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Alex Carpenter

Von den Gefahren magischer Träume

Band 2


Dieses Buch ist R. H. alias MC Venom gewidmet, ohne dessen Geschenk der Traummeister nie geträumt hätte!


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

VON DEN GEFAHREN MAGISCHER TRÄUME

 

 

 

 von ALEX CARPENTER

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Text & Cover © 2017 by Alex Carpenter

Vervielfältigung und Nachdruck, auch in Auszügen, sind nur mit Genehmigung der Autorin gestattet.

 

Creator Management

P. Seidel

Volpertusstraße 14

51105 Köln

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhalt:

Prolog

  1. Die Zombieplage
  2. Der Tod hat viele Gesichter
  3. Ist Töten immer eine Option?
  4. Die Bande des Ebolarus Snorks
  5. Das Geheimnis der Nakels
  6. Nur eine Nervensäge?
  7. Über den Tod hinaus
  8. Zeit für Fragen an sich selbst
  9. Welch friedlicher Ort
  10. Die müssen alle sterben!
  11. Wo ist Shalyshilaih abgeblieben?
  12. Ein Gottesdienst mit unbekannten Folgen
  13. Die Lösung aller Probleme?
  14. Der wandelnde Geist
  15. Der kreisförmige Fluss
  16. Alles und Nichts für Jeden und Keinen
  17. Gewissenskonflikt
  18. Die Vielhundertjährige
  19. Die geheimnisvolle Insel
  20. Der Plan
  21. Planänderung
  22. Die letzte Entscheidung
  23. Überraschung, Überraschung!
  24. Allein!
  25. Die Geheimnislöser
  26. Der Olgypter
  27. Die Geschichte des schwarzen Kristalls
  28. Der Prinz der Schnuffelnippler
  29. Der Chronist in der Zollstation
  30. Grenzüberschreitungen
  31. Prinzessin in Not
  32. Das Ultimatum
  33. Gerüchte und andere Wahrheiten
  34. Der Wald der Träume
  35. Die Drei mit der Kiste
  36. Manchmal siegt das Böse
  37. Die Täuschung
  38. Ein verlockendes Angebot
  39. Der Richter hat entschieden

Prolog

 

Der letzte Tag in Chambalon.

Marcos Rückkehr, so plötzlich und unerwartet vor dem Tempel stehend, ins Licht der aufgehenden Sonne getaucht, hatte für reichlich Alarm unter der Priesterschaft gesorgt.

Nachdem man sich vergewissert hatte, dass das Zeichen – ein geschlossenes Auge, kunstvoll verziert – auf der Stirn des Eindringlings echt war und somit feststellte, dass zum ersten Mal ein Auserwählter zurückkehrte, geleiteten ihn eine Priesterin und zwei Krieger des Ordens zum Palast.

Während einer relativ kurzen "Notfall-Audienz" in den Gemächern der Sommerkönigin, bei der ihr Marco unter anderem versicherte, dass Chambalon und ihre Regentschaft weiterhin unter dem Schutz des Träumenden standen, lobte sie vor allem seine Opferbereitschaft und Treue.

Danach führte man den Deutschen zu seiner Unterkunft.

Während die Krieger vor seiner Tür Aufstellung nahmen, winkte er die noch junge Nalepe zu sich herein. Kaum hatte die Priesterin die Suite betreten und er die Tür geschlossen und sie gebeten, Platz zu nehmen, verlangte er von ihr ohne große Umschweife Informationen zum Stand der Vorbereitungen und über die neuen Auserwählten.

Bereitwillig setzte sie ihn ins Bild, aber ihr Wissen war begrenzt. Zu Amar ten Draaken wusste sie zu berichten, dass er dem Gott Verzinksie diene und in der Garde seines Ordens den Rang eines Feldwebels einnehme. Persönlich, so fügte sie an, mache ihr ein Blick in seine schwarzen Augen Angst. Seine Zurückhaltung, auch gegenüber den anderen Auserwählten, und die unauffällige Art verstärkten in ihren Augen das negative Gesamtbild, welches sie sich von ihm gemacht hatte. Ihren – rein zufälligen – Beobachtungen zufolge war Amar nur an einer Person interessiert, aber nicht, um deren Freund zu werden, wenn sie seine Blicke richtig interpretiert hatte, obwohl beide von der Welt Mhygram stammten. Vielleicht mochte er Ravio Conkaaf nicht, weil dieser ein Zauberer war, vielleicht auch nur wegen dessen Arroganz.

Anjina gehörte ebenfalls einer religiösen Gemeinschaft an und diente der Weißen Göttin. Außer ihrem guten Aussehen war Nalepe nur deren Sturheit aufgefallen.

Der Riese namens Olait war, laut eigener Aussage, Sohn eines Ogers und einer Wüstenelfe. Jedem war in diesem Fall sofort klar, von wem er die geringe Intelligenz und von wem er sein abstoßendes Äußeres geerbt hatte. Diese Handicaps hatten wahrscheinlich großen Anteil daran, dass der arme Kerl auch mit sich selbst sprach, wie ihr verschiedentlich aufgefallen war.

Jedoch die auffälligste Person war zweifelsohne die dunkelhäutige Shalyshilaih, mütterlicherseits Waldelfin, Anhängerin der Waldgöttin Mashimass, und trotz ihrer ebenfalls schwarzen Augäpfel und der weiß geschminkten Lippen eine absolute Augenweide. Ihre langen weißen Haare trug sie als Zopf, dessen obere Hälfte geflochten war, und kleidete sich nur in eng anliegendes Leder. Seit sie hier war, hatte sie die meiste Zeit in den umliegenden Wäldern verbracht, wie auch die anderen Auserwählten eigentlich nie etwas gemeinsam unternommen hatten, soweit sie wusste.

Immer wieder hatte er Nalepe mit gezielten Zwischenfragen unterbrochen, sich ein Bild der Lage und der Gruppe gemacht. Was ihn wirklich aufmerken ließ, war der Name Ulf Karsten Schmidt.

'Könnte ein Landsmann sein', dachte der Kölner amüsiert.

Dem war tatsächlich so.

Mit ernster Miene ließ sie ihn wissen, der ältere Mann trage das Zeichen eines Schlangendämons auf der linken Schulter, weshalb sie Marco riet, auf ihn ein besonderes Augenmerk zu legen, und das nicht nur, weil der angebliche Illusionist jedem Weiberrock hinterher lief, worauf der Paladin ihr mit einem Lächeln versprach, dem Deutschen mit gebotener Skepsis zu begegnen. Und bekräftigte dieses Versprechen innerlich, denn die folgende Information beinhaltete die Sorge wegen Ulfs Drogenkonsums.

Nur über "geheime" Kräfte der Sucher wusste Nalepe nichts, da sie bis zu diesem Zeitpunkte gar nicht gewusst hatte, das diese solche überhaupt besaßen oder besitzen sollten.

Seine darauffolgenden Anweisungen wurden widerspruchslos umgesetzt, selbst die Verhaftung einer gewissen Priesterin wegen Verrats und Spionage.

Im Gesicht den Ausdruck tiefer Zufriedenheit legte er das ominöse "Schlüssel-Suchgerät", nach dem der Kölner ebenfalls verlangt hatte, auf dem Tisch und kraulte seinem Tiqua den Nacken.

»Geht doch«, lobte er sich quasi selbst. Obwohl seine Hände bei diesem Gedanken nur kurz innehielten, protestierte Maurice sofort mit einem wirklich herzerweichenden Mauzen, welches den gewünschten Erfolg erzielte.

»Schon gut, kleiner Mann, geht ja schon weiter.«

 

Während Ravio den Inhalt der unzähligen Taschen an der Innenseite seines Umhangs und die restliche, nicht gerade umfangreiche Ausrüstung zum dritten oder vierten Mal überprüfte, fragte er sich, was wohl passieren würde, sollte er sich letztendlich doch noch weigern, an diesem wahnsinnigen Unternehmen teilzunehmen. Natürlich hatte er nicht vor, eine Antwort auf diese Frage zu provozieren, schließlich wollte er sich die Chance, seinen Halbbruder Rayton zu finden, nicht entgehen lassen. Nachdenklich hielt er inne, ging zum Fenster und sah hinaus auf die Stadt. Die Betriebsamkeit der Wesen dort unten wirkte beruhigend auf ihn, bis sein Blick auf einen bestimmten Mann fiel.

'Was er wohl vorhat?', sinnierte Ravio und spielte nervös mit seinem geflochtenen Kinnbart, wie er es immer tat, wenn er nachdachte. Seine Augen starr auf den Mann gerichtet, der sich bereits auf Mhygram als hartnäckiger Verfolger erwiesen hatte, überlegte Ravio, ob er aktiv werden sollte, um dieses gefährliche "Anhängsel" endgültig loszuwerden.

 

Nicht weit von der Unterkunft des Zauberers entfernt betete der frischgebackene Paladin zu seiner Gottheit, auf seine spezielle, nicht sehr unterwürfige Art, denn er war wütend. Statt zu knien, lief er erregt in seiner kleinen Suite auf und ab und sprach dabei mit "seiner" Kumai-Kaan, als wäre sie anwesend.

Als von einer Zehntelsekunde zur nächsten die Prinzessin neben ihm auftauchte, hielt er überrascht für einen Moment inne und ärgerte sich dann weiter.

Alle Schlüssel – bis auf drei – und die Figur von Kali-Nero waren weg, doch am schlimmsten wog der Verlust des Würfels und seines Freundes Alfrado. Außerdem wusste er noch nichts von seinen neuen Kräften, über welche er als Paladin eigentlich verfügen sollte. Hatte Sie ihm überhaupt welche verliehen?

Im "Tausch" diesen Beutel mit merkwürdigen Würfeln bekommen zu haben, tröstete ihn nicht im Geringsten. Nur die neue "Verzierung" am Ende des Schwertgriffs gefiel ihm. Das Gesicht des Frauenkopfes ähnelte Glammron. Oder sollte es sie gar darstellen?

»Bei Kmilishys Brüsten! Seid Ihr es wirklich, Meister?«

Bevor Marco antworten konnte, stand sie plötzlich vor ihm und umarmte ihn innig, küsste ihn zärtlich auf den Mund, wobei sie ihn spüren ließ, wie lange sie ihn vermisst hatte.

Für einen kurzen Augenblick ließ er sie gewähren, befreite sich schließlich sanft von ihr.

»Gemach, meine kleine wilde Stute, ich bin jetzt ein Paladin. Hübscher Rock! Passt gut zu Eurem Lederwams.«

»Ihr schmeichelt mir. Wo sind wir hier, Meister, und was ist passiert seit Eurem Verschwinden?«

»Wir sind in Chambalon. Hier begann meine "Reise" vor ungezählten Tagen, und morgen startet hier das Remake.«

»Heißt das, Ihr reist weiter durch Seine Träume und ich darf Euch die ganze Zeit begleiten?«

»Nicht nur mich.«

»Oh, wie süß! Ich wusste gar nicht, dass Ihr Euch auch um Kleintiere kümmert.«

»Hab ich das nicht schon bewiesen, als damals Euren süßen Arsch rettete? Vorsicht, Maurice hat es faustdick hinter den Ohren!«

»Dann müsst Ihr ihn dort mal ordentlich waschen.«

»Sehr witzig, doch falls Ihr nicht immun gegen sein Gift seid, solltet Ihr seine Nähe meiden. Außerdem ist noch ungeklärt, welches Geschlecht Maurice hat.«

»Dann sehen wir doch mal nach.«

Schon lag der Tiqua in ihrer Armbeuge, ließ sich den Bauch kraulen und schnurrte zufrieden.

»Anscheinend hat er begriffen, dass größere Wesen nicht automatisch Gefahr bedeuten«, bemerkte Marco.

»Er ist eindeutig ein Kater. Wie seid Ihr eigentlich darauf gekommen, ihn Maurice zu nennen?«

»Nun, die Neutralität und mein Bauchgefühl. Warum, ist Euch ein besserer eingefallen?«

»Nein, Ihr versteht mich falsch. Ich liebe diesen Namen und seinen Besitzer. Als Kind hatte ich auch einen Tiqua als Haustier, aber irgendwann war Glutixx, so hieß er, spurlos verschwunden.«

»Vielleicht eine Eigenart, von der wir nichts wissen.«

»Ja, vielleicht.«

»Es gibt noch weitere Begleiter, um zum Thema zurückzukehren. Es werden mindestens sechs sein und ich habe vor, zumindest eine Zeit lang, auf sie aufzupassen. Mit Eurer Hilfe natürlich.«

»Meister, Ihr glaubt gar nicht, wie glücklich ich in diesem Moment bin«, strahlte sie den Deutschen an.

»Allerdings muss ich gleich in die Stadt, obwohl meine Hoffnung, hier fündig zu werden, eher gegen Null geht. Und Alfrado kann mir auch niemand ersetzen.«

»Ihr habt den Würfel verloren? Wie schrecklich!«

»Ich vermisse ihn auch, seine Art, mir ins Gewissen zu reden ....«

»Ich rede nicht von Eurem Diener! Aber dieser Luxus, die ausgewählten Speisen, die Kleider ....«

»Sprecht nicht so oder ich bitte Kumai-Kaan, Euch wegen Undankbarkeit woanders hinzuträumen.«

»Natürlich fehlt er mir auch. Seine Höflichkeit, seine Freundlichkeit ....«

»Schon gut, ich kannte ihn länger.«

»Wie Ihr wünscht, geliebter Meister«, schnurrte sie und kümmerte sich wieder um das kleine Bündel auf ihrem Arm.

 

Der Ausflug in die Stadt erregte zwar, zunächst im Palast, das erwartete Aufsehen, führte aber nicht zum gewünschten Ergebnis. Chambalon war noch immer keine Stadt für Zauberer oder gar Magier.

Enttäuscht kehrte der Kölner in seine Unterkunft zurück und freute sich umso mehr über eine Nachricht, während seiner Abwesenheit hinterlegt, in welcher ihm ein Gegenstand, wie er einen suchte, angeboten wurde. Kumai-Kaan war doch mit den Seinen.

 

Ravio näherte sich der Vorhalle, im Kopf rekapitulierend, welche Utensilien er noch einkaufen wollte, als Feldwebel ten Draaken auf ihn zu kam. Beide Hände bereits in bestimmten Innentaschen seines Umhangs blieb er stehen und sah dem Krieger vom Orden der Hüter des wahren Glaubens trotzig entgegen. Wenn es hier und jetzt sein sollte, er war bereit.

Doch der Feldwebel der schwarzen Garde hatte anderes im Sinn, suchte nicht die Konfrontation.

»Hört mir kurz zu!«, kam er ohne Umschweife zur Sache. »Aufgrund der Umstände halte ich es für das Beste, wir lassen die Vergangenheit ruhen, bis wir das hier lebend überstanden haben. Lasst uns bis dahin eine Art Waffenstillstand schließen, was sagt Ihr dazu?«

Ravio versuchte im Gesicht des anderen zu lesen, eine Misstrauen weckende Zuckung zu entdecken. Es schien keine zu geben.

»Soviel Vernunft hätte ich Euch gar nicht zugetraut, Feldwebel. Also gut, schließen wir einen Frieden auf Zeit.«

 

Marco betrat die Schaumkrone, angeblich das beste Lokal der Stadt, allein, um unnötiges Aufsehen zu vermeiden. Vergebens.

Kaum hatten ihn die ersten Gäste in dem überraschend vollen Laden an seiner "Tätowierung" auf der Stirn erkannt, ließen sie ihn hochleben, viele wollten ihm ein Bier ausgeben, ganz Verwegene klopften ihm auf die Schulter. Er blieb freundlich, bis der Wirt und seine Angestellten für Ruhe sorgten.

Während der Wirt dem Deutschen noch versicherte, wie groß die Ehre seines Besuchs sei, erblickte Marco eine rothaarige Frau. Die extrem helle, fast weiße Haut ihres Gesichts, umrahmt von einer Flut roter Locken, ließ sie zerbrechlich wirken und bannte seinen Blick.

Sie saß direkt in der Ecke, hatte in selbiger ihren Kampfstab aus dunklem Holz abgestellt, und sah ihn mit ihren hellgrünen Augen an. Dazu der Anflug eines Lächelns und er setzte sich in Bewegung, ohne weiter auf den Wirt zu achten. Sie begrüßte ihn mit den Worten:

»Schön, dass Ihr doch noch gekommen seid.«

Marco setzte sich, bestellte bei dem ihm nachgeeilten Wirt einen Krug des besten Weines, antwortete der Rothaarigen.

»Wird sich noch zeigen. Wie kommt es, dass Ihr hier so unbehelligt herumsitzt? Sind es Eure schlagkräftigen Argumente oder die Anziehungskraft Eurer Augen?«

»Weder noch. Ich bin Anjina, eine der Auserwählten. Niemand würde es wagen, mir hier Probleme zu bereiten.«

»Fordert mich besser nicht heraus. Woher wisst Ihr, was ich suche?«

Erneut der Anschein eines Lächelns auf ihrem Gesicht, doch ohne jede Wärme.

»Woher ich meine Informationen bekomme, geht Euch nichts an.«

»Hm, verstehe. Habt Ihr ihn bei Euch?«

»Natürlich nicht. Er besteht aus rötlichem Gestein und auf fünf Seiten ist ein Wort graviert. Auf der Sechsten sind zwei Augen zu sehen. Geschlossene Augen.«

»Hört sich gut an. Wie wäre Eure Preisvorstellung, sollten wir handelseinig werden?«

»Da kommen wir zu meinem Dilemma. Ich weiß, dass dieser Würfel wertvoll ist, kann jedoch seinen Wert nicht einschätzen. Erzählt mir zunächst, wozu er gut ist, damit ich sehe, dass Ihr mich nicht übervorteilen wollt.«

»Das habe ich nicht nötig. Aktiviert man den Würfel, verwandelt er sich in ein Gebäude. Je nach Ausstattung mit einem Diener und anderen Extras. Allerdings gilt zu beachten, dass jede falsche Anwendung die Magie schwächt. Wenn man Pech hat, ist er zerstört, bevor man ihn auch nur einmal nutzen konnte.«

Marco kam es so vor, als könne er förmlich hören, wie sich ihre Gedanken aneinander rieben, weil sie einerseits nicht schnell genug in ihren Kopf rein und andererseits nicht schnell genug wieder rauskamen.

»Und wie geht das?«

»Ich bitte Euch ....«

»Also gut, macht mir ein Angebot!«, forderte sie ihn auf.

»Ich weiß auch nicht, zu welchen Preisen diese Teile gehandelt werden. Wenn ich jetzt Dreißig sage und es stellt sich raus, es müssten eher Dreitausend sein, würdet Ihr doch bestimmt denken, ich hätte Euch betrogen. Macht Ihr einen Preis.«

»Wie könnte ich Euch blind vertrauen? Ihr seid nur der Paladin einer regionalen Pseudo-Gottheit, doch selbst, wenn ich dieses und meine nicht geringe Intelligenz unberücksichtigt lasse, würde es mir schwerfallen, keinen Betrug zu vermuten. Wie hört sich tausend Goldstücke für Euch an?«

Marco überging die Beleidigung und antwortete:

»Für mich gut, aber das sind mindestens zwanzig Kilo. Wollt Ihr Euch die ganze Zeit damit abschleppen?«

»Dann sollten wir besser unser kleines Geschäft verschieben, bis wir verbindliche Informationen besitzen.«

»Und was haltet Ihr von einem Tausch?«

»Und wogegen?«

»Wie wäre es mit meinem goldenen Seil?«

»Was kann das?«

Allein dieser herablassende Tonfall, mit dem sie fragte, erregte seinen Missmut. Langsam erhob er sich, konnte nicht umhin, noch zu sagen:

»Für Euch scheinen gewisse Prinzipien keinen Wert zu besitzen. Vielleicht kommt der Tag, da wäret Ihr froh, in meiner Gunst zu stehen. Stattdessen werdet Ihr mir den Würfel schenken wollen, doch ob ich ihn dann noch will? Ist er überhaupt soviel wert oder schätzt Ihr Euer Leben höher ein?«

Beim Verlassen gab der unterdrückt vor sich hinfluchende Deutsche dem Wirt eine Kupfermünze.

Diesem fuhr angesichts der finsteren Miene, welche der Kölner in diesem Moment unzweifelhaft zur Schau stellte, der Schreck in die Glieder und er stammelte zitternd eine Entschuldigung, aber Marco war bereits an der Tür.

Auf dem Rückweg zum Palast spielte der Deutsche mit dem Gedanken, die von ihm an die Auserwählten geschickte Einladung zu einem gemeinsamen Abendessen abzusagen oder zumindest Anjina auszuladen, tat aber letztendlich keins von beidem. Hier war seine Geduld gefragt. Er ahnte nicht, wie recht er haben sollte. Doch dann fiel ihm jemand auf, den er schon fast vergessen hatte. Aber nur fast. Vierauge. Er versuchte dem Magier unauffällig zu folgen, doch dieser hatte ihn wohl auch erkannt, denn seine Schritte wurden schneller, bis er in einer schmalen Gasse verschwand.

 

Offensichtlich versprach sich der Magier von der Enge einen Vorteil, denn er wartete bereits auf den Kölner. Bevor Marco etwas tun oder sagen konnte, flogen ihm mehrere kleine Feuerbälle entgegen. Mit einem Lächeln blieb er stehen und zog, nachdem der Angriff auf seinen Verursacher zurückgeworfen wurde, sein Schwert.

Überrascht von dieser Wendung schaffte es Meister Machmut gerade so, sie mit einer Geste zu stoppen und dann verschwinden zu lassen, aber für einen neuen Angriff reichte es nicht. Er wollte fliehen, doch Marco war schneller und stieß ihm die Klinge in den Unterleib.

»Schön Grüße von meiner Frau«, raunte er ihm ins Ohr, nachdem er ihn mit der Linken an der Schulter gepackt und näher an sich ran gezogen hatte.

»Seid …. verflucht«, presste der Magier unter Schmerzen zwischen seinen Lippen hervor.

»Wie langweilig. Aber ich schenke Euch Eure Seele, wenn Ihr mir sagt, warum Ihr meine Frau töten wolltet.«

Statt zu antworten, spuckte Vierauge ihm ins Gesicht.

»Verstehe, Ihr habt meine Lüge durchschaut. Nun denn, so genießt, was Glammron nun mit Euch tun wird.«

Als der Magier anfing zu schreien, zog Marco das Schwert aus der Wunde und stieß es weiter oben in den zappelnden und sich krümmenden Körper.

Als der Deutsche die Gasse verließ, schmückte ein grimmiges Lächeln sein Gesicht.

 

Niemand leistete seiner Einladung Folge.

Nach einer angemessenen Wartezeit speisten der Paladin und die Prinzessin, doch bereits beim Löffeln der Suppe spürte die Mukishi, wie die wachsende Wut des Kölners der riesigen Enttäuschung den Rang ablief.

»Diese Suppe ist wirklich köstlich, findet Ihr nicht, Meister?«

»Dieses undankbare Pack!«

Hass schwang in seiner Stimme mit, ließ Ayshelay aufhorchen.

»Wie ich Euch kenne, habt Ihr nicht vor, diese Kränkung ungestraft zu lassen, oder liege ich da falsch, Meister?«

»Worauf Ihr einen lassen könnt! Ich überlege gerade, ob wir überhaupt mit der Gruppe reisen sollten.«

»Dann wollt Ihr sie nicht mehr unter Eure Fittiche nehmen?«

»Nein. Und da sich nach der Verhaftung dieser hinterhältigen Schlange diesmal keine Freiwilligen gemeldet haben, bin ich gespannt, wie dieser traurige Haufen die Sache angehen wird. Bedauerlich, dass der Berserker nicht mehr sein Unwesen treibt.«

Als er ihren verständnislosen Blick bemerkte, erzählte er ihr die dazugehörige Geschichte.

 

Glammrons Streicheleinheiten taten nicht nur seinem Körper gut. Doch sein Zorn auf Kumai-Kaan löste sich nur langsam auf, wie die Rauchwolke über einem aktiven Vulkan an einem windstillen Tag.

»Und wieso gab Sie den Würfel dieser verdammten Priesterin, nachdem Sie mir meinen nahm?«

»Sie dachte wohl, du verstehst ihre Art von Humor. Wundert mich, dass diese Priesterin nicht in der Lage ist, sich die Informationen anderweitig zu besorgen.«

»Du hast recht, das wäre das Erste, was ich versuchen würde, obwohl man auch mit etwas nachdenken darauf kommen kann, wie man den Würfel aktiviert. Vielleicht ist sie doch nicht so intelligent oder ....«

»Oder sie ist gar keine Priesterin im eigentlichen Sinne. Immerhin erhörte Sie deinen Wunsch nach Rache, welche ich übrigens sehr genossen habe. Doch nun vergiss diese Schlange. Götter geben und Götter nehmen«, vollendete Glammron seinen Gedankengang.

»Alles sehr mysteriös. Aber ich bin zuversichtlich, dass mein Spaßfaktor diesmal höher ausfällt, trotz dieser blutleeren Figur. Hat Sie dir eigentlich gesagt, wozu dieser Sack voll Würfel dient?«

»Die dienen der Unterhaltung. Das Spiel heißt ....«

»Echt jetzt?«

»Reingefallen! Nein, diese Würfel sind deine Verstärkung im Notfall. Ich erkläre es dir nachher, denn jetzt brauchst du etwas anderes.«

»Ach ja? Ach ja!«