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Über dieses Buch:

England, 1520: Als der Highlander Ambrose Macpherson auf einem Turnier in die Augen dieser Frau sieht, ist sein Herz gefangen. Elizabeth Boleyn ist schön, gewitzt – aber einem anderen versprochen: Henry Tudor, dem mächtige und hinterhältigen König von England. Ambrose, der die Grausamkeit des Herrschers nur zu gut kennt, weiß, in welcher Gefahr sich die Schöne befindet. Doch alles für diese Frau zu riskieren würde einen Krieg mit England provozieren – und sein Land ins Verderben stürzen. Als Elizabeth plötzlich verschwindet, ahnt der Krieger, dass der König selbst hinter der Entführung steckt. Er muss sie finden, denn nur er kann sie vor einem furchtbaren Schicksal bewahren …

Sinnlich und herzensschön – die große Schottland-Saga von Romance-Queen May McGoldrick wird Sie begeistern!

Über die Autorin:

May McGoldrick ist das Pseudonym des Autorenehepaars Nikoo und Jim McGoldrick. Für ihre gefühlvollen und vielschichtigen historischen Romanzen haben sie mehrfach Preise gewonnen und ihre Bücher sind in über 12 Sprachen übersetzt worden. Sie leben mit ihren beiden Söhnen an einem kleinen See in Connecticut.

Bei venusbooks erscheinen die Romane der Highland Treasure-Reihe

Das stürmische Herz des Earls
Das feurige Herz des Rebellen
Das flammende Herz des Highlanders
die große Schottland-Saga mit den Titeln
Der Highlander und die Schöne
Der Highlander und die Verfolgte
Der Highlander und die Königsbraut
Der Highlander und die stolze Lady
Der Highlander und die Flammentochter

sowie die historischen Romanzen
Scottish Dreams – Die Lady und der Lord
Das Versprechen der Highlanders

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eBook-Neuausgabe April 2017

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Dieses Buch erschien bereits 1999 unter dem Titel Goldenes Feuer im Wilhelm Heyne Verlag.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1996 by James McGoldrick and Nikoo McGoldrick

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1996 unter dem Titel Heart of Gold bei Topas, an imprint of Dutton Signet, a division of Penguin Books USA Inc.

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 1999 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2017 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Lizenzausgabe 2017 venusbooks GmbH, München

Copyright © der aktuellen eBook-Neuausgabe 2020 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/faestock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ER)

ISBN 978-3-95885-507-6

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May McGoldrick

Der Highlander und die Verfolgte

Die Macpherson-Schottland-Saga. Band 2

Roman

Aus dem Amerikanischen
von Angelika Naujokat

venusbooks

Prolog

Juni 1520,
im Lager ›du Drap d’Or‹
in der Nähe des englischen Besitztums Calais
an der französischen Küste

Die Funken sprühten, als die beiden Ritter zusammenprallten und ihre mit eisernen Spitzen versehenen Lanzen zersplitterten.

Schnaubend trabten die beiden Schlachtrosse weiter, trugen die Männer aneinander vorbei, und Ambrose Macpherson blickte rechtzeitig genug über seine Schulter zurück, um zu sehen, wie sein Gegner unsanft auf den harten Boden des Turnierplatzes stürzte. Von den französischen Höflingen auf den Tribünen erhob sich tosender Beifall, doch der schottische Krieger nahm den Jubel erst entgegen, als er beobachtete, daß die Knappen des zu Boden gegangenen englischen Ritters den wütenden Kämpfer wieder auf die Beine zerrten. Den Blick des unterlegenen Vasallen Heinrichs VIII. ignorierend, stellte sich Ambrose in seinen Steigbügeln auf und winkte mit seiner zerborstenen Lanze der bunten und lärmenden Zuschauermenge zu. Dann trabte er zur Loge hinüber, in der Franz I., König von Frankreich, neben Heinrich VIII., König von England, saß. Ambrose schob sein Visier nach oben und entbot den beiden mächtigsten Monarchen Europas seinen Gruß.

»Eine gute Leistung, und das nicht zum erstenmal, Sir Ambrose«, rief der französische König, drehte sich zum stämmigen König aus dem Hause Tudor neben sich um und klopfte diesem auf die Schulter. Vertraulich raunte er ihm zu: »Mein Bruder, das ist der Schotte, den Ihr in Flodden hättet töten sollen. Natürlich sind wir angesichts seiner Narbe der Auffassung, daß Ihr alles dazu unternommen habt.« Frankreich braucht mehr Verbündete vom Schlage eines Ambrose, dachte Franz I. insgeheim. Es war nicht häufig, Intelligenz, Mut und Kraft in einem einzigen Mann vereint zu sehen. »Er hat bei dem Kampf seine Möglichkeiten wirklich hervorragend genutzt, nicht wahr?«

Heinrich VIII. versuchte gelangweilt zu wirken, als er auf den Krieger und Diplomaten hinunterschaute, der in diesem Monat seinen besten Kämpfern Niederlagen bereitet hatte, und musterte dessen harte Gesichtszüge. Wenn die häßliche Narbe nicht gewesen wäre, die quer über die Stirn bis zum Auge verlief, wäre sein Gesicht recht ansehnlich gewesen. Das Mal eines Kämpfers, dachte Heinrich VIII. versonnen und fragte sich geistesabwesend, wie er selbst wohl mit einer solchen Narbe aussehen würde. Mit einem angedeuteten Kopfnicken riß Ambrose sein Pferd herum und galoppierte wieder zur äußeren Begrenzung des Platzes davon.

»So ist es, mein lieber Franz«, räumte Heinrich VIII. ein, »aber er muß noch gegen unseren Mann Garnesche antreten.«

»Ach, Heinrich, mit der Lanze ist dieser Macpherson der beste Ritter in Europa.«

»Nein, das sind nur leere Worte.«

»Nun, ich setze diesen goldenen Ring mit einem Rubin so groß wie Euer Augapfel darauf, daß der Schotte Euren Garland besiegen wird …«

»Garnesche, Sir Peter Garnesche!« Wütend blickte Heinrich VIII. zu seinem königlichen Rivalen hinüber und zog einen Ring mit einem riesigen Smaragd von seinem Finger. »Nun gut. Dieses Kinkerlitzchen sollte Eurem an Wert entsprechen. Sir Peter wird diesen Narren vom schottischen Hochland noch in der ersten Runde vom Pferd stoßen.«

Dieser Freund Frankreichs ist aus zäherem Holz geschnitzt als alle englischen Ritter zusammen, dachte Franz I. Wir sollten den Einsatz erhöhen und vielleicht um Calais wetten. Ach, lieber nicht, denn irgendwann kämpfen wir sowieso um den Besitz dieser Stadt. »Wir werden sehen, ob Euer Sir Peter sich besser als die anderen im Sattel hält. Wenn er es länger als fünf Runden schafft, gehört der Einsatz Euch.« Mit einem gequälten Lächeln reichte der König von Frankreich dem Adligen neben sich den Rubinring. »Bringt Ihr unserem Konnetabel genug Vertrauen entgegen, Heinrich, um ihm den Einsatz in Verwahrung zu geben, oder möchtet Ihr lieber einem der Euren diese Ehre zuteil werden lassen?«

Heinrich VIII. schaute zu dem strengen Gesicht des Konnetabels hinüber, dann wanderte sein Blick zum breiten, blassen Gesicht seines Gesandten, Sir Thomas Boleyn, der aufmerksam und diensteifrig an seiner Schulter stand. Mit einem Achselzucken warf er dem französischen Kronfeldherrn den Ring zu. »Ihr vertraut Eurem hochgeschätzten Konnetabel Euer Königreich an, da werden wir ihm wohl diesen Tand anvertrauen können. Sir Thomas, sagen Sie Sir Peter, er soll sich bereitmachen.«

Ein blaßblauer Himmel spannte sich über den Platz. Ambrose lehnte erschöpft an der Begrenzung und trank in kleinen Schlucken Wasser aus einem Schöpflöffel, während die Knappen sich seinem Pferd widmeten. Als er über den freien Platz zu den Tribünen hinüberschaute, dachte er, daß in diesem Monat keiner der beiden in erbittertem Wettstreit miteinander stehenden Monarchen seine Chance genutzt hatte. Für die beiden Länder galt das gleiche. Diese großen Herrscher waren in dem prunkvollen Lager zusammengekommen, um über Frieden zu sprechen und die Differenzen beizulegen, durch die ihre Länder die letzten einhundert Jahre immer im Streit miteinander gelegen hatten. Statt dessen jedoch hatten sie ihre Zeit damit verbracht, den anderen zu übertrumpfen und die eigene Stärke zur Schau zu stellen.

Ich danke Gott für ihre Überheblichkeit, dachte Ambrose, und für dieses schier unglaubliche Kräftemessen, zu dem diese beiden Männer getrieben wurden. Ich danke Gott für den Stolz, der beide zumindest bis jetzt davon abgehalten hat, sich zu einigen und eine Allianz zu schmieden, die Schottlands Zukunft und die Zukunft Europas ernsthaft gefährden würde.

Mit einem grimmigen Lächeln dachte der Krieger, daran, daß diese beiden Könige häufig wie zwei verwöhnte Jungen handelten, und wie jeder der beiden versuchte, den anderen in seinen Großtaten und in seinem Reichtum zu übertreffen. Tatsächlich hatte Heinrich VIII. den König von Frankreich in der vergangenen Woche zu einem Ringkampf herausgefordert und war auf Franz I. losgegangen. Große diplomatische Anstrengungen waren nötig gewesen, um die beiden davon abzuhalten, gegeneinander in den Krieg zu ziehen, nachdem Franz I. dem englischen König ein Bein gestellt und ihn geschickt zu Boden geworfen hatte.

Der schottische Ritter mußte dafür sorgen, daß sich an dieser Rivalität nichts änderte. Zum Wohle aller mußte dieses Gleichgewicht der Kräfte unbedingt erhalten bleiben.

Ambroses Blick streifte das Gelände außerhalb des Turnierplatzes. Die hügeligen Wiesen waren bedeckt mit den Pavillons und den Bannern der französischen und englischen Adligen und ihrer Gefolge. Bei der Vorbereitung dieses gigantischen Schauspiels hatte man jeden Gedanken an die Kosten verworfen. Die goldenen Zelte und Pavillons, die die zehntausend Lords, Kardinäle, Ritter und Hofdamen der beiden Königshäuser beherbergten, boten einen verwirrenden und prächtigen Anblick zugleich, was auch beabsichtigt war. Selbst aus dem Springbrunnen in der Nähe des königlichen Pavillons sprudelte Wein statt Wasser. Das war Diplomatie in ihrer üppigsten und sinnlosesten Form.

Der Anblick erfüllte Ambrose mit plötzlichem Abscheu, denn er hatte auch die hungrigen Bauern gesehen, die von Soldaten hinter dem großen Tor auf der gegenüberliegenden Seite des Turnierplatzes auf Abstand gehalten wurden. Die Adligen hausten in diesen wenigen Wochen in goldenen Zelten, während viele dieser hungrigen Dorfbewohner und ihre Kinder um Nahrung bettelten und das ganze Jahr über im Freien nächtigten. Die meisten Staatsmänner sind dafür blind, dachte Ambrose angewidert. Und das ist überall das gleiche, in England, in Frankreich, ja sogar in Schottland. Vor Jahren war er noch der Meinung gewesen, der beste Weg sei, sich von Politik fernzuhalten. Doch inzwischen hatte er gelernt, daß er die besten Voraussetzungen für ein politisches Amt mitbrachte.

Nach außen hin war Ambrose Macpherson ein Krieger, der seinesgleichen suchte, und ein bewährter Gesandter der schottischen Krone. Er war ein Mann der Tat und hochgebildet dazu. Obwohl er an der schottischen Universität St. Andrews und an der Universität Paris studiert hatte, lernte er in den turbulenten Jahren der Aufstände, die in der Zeit seiner Jugend Schottland in zwei Lager gespalten hatten, an der Seite seines Vaters und seiner Brüder auch das Kriegshandwerk und die Kunst des Kämpfens. Als Krieg mit England drohte, war er wieder zu König Jakob IV. zurückgekehrt und hatte in der Schlacht von Flodden tapfer an dessen Seite gekämpft. Das war vor sieben Jahren gewesen, und Ambrose hatte für seine unablässigen Heldentaten, seine Treue und seine Aufopferung Grund und Boden, eine gute Stellung und Ruhm geerntet.

Doch das war nicht alles gewesen. Als Freigeist hatte er das Abenteuer und die Herausforderung gesucht, und das hatte ihn an jeden Königshof in Europa geführt. Auf dem gesamten Kontinent war er für seine diplomatischen Leistungen und den Mut und die Tapferkeit, mit denen er seine körperlichen Kräfte einzusetzen verstand, berühmt. In einer Welt der Treulosigkeit galt Ambrose Macpherson als Ehrenmann.

Die Trompeten der Herolde zogen seine Aufmerksamkeit wieder auf den Turnierplatz. Die letzten Wettkämpfe des Tages und dieses Turniers standen bevor. Morgen würde Ambrose nach Boulogne reiten und von dort nach Schottland segeln. Er freute sich darauf, zur Taufe seines jüngsten Neffen wieder in der Heimat zu sein.

Doch zunächst mußte er noch gegen den Engländer Garnesche antreten, den er für einen ernstzunehmenden Gegner hielt. Ambrose hatte sich selbst davon überzeugen können, daß dieser noch jeden Ritter, gegen den er im Turnier angetreten war, aus dem Sattel geholt hatte. Der Mann war stark wie ein Pferd und geschmeidig wie eine Katze. Ambrose ging zu seinem Roß hinüber, dem letzten Turnier des Tages entgegen.

Dann standen sich die beiden Ritter gegenüber. Trommelwirbel und Trompetenstöße erfüllten die Luft. Peter Garnesche trug über seinem Harnisch ein goldenes Tuch, Ambrose Macpherson hatte sich mit schwarzem Samt und schwarzer Seide ausgestattet. Selbst die rasiermesserscharfe Klinge eines Hochlanddolches war nichts gegen die Schärfe der Blicke, mit der sich die beiden Gegner maßen.

Als die Turnierkämpfer sich auf ihre jeweiligen Seiten des Platzes begeben hatten, verstummte die Menge. Beim Passieren der Tribünen ließ Ambrose seinen Blick über die farbenprächtigen Reihen des Adels streifen. Er sah die Taschentücher der vielen jungen Frauen, die ihm zuwinkten und sich in diesen warmen Nächten unablässig bis zu seinem Zelt vorkämpften. Er wußte, wie er den Frauen, mit denen er sein Nachtlager teilte, Vergnügen bereitete, und bis jetzt hatte er sich noch nie die überall grassierende Syphilis geholt, mit der so viele gestraft waren. Sein Ruf als gesunder Mann machte Ambrose überall zu einem beliebten Höfling. In letzter Zeit hatte er jedoch festgestellt, daß ihn das Angebot williger Damen im großen und ganzen langweilte. Sie erschienen ihm alle gleich zu sein: zu erfahren und zu willig. Er fühlte sich nicht gefordert, keine Frau erweckte auch nur den Anschein, unberührt zu sein.

Mit einem Kopfschütteln befreite sich Ambrose von diesen unsinnigen Gedanken. Konzentriere dich gefälligst dachte er. Nur einen Augenblick später würde er dem gefährlichsten seiner Herausforderer gegenüberstehen, und noch immer kreisten seine Gedanken um seinen Hosenbeutel!

Als Ambrose sein Streitroß auf den Platz lenken wollte, wurde er vom unerschütterlichen Blick einer jungen Frau gepackt, die am Ende der Sitzplätze stand. Willensstärke und Selbstsicherheit lagen in ihrem Blick. So also sieht es mit meinem Überdruß am Angebot verfügbarer Damen aus, dachte er bei sich. Ach ja, etwas frisches Blut … neuer Schwung … das ist es, was ich brauche.

Der schottische Krieger senkte seine Lanze, grüßte das unbekannte Mädchen und riß seinen schwarzen Hengst herum.

Elizabeth Boleyn errötete, als der Krieger auf sie aufmerksam wurde. Sie fühlte sich völlig überrumpelt, und den in ihre Richtung gedrehten Köpfen entging das keineswegs.

Da der französische König zum Kampf herausgefordert hatte, war es die Königin von England, die ihr Taschentuch in die Höhe hielt, und Ambrose und Peter Garnesche warteten auf ihr Zeichen wie zwei große Bullen, die ungeduldig und kampflustig an ihren Seilen zerren. Ein weiteres Mal ertönten die Trompetenstöße der Herolde, und als die Klänge verstummt waren, legte sich eine tödliche Stille über den Platz.

Das Taschentuch fiel zu Boden, und die zwei Krieger gaben ihren Streitrossen die Sporen.

Als die beiden Pferde über die freie Fläche galoppierten, senkte Ambrose die Spitze seiner Lanze nach unten. Mit einer Bewegung, die ihm so vertraut war wie ein Wink seiner Hand, preßte er das Ende der Lanze mit seinem muskulösen Oberarm gegen die Seite seines Brustkorbs. Er sah, wie der heranstürmende englische Ritter ebenfalls die Lanze senkte, und erkannte sofort, warum sein Gegner so erfolgreich war. Garnesches Lanze war nicht vollständig gesenkt, die mit Eisen bewehrte Spitze zielte direkt auf Ambroses Visier.

Dem instinktiven Drang widerstehend, sich im Sattel aufzurichten, zielte Ambrose mit seiner Lanze direkt auf das Herz seines Feindes.

Mit einem ohrenbetäubenden Krachen stießen die beiden Krieger zusammen. Die Lanze des Engländers zerbarst an Ambroses Schulter oberhalb seines Schildes, während die Waffe des Schotten bei ihrem direkten Aufprall auf das schützende Schild Garnesches zersplitterte. Es verlangte Ambrose alle Kraft ab, sich auf seinem Pferd zu halten, während die Rosse aneinander vorbeirasten.

Die Jubelrufe der Menge brandeten über den Platz, als die beiden Kämpfer wendeten, wieder an ihre Ausgangspositionen zurückritten und die zerstörten Waffen ersetzten.

»Er hat gemogelt, Mylord«, stieß der junge Knappe hervor, als er Ambrose die neue Lanze reichte. »Er hat seine Lanze viel zu spät gesenkt.«

»Ja, aber das bestätigt nur den Ruf, den dieser Engländer hat.« Ambrose warf dem Burschen einen beruhigenden Blick zu. »Ich hätte ein solches Vorgehen erwarten sollen.«

Erneut standen sich die beiden Krieger gegenüber und warteten auf das Signal. Die Trompeten der Herolde schmetterten, das Taschentuch der Königin fiel zu Boden, und wieder jagten die Männer über den Platz.

Ambrose brachte die Lanze frühzeitig in die richtige Position und stellte sich hoch in den Sattel, während das Pferd schnaubend voranpreschte. Die Menge hielt den Atem an. Trotz des enormen Gewichtes der schweren Rüstung hielt sich der Hochländer aufrecht und ließ seinen Körper wie auch die Lanze beständig mit den Bewegungen mitgehen, während das schnelle Pferd auf den heranstürmenden Feind zugaloppierte. In den Steigbügeln stehend, war sich der schottische Krieger sicher, durch den Aufprall vom Pferd geworfen oder von der Lanze seines Gegners geköpft zu werden, sollte ihn seine Kraft verlassen.

Garnesche schnaubte durch sein Visier dem heranrasenden Schotten entgegen. Der Narr war erledigt.

Eine Sekunde bevor die Männer aufeinanderprallten, ließ sich Ambrose in den Sattel fallen. Die Lanze des Engländers zielte jetzt nach oben … direkt auf Ambroses Gesicht. Sich zum Angriff nach vorne beugend, schreckte er nicht eine einzige Sekunde vor dem herannahenden Stoß zurück.

Das Geräusch, mit der seine Lanze die Mitte des Panzers seines Feindes traf, hallte über den Turnierplatz; die Spitze von Garnesches Lanze stieß mit einem pfeifenden Geräusch an Ambroses Kopf vorbei.

Der schottische Ritter schob sein Visier in die Höhe, zügelte sein Streitroß, ließ die zerborstene Waffe fallen, drehte sich unter dem tosenden Beifall der Zuschauer um und sah den englischen Ritter rücklings ausgestreckt auf dem Boden liegen.

Laut und unflätig fluchend, ergriff Peter Garnesche die Hand seines Knappen, kam abrupt auf die Beine und starrte den Schotten unablässig mit vor Wut funkelnden Augen an.

Die blonden Haare fielen Ambrose locker über die Schultern, als er den Helm absetzte. Der junge Krieger ließ den eisernen Helm in die Hände seines Knappen fallen, wendete und trabte mit seinem Hengst auf die Tribünen und die königliche Loge zu. Den ihm widerwillig ihre Anerkennung zollenden englischen Zuschauern zeigte er ein Lächeln, den jubelnden Franzosen entbot er einen unauffälligen Gruß. Die beiden Könige gratulierten dem Sieger, wobei Franz I. deutlich besser gelaunt war.

»Das waren die besten Krieger Englands, Sir Ambrose«, rief ihm der König von Frankreich zu, »und Ihr habt sie alle besiegt.« Er winkte den Konnetabel heran, entnahm der offenen Hand des Kronfeldherrn seinen Gewinn, hielt den Smaragdring des Tudorkönigs hoch ins Licht und betrachtete ihn eine Weile mit bewundernden Blicken, bevor er ihn über das Geländer dem jungen Ritter herunterreichte. »Ich hätte Heinrich dazu bewegen sollen, Calais dagegenzusetzen.«

Franz I. und Ambrose lächelten sich an, während der verdrossene König von England dem Ganzen wenig belustigt zusah.

Der schottische Krieger nickte, lenkte sein Pferd von der königlichen Loge weg und ritt an den Reihen der französischen Höflinge vorbei. Die aufdringlichen Lobhudeleien der immer noch erregten Menge entgegennehmend, suchte er die Gesichter ab. Die Frauen beugten sich auf ihren Sitzen nach vorne und hofften auf eine Gelegenheit, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, doch sein Blick flog über sie hinweg.

Und dann sah er sie. Sie stand an der gleichen Stelle wie zuvor, hatte sich nicht von ihrem Platz gerührt.

Elizabeth musterte das Gesicht des Kriegers, das Kraft und Eleganz ausstrahlte. Sie hatte genug gesehen, war bereit zum Aufbruch, konnte das Kribbeln, die Erregung spüren – in ihren Händen und Fingerspitzen. Den Anblick dieses Mannes auf seinem prächtigen Pferd und seine Augen, die auf ihr ruhten, würde sie für immer als herrliche Erinnerung in ihrem Gedächtnis behalten.

Nie zuvor hatte Ambrose so schöne dunkle Augen gesehen wie ihre. Unverwandt blieben sie auf ihn gerichtet, musterten ihn. Er spürte, wie sich ihr Blick durch seine Rüstung bohrte, seinen Körper abtastete und ihn prüfend studierte. Sie wollte ihn … das konnte er deutlich erkennen. Noch heute nacht würde sie in seinem Bett liegen.

Ambrose zog sein Schwert, steckte den großen Smaragdring auf die rasiermesserscharfe Spitze und streckte es dem schönen Mädchen entgegen.

Elizabeth streckte ihre Hand aus, und der Ritter legte das Erinnerungsgeschenk geschickt in ihre Hand.

Die Menge verstummte beim Anblick der Übergabe. Dann kam plötzlich Bewegung in Tausende von Zungen, und das Getratsche begann.

Kapitel 1

Elizabeths Gedanken rasten, die langsamen Bewegungen ihrer Hand ließen sich jedoch gut verfolgen.

Die junge Frau senkte den Pinsel wieder in das Farbgemisch und hob ihn zur Leinwand.

»Wie nennst du das Bild?«

»Das achte Weltwunder«, murmelte Elizabeth, trat dabei einen Schritt zurück und warf einen prüfenden Blick auf ihr jüngstes Werk: Das Lager du Drap d’Or‹. Es war ihr gelungen, den Schwung der hügeligen Landschaft vor Calais einzufangen, die Pracht und Erhabenheit der königlichen Aufzüge, die schmucklose Bescheidenheit der armen Gaffer, darüber den blauen Himmel, die grünen Felder des Spätfrühlings, die grauen, den fernen Horizont verdunkelnden Wolken, die grellbunten Livreen der hin und her eilenden Diener, die erregende Spannung des Turnierkampfes, den siegreichen Ritter. Es war ihr bisher bestes Werk.

Mit unruhigen Bewegungen stopfte sich Mary auf dem Bett weitere Kissen hinter den Kopf. »Darf ich mal den Ring sehen?«

Überrascht drehte Elizabeth sich um und schaute zu ihrer jüngeren Halbschwester hinüber. In ihrem Zustand war das ja wohl das letzte, was Mary jetzt brauchte. Als ob die entzündeten, schmerzenden Stellen, mit denen die Syphilis sie plagte, nicht schon schlimm genug gewesen wären! Die letzte Woche war Mary nicht mehr in der Lage gewesen, Nahrung bei sich zu behalten. Die einst schöne und kräftige junge Frau lag jetzt erschöpft und ausgezehrt auf Elizabeths Bett. Elizabeth verkniff sich ihr Mitleid … und die Worte, die ihr auf der Zunge lagen. Was hätte sie der Siebzehnjährigen auch sagen können, die bereits mehr Schmerzen ertragen hatte als andere in ihrem gesamten Leben? Elizabeths Gedanken wanderten zu Anne, ihrer jüngsten Schwester, und sie fragte sich, ob diese daran schuld war, daß Mary von dem Ereignis am Nachmittag wußte. Was Mary zu Ohren kam, stammte meist aus dem Mund der dreizehnjährigen Anne.

»Wo ist der Ring, Elizabeth?«

»Ich habe ihn nicht mehr.«

»Herrgott, komm mir jetzt bloß nicht mit deinem Mitleid!« Mary wandte ihr Gesicht ab und richtete ihre Worte genauso an sich selbst wie an ihre Schwester. »Er nahm mir meine Unschuld und schlief mit mir. Er hat mich benutzt. Was ist also schon dabei, daß du diejenige bist, die am Ende seinen Ring besitzt?«

»Du hast mit dem Schotten geschlafen?«

»Jetzt sei nicht albern, Elizabeth. Du weißt, wovon ich rede.«

Es war kein Geheimnis, daß Mary in den vergangenen Monaten die Mätresse Heinrichs VIII., des Königs von England, gewesen war. Vor vier Monaten waren Mary und Anne von ihrem Vater aufgefordert worden, nach England an den Königshof zu kommen, und unmittelbar danach hatte die Affäre begonnen. Aus Annes Äußerungen konnte Elizabeth entnehmen, daß ihr Vater Mary eindeutig dazu ermutigt hatte, die erotischen Annäherungsversuche des attraktiven jungen Königs freundlich zu erwidern, und Sir Thomas war sogar so weit gegangen, private Treffen in weit vom Hof entfernten Jagdhütten zu arrangieren … weit weg vom Hof und weit weg von der Königin. Es war allgemein bekannt, daß der König schon vor langer Zeit der Frau, die ihm keinen Sohn schenken konnte, überdrüssig geworden war.

Vor zehn Jahren hatte Sir Thomas Boleyn nach dem Tode seiner Frau seine beiden Töchter Mary und Anne nach Frankreich geschickt, damit sie zusammen mit Elizabeth, seiner Tochter aus einer früheren Verbindung, erzogen wurden. Während der Zeit, in der sie gemeinsam im Haushalt ihres Vaters am Hof Königin Isabellas in Frankreich aufwuchsen, war zwischen den drei jungen Schwestern eine starke Verbindung entstanden. Elizabeth war damals zehn Jahre alt gewesen und nur drei Jahre älter als Mary. Trotzdem hatte sie von Anfang an die Rolle einer Beschützerin angenommen, sich sehr um ihre neuentdeckten Halbschwestern gekümmert und sie in allen Angelegenheiten beraten.

Sie freute sich sehr über ihre neuen Geschwister. Bevor diese in Elizabeths Leben getreten waren, war Elizabeth ein extrem einsames Kind gewesen. Ohne Eltern und Freundinnen hatte sie andere Wege entdeckt, um den Zauber einzufangen, den sie in ihrem Leben vermißte. Elizabeth Boleyn besaß die Gottesgabe, in der sie umgebenden Dunkelheit Schönheit sehen und malen zu können.

Sie konnte sich noch genau an die Nacht erinnern, in der ihre Mutter gestorben war. Ohne zu weinen hatte das junge Mädchen an der niedergebrannten Feuerstelle gesessen, in der Faust der einen Hand warme Asche, in der anderen einen verkohlten Zweig. Mit ruhiger Verzweiflung hatten die kleinen Finger des Mädchens herumgewirbelt und die dabei entstehenden Muster zu ihrem Rettungsanker werden lassen. Dann war Elizabeth zum kalten, leblosen Körper ihrer Mutter gegangen, hatte sich daneben gestellt und ihr wie Elfenbein schimmerndes Gesicht berührt, das im Tode genauso schön war wie zu Lebzeiten. Auf den hohen Backenknochen blieb ein Aschefleck zurück, und Elizabeth hatte nur einen Wunsch gehabt: Die Asche möge ihrer Mutter wieder Wärme schenken.

In ihrer ganzen übrigen Kindheit zeichnete sie auf Bretter, Fußböden und Wände, benutzte dabei alles, was sie an geeigneten Gegenständen finden konnte, und füllte die Leere mit ihrer Vorstellungskraft.

Jahre später begann sie zu malen. Solange Elizabeth ihrer neuen Betreuerin keinen Ärger machte, wurde ihr erlaubt, aus den engen Grenzen des Gefängnisses ihrer Gemächer auszubrechen und zahllose Stunden mit den Handwerkern und Künstlern zu verbringen, die dem Hof Königin Isabellas einen Besuch abstatteten. Keiner der Männer störte sich an diesem Kind mit dem strahlenden Gesicht oder stellte Elizabeth Fragen, wenn sie schweigend dasaß und mit an die Brust gezogenen Knien aufmerksam jeder ihrer Bewegungen folgte. Einige der Maler zeigten Anteilnahme an dem kleinen Mädchen und stellten Elizabeth kostbare Leinwandstückchen oder Farben zur Verfügung, während diese ihnen ruhig erzählte, was sie gerade beschäftigte. Sie sah den Kunsthandwerkern dabei zu, wie sie ihre Pinsel in Form brachten, wohnte voller Staunen dem Mischen der Farben bei und studierte die Entwürfe sowie die einzelnen Schritte der Technik jedes Künstlers.

Alles, was sie dort lernte, setzte Elizabeth in die Praxis um. Während andere Kinder am Hof die dunklen und grausigen Winkel des Schlosses mieden und vor ihnen Angst hatten, suchte und fand Elizabeth dort Zuflucht. Die dunklen Steinwände verströmten Feuchtigkeit und Kälte, das junge Mädchen jedoch war das blühende Leben selbst und strahlte das auch aus. Die kühnen Farben, die sie in ihren Bildern verwendete, sprachen von Sonnenlicht und Wärme. Die lebendigen Details ihrer Arbeit riefen bei den wenigen Menschen, mit denen sie ihr Geheimnis teilte, ein Lächeln und Frohsinn hervor.

Dann kamen ihre Schwestern.

Es dauerte nicht lange, und die drei schwarzhaarigen Töchter Sir Thomas Boleyns zogen die umherschweifenden Blicke der Höflinge und Ritter aus Frankreich und vielen anderen Ländern auf sich. Mary war dabei immer diejenige gewesen, auf die der Glanz dieses eleganten Lebens die größte Anziehungskraft ausübte. Irgend etwas an Elizabeths Schwester hatte förmlich nach den schmeichlerischen Aufmerksamkeiten der Lebemänner am Hof geschrien. Doch nie war dabei ein Verhängnis geschehen – zumindest, solange sich Elizabeth um Mary gekümmert hatte.

Vier Monate war es jetzt her, daß ihre Schwestern nach England abgereist waren. Während der Jahre, in denen Mary und Anne bei ihr gewesen waren, hatte Elizabeth gelernt, ihren schöpferischen Drang zu zügeln. In dieser Zeit hatte sie nur noch dann gemalt, wenn es ihr die Zeit erlaubte und ihre Geschwister sie nicht brauchten. Nachdem diese fortgegangen waren, dauerte es lange, bis Elizabeth ihre Einsamkeit überwand, doch im Laufe der Zeit konnte sie sich mit ihrer neugewonnenen Abgeschiedenheit anfreunden. Nun hatte sie Zeit zum Malen – ohne Unterbrechungen, ohne daß sie sich um jemanden kümmern oder irgend jemanden bemuttern oder beruhigen mußte – und schmeckte die ersten Früchte der Freiheit. Diese Freiheit jedoch währte nur kurz.

Aus heiterem Himmel wurde Elizabeth dann von Sir Thomas nach Calais gerufen. Bei ihrer Ankunft stieß sie auf eine kranke und bettlägerige Mary. Ihre Schwester hatte sich die gefürchtete Syphilis zugezogen.

Sie wußte, um welche gräßliche Krankheit es sich handelte; die Syphilis war die Geißel jedes Hofes in Europa. Zuerst befiel sie den Körper, später den Geist eines Infizierten.

Elizabeth widmete sich Mary mit liebevoller Fürsorge. Es gab keinen Grund, die jüngere Schwester zu schelten … sollte die Syphilis Mary nicht sofort umbringen, stand ihr lebenslanges Siechtum bevor.

Obwohl das oberflächliche Leben bei Hofe nie eine besondere Anziehungskraft auf Elizabeth ausgeübt hatte, hielt irgend etwas in ihr sie davon ab, Mary dafür zu verurteilen, die Aufmerksamkeit des mächtigsten Mannes Englands auf sich gezogen zu haben – des Mannes, in dessen Händen die Zukunft ihres Vaters lag. Immerhin hatte Elizabeth ihr Talent, ihr Malen, ihr geheimes Leben und ihre Hoffnungen, einmal eine große Malerin zu werden. Diese Träume boten ihr alle Leidenschaft, die sie in diesem Leben suchte, machten sie unabhängig – sogar als Frau. In ihrer Kunst aufgehend, brauchte sie keinen Mann, der sich um sie kümmerte oder sie beschützte. Bei Mary hingegen war das anders. Sie war darauf angewiesen, beachtet zu werden und wollte den Glanz. Während Elizabeth danach strebte, Beobachterin zu sein und ein Bild einzufangen, hatte Mary immer Vergnügen daran gefunden, das Objekt, die Beobachtete zu sein und im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen.

Elizabeth mußte an den Preis denken, den ihre Schwester jetzt dafür zahlte, nahm den Pinsel und begann, über den klaren blauen Himmel dahinjagende kleine Wölkchen zu malen.

»Anne hat mir erzählt, was heute geschehen ist … bei dem Turnier«, flüsterte Mary und beobachtete, wie ihre Schwester mit sanften Bewegungen den Pinsel führte. »Ich warne dich. Dieser Mann ist ein Schürzenjäger.«

»Du kennst ihn?« fragte Elizabeth, ohne ihren Schwung zu unterbrechen.

»Er läßt sich nicht leicht übersehen. Dieser Schotte sieht sehr gut aus. Aber keine Sorge, Schwester, er erfreut sich bester Gesundheit. Ich habe nicht mit ihm geschlafen.«

Das Krachen des Kruges auf dem Fußboden ließ Mary in die Höhe fahren. Schüchtern senkte sie ihren Blick und versuchte so, der Wut ihrer älteren Schwester zu entgehen.

»Ich warne dich!« Elizabeth machte einen Schritt auf die zusammengekauerte Gestalt zu. »Wenn ich noch ein einziges Mal von dir höre, daß du dich so herabsetzt wie gerade eben …« Sie holte tief Luft, um ihre Wut zu zügeln, bevor sie fortfuhr. Für ihren Geschmack waren die Zeltwände viel zu dünn. »Du kannst dich nicht für deine scheußliche Krankheit verantwortlich machen, Mary! Wenn überhaupt jemand die Schuld daran trägt, dann dein werter König, der dich bereits als Kind damit angesteckt hat.«

»Dann glaubst du mir also, daß er der einzige ist, mit dem ich je geschlafen habe?«

»Natürlich.«

Die verstohlenen Tränen, die Mary in die Augen traten, entgingen ihrer älteren Schwester nicht. Rasch ging Elizabeth zu ihr hinüber und nahm die junge Frau in die Arme.

»Heinrich glaubt es mir nicht. Er haßt mich, nennt mich abscheulich, sagte, er wolle mein krankes Gesicht nie mehr sehen. Die Nacht vor deiner Ankunft bin ich zu ihm gegangen. Ich hatte Fieberfantasien, aber er wollte nicht einmal, daß mich sein Arzt behandelt. Er nannte mich eine …« Krampfhaft hielt sich Mary an ihrer Schwester fest und weinte.

»Psst, meine Liebe! Das ist jetzt alles Vergangenheit und liegt hinter dir. Denk einfach an eine schöne Zukunft.«

Elizabeth drückte Mary fest an sich und wiegte sie in ihren Armen. Sie wußte, daß ihre Worte wenig überzeugend klangen, und biß sich auf die Lippen, als sie an den gefühllosen und selbstsüchtigen König dachte. In dieser Hinsicht jedoch waren alle Männer gleich. Von ihrer Geburt an besaßen sie die Freiheit, zu tun, was sie wollten, und sich das zu nehmen, worauf sie ein Anrecht zu haben behaupteten, ohne sich dabei an die Regeln zu halten, die für kultivierte Menschen galten.

»Ach, Elizabeth!« schluchzte Mary. »Welche Zukunft denn? Man nannte mich einmal das schönste Mädchen in ganz Frankreich. Jeder Mann am Hof warb um meine Zuneigung. Du weißt, wie beliebt ich war. Und jetzt schau nur, was aus mir geworden ist! Kein Mann wird mich jemals wieder anschauen. Für mich gibt es in der Gesellschaft keinen Platz mehr. Nicht einmal als Freundin wird mich noch irgend jemand haben wollen. Bereits jetzt bin ich von allem ausgeschlossen und habe nur noch den Wunsch zu sterben. Warum kommt nicht einfach der Tod und nimmt mich mit sich?«

»Hör auf, so dumm daherzureden, Mary. Das wird nicht geschehen.«

»Warum nicht?«

»Bevor der Tod zu dir kommt, muß er zuerst mir ins Angesicht sehen!«

»Du meinst, du könntest ihm genauso viel Angst einjagen wie mir?« fragte Mary und gab ein klägliches Lachen von sich.

»Natürlich!«

Mary schloß die Augen und schöpfte Trost aus der schützenden Umarmung. Sie hätte Vater bitten sollen, Elizabeth früher zu benachrichtigen. Jetzt, wo ihre Schwester hier war, würde alles gut werden. Elizabeth würde sich um sie kümmern, wie sie es schon immer getan hatte. Nie mehr würde sie allein sein, und es würde ihr bessergehen. Das hatte ihre Schwester gesagt, und Elizabeth hatte bereits den Hofarzt des Königs von Frankreich gebeten, ihre Schwester zu untersuchen. Zweimal war der Mann dagewesen, diesen Nachmittag würde er erneut kommen. Beim letztenmal hatten seine Worte recht hoffnungsvoll geklungen.

Die sanften Schritte vor dem Zelt trennten die beiden voneinander. Elizabeth huschte zu ihrem Bild hinüber und warf rasch ein Leintuch darüber.

»Warum willst du mich das Bild nicht sehen lassen?« Das junge Mädchen mit dem hübschen Gesicht stand in der Türöffnung des Zeltes, beobachtete ihre ältere Schwester und zog eine Grimasse.

»Anne, du sollst nicht auf diese Weise über Erwachsene herfallen! Das gehört sich nicht«, wisperte Mary mit schwacher Stimme vom Bett herüber. »Du weißt genau, daß Elizabeth nicht möchte, daß irgend jemand ihre Bilder sieht.«

»Ich bin aber nicht irgend jemand, sondern ihre Schwester. Und was du da sagst, ist nicht wahr. Ich habe doch selbst gesehen, wie sie dem Duc de Bourbon ihre Bilder gezeigt hat!«

»Sie hat was gesehen?« Überrascht drehte sich Mary zu ihrer älteren Schwester um. Elizabeth hatte Mary vor Jahren schwören lassen, niemandem etwas von den Bildern zu verraten. Keiner sollte ihre Bilder zu Gesicht bekommen. Mary wußte, daß Elizabeths größte Angst darin bestand, daß ihre Bilder entdeckt und ihr weggenommen würden. Immerhin geziemte es sich nicht für eine junge Frau, diesem Steckenpferd in einem solchen Ausmaß nachzugehen. Mary war ganz entsetzt gewesen, als sie sah, daß einige Bilder von Elizabeth nackte Männer und Frauen zeigten. Allerdings war sie mehr als einmal durch den Körperbau einiger der Männer versucht gewesen, Elizabeth zu fragen, wen sie eigentlich als Modell genommen hatte.

»Mit meinen eigenen Augen habe ich das gesehen!« sagte Anne schnell, bevor Elizabeth antworten konnte. »Ich sah sogar, wie sie vom Duc einen Beutel mit Goldmünzen entgegennahm, bevor sie ihm eines der Gemälde überließ.«

Mary sprang auf und stürzte auf ihre ältere Schwester zu. »Mein Gott! Also doch! Jetzt hast du es endlich getan! Du hast eines deiner Werke verkauft! Welches denn? Und wie hast du den Duc dazu überreden können, eines deiner Bilder zu kaufen? Ein von einer Frau gemaltes Bild! Wie bist du an ihn herangetreten? Wieviel hast du dafür bekommen? Was hat dich überhaupt dazu gebracht, das zu tun?«

Elizabeth schaute auf und begegnete dem Blick ihrer aufgeregten Schwester. Sie konnte ihr unmöglich die Wahrheit erzählen, zumindest nicht die ganze Wahrheit. Immerhin war Mary der Grund gewesen, warum sie es getan hatte, denn mit dem Geld hatte sie das Honorar des französischen Arztes bezahlt. Das durfte Mary natürlich nie erfahren.

Der Duc de Bourbon hatte ihr in den letzten Jahren hartnäckig nachgestellt. Sicher, er bewunderte sie, aber Elizabeth wußte, daß er hinter jeder jungen Frau her war, die seine Annäherungsversuche zurückwies. Der Herzog konnte es nicht ausstehen, abgewiesen zu werden, und er dachte sicherlich, daß auch sie seinem Charme und Reichtum nicht widerstehen konnte – irgendwann hatten die jungen Frauen ja doch alle nachgegeben. Elizabeth wußte, daß der Duc de Bourbon viele Mätressen hatte, doch eine solche Situation war für sie völlig unakzeptabel. Sie war einfach nicht daran interessiert, daß sich jemand mit ihr schmückte und daß sie wie ihre Mutter vor vielen Jahren weggesteckt und von Zeit zu Zeit zum Vergnügen eines Mannes hervorgeholt wurde. Dem Duc gegenüber hatte sie nie einen Hehl aus ihren diesbezüglichen Ansichten gemacht, doch der Mann ließ nicht locker. Bei ihrer jüngsten Begegnung war er in seinen Bemühungen, sie zu verführen, ausgesprochen verschlagen gewesen. Regelmäßig erbosten sie sein unaufhörliches Gekasper und seine mitleiderregenden Geschichten. Mit einer gewissen Genugtuung dachte Elizabeth jetzt daran, wie es ihr gelungen war, den jungen Adligen bezüglich des Bildes heute früh in die Irre zu führen. Sie hatte sich Geschichten ausgedacht, die nicht besonders glaubhaft geklungen hatten, aber aus irgendeinem Grund hatte sie der Duc ihr abgenommen.

»Sag mir doch, Elizabeth, wie du ihn dazu gebracht hast, ein Bild von dir zu kaufen!« bat Mary erneut.

»Indem ich ihn anlog. Er denkt, er hat einen sehr talentierten, aber unbekannten Künstler gefördert. Wohlgemerkt, einen Künstler und keine Künstlerin! Und mich hält er für die gutherzige Förderin dieses Künstlers.«

»Ich hätte gedacht, der Duc würde bei der Vorstellung, daß du etwas für einen anderen Mann tust, zu einem eifersüchtigen Ungeheuer.«

»Ich wüßte nicht, warum.« Mit einem Seufzer säuberte Elizabeth die Pinsel und legte sie weg. »Meine Beziehung zu dem Duc war nie mehr als eine unschuldige Bekanntschaft … zumindest von meiner Seite aus. Er hat mich nie fasziniert, und ich habe ihm auch nie irgendwelche Hoffnungen gemacht.«

»Nein? Darf ich dir in Erinnerung rufen, wie Männer denken?« Mary ging zum Bett zurück und setzte sich. Über dieses Thema wußte sie weit mehr als ihre ältere Schwester. »Es ist ganz egal, was du sagst oder tust. Tatsache ist, Elizabeth, daß du zu keinem Mann gehörst. Also bist du Freiwild.«

»Oui! Ich kenne die Gedichte, in denen wir Frauen die ›zarte Beute‹ dieser zu groß geratenen und der Liebe anheimgefallenen Burschen sind. Nun, auf mich jedenfalls trifft das nicht zu. Obwohl ich vermute, daß ich die Geschichte aus Rücksicht auf diese Dinge durchaus ein wenig ausgeschmückt habe. Ich erzählte dem Duc nämlich, der Künstler sei ein verkrüppelter Adliger, der an Aussatz leidet, sich in eine Priorei zurückgezogen hat und nie Besuch empfängt.« Elizabeth zog sich den Kittel aus und verstaute ihn. »Vermutlich gab es für den Duc nach dieser Darstellung keinen Grund mehr, sich herausgefordert zu fühlen.«

Trotz ihrer ganzen Worte hoffte Elizabeth, der französische Adlige würde ihr während ihres Aufenthalts hier nicht über den Weg laufen. Durch den Kummer, den ihr die Krankheit ihrer Schwester bereitete, hatte sie keine Lust, sich auch noch mit einem hartnäckigen Verehrer herumzuschlagen.

»Vater möchte dich sprechen, Elizabeth.« Anne sprach mit dem singenden Tonfall eines Kindes, das um ein Geheimnis weiß. Wie auf ein gemeinsames Kommando drehten sich die beiden anderen Frauen gleichzeitig um.

»Vater? Was will er denn?« Seit ihrer Ankunft in Nordfrankreich hatte Elizabeth ihren Vater nur aus der Ferne gesehen, was jedoch nicht ungewöhnlich war, denn seit sie – noch als Kind – zum erstenmal in den Haushalt von Sir Thomas gekommen war, begegneten sich die beiden bestenfalls mit höflicher Distanz. Abgesehen von Marys Krankheit konnte sich Elizabeth keinen Grund vorstellen, warum ihr Vater sie zu sich bestellte. Er schien immer entschlossen gewesen zu sein, sie als Tochter zu ignorieren.

»Wenn du mir eine dieser Goldmünzen gibst, verrate ich es dir.«

»Das kannst du dir abschminken, du dumme Göre!« entgegnete Elizabeth schroff. Ihre Augen funkelten wütend. Behutsam nahm sie das Bild an den Seiten hoch und trug es zur Zeltrückwand. »Ich bekomme das schon selbst heraus.«

»Vielleicht«, antwortete Anne, »aber ich werde trotzdem eine dieser Münzen kriegen.« Noch während sie diese Worte aussprach, beugte sie sich vor, schnappte sich ein paar von Elizabeths Pinseln und stürmte auf den Zelteingang zu.

Elizabeth begriff sofort, was Anne getan hatte, wirbelte herum und jagte hinter ihr her.

»Du verdorbenes, gieriges Monster!« rief sie und folgte Anne in die helle Nachmittagssonne. Das Mädchen war nirgends zu sehen. Anne konnte genauso schnell spurlos verschwinden, wie unerwartet auftauchen.

Elizabeths Blicke durchforschten die vor ihr liegende Szene. Überall liefen Menschen umher: Junker, Knappen und Stalljungen, Soldaten und Dienstleute, elegant gekleidete Herren und Knechte in Lumpen. Dazwischen Pferde und Hunde, mattgraue zweirädrige Karren und bunt angemalte vierrädrige Wagen. Das emsige Treiben ließ die Luft erzittern. Im goldenen Tuch der Zelte brach sich das Licht der Sonne, als ob das Himmelsgestirn von den Seilen eingefangen und am Boden festgehalten würde. Elizabeth beschloß, sich diesen Anblick einzuprägen. Es würde ihrem Werk eine weitere besondere Note verleihen.

»Mädchen, ich muß gestehen, ich fühle mich wirklich beleidigt!«

Der weiche, männliche, gutturale Akzent veranlaßte Elizabeth, sich langsam in Richtung des Sprechers umzudrehen. Es war der Hochländer! Sogleich beschleunigte sich ihr Herzschlag, als sie den riesigen Krieger nur einen Schritt entfernt neben sich stehen sah. Er trug jetzt einen karierten Umhang nach Art der Schotten, einen Tartan, und der Blick seiner tiefblauen Augen versenkte sich unerschütterlich in ihre.

Seine langen, blonden Haare flossen ihm über die breiten und kräftigen Schultern. Wie eine große Katze stand er da, geschmeidig und ausbalanciert. Bereit zum Sprung, dachte sie.

Ambrose war überwältigt. Aus der Nähe war sie noch schöner, als er gedacht hatte. Auf der Tribüne, wo er sie zum erstenmal gesehen hatte, waren es die Ausstrahlung der jungen Frau, ihre Selbstsicherheit, ihre unverwandt auf ihm ruhenden Augen gewesen, die sein Interesse entfacht hatten. Doch jetzt, wie er sie so sah, war er völlig überrascht von den vollen Lippen, den hohen Backenknochen, die von der Sonne geküßt wurden, den langen, leuchtenden Wimpern und den unglaublich großen schwarzen Augen, die seinen Blick überrascht erwiderten. Ihre Augen, schwarz wie Kohlen, waren ihm als erstes aufgefallen. Sie war größer als die meisten Frauen, und selbst in ihren reizlosen Kleidern war sie eine recht anmutige Erscheinung.

»Ich bin Ambrose Macpherson. Wie heißen Sie?«

»Warum sagten Sie, Sie seien beleidigt?« Elizabeths Gedanken rasten. Diesen Mann in seinem Kilt mußte sie unbedingt als nächstes malen. Der Anblick war einfach viel zu eindrucksvoll, um nicht festgehalten zu werden.

Ambrose lächelte.

Elizabeths Herz tat einen Sprung.

»Sie widmen dieser vor Dreck starrenden Gasse mehr Aufmerksamkeit als dem Turnier heute früh.« Ambrose machte einen Schritt auf sie zu und erlaubte damit einem Pferdekarren vorbeizufahren. Er bemerkte, daß sie nicht vor ihm zurückwich, und ihm entging auch nicht die sanfte Röte, die sich über ihr makelloses, elfenbeinfarbenes Gesicht ausbreitete. Als ihre Augen seinem Blick auswichen und sich auf die vielen Menschen richteten, die sich an ihnen vorbei bewegten, wanderte der Blick des jungen Kriegers weiter über den Körper der jungen Frau. Sie hatte ihre Haare unter einer streng wirkenden Haube versteckt, doch die Haarsträhne, die wie eine Ranke auf ihrer Stirn lag, verriet ihm, daß sie dunkle Haare hatte. Die Ärmel des stellenweise verblichenen Kleides waren bis zu den Ellbogen hochgekrempelt, der Verschluß am Hals war gelöst. Verführerisch lockte das, was unter dem nächsttieferen Verschluß lag. Diese Frau besaß die Haltung und die Kühnheit eines Edelfräuleins, wirkte aber von ihrer äußeren Erscheinung her wie eine Magd. Wieder blickte Ambrose auf ihre Lippen. Sie waren voll und sinnlich und sehr einladend.

»Sie haben einen aufregenden Kampf gewonnen«, meinte sie und fing den auf ihr ruhenden Blick auf.

»Ich hatte auch ein aufregendes Publikum.«

»Ich fand es ziemlich leblos«, neckte ihn Elizabeth. »Sie hätten sicherlich einen besseren Empfang verdient als den dieser Zuschauer.«

Ambrose konnte sich ein Grinsen nicht ganz verkneifen. Er hatte das Gefühl gehabt, von den Franzosen mit Begeisterung empfangen worden zu sein – zumindest von den Frauen. »Kann ich davon ausgehen, daß Sie beeindruckt waren?«

»Von den Zuschauern? Ich ziehe Menschen aus Fleisch und Blut vor.«

»Die meine ich auch nicht.« Ambrose runzelte zum Spaß die Stirn. »Ich versuche nur, das Gespräch wieder auf mich zu lenken.«

Jetzt traf ihn ein abschätzender Blick Elizabeths. »Sie sind ganz schön von sich eingenommen, nicht wahr?«

Ambrose antwortete mit einem Lachen. O nein, er würde sich keine Blöße geben, indem er auf diese Frage antwortete. Während er sie genau musterte, versuchte er sich daran zu erinnern, ob er ihr bereits vor dem heutigen Tage irgendwo einmal begegnet war. Nein, da war er sich ziemlich sicher. Diese Frau war anders. Sie war schön, aber sie unterschied sich von all den anderen Frauen, die er kannte. Irgend etwas an der Art, wie sie ihren Kopf hielt, den sie herausfordernd ein klein wenig anhob, irgend etwas an ihren klaren, wachen Augen war einfach anders.

»Ich habe Sie noch nie zuvor gesehen. Sind Sie heute hier eingetroffen?«

Elizabeth schien ihn nicht zu hören. Dieser Mann sah unglaublich gut aus, war aber weder stolz noch arrogant. »Sie hätten sich beim Turnier den Hals brechen können, als Sie sich in den Steigbügeln aufstellten.«

»Gehören Sie zu den Franzosen oder zu den Engländern?« fragte er. Dem Turnier hatte sie von der französischen Seite aus zugeschaut, das Zelt jedoch, aus dem sie vor wenigen Augenblicken gekommen war, gehörte zum englischen Teil des Lagers.

»Haben Sie diese Narbe von einem ähnlichen Bravourstück wie dem heutigen davongetragen?« Elizabeth musterte den tiefen Einschnitt auf der Stirn des Ritters. Obwohl seine blonden Haare einen Teil der Narbe bedeckten, war sie ein auffälliges Ehrenmal. Auch dieses besondere Detail mußte sie ihrem Gemälde später noch unbedingt hinzufügen.

»Sie sind doch nicht verheiratet, oder?« wollte er wissen. Allerdings schien sie nicht allzusehr gewillt zu sein, auf seine Fragen zu antworten – zumindest jetzt noch nicht.