiern will, um sie Kathrin zu leihen, war die schon einen Schritt weiter: Ob L. ihr nicht den Rasen in Ordnung bringen könnte? Weil sie doch keine Zeit hätte? Blink-Blink?

Das war der Moment, in dem ich zum ersten Mal etwas stockte. Lustigerweise war das nicht ein Moment, in dem es darum ging, dass ich ausgenutzt werde, sondern in dem L. ausgenutzt werden sollte, und das wiederum bringt so freundlich-dämliche Leute wie mich in einen Zwiespalt, denn ich will ja weder den einen noch die andere verstimmen. Aber dieser Fall war eine Pattsituation. Ich habe ihr dann auch prompt nicht sofort das Fell über die Ohren gezogen, sondern bin nach Hause gedackelt und habe L. ausgerichtet, was Frau Blink-Blink da von ihm wollte. Dann zog L. Kathrin das Fell über die Ohren – verbal, versteht sich. Ob die denn noch alle Tassen im Schrank hätte? Dass seine Zeit genauso wichtig wäre wie ihre und dass er nicht im Traum daran denke, ihr Grundstück zu bearbeiten – wo wir da hinkämen? Und während L. so dahinschmetterte, kam mir eine ganz abstruse Erkenntnis: dass ja eventuell auch meine Zeit ebenso wichtig ist wie die Kathrins!

Als ich Kathrin dann schließlich mit einem herzlichen »Fick dich!« und einem Blink-Blink zum Teufel schickte, spürte ich das erste Mal diese unglaubliche Erleichterung, die sich breitmacht, wenn man genau das tut, was für einen richtig ist. Ohne sich darum zu scheren, wie das alle anderen finden.

Daraus resultierte das ›Arsch-vorbei-Projekt‹, bei dem ich mich in meinem Leben umsah, was ich sonst noch an ebendiesem vorbeizischen lassen könnte. Das war lustig und befreiend und hat mir viele erholsame Nickerchen auf der Couch beschert, die ich ansonsten bei Umzügen von Freunden, Konfirmationen von Kindern von Freunden oder unsagbaren Poetry-Slam-Auftritten von Tom verbracht hätte. Unbezahlbar.

Ich merkte aber auch während dieses Projekts, dem allem liegt eine Gemeinsamkeit zugrunde, etwas Wichtigeres, das sich in den letzten Jahren langsam entwickelt hat:

Ich will generell meine Zeit nicht mehr vergeuden.

Nicht in dem Sinne, vor dem man früher von den Eltern immer gewarnt wurde, wenn man auf dem Sofa lag und den ganzen Tag nichts machte außer Tetris zu spielen oder Ähnliches.

Nein, in dem Sinn, dass ich keine Zeit mit Leuten oder Dingen verbringen möchte, die ich blöd finde (und stattdessen zum Beispiel lieber den ganzen Tag auf dem Sofa liege und Candy Crush spiele).

Ich will meine Zeit nicht mehr verschwenden, aber vor allem: Ich will alleine entscheiden, was verschwendete Zeit ist. Und Wörter wie Sofa oder Candy Crush kommen in diesem Zusammenhang mit Sicherheit nicht vor.

Das hat sich langsam entwickelt und es ist für mich die bedeutendste Auswirkung des Älterwerdens. Das, und dass man nicht mehr ohne Geräusche zu machen vom Boden aufstehen kann.

Wenn es Ihnen ähnlich geht und Sie auch keinen Bock haben, wegen grauer Haare oder ein paar Falten zu verzweifeln, und sich gerne mit mir ansehen, was Älterwerden tatsächlich so mit sich bringt und was daran absolut fantastisch ist, dann gehen wir es an. Wir haben keine Zeit zu verlieren!

1 Am Arsch vorbei geht auch ein Weg, mvg Verlag 2010