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Fachbereich

KULTURWISSENSCHAFT

Warum lachen die Menschen?

Über Komik und Humor

Von Prof. Dr. Helmut Bachmaier

Wenn man einen Vortrag mit einem guten Zitat beginnen kann, fühlt sich der Referent durchaus glücklich. Wenn dieses Zitat dann auch noch von Goethe stammt, ist der Referent noch glücklicher. Grenzenlos glücklich ist er aber erst dann, wenn dieses Zitat auch noch aus dem „Faust“ stammt. In dieser außerordentlichen glücklichen Lage möchte ich mit einem Zitat aus dem „Prolog im Himmel“ beginnen.

Im „Prolog im Himmel“ tritt Mephisto dem Herrn – der Teufel also Gott – gegenüber und lässt sich angesichts der Erzengel und der himmlischen Heerscharen so vernehmen: „Wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt, mein Pathos brächte dich gewiss zum Lachen, hättest du dir nicht das Lachen abgewöhnt“.

Warum hat sich der Herr, der Gott, der christliche Gott wahrscheinlich, das Lachen abgewöhnt? Warum ist dieser Gott kein lachender Gott? Diese Frage lässt sich durch einen Umweg mit Blick auf die antiken Götter der griechischen Mythologie am besten beantworten. Dies ist aber nicht nur ein Thema für die „Gelotologie“, für die Lachforschung, sondern auch für die Kulturwissenschaft, für die Theologie und für anderes.

Die Göttliche Komödie

Dieser Umweg beginnt bei Homer im 21. Gesang der „Ilias“. Dort gibt es das rätselhafte Auflachen des Zeus, in das er ausbricht, als er aus olympischer Höhe den Zank und Kampf der anderen Götter betrachtet. Es heißt da: „Ferne vernahm es Zeus auf Olympus Höhen, wo er saß, und es lachte das Herz ihm wonnevoll, da er schaute die Götter zum Kampf sich begegnen.“

Der Kampf dieser Götter erinnert an den Titanenkampf, der aber durch das Lachen eine ganz neue Bedeutung gewinnt. Die titanische Situation des Kampfes wird durch das Lachen verändert. Die Göttliche Komödie in dieser homerischen Götterszene wandelt es um. Es ist ein Gott Zeus, der über seinesgleichen, über Götter lacht. Es ist also ein selbstbezügliches Lachen, ein absolutes Lachen, denn er ist beides, Subjekt des Lachens und Objekt des Lachens.

In der antiken Gottesvorstellung gab es auch eine besondere, paradoxe Situation. Der antike Gott wird vorgestellt als ein unendliches, unbestimmtes Wesen aber zugleich mit endlichen Eigenschaften. Unendlich und endlich, unbestimmt und bestimmt, das ist ein Paradoxon und letzten Endes erkennt Zeus gerade diese paradoxale Struktur seiner Göttlichkeit, seiner Divinität. Das Paradoxon ist dann die Grundlage aller Komik und er bricht angesichts dessen ins Lachen aus. Denn er sieht ja an seinen Göttern, an seinen Mitgöttern, dass sie unendlich sind, aber einer ist immer begrenzt durch den anderen, also unbegrenzt und begrenzt zu sein.

Es kommt mir darauf an, an diesem Beispiel zu zeigen: Wenn Zeus über sich selbst lacht als selbstbezügliches Lachen, als absolutes Lachen, als Subjekt und Objekt des Lachens, kommen wir auf ein Paradoxon zwischen Endlichem und Unendlichem und dieses Paradoxon löst er im Lachen auf. Das ist eine besondere Situation des Polytheismus. Eine Grenze wird überschritten, der Akt des Überschreitens, ein Transzendieren. Letzten Endes erst im Lachen, im Akt des Lachens, wird der Gott wahrer Gott. Er löst dieses Paradoxon an sich selbst auf. Lachen als Transzendentum gewissermaßen.

Limitation und Transgression

Wir haben hier eine humoristische Theologie der Antike im Gegensatz zu einer Leidenstheologie des Christentums. Es ist bei Homer eine heitere Geschichte um eine komische Grundsituation, eben um das Paradoxon und seine Auflösung im Lachen. Es ist eine Grenzüberschreitung und Grenze und Grenzüberschreitung sind etwas ganz Wichtiges in der Komik. Es ist also ein Verhältnis von Limitation und Transgression. Diese Limitation, diese Fixierung in Grenzen finden wir auch bei Homer anhand der Gestalt des Hephaistos. Er wird durch seine Mitgötter verlacht, ausgelacht, in seiner Gestalt fixiert, in seiner misslichen. Er wird zum Objekt des Lachens. Er ist kein Subjekt. Er wird begrenzt und zugleich auch ausgegrenzt.

Inkongruenz und Kontrast

Man könnte sagen, dass das Lachen eigentlich immer so etwas wie ein Grenzphänomen ist, dass das Lachen mit einer Grenzerfahrung zu tun hat. Das ist das eine und dann gibt es noch zwei andere Modelle, die auch ganz wichtig sind. Sie lassen sich unter den beiden Stichworten subsumieren: Inkongruenztheorie oder Kontrasttheorie. Inkongruenz meint, es ist etwas Inadäquates, es kommt etwas nicht zur Deckung, beispielsweise bei NestroyInkongruenzKontrastStan LaurelOliver HardyKarl ValentinLiesl Karlstadt