Mord am Greetsieler Hafen

Kurz-Ostfrieslandkrimi

Ele Wolff


ISBN: 978-3-95573-459-6
1. Auflage 2016, Bremen (Germany)
Klarant Verlag. © 2016 Klarant GmbH, 28355 Bremen, www.klarant.de

Titelbild: Unter Verwendung eines Bildes von pixabay.

Sämtliche Figuren, Firmen und Ereignisse dieses Romans sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit echten Personen, lebend oder tot, ist rein zufällig und von der Autorin nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Inhalt

1.

Den Kopf tief in den Buchseiten vergraben, saß Florentine an ihrem Küchentisch und las gerade das Ende eines Kriminalromans. Sie las jeden Morgen während des Frühstücks. Sie genoss den Beginn des Tages in der Gesellschaft der dunklen Geschichten. Ein leichtes Lächeln umspielte ihren Mund. Denn genau der kauzige Buchhalter der großen Firma, den sie die ganze Zeit im Verdacht hatte, war der gesuchte Mörder.

Das Telefon auf dem kleinen Eichentischchen im Flur läutete. Florentine eilte aus der Küche, ihr Frühstücksbrötchen noch in der Hand. Sie hob den Hörer ab und lauschte.

»Hier ist Grietje, hast du schon gehört?«

Florentine wischte sich ihre Hand an der Schürze ab. »Was denn, was ist los?«

Grietje Mahlzahn war Florentines beste Freundin und wohnte gleich um die Ecke. Es musste schon etwas Besonderes los sein, wenn Grietje das Telefon benutzte. Sie war nämlich unglaublich geizig. Dabei verdiente sie mit ihrer Pension ausreichend. Florentine war der Meinung, dass Grietje etwas großzügiger sein könnte. Touristen gab es genug in dem idyllischen Fischerdörfchen Greetsiel in Ostfriesland. Sogar im Winter wandelten die Gäste durch Greetsiel, genossen die Nordseeluft und erfreuten sich an den schmucken Häusern mit ihren Giebeln und Fenstern.

Florentine half Grietje manchmal bei der Zubereitung des Frühstücks für die Gäste. Denn außer einem Hausmädchen und dem alten Carstens, der kleine Reparaturen erledigte und den Garten versorgte, machte Grietje alles alleine. Florentine fand, dass Geiz auch seine Grenzen haben musste.

»Am Hafen ist die Hölle los.« Grietje nahm sich kaum Zeit zum Luftholen. »In einem Segelboot liegt eine tote Leiche. Also ein toter Mann, keiner kennt ihn. Die Polizei ist auch schon da. Florentine, bist du noch dran?«

Florentine van der Brook musste sich setzen. Ob man solche Sachen in einem Agatha Christie Roman las oder ob es real geschah, war ja doch etwas anderes. Die kleine, zierliche Dame liebte Kriminalromane über alles. Es konnte nicht gruselig genug sein. Am liebsten las sie die Geschichten mit Miss Marple.

»Wann ist das denn passiert?«, wollte Florentine wissen. Sie war ein wenig atemlos.

»Keine Ahnung, aber ich gehe mal an den Hafen. Kommst du mit?« Grietje las nie einen Krimi, nur schmachtende Liebesromane und löste Kreuzworträtsel in diversen Frauenzeitschriften. Florentine überlegte nicht lange. Jetzt konnte sie wenigstens, wenn auch aus einiger Entfernung, ein wenig von der Krimiwelt schnuppern. Das hatte mit Neugier nichts zu tun. Man konnte es eher als Fortbildung bezeichnen.

»Ich bin in fünf Minuten bei dir.« Mit der einen Hand hatte sie schon ihren Mantel vom Haken gerissen.

2.

Der Kommissar Blatter war übergewichtig und schwitzte stark. Für sein enormes Körpergewicht war er entschieden zu klein. Er war dem Hafenmeister Bruno Künzel in dessen Büro gefolgt. Die Spurensicherung hatte ihre Arbeit noch nicht ganz abgeschlossen. Kommissar Blatter versuchte, sich einen Überblick zu schaffen. Er gab dem Hafenmeisterehepaar eine kurze Beschreibung des Toten. Jemand musste den Mann doch kennen?

Der Hafenmeister bekam vor Aufregung überhaupt kein Wort heraus. Seiner Frau Hedwig jedoch schien die Aufregung um den toten Mann im Segelboot nicht die Sprache verschlagen zu haben.

»Haben Sie den Mann schon mal gesehen?« Kommissar Blatter versuchte erst einmal bei Hedwig sein Glück.

»Noch nie. Der war noch nie hier. Aber das Segelboot ist vom Jensen, dem Bootsvermieter. Das weiß ich genau.« Jetzt machte Hedwig ein wichtiges Gesicht. Sie hatte schließlich entscheidend zur Aufklärung beigetragen.

Der Kommissar notierte alles in sein kleines rotes Notizbuch. »Aha, sonst wissen Sie nichts?«

»Naja, also nicht direkt.« Hedwig ärgerte sich, dass sie nicht mehr wusste. Sie wäre so gerne eine wichtige Zeugin gewesen. Der Kommissar drehte sich nach Bruno um. Aber der saß noch immer wie angenagelt auf seinem Stuhl.

»Hier kommen so früh am Morgen nicht viele Menschen vorbei, Herr Kommissar. Erst gegen Mittag ist es hier am Hafen immer voll«, gab Hedwig Auskunft. Bruno sagte immer noch nichts.

»Frau Künzel, wenn Ihnen noch etwas Wichtiges einfällt, bitte melden Sie sich.«

Kommissar Blatter hatte die Schnauze voll. Hier konnte wieder niemand etwas zur Sache aussagen. Keiner kannte den Toten. Alle Leute, die er bis jetzt befragt hatte, hatten keine Ahnung. Es war zum Kotzen.

Er trat vor die Tür des Büros. Obwohl es nicht besonders warm war, standen ihm Schweißperlen auf der Stirn.

Die Spurensicherung hatte inzwischen ihre Arbeit beendet. Die Leiche war abtransportiert worden. Kommissar Blatter beschloss, erst einmal ein Frühstück einzunehmen. Dann wollte er den Bootsvermieter aufsuchen.