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Band 148

 

Schatten über Ambaphal

 

Rainer Schorm

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Prolog: Kontrollstation AMBA-XVIII

1. Kalmira: Die erste Séance

2. Perry Rhodan: Frachter DAMOK

3. Kalmira: Die zweite Séance

4. Perry Rhodan: Im Verschlag

5. Kalmira: Die dritte Séance

6. Perry Rhodan: Waldrand

7. Kalmira: Die vierte Séance

8. Perry Rhodan: Wisperwald

9. Kalmira: Die fünfte Séance

10. Perry Rhodan: Waldeslust

11. Kalmira: Die sechste Séance

12. Perry Rhodan: Cata Amba

13. Kalmira: Die siebte Séance

14. Perry Rhodan: Untergrund

15. Kalmira: Die achte Séance

16. Perry Rhodan: Im Garten der Weisheit

17. Kalmira: Die neunte Séance

18. Tuire Sitareh: Die Tiefen des Arad

19. Kalmira: Die neunte Séance

20. Perry Rhodan: Die Antwort

21. Kalmira: Die zehnte Séance

22. Tuire Sitareh: Druck

23. Tuire Sitareh: Keine Séance – eine Erinnerung

24. Tuire Sitareh: Die finale Sequenz

25. Kalmira: Die elfte Séance?

26. Perry Rhodan: Andere Fragen

27. Kalmira: Nach der Séance

28. Perry Rhodan: METEORA erwacht

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. In der Folge bricht für die Erde ein neues Zeitalter an. Nachdem übermächtig wirkende Fremdwesen abgewehrt werden konnten, beginnt 2051 der Wiederaufbau. In dieser Situation werden Perry Rhodan, Atlan und Tuire Sitareh von einer unbekannten Macht entführt.

Rhodan und Sitareh finden sich im Sternenreich der löwenähnlichen Gurrads wieder. Beide hat das Geisteswesen ES auf dieselbe Mission geschickt – die Suche nach METEORA. Sie steuern den Planeten Ambaphal an, die heilige Welt der Gurrads.

Dort versuchen sie, mehr über METEORA zu erfahren und gleichzeitig ihren Verbündeten zu helfen, den Rebellen gegen die herrschende Regierungsform.

Sie machen erstaunliche Entdeckungen und begegnen unverhofft einem alten Freund – er tritt aus dem SCHATTEN ÜBER AMBAPHAL ...

Prolog

Kontrollstation AMBA-XVIII

Orbit um das Schwarze Loch Amba

 

Gorrumusch starrte verwirrt und ungläubig auf das Lichtgewitter. Sämtliche Sensoranzeigen schlugen gleichzeitig an. Ein wahres Lichtermeer überzog das hufeisenförmige Kontrollnest. Den Bruchteil eines Augenblicks später gesellten sich die akustischen Signale dazu: laut, penetrant und kaum zu ertragen.

Alarm!

Gorrumusch verzog das breite Löwengesicht und bleckte die Zähne. Die beeindruckende Zahnlücke war in einer Spiegelung auf einer hochglanzpolierten Glassitfläche deutlich zu sehen. Er schloss den Mund sofort wieder. Ein wenig hilflos saß der Gurrad, der auf der Überwachungsstation als wissenschaftlicher Techniker arbeitete, vor dem Chaos.

AMBA-XVIII bewegte sich in einem engen Orbit um das zentrale Schwarze Loch, das Ambaphal statt einer Sonne besaß. Die Überwachung war lückenlos, und die Berichte leitete man direkt an die Ambatare weiter, die höchstrangigen Vertreter der Ambaphalitischen Autarkie. Die Masse der Bevölkerung wusste nichts davon. Amba war heilig. Wissenschaftliche Forschung passte nicht in diesen Rahmen.

»Was ist denn auf einmal los?«, murmelte Gorrumusch. »Gerade eben war alles normal ...?«

Er konzentrierte sich. Die Anzeigen meldeten Auffälligkeiten, aber die Abweichungen lagen sämtlich nur knapp über den Sollnormen. Alarmierend war die Gleichzeitigkeit. Die physikalischen Parameter hatten sich nur in Nuancen geändert, aber in ihrer massiven Konzentration würden sie Wirkung zeigen, das war Gorrumusch sofort klar. Hinter sich hörte er ein Schott auffahren. Entsagungsvoll schloss er die Augen, jeden Moment erwartete er, die keifende Stimme seines direkten Vorgesetzten zu vernehmen.

Radek! Wieso kann der nicht einfach bleiben, wo der Kemff wächst?, dachte Gorrumusch deprimiert.

Radek, der zuständige Kontrollkommandeur von AMBA-XVIII, hatte keine beeindruckende Statur, war aber beeindruckend unausstehlich. Die Stimme war dabei so etwas wie ein Symbol, das für den gesamten Gurrad stand. Sie übertönte den herrschenden Lärmpegel des Alarms. »Gorrumusch!«

Radek schob sich an Gorrumusch vorbei. Der aufdringlich heuartige Geruch, der ihn ständig umgab, war typisch für ihn. Gorrumusch rümpfte die Nase. Die Mähne, eigentlich Zierde und Symbol stattlicher Männlichkeit, war bei Radek dünn und stumpf. Der Versuch, den Eindruck zu verbessern, indem er Zierknoten hineinschlang, scheiterte komplett. Der Kontrollkommandeur war durchschnittlich groß, aber jede einzelne Bewegung vermittelte nur eins: Armseligkeit.

»Was soll das werden?«, erkundigte sich Radek keifend, als ob Gorrumusch persönlich die Schuld am herrschenden Sensorgewitter trüge. »Haben Sie die Systemtests ...«

»Hab ich!«, unterbrach ihn Gorrumusch, um sich Rezitationen aus den technischen Dienstanweisungen zu ersparen. »Das war meine erste Reaktion!«

Radek starrte ihn pikiert an. »Erstaunlich, erstaunlich. Sollte sich da tatsächlich ein Minimum an Kompetenz zeigen, Gorrumusch, was?« Er lachte keckernd.

Gorrumusch bemühte sich nach Kräften, seinen Widerwillen nicht zu zeigen.

»Also, was haben wir?«, fragte Radek noch einmal.

»Amba dampft!«, sagte Gorrumusch lakonisch. »Das sehen Sie doch!«

Radek mochte unausstehlich sein, dumm war er keineswegs. »Ja, aber warum? Die Vibration der Raumquanten hat sich deutlich erhöht. Woher kommt diese Energie? Wenn die Raumkörnung selbst betroffen ist ... Wie soll das gehen? Und vor allem, warum bekommen wir das so stark mit, verdammt noch mal? Das sollte unterhalb des Schwarzschildradius bleiben ...«

Er hat also keine Ahnung!, dachte Gorrumusch befriedigt. Er deutete auf ein Panoramahologramm, das die Auswirkungen der sonderbaren Quantenvibrationen zeigte. »Es strahlt ab. Ich messe jede Menge mikroskopisch kleiner Felder aus Gravitationsstrahlung an, die sich raumdeckend von Amba aus verbreiten.«

»Gefährlich?«, fragte Radek nur.

»Kaum. Es gibt lediglich einen einzigen Kegel, der einen der Anflugkorridore tangiert ... oder besser: einschließt!«

»Kontaktieren Sie Didaktor Ekkomm«, befahl Radek. »Er ist spezialisiert auf die neuesten Theorien zur Quantengravitation. Hier ist offenbar der Raum selbst von irgendeinem Phänomen betroffen. Ich brauche eine Expertise!« Er unterbrach sich kurz und betrachtete eine Grafik, die die Einflugkorridore nach Ambaphal abbildete. »Kontakt mit der Flugkontrolle auf Ambaphal. Sie sollen die Schiffe, welche diesen Korridor benutzen, überwachen und gegebenenfalls umleiten!«

Gorrumusch neigte leicht den Kopf. »Das geschieht bei solchen Vorkommnissen automatisch. Die Flugkontrolle weiß, was sie zu tun hat! Die brauchen unsere Belehrung nicht.«

Radek starrte ihn voller Abscheu an. »Sie sind ein Opportunist, Gorrumusch, wissen Sie das?«

Der Wissenschaftler hielt sich zurück. Er runzelte lediglich die Stirn. »Von mir aus!«

Radek schien die Kompetenzanmaßung zu genießen. »Wie viele Raumschiffe sind im betreffenden Korridor unterwegs?«, wollte er wissen.

Gorrumusch rief die Daten der Flugkontrolle ab. Er lehnte sich zurück. »Etwa siebzehn. Eine Frachtkarawane aus Richtung Ombatain. Sechs Schiffe benutzen den Korridor aktuell, neun weitere werden ihn in den nächsten vier Minuten erreichen. Ein Kontrollschiff aus dem Sektor acht kehrt nach Cata Amba zurück und setzt gerade zur Landung an. Der letzte Raumer kommt von Doka. Er rematerialisierte, just als der ganze Hokuspokus anfing, und sitzt im Zentrum dieser Quantengravitationsfelder.«

»Hat das Schiff was damit zu tun?« Radek kratzte sich nachdenklich die hohe Stirn. Das extrem dünne Fell wellte sich. Es sah abstoßend aus.

Gorrumusch registrierte, dass sich die ungewöhnliche Reaktion Ambas nicht weiter verstärkte. »Kaum. Es ist ein Hundert-Meter-Frachter. Die Kennung ist in Ordnung, soweit ich das beurteilen kann, und er hat die Anflugerlaubnis erhalten. Die DAMOK. Ein Raumschiff wie jedes andere. Vielleicht etwas älter ...«

Eine Vibration durchzog AMBA-XVIII, als schüttle sich die Station im Fieber. Es war ein scheußliches Gefühl. Gorrumusch hatte einmal ein Erdbeben erlebt. Es war keine schwere Erschütterung gewesen, aber das Zittern, das direkt aus dem Boden in die Beine hinaufstieg, das Gefühl, keinen sicheren Halt unter sich zu haben, würde er niemals vergessen. Dies war auf sonderbare Weise schlimmer: Die Vibration ergriff anscheinend jedes einzelne Molekül, jede einzelne Zelle des Körpers und zerrte an ihr.

»Bäää ...chz!«, machte Gorrumusch angewidert und hielt sich am Kontrolltisch fest.

Radek sagte nichts, aber sein Gesichtsausdruck war eindeutig: Der Kontrollkommandeur litt unter demselben Gefühl. Ein Anruf wurde angezeigt.

»Eine Ambatar!«, staunte Gorrumusch. »Was will die denn?«

Radek spuckte ein Geräusch aus. »Natürlich. Die Ambatare pflegen engen Umgang mit der Großen Frau ... selbstverständlich melden sie sich, wenn Amba ungewöhnlich reagiert.«

Ein Gesicht erschien: eine ältere Gurrad, deren Fell silbrig glänzte, im Gesicht beinahe weiß war. »Ich bin Kalmira. Was geschieht mit Amba?«

»Sollten Sie das nicht besser wissen als wir?«, entfuhr es Gorrumusch. Im nächsten Moment hätte er sich am liebsten die Zunge abgebissen. Ich werde die Stabilisierungsträger mit einer Krallenbürste reinigen dürfen!, schoss es ihm durch den Kopf.

Die Ambatar sah ihn ernst an, zeigte aber weder Entrüstung noch Ärger. »Daran können Sie erkennen, wie ernst wir diese kleine Anomalie nehmen.«

Gorrumusch winkte resigniert und schaltete. »Ich übermittle alles, was wir haben, direkt an Ihren Link. Sie haben schließlich unbegrenzten Zugriff.«

Die Ambatar lächelte nun sogar ein wenig. »Den habe ich allerdings ... Ich danke Ihnen!«

Das Bild erlosch, und Gorrumusch blieb mit leerem Gehirn zurück. Er fühlte überhaupt nichts.

»Bei allen Tenkritsüchtigen, sind Sie wahnsinnig?«, hörte er Radek zischen. »Wie reden Sie denn mit einer Ambatar?«

Gorrumusch schwieg. Er hatte keine Ahnung, was er hätte antworten sollen.

»Das hat Konsequenzen, verlassen Sie sich drauf!«, sagte der Kontrollkommandeur böse und mit einer Stimme, die so kalt war, dass Gorrumusch fror. »Was ist mit den Schiffen, die den betroffenen Korridor benutzen? Ich hoffe für Sie, dass dort nichts Gravierendes geschehen wird!«

Was kann ich denn dafür?, wehrte sich Gorrumusch, wenn auch nur in Gedanken. Immerhin beunruhigte ihn dieses Problem nicht ernsthaft. Die sich aufbauenden Datenkolonnen waren eindeutig. »Den Raumschiffen droht keine ernsthafte Gefahr. Ihr Anflug wird nur holprig werden. Sehr holprig ...!«

1.

Kalmira: Die erste Séance

 

Kalmira betrat ihr Selvartorium. Die Gurrad war keine junge Frau mehr. Ihr Gesichtsfell war weißgrau. Dazu war sie mit lediglich 2,12 Metern nicht übermäßig groß.

Über ihr wölbte sich die mächtige Glassitkuppel, die einen grandiosen Blick nach draußen bot. Cata Ambas beeindruckende Skyline hatte im bläulichen Licht Ambas etwas Ätherisches. Wenn sich die rotgoldene Dämmerung über das Land legte, verstärkte sich dieser Eindruck.

Kalmira schmunzelte. An Cata Amba war nichts ätherisch; nicht in Wirklichkeit. Wie die meisten Metropolen war sie ein zementierter Abguss der gesellschaftlichen Verhältnisse. Das hieß: Prunk und bisweilen unfassbarer Reichtum auf der einen, Armut jenseits der Schmerzgrenze auf der anderen Seite. Dass es dazwischen ein paar Schattierungen gab, änderte am Gesamtbild so gut wie nichts.

Kalmiras Sensitivität war beinahe sprichwörtlich. Alle Ambatare verfügten in gewissem Maß darüber, aber ihr konnte hierin niemand das Wasser reichen. Sie empfand Mitleid für die zu kurz Gekommenen, die Verarmten, das System stellte sie nicht infrage. Die Ambaphalitische Autarkie war Realität.

Der gestaltgewordene Wille Mahapus sei ewig!, rezitierte sie im Stillen die siebte Parabel des Perdions. Die Sammlung von Mahapus Weisheit war identisch mit der Sakrosankten Totalität: Daran war nichts zu relativieren; Reichtum und Armut spielten in diesem absoluten Zusammenhang keine Rolle. Und ewig sei Amba!, fügte sie hinzu.

Die Nachrichten, die den Zirkel der Ambatare in letzter Zeit erreichten, waren Grund zur Besorgnis. Das stritt niemand ab. Aber es gab viele, die den Ernst der Lage dennoch nicht so recht zur Kenntnis nehmen wollten. Die Neigung, alles von sich zu schieben, war verbreitet.

Kalmira seufzte. Die letzten Selvars waren ungewöhnlich verlaufen. Dabei war es ihr unmöglich, dieses Gefühl in Worte zu fassen und damit handhabbar zu machen. Ohnehin existierten, was den Inhalt der Selvars betraf, beinahe nur falsche Vorstellungen außerhalb des Zirkels der Ambatare. Der Kontakt mit Amba hatte nichts von einem persönlichen Kontakt oder einem Zwiegespräch an sich. Die Eindrücke waren selten deutlich, meist nur verschwommen oder sogar bruchstückhaft. Der Inhalt konnte erst durch Meditation und Interpretation gewonnen werden. Die Intensität dagegen war unbestreitbar: ein Kontakt mit dem Göttlichen. Ein Absolutum, das jeden Ambatar durchströmte.

»Ich brauche Helmenkit!«, sagte Kalmira leise. Die Konterdroge für das wesentlich seltenere Pankit war unerlässlich; ihre Vorräte waren allerdings zusammengeschrumpft. Ihre Sensitivität war groß genug, um Eindrücke von Amba auch ohne die Drogen empfangen zu können, aber die ohnehin unklaren Bilder reduzierten sich dann auf kaum zu fassende Eindrücke: bloße Gefühle der gröbsten Art.

Sie trat auf eine freie Fläche, auf dem ihr Selvartorium stand. Die hochtransparente Glassitschale ähnelte dem Kolben eines Süßmorkks. Länglich, schmal, aber von einer wunderbaren Eleganz. Andächtig und begeistert musterte Kalmira ihr ganz persönliches Domizil. Dort fand sie Ruhe und die Weisheit, die Amba ihr sandte. Sie gab den Individualimpuls, und die Liegefläche schob sich aus dem Kolben heraus. Im Gegensatz zu anderen bevorzugte Kalmira eine härtere Liege. Die Kissen, mit denen die eine oder andere Ambatar ihre Selvartorien in ein bequemes Bett verwandelten, waren ihr zuwider.

Die offizielle Bezeichnung für die Meditationskammern war Selvarkar. Ihr selbst kam dieses Wort zu banal vor. Es wurde der Heiligkeit, der Unbedingtheit des Kontakts mit Amba in ihren Augen nicht gerecht. Die Nähe des Steins der Weisheit, in dessen weiterem Umkreis alle Selvarkare standen, unterstrich dies. Aber der Streit um Worte brachte selten Erleuchtung. Sie trat neben den offenen Glaskokon. Eine leise Melodie drang aus dem Innern. Jede Ambatar hatte ihre eigene Weise, sich zu entspannen, bevor Amba zu ihr kam.

Ein Pfeifen lenkte sie ab. Sie hob den Arm und aktivierte den Kontakt. Das Abbild von Jamande erschien, einer etwas jüngeren Ambatar, deren aufgeregtes Wesen ihrem Stand ganz und gar nicht entsprach. Die Augen hatte sie weit aufgerissen, und die länglich ausrasierte Stelle zwischen den Ohren zeigte gerötete Haut.

»Hast du's gesehen?«, japste sie.

»Was denn gesehen?«, wollte Kalmira wissen. Entsagungsvoll musterte sie ihr gläsernes Refugium. Dies würde sich hinziehen. Jamande war nicht in der Lage, sich kurz zu fassen.

Das war auch diesmal so. Ein Wortschwall stürzte Kalmira aus dem Akustikfeld entgegen, sodass sie am liebsten die Ohren an den Kopf gekniffen hätte. Eine grobe Unhöflichkeit, die sie unterließ. Die Frage war, ob Jamande in ihrem Zustand etwas davon mitbekommen hätte. Aus dem Wortschwall erschloss sich Kalmira nur, dass mit Amba etwas nicht stimmte – gemeint war das Schwarze Loch, dessen blau glühende Spirale wie ein Fanal am Himmel hing.

Kalmira hob den Kopf. Mentale Fetzen manifestierten sich in ihrem Geist, deutlich schwächer, als das sonst der Fall war. Für ein eindrückliches Selvar brauchte sie die Konterdrogen. Dabei sagte ihr das Gefühl, dass Jamande recht hatte. Das Gefühl der Unruhe hatte sie bereits seit Tagen verfolgt, ja sich deutlich verstärkt.

»Langsam, Jamande!«, forderte sie ihr Gegenüber auf. Tatsächlich versiegte der Redefluss. »Was soll los sein? Ich habe den Alarm mitbekommen, aber ich sehe nichts. Amba leuchtet wie immer! Ich habe vor einigen Minuten mit einer der Kontrollstationen gesprochen. Es scheint nichts Ernstes oder Gefährliches zu sein.«

Jamandes Gesicht verdüsterte sich. »Ich war wohl vorschnell. Du kannst es ohne die aufbereiteten Übertragungen ja nicht erkennen. Die Lichtreflexe haben Lichtgeschwindigkeit und werden Ambaphal erst später erreichen. Aber ich habe normaloptische Aufzeichnungen der Kontrollstationen gesehen – die sind näher am Ereignishorizont als wir. Die Hyperortung ist noch viel deutlicher. Die Wissenschaftler auf AMBA-XVIII sagen, dass die Raumquanten stärker vibrieren. Ich weiß, dass du sie kontaktiert hast – aber die erste Prognose stimmt offenbar nicht: Es wird schlimmer, wenn man den Analysen der Stationsbesatzung glaubt. Von solchen Dingen verstehe ich nichts. Es sieht aus wie ein in Stücke gerissener Regenbogen. Oder ein riesiger, wirrer Schwarm von Leuchtkäfern in Regenbogenfarben. Angeblich ist die Raumzeit um das Schwarze Loch in Aufruhr.«

»Aha«, machte Kalmira, ein wenig ratlos. »Und was bedeutet das genau?«

Jamande holte tief Luft. »Ich habe keine Ahnung. Wolltest du gerade ein Selvar abhalten?«

Kalmira hob bestätigend die Hand. »Ursprünglich wollte ich das nicht. Ich erwarte eine Lieferung Helmenkit – es ist kaum noch etwas übrig davon. Der Nachschub sollte mich morgen erreichen, wenn nichts dazwischenkommt. Du kennst die Schwierigkeiten selbst. Ich hatte mich gerade anders entschieden, als du mich kontaktiert hast.«

»Wer außer dir könnte etwas erfahren?« Jamandes Frage war rein rhetorisch. Sie schaltete ab.

Kalmira blieb einige Zeit regungslos stehen. Sie war dankbar dafür, dass der Lärm und das Chaos aus Cata Amba sie in ihrem Domizil nicht erreichten. Sie starrte nach oben, als könnte sie Amba auf diese Weise zwingen, sich ihr zu offenbaren. Sie würde ein Selvar riskieren. Ihre Vorräte an Helmenkit musste sie dazu zwar fast vollständig aufbrauchen. Aber wenn ihre Informationen stimmten, war der Frachter mit der Ladung neuen Helmenkits bereits im Anflug auf Ambaphal.

Sie schlüpfte in den gläsernen Kokon. Als dieser sich schloss, wurde die Umgebung ihres Selvartoriums abgeriegelt. Niemand durfte sie stören. Die Pankitpfeife schob sich aus dem Futteral. Sie atmete tief und intensiv, während die Drogen sich in ihrem Organismus verteilten. Die Synapsen arbeiteten auf Hochtouren. Langsam sank Kalmira in Trance.

Die Realität verschwamm.

Amba näherte sich.

Bilder formten sich ... und mit ihnen kam die Angst.

Es kommt ... was immer es ist! Ich sehne mich zurück nach der wärmenden Dunkelheit. Sie hält das Fremde fern. Die Schmerzen, die es verursacht!

Was ist es nur, das mich so quält? Warum schmerzt es so sehr, als ich noch nicht hier war ... oder hier sein werde? Was ist es nur, und warum lässt es mich nicht in Frieden ... ruhen!

Es ist so lange her, es wird so kurz gewesen sein.

Ich will das nicht!

Ich will das nicht!

Niemals wieder!

Als Kalmira zwei Stunden später aus ihrer Trance erwachte, weinte sie. Am Himmel flackerten regenbogenfarbige Lichtfetzen.

2.

Perry Rhodan: Frachter DAMOK

 

Das Schütteln wurde heftiger. Der Chor aus bedrohlichen Geräuschen ebenfalls.

Perry Rhodan zeigte seine Unruhe nicht, aber er fragte sich, wie oft man minderwertige Raumschiffe benutzen durfte, ohne dafür bezahlen zu müssen.

»Ist was?«, erkundigte sich Tuire Sitareh leise.

Zwar bestand keine Gefahr, dass die drei Gurrads, die die DAMOK auf den Raumhafen von Ambaphal zusteuerten, sich danebenbenahmen. Aber weder Rhodan noch der Aulore und schon gar nicht der Gurrad Vanjak trauten den Schmugglern. Dass sie das Schiff gekapert hatten, um von Doka zu entkommen, verbesserte ihr Verhältnis zur Frachterbesatzung nicht. Doka war eine recht normale Siedlerwelt gewesen, Ambaphal hingegen war das Zentrum der Autarkie – und Mittelpunkt der Verehrung von Amba, der Großen Frau.

Nun senkte sich das alte, birnenförmige Frachtschiff mit seiner heiklen Ladung – einer beachtlichen Menge Helmenkit – seinem Ziel entgegen: dem Raumhafen von Ambaphal. Leider zeigte der Atmosphäreneintritt die Mängel und Verschleißerscheinungen der DAMOK gnadenlos auf. Vor dem Schiff glühte die vor dem Schutzschirm komprimierte Wolke aus ionisierten Gasen, und die Turbulenzen machten dem Frachter zu schaffen.

Rhodan lächelte schief. »Man gewöhnt sich an den Komfort von Hochtechnologie unglaublich schnell. Als ob ein Ym oder eine Verrytsphäre vollkommen normal wären. Dabei ist Raumfahrt meist eine holprige Angelegenheit, sofern man nicht zu irgendeiner Elite gehört. Als ich vor vielen Jahren in der STARDUST zum irdischen Mond flog, wäre mir ein solches Schiff der Gurrads wie ein Wunder vorgekommen. Auch das Geruckel damals war wüst, und obwohl wir ein bisschen Erfahrung hatten, kommt es mir im Rückblick verrückt vor. Jetzt sitze ich zwischen drei Löwenmenschen, die sich abmühen, ihr Schiff heil zu Boden zu bringen. Es ist irre: Ich bin die LESLY POUNDER gewöhnt ... Die Reise in einem Ym hat den Effekt eher verstärkt.«

Sitareh amüsierte sich sichtlich, obwohl ihn ein Schlag, der die DAMOK zum Schwingen brachte, beinahe aus seinem Kontursitz gehebelt hätte. Erst danach arretierte er die Haltegurte. Kraftfelder zur Sicherung der Personen konnte die DAMOK nicht bieten. Sie war zu alt, und die Meiler lieferten für Luxus dieser Art nicht genügend Energie.

»Das macht dir Spaß, oder?«, fragte ihn Rhodan.

»Das stimmt!«, sagte der Aulore. »Ich verlasse mich auf meinen Instinkt. Die drei machen ihre Arbeit ziemlich souverän. Ich spüre keine übermäßige Nervosität bei ihnen. Erst wenn Kommandant Reekal beginnt, kribbelig zu werden, dann mache ich mir Sorgen. Oder Zalot. Ein ausgezeichneter Techniker übrigens. Ich habe ihn jetzt einige Zeit etwas gründlicher beobachtet. Er weiß, was er tut, und er kennt die Schwachstellen der DAMOK genau.«

»Ah!«, machte Rhodan. »Ich sagte nicht, ich mache mir Sorgen. Ich bin mittlerweile lediglich etwas zu verwöhnt.«

Sitareh grinste verständnisvoll. »Ich verstehe genau, was du meinst!«

Gleichzeitig gab es einen weiteren Schlag. Reekal fluchte. Beinahe wie ein Regiekommentar meldete sich die Bordpositronik der DAMOK zu Wort. »Feldschwäche im Sektor C sieben. Ionisierte Gase beschädigen die Außenhaut. Überwachungssensorik in diesem Bereich ausgefallen.«

Rhodan zog die Augenbrauen nach oben. »Wird Reekal nervös? Was meinst du?«

Sitareh ignorierte ihn.

Der Kommandant des Frachters war zumindest alarmiert. »Hüllenbruch?«, fragte er laut.

Der Flug des Schiffs wurde nicht ruhiger. Der Positronik merkte man selbstverständlich nichts an. »Aktuell nicht, aber die Möglichkeit besteht. Wahrscheinlichkeit bei erneutem Plasmakontakt: dreiundsiebzig Prozent!« Die Analyse der Positronik beruhigte Reekal offenbar keineswegs.

»Sie hätte einfach Ja sagen können!«, murrte der Aulore. Er war nun sichtlich angespannter als einige Minuten zuvor.

»Zalot?«, fragte Reekal, ohne sich dem Bordtechniker zuzuwenden.

Der kleine Gurrad mit der merkwürdig kahlen Stelle an der Schläfe gab einige Befehle ein. »Der Energiefluss ist stabil. Wir müssen die Projektoren G vier und G fünf allerdings ersetzen. Die sind hinüber. Ich kann den Überlagerungsbereich der Flächenfelder ein wenig ausweiten, aber das tut der Stabilität nicht gut. Bis zur Landung müsste es jedoch halten!«

Reekal fauchte giftig. Er dachte wohl daran, dass die Kosten für neue Projektoren seinen Gewinn massiv schmälern würden.

Rhodan beobachtete die beiden. Wahrscheinlich hofft er, dass Zalot den Löwenanteil der Arbeit erledigen kann. Das spart zumindest Arbeitsstunden, die Reekal nicht extern einkaufen muss. Viel Spaß! Zalot verzog ebenfalls das Gesicht und kratzte sich einmal mehr. Ein bizarrer Gedanke tauchte in Rhodans Kopf auf. Warum hat Zalot diese kahle Stelle? Ist es, weil er sich ständig kratzt, oder ist das Jucken eine Begleiterscheinung der Kahlheit? Ein Modetrend ist es sicher nicht. – Und als ob ich keine anderen Probleme hätte ...!

Das Brummen der Reaktoren wurde heller. Zalot leitete mehr Energie in die arbeitsfähigen Feldprojektoren, um die ausgeweiteten Teilschirme zu stärken.

Das kostet zusätzlich Energie und Stützmassenvorrat!, dachte Rhodan. Ich würde mal sagen, diesen Flug legt Reekal nicht unter »gutes Geschäft« ab. Er wird es uns übel nehmen. Schön, wenn sich der Sündenbock geradezu aufdrängt.

Sie näherten sich Ambaphal durch den zugewiesenen Raumkorridor. Die Wiedergabe der Außenbeobachtungskameras zeigte das Schwerkraftzentrum dieses sonderbaren Systems: das Schwarze Loch Amba. Ambaphal stand etwa sieben Schwarzschildradien davon entfernt; die Position war stabil, und das seit Langem.

Perry Rhodan studierte die Anzeigen nachdenklich. »Dieses Schwarze Loch ist sonderbar, nicht?«, erkundigte er sich bei Sitareh.

Der Aulore runzelte die Stirn. »Es ist auffällig. Es gibt sehr viel mehr ...«, er überlegte kurz, »ich kenne das als Grenomanen Auswurf ...!« Er lachte. »Dabei kann ich nicht einmal sicher sagen, ob das Aulorisch wäre! Sagenhaft finde ich, dass ich offenbar nicht der Einzige mit sprachlichen Schwächen bin: Der Translator scheint ein Begriffsdefizit im Bereich Astro- und Hyperphysik zu haben.«.

Rhodan stutzte kurz: »Kein Wunder. Hawkingstrahlung! Bei uns benannt nach einem bekannten Physiker. Du hast recht: Dieses Schwarze Loch dampft tatsächlich.« Er wandte sich an Reekal. »Sagen Sie, Kommandant, ich nehme an, diese sonderbaren Gravitationsvibrationen sind schuld an unseren Schwierigkeiten beim Anflug?«

Reekal brummte nur, Zalot übernahm die Antwort. »Das ist richtig. Amba ist für eine gewisse Unruhe in seiner direkten Umgebung berüchtigt. Aber diesmal ist es viel schlimmer als üblich. Ein wenig durchgerüttelt zu werden, gehört immer dazu. Derart starke Abstrahlungen der Gravitationsquanten habe ich aber nie zuvor erlebt. Es ist, als würde sich Amba schütteln!«

Sitareh grinste verhalten. »Wenn man sich die astrophysikalischen Besonderheiten von Suurt so anschaut, hat das Tradition. Irgendwann hat dieses Schwarze Loch viel mehr getan, als sich lediglich zu schütteln. Ich möchte damals nicht vor Ort gewesen sein. Scheint eine Diva zu sein.«

»Die Große Frau ist, wie sie eben ist!«, kommentierte Trunim knurrig. Der Frachtmeister war ein hagerer, ein wenig schief wirkender Gurrad, dessen linke Wangenmuskeln immer wieder unmotiviert zuckte. Er sprach wenig.

»Ja. Natürlich!«, sagte Sitareh.

Ob Trunim die mitschwingende Ironie bemerkte, war für Rhodan nicht erkennbar. Der Aulore schien vom religiösen Konstrukt der Ambaphalitischen Autarkie nicht viel zu halten. Trunim musterte den Auloren wie ein fremdartiges Tier. Zumindest Sitarehs Skepsis hörte er anscheinend heraus.

»Auf jeden Fall schüttelt uns diese fragmentierte, vibrierende Raumzeit ganz schön durch«, äußerte Reekal wütend. Schon beinahe patzig desaktivierte er eine weitere Anzeige, die eine steigende Schirmbelastung aufzeigte.

»Das Schwarze Loch leuchtet förmlich!«, sagte Rhodan fasziniert. »Das ist viel mehr als nur eine höhere Hawkingstrahlung. Es emittiert genug Licht, um Ambaphal habitabel zu halten. Hast du irgendwo schon mal etwas Vergleichbares gesehen?«

Sitareh tippte sich an die Stirn. »Bei meinem Gedächtnis ... Aber nein; nicht dass ich wüsste!«

»Wir haben's beinahe hinter uns!«, meldete Reekal. »Wir beginnen mit dem direkten Landeanflug. Aber es bleibt holprig. Zalot?«

»Ich bestätige«, sagte der Techniker. »Das wird bei Weitem der ekelhafteste Anflug, den wir je hatten!«

Eine andere Stimme drang aus den Akustikfeldern; es war definitiv keine Maschine, die da sprach. »Bodenkontrolle Ambaphal, Cata Amba, an Frachter DAMOK. Die Übermittlung der letzten Landekode-Sequenz ist lückenhaft. Bitte wiederholen! Bitte wiederholen!«

Nun fluchte Reekal ungehemmt. »Trunim! Los doch!«

Der Frachtmeister hob die linke Hand. Zwei ausgefahrene Krallen waren so etwas wie bei Menschen ein erhobener Mittelfinger. »Bin dabei. Mecker mich nicht an, Kommandant! Das nervt!«

Der häufig aggressiv wirkende Umgang der Gurrads untereinander verblüffte Rhodan einmal mehr. Zwar lebten die Gurrads in einem Matriarchat, aber das hatte lediglich Auswirkungen auf die Beziehung zwischen Männern und Frauen. Die Männer untereinander reagierten auf das krasse Missverhältnis in der Geburtenrate auf ihre eigene Art. Es gab etwa viermal so viele männliche wie weibliche Gurrads. Das erhöhte den Konkurrenzdruck im männlichen Anteil der Bevölkerung erheblich. Solange die Gurrads in eine ihrer strengen Hierarchien eingebunden waren, stellte das kein Problem dar. Öffnete man dieses Korsett jedoch, kam das gruppendynamische Grundverhalten ungebremst zum Tragen.

Reekal nahm keinen Anstoß an Trunims Antwort, dazu war er zu beschäftigt. Allerdings ahnte Rhodan, dass unter ruhigeren Umständen eine kräftige Rauferei die Folge gewesen wäre. Nichts, wobei ein Mensch gerne im Weg gestanden hätte. Trunim gab die letzte Anflugskode-Sequenz manuell durch. Die Sensorik der beschädigten Außensegmente war ebenso wenig auf die Schnelle zu reparieren wie die Feldprojektoren.

Rhodan fing einen wütenden Blick Reekals auf.