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Maren G. Bergmann

Die dunkle Seite des Glücks





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

1. Kapitel

»Mach, dass du Land gewinnst oder ich vergesse mich!« Mit hochrotem Kopf rannte ich aus dem Schlafzimmer. Dann schlug die Haustür mit einem Knall ins Schloss, während ich, noch immer vor Wut tobend, im Wohnzimmer auf und ab lief. Heiße Tränen rannen meine Wangen hinab und ich flog am ganzen Körper. Mein Blick wanderte wild umher. Irgendwie sah ich alles und doch wieder auch nicht. Was sich gerade vor meinen Augen abgespielt hatte, war nicht zu begreifen. Es musste ein Irrtum gewesen sein. Ein böser Traum! Plötzlich stand ich schluchzend vor der Schrankwand. Wie ferngesteuert öffnete ich die Klappe der Hausbar, die neben der Vitrine eingebaut war. Mit zittriger Hand griff ich nach der Flasche und genehmigte mir einen Schluck von der durchsichtigen Flüssigkeit. Wie ein Lauffeuer rann der Geschmack nach Anis meine Kehle hinab. Das Brennen wurde so stark, dass ich husten musste.
Nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, schossen die Gedanken wild durch meinen Kopf.

›Wieso? Was habe ich getan, dass das passieren musste?‹
    »Chrissy?«

Erschrocken fuhr ich herum. Achim stand gegen den Türrahmen gelehnt. Wenigstens hatte er sich eine Unterhose angezogen. Wir starrten uns einige Minuten schweigend an. Während ich darauf wartete, dass er den Anfang machte, spürte ich, wie sich das Herz in meiner Brust immer mehr zusammenzog. Achim ignorierend ließ ich mich verbittert auf das Sofa fallen.

Kurz darauf legte sich eine Hand von hinten auf meine rechte Schulter. Ich schlug sie unmissverständlich weg. Dabei konnte ich den Schluchzer nicht verhindern.
    »Chrissy. Bitte. Lass es mich erklären.«

Meine Gesichtsfarbe wechselte in ein Dunkelrot. Eine schwarze Wolke, mit einem heftigen Gewitter, breitete sich über mir aus und drohte das gesamte Wohnzimmer einzunehmen.
    »Was gibt es da zu erklären?«, spie ich Achim hasserfüllt entgegen. Mir war es egal, ob die Nachbarn uns hören konnten. Sollten sie doch. Wie von der Tarantel gestochen sprang ich vom Sofa auf und wollte gehen, doch Achim packte meinen Oberarm und hielt mich fest. Mit finsterem Blick musterte ich seine Hand an meinem Arm und blickte langsam auf. »Lass sofort meinen Arm los«, befahl ich mit einem Flüstern, da mir die Stimme versagte.

Als Achim den drohenden Unterton in meiner Aufforderung bemerkte, weiteten sich seine Augen und er ließ mich sofort los.

Ich stieß ihn grob zur Seite. Im Augenwinkel bemerkte ich, wie er mir mit hängenden Schultern nachsah, während ich aus der Wohnung stürzte und die Haustür mit einem ebenso lauten Knall ins Schloss fallen ließ, wie es kurz zuvor schon passiert war.

2. Kapitel

Betrübt saß ich am Tisch in einem Café in Kaiserslautern und blickte aus dem Fenster ins Nichts, während ich an den großen Streit vor fünf Tagen zurückdachte. Meine Augen waren feucht und wollten einfach nicht trocknen. Ich versuchte, diesen Zustand zu ändern, indem ich mir kontinuierlich mit den Händen Luft zu fächerte, doch mein Gemütszustand sprach eine andere Sprache. Langsam wurde der Latte Macchiato kalt und ich überlegte, was ich als nächstes machen sollte. Achim bestrafte ich durch Nichtbeachtung und vehementen Schweigen. Obwohl ich das Gefühl nicht loswurde, dass ich mich damit selbst bestrafte. Zusätzlich machte ich Überstunden, sodass ich diesem untreuen Bastard kaum begegnete. Ich hatte diesen Zustand satt. Dieses dumpfe Gefühl, das mein Inneres beherrschte, mich lähmte.
    »Entschuldigung. Ist hier zufällig noch frei?«

Eine freundliche Männerstimme ließ mich meine Gedanken nicht beenden. Langsam erhob ich den Kopf. Unsere Blicke trafen sich. Strahlend blaue Augen sahen mich freundlich an. Er war mir bereits zuvor kurz aufgefallen. Bei seiner stattlichen Größe war er kaum zu übersehen.

Bevor er ins Café kam, stand er einige Minuten vor dem Fenster. Er hatte mich die ganze Zeit über beobachtet, während er mit dem Handy telefonierte. Es war mir unangenehm und doch wiederum auch nicht.

Die Schwermut schien für einen winzigen Augenblick zu verfliegen.

Ich räusperte mich, da ich Schwierigkeiten hatte, meine Stimme unter Kontrolle zu bringen und nickte kurz.

»Ja. Ich wollte sowieso gerade gehen.« Meine Hand griff zum Handy auf dem Tisch, als der Typ sich über diesen beugte, den Becher abstellte und mit seiner Hand meine fixierte. Verblüfft hielt ich inne.

 »Nein, bitte. Bleib doch noch. Ich trinke nicht gern allein. Darf ich dich zu einer weiteren Tasse Kaffee einladen?«

Verstohlen wanderte mein Augenmerk auf seine Hand. Für einige Sekunden verharrten wir in dieser Position. Sie war warm. Vermutlich hatte er den Becher damit festgehalten. Schließlich zog er die Hand zurück, warf einen raschen Blick über die Schulter und ließ sich in den Sessel sinken.
    »Verzeih, ich wollte nicht aufdringlich werden.« Etwas verlegen schaute er auf den Boden, nur um kurz darauf wieder meinen Blick zu suchen. Er war sehr höflich. Eine Eigenschaft, die in der heutigen Zeit eher selten zu finden war. Die meisten fielen gleich mit der Tür ins Haus. Als ob die Jungs mit dieser ruppigen Art ihre Angebetete erobern könnten. Frauen stehen noch immer auf Romantik. Zumindest die, die ich kenne.
    »Ist schon in Ordnung. Ich bin momentan keine gute Gesellschaft.« Ich nahm meine Tasche und ließ darin das Handy verschwinden. Während ich im Begriff war zu gehen, erhob er sich. Dabei schob er mit der Hand den Sessel ein wenig zur Seite, um mir Durchgang zu gewähren.
    »Schade. Aber wenn du jemanden zum Reden brauchst ...«, er unterbrach sich kurz und legte den Kopf leicht schief, bevor er weiter sprach. »Nun, man sagt mir nach, dass ich ein guter Zuhörer bin.«

Ich hielt inne. Er machte einem kleinen Schritt zur Seite. Nun stand er direkt vor mir.

Wir beide musterten uns gegenseitig.
    Sein Rasierwasser roch angenehm herb, mit einem Hauch Moschus. Er war gut einen Kopf größer als ich. Sein kurzes, hellblond gefärbtes Haar, wuchs wild und gab ihm ein leicht verruchtes Aussehen. Sein Kleidungsstil gefiel mir ebenfalls. Schwarze, eng anliegende Jeans sowie ein dunkelgraues T-Shirt schmeichelten seiner schmalen Taille und seinen breiten Schultern. Er wusste, was er tragen konnte, damit die Frauen auf ihn aufmerksam wurden. Aber mit ihm über meine Situation reden? Einem Fremden? Ich schüttelte innerlich den Kopf.

»Danke, aber ich denke, das geht dich nichts an.«

Plötzlich hielten mich kräftige Hände sanft an den Schultern fest.

»So schlimm?«

Sein Blick suchte meinen, doch ich starrte nur zum Ausgang.


    Gerade kam ein glückliches Pärchen herein und bahnte sich seinen Weg zum Counter. Während sie warteten, küsste er sie innig, was in mir Erinnerungen hervorrief. Schließlich lösten sie sich voneinander, um der Barista ihre Aufmerksamkeit zu widmen und die Bestellung aufzugeben. Danach schlenderten sie Hand-in-Hand zur Ausgabestation, um ihre Heißgetränke und zwei Stücke Kuchen abzuholen.

Der Anblick dieses Pärchens traf mich wie ein Giftpfeil, sodass ich einen tiefen Atemzug machte.

»Hat er dich verlassen oder du ihn?«

Er überraschte mich mit dieser Frage, sodass ich ihn verdutzt ansah. »Wie kommst du darauf, dass ...«, stotterte ich, doch er fiel mir ins Wort.
    »Das sieht doch jeder auf den ersten Blick.« Ein Lächeln umspielte seinen Mund und fügte seinen Augen ein Leuchten hinzu.

Ich musste schlucken. »Wirklich?« Ungläubig starrte ich ihn an. Innerlich ärgerte es mich, dass ich meine Gefühle nicht besser verbergen konnte. In meinen Augen spiegelte sich immer mein Gemütszustand wider. Ich empfand es als Fluch, dass ich nicht in der Lage war, der Welt vorzugaukeln, dass es mir gut ging, obwohl in mir ein Monsun wütete, der drohte, mich innerlich zu vernichten. Er zog seine rechte Augenbraue hoch und deutete mir an, dass ich mich wieder setzen sollte.

 

Vor zehn Monaten waren Achim und ich nach Kaiserslautern gezogen. Außer meinen Arbeitskollegen kannte ich kaum jemanden. Meine beste Freundin wohnte über sechshundert Kilometer entfernt. Heute bereute ich den Entschluss, mit Achim weggegangen zu sein. Als wir uns kennenlernten, war es Liebe auf den ersten Blick. Zumindest von meiner Warte aus gesehen. Ich konnte es mir einfach nicht vorstellen, dass wir uns einmal trennen würden. Und mit einem Mal kam sie. Ohne Vorwarnung trat sie in mein Leben. Überraschte mich wie ein Hurrikan, schnappte sich hinterrücks den Mann meiner Träume und machte 13 wundervolle Monate zunichte.


    »Ich heiße Vincent. Kaffee?«

Aus dem Gedanken gerissen, blickte ich ihn an. »Dein Name ist Vincent Kaffee?«

Er hatte ein süßes Lächeln. Seine Augen wurden plötzlich schmal und ließen das Blau seiner Iris wie einen tiefen See in einer dunklen Grotte erscheinen.
    »Nein«, erwiderte er lachend. »Vincent Bell. Ich wollte fragen, ob du noch einen Kaffee möchtest.« Geduldig wartete er meine Antwort ab.
    »Ich nehme gern einen Latte Macchiato mit Karamell.«
    »Lauf nicht weg. Ich bin gleich zurück«, zwinkerte er mir zu.

Ich sah ihm nach, beobachtete, wie er die Bestellung aufgab. Sein Lächeln schien nicht nur mir das Herz zu erwärmen, denn die Barista schaute ebenfalls schüchtern auf die Kasse, als sie ihm das Wechselgeld zurückgab. Anscheinend flirtete Vincent gern. Ich konnte sie verstehen. Er hatte wirklich Charme, war zuvorkommend, freundlich, ohne aufdringlich zu wirken.

Mein Gefühlszustand glich einen Scherbenhaufen. Wenn Achim sich mit anderen Frauen traf, wieso sollte ich es ihm nicht gleichtun? Ich entschied, dass ein wenig Ablenkung mir guttun würde, und ließ mich auf dieses kurze Abenteuer ein. Nur eine Tasse Kaffee. Das würde ich wohl problemlos überstehen.
    »Hier. Bitte. Ich habe dir auch einen Löffel mitgebracht, falls du umrühren willst.«

Mein Blick wanderte zu der riesigen Tasse, deren Oberfläche mit einem hübschen Kastenmuster aus Karamell verziert war.
    »Hast du vor, mich hier länger festzuhalten?«

Ein geheimnisvolles Lächeln umspielte seine Mundwinkel.

»Mal sehen. Vielleicht. Du hast mir noch gar nicht deinen Namen verraten.«

Ich schürzte die Lippen. Sollte ich ihn meinen richtigen Namen nennen? Immerhin kannte ich Vincent gerade mal zwei Minuten. In einer Kleinstadt wie Kaiserslautern kam es vor, dass man sich häufiger mal über den Weg lief.
    »Christin. Christin Palmer.«

Er führte die Tasse zu seinem Mund und nahm einen Schluck. Etwas Milchschaum blieb an seiner Oberlippe haften. Ich musste grinsen.
    »Du hast da was an deiner Lippe«, gab ich ihm den Hinweis, indem ich meinen Finger an meine Lippe hielt.

Er nahm die Serviette und wischte sich damit über den Mund.
    »Danke.«

Bei diesem Lächeln begann mein Herz plötzlich davon zu galoppieren.

»Nun? Willst du mir verraten, welcher Idiot dich verlassen hat?«

Mein Blick senkte sich nach unten, denn ich war noch längst nicht bereit darüber zu sprechen. Alles war noch zu frisch. Zudem wollte ich es einfach nicht wahrhaben.     

»Reden soll ja helfen, die Dinge klarer zu sehen«, murmelte ich eher zu mir selbst.
    »Es kann befreiend wirken«, stimmte Vincent mir zu.
    Ich bewunderte seine Gelassenheit. Immerhin saß ihm ein Häufchen Elend gegenüber, dem er sich geduldig annahm. Ich gab mir einen Ruck und erzählte ihm von dem Seitensprung meines Freundes. Oder war er bereits mein Ex-Freund?
    »Was willst du jetzt machen?«
   Verzweifelt vergrub ich das Gesicht in meinen Händen. »Ich weiß es nicht. Ich habe bereits meine Koffer gepackt. Doch wo soll ich hin?« Erneut wurde mir meine aussichtslose Situation vor Augen geführt. Ein Kloß begann sich in meinem Hals festzusetzen.

»Ein Hotel kann ich mir nicht leisten und bis ich ein kleines Zimmer für mich gefunden habe, wird es wohl noch etwas dauern.« Nun konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Vincent reichte mir ein Taschentuch. Schluchzend nahm ich es entgegen.
    »Ich mag es nicht, wenn eine hübsche Frau traurig ist«, sagte er mit sanfter Stimme, die mich innerlich aufhorchen ließ.

»Das ist der Lauf des Lebens. Niemand ist vor Enttäuschungen sicher«, schniefte ich ins Taschentuch und trocknete meine Wangen.
    »Wenn du eine Bleibe brauchst, dann kannst du bei mir wohnen.«

»Wie bitte?« Vincent erntete einen verständnislosen Blick von mir. »Ich ziehe doch zu keinem Fremden. Nimm es mir nicht übel, aber so verzweifelt bin ich nun auch wieder nicht.«

»Nein.« Er hob abwehrend die Hände. »Du verstehst mich falsch. Meine Eltern besitzen hier in der Nähe ein Mietshaus. Dort ist gerade ein Zimmer frei. Wenn du möchtest, machen wir einen Termin und du siehst es dir an. Wenn es dir gefällt, ist es dein.«
    Es dauerte einen Moment, bis ich diese Nachricht verdaut hatte. Er bot mir ein Zimmer an? Für mich allein? Sollte mich das Glück doch noch nicht komplett verlassen haben? Meine Miene hellte sich ein wenig auf.
    »Habe ich es richtig verstanden? Du besitzt ein Mietshaus und du bietest mir ein Zimmer an? Hier? Mitten in der Innenstadt?«
    »Nein. Noch gehört das Haus meinen Eltern. Mir gehört nur eine Wohnung und ein Zimmer darin.«

»Was soll es denn kosten?« Auch in einer Kleinstadt wie Kaiserslautern waren die Mietpreise, für Wohnungen oder Zimmer im Zentrum, für mich unbezahlbar. Mit meinem Job als Bedienung war mein Einkommen nicht üppig. Die Zeiten waren nicht rosig. Trinkgelder wurden zwar gegeben, doch damit konnte ich keine großen Sprünge machen.

»Ich schlage vor, du schaust es dir erst einmal an. Hinterher können wir dann über die Höhe der Miete sprechen.«

Die Erleichterung war mir wohl anzusehen, denn das Lächeln in seinem Gesicht weitete sich.
    »Das ist ein Angebot, dem ich nicht widerstehen kann.«
   »Solltest du im Moment nichts vorhaben, können wir gerne heute vorbeischauen«, bot er mir freundlich an und ich nickte.
    »Gut. Wenn du deinen Kaffee ausgetrunken hast, gehen wir los.«

    Er hatte nicht zu viel versprochen. Das Haus lag in einer ruhigen Seitenstraße, keine zehn Minuten zu Fuß von der Innenstadt entfernt. Es war ein Altbau und die Fassade hätte einen neuen Anstrich vertragen können. Elegant zog er den Schlüssel aus seiner Hosentasche, öffnete die Eingangstür und bat mich herein. Wir betraten das Treppenhaus.
    »Das Zimmer ist im ersten Stock. Ich gehe vor.«
Wir stiegen eine alte, hölzerne Wendeltreppe empor. Alles war in dunklem Holz gehalten. Die Stufen schienen sich miteinander zu unterhalten, während wir uns auf den Weg in den ersten Stock machten.

»Hier ist es.« Er steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die verschlissene Holztür. Mit einer Handbewegung deutete er mir, einzutreten. Vincent folgte mir in das Zimmer, sagte jedoch nichts, während ich mich umsah.

Das Zimmer war komplett leer. Es gab nicht ein einziges Möbelstück. Die Wände waren mit weißer Raufasertapete bedeckt, die ebenfalls einen neuen Anstrich vertragen konnte. Ein großes Fenster zur Straße sorgte dafür, dass der Raum mit Licht durchflutet wurde, obwohl die schwarze Jalousie bis zur Hälfte heruntergelassen war. Der Boden bestand aus altem Fischgrätparkett und hätte schon vor Jahren abgeschliffen werden müssen. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und drehte mich einmal im Kreis.

»Wenn es nicht irgendwo ein paar Geheimtüren gibt, wo befinden sich dann Bad und Küche?«

Vincent kratzte sich am Kinn. »Das ist ein Zimmer von mir, das ich nicht brauche und gehört zu meiner Wohnung. Es hat fünfundzwanzig Quadratmeter. Ich selbst wohne eine Etage höher. Wenn dir das Zimmer zusagt, überlasse ich dir Bad und Küche in meiner Wohnung, die wir dann gemeinsam nutzen würden. Ansonsten wäre dieses Zimmer dein Reich und gehört nur dir allein. Die Lösung ist vielleicht nicht ideal. Doch es ist immer noch besser, als das, was du gerade hast.«

Er beobachtete meine Reaktion. Dabei versteifte sich sein Körper ein wenig, während er meine Antwort abwartete.

Ich überdachte sein Angebot. Auch wenn es mir nicht wirklich zu gefallen schien, so sollte ich diese Option vielleicht in Betracht ziehen. Etwas Besseres würde ich so schnell nicht finden. Nur die Bezahlung ...

»Außerdem ginge es mir gegen den Strich, wenn du plötzlich auf der Straße landen würdest«, fügte er seinem Angebot hinzu und riss mich damit aus meinen Gedanken.
    »Aber ich kann doch nicht ...« Weiter kam ich nicht, denn Vincent legte seine Hände auf meine Schultern und schob mich nach draußen.
    »Komm, ich zeige dir jetzt meine Wohnung. Ich selbst bin nur selten zu Hause. Du wirst mich also so gut wie nie antreffen. Bilde dir bitte erst ein Urteil, wenn du das Gesamtpaket gesehen hast.«
    Die Tür fiel hinter uns ins Schloss.

Wir gingen eine weitere Treppe nach oben. Die Stufen knarrten noch fürchterlicher als die zuvor, als teilten sie uns wehleidig mit, dass sie genug davon hatten, Lasten zu tragen.

Vincent öffnete die Tür zu seiner Wohnung. Erneut ließ er mir den Vortritt. Ich war überrascht. Alles war aufgeräumt und sehr spartanisch eingerichtet. Er schien die Wahrheit gesagt zu haben, als er meinte, er wäre nicht oft zu Hause.

Von einem kleinen Flur gingen Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche und Bad ab. Seine Einrichtung war sehr modern. Alles in kühlen grau, schwarz und weiß Tönen gehalten. Die Küche war im sterilen Weiß eingerichtet und bot alles was man brauchte: Spüle, Spülmaschine, Kaffeemaschine, Waschmaschine, Kühlschrank, drei Hängeschränke sowie einen runden Bistrotisch mit zwei Stühlen. Auf der Spüle stand ein abgewaschener Kaffeebecher, ein Frühstücksteller und ein Messer. Der Fußboden bestand aus quadratischen Fliesen in weiß und schwarz. Ein Faden, der sich durch die gesamte Wohnung zog. Von anderen Farben, außer der Bettwäsche in Aubergine, keine Spur. Eine weibliche Note suchte ich vergebens. Sollte ich hier tatsächlich wohnen, würde ich mir die Zimmer einmal genauer betrachten und nicht nur kurz den Kopf um die Ecke stecken. Vielleicht irgendwann einmal.

»Nun hast du alles gesehen. Also? Wie lautet deine Antwort?«

Sein erwartungsvoller Blick machte mich nervös.
    »Was soll das Zimmer denn kosten?« Mein Magen zog sich zusammen, denn mein Instinkt sagte mir, dass ich es mir sicherlich nicht leisten konnte.
    »Als was arbeitest du?«
    »Ich bin Kellnerin im Vagabund.«

»Ich wusste, dass ich dich von irgendwo her kenne. Darf ich dir heute mal etwas zu trinken anbieten?« Er lächelte süffisant. An einen Gast wie Vincent hätte ich mich bestimmt erinnert. Vielleicht wurde er aber auch von Nele, meiner Kollegin, bedient.

»Gern. Ich nehme eine Apfelschorle, wenn du eine da hast.«

Mit festen Schritten ging er auf den Kühlschrank zu. Als er die Tür öffnete, verharrte er und starrte den Inhalt an. Dabei verschwand sein gesamter Kopf im Inneren. Schließlich zog er ihn zurück. Seine Hand strich über das Kinn, bevor sie im Kühlschrank verschwand und eine Dose herausholte, die er mit einem fragenden Ausdruck hochhielt. »Leider habe ich keinen Apfelsaft. Tut es auch eine Cola?«

In seiner rechten Hand präsentierte er die Dose mit Cola Zero. Wie ein Pendel schaukelte er sie hin und her.
    »Nein Danke. Diese Lightprodukte schmecken mir nicht. Dann nehme ich ein Wasser.«

Er schmollte und ich musste lachen. Er sah einfach niedlich aus und erinnerte mich an ein kleines Kind, das sofort auf den Arm genommen werden wollte, weil ein anderes ihn geärgert hatte. Schließlich öffnete er die Tür zum Hängeschrank. Darin suchte er nach zwei Gläsern, von denen er eines mit Leitungswasser füllte. Sich selbst öffnete er die Cola und schenkte sein Glas voll. Wir setzten uns an den Tisch und prosteten uns zu.

»Willst du das Zimmer?«, unterbrach er das Schweigen.

Während ich den Blick senkte, kaute ich auf meiner Unterlippe herum. Ein flaues Gefühl machte sich in meinem Magen breit.

»Du hast mir immer noch nicht verraten, was es kosten soll.«

Ich wollte das Zimmer unbedingt. Das Zusammenleben mit Achim verwandelte sich immer mehr in eine Tortur. Ich brauchte eine andere Bleibe. Zwar war das hier nicht gerade die herkömmliche Art, um an ein Zimmer zu kommen, doch mir stand das Wasser bis zum Hals, wenn ich nicht bereits am Ertrinken war. Also griff ich nach jedem Strohhalm, der sich mir bot und hoffte, dass Vincent mir ein Angebot machte, das ich nicht ablehnen konnte.

Geschäftsmäßig lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, dabei schaute er mich abschätzend an. »Sind einhundert Euro pro Monat für dich machbar?«
    »Einhundert Euro?«, rief ich verdattert und fuhr aus dem Stuhl hoch. Ich dachte, ich hätte mich verhört.
    Vincent rutschte erschrocken mit seinem Stuhl zurück, bis die Wand ihm Einhalt gebot und er mit den Kopf dagegen stieß. Er verzog kurz die Mundwinkel, als der Schmerz einsetzte, gab aber keinen Laut von sich. Seine Hand wanderte zum Hinterkopf und befühlte die Stelle. Unwillkürlich musste ich grinsen und hielt mir die Hand vor dem Mund, damit ich nicht laut losprustete.
    »Wenn es dir zu teuer ist, ich kann da sicherlich noch ...« Abrupt hielt er inne, als er meinen hocherfreuten Ausdruck bemerkte.
    »Dann sind wir uns einig?« Seine Frage kam zögernd. Langsam erhob Vincent sich vom Stuhl.

Als ich nickte, begannen seine blauen Augen zu leuchten. Erleichtert darüber, endlich eine Bleibe gefunden zu haben, reichte ich ihm die Hand. »Schlag ein, sonst ist der Deal nicht gültig.«
    Er hatte einen sehr festen Händedruck. Ich presste die Lippen zusammen, da mir ein wenig der Knochen wehtat, als sich seine Hand von meiner löste. Vermutlich seine Rache, für die entstandene Beule. Ich schüttelte meine Hand aus, um den Schmerz zu lösen, während er dabei teuflisch grinste. »Möchtest du sofort einziehen?«
    Ich brauchte eine Minute zum Überlegen und kräuselte die Stirn. »Ich weiß nicht. Ich muss noch einige Dinge mit Achim klären. Zudem könnte das Zimmer einen neuen Anstrich gebrauchen. Außerdem brauche ich ein Bett oder wenigstens eine Matratze. Es gibt noch so viele Dinge, die ...«

»Warte mal eine Sekunde«, unterbrach er mich. »Ich helfe dir gern dabei. Sonst nimm vorerst mein Bett. Ich bin in den nächsten Tagen eh auf Geschäftsreise. Somit hast du die Wohnung erst einmal für dich alleine.«

Mir blieb der Mund offen stehen. »Das kann ich nicht annehmen.«
Verblüffte starrte er mich an. »Weshalb nicht? Die Küche und das Bad sind auch zur Mitbenutzung. Warum also nicht ein gemütliches Bett?«

Mein Herz machte einen riesigen Satz. Ich konnte es kaum fassen. Wieso bot er mir das alles an und half mir?
    »Lässt du jede Frau bei dir schlafen, die in Bedrängnis geraten ist?« Meine Frage klang unverfroren, das wusste ich. Nun war ich auf seine Reaktion gespannt.

Er sog scharf die Luft ein. »Ist das eine Fangfrage?« Seine Mundwinkel zuckten leicht und ich musste schlucken. Wollte er nun sein Angebot zurückziehen? Was hatte ich getan? Hatte ich mich selbst gerade um eine neue Wohngelegenheit gebracht? Ich verfluchte mich selbst und mein vorlautes Mundwerk.

»Nein. Ich spreche nicht oft bedürftige Mädchen in Cafés an. Doch du sahst so aus, als wolltest du dir das Leben nehmen. Und das musste ich mit allen Mitteln verhindern. Aber wenn du lieber bei diesem anderen Typen bleiben willst ...? Mach nur.«

Autsch. Das ging unter die Gürtellinie. Sofort lief mein Gesicht dunkelrot an.

»Ich wollte nicht unhöflich erscheinen. Es ist nur ...«

»Schon gut«, winkte er ab. »Woher solltest du das auch wissen. Wir kennen uns ja erst seit einigen Minuten. Vergiss es einfach.«
    Die Situation war mir mehr als peinlich und ging mir nahe. Vincent hatte recht, wir kannten uns kaum und ich unterstellte ihm, dass er die Notsituation von Frauen ausnutzte. In Gedanken ohrfeigte ich mich selbst.

»Machst du einen Mietvertrag fertig?«, hakte ich vorsichtig nach, in der Hoffnung, dass sein Angebot noch gültig war.

Er druckste ein wenig herum. »Wenn du möchtest. Sicher.«
    »Es wäre mir ganz recht. Ich möchte, dass alles seinen geordneten Gang geht.« 

Sein stummes Nicken brachte in mir ein Seufzer der Erleichterung hervor, während ich einen zufriedenen Ausdruck in seiner Miene vernahm.

»Du sagtest, du bist demnächst auf Geschäftsreise. Ich denke, ich werde heute mit Achim alles klären. Wie kann ich dich erreichen, damit wir die Schlüsselübergabe regeln können?«

Er ging an einen quadratischen Schlüsselkasten in schlichtem Silber, der an der Wand hing, suchte dort ein paar Schlüssel zusammen und gab sie mir.

»Hier. Eingangstür, Zimmerschlüssel und Wohnungsschlüssel. Den Mietvertrag bekommst du, wenn ich zurück bin. Ist das für dich in Ordnung?«

Plötzlich spürte ich ein Kribbeln. Vincent stand sehr nah vor mir. Sein warmer Atem strich über mein Gesicht. Mir wurde heiß und gleichzeitig kalt. Verlegen wich ich einige Schritte zurück.

»Danke«, krächzte meine Stimme, während ich die Schlüssel entgegennahm.

 

3. Kapitel

Ich fuhr mit dem Bus ins Unigebiet. Dort lebten Achim und ich seitdem wir von Bremen nach Kaiserslautern umgezogen waren. Das Neubaugebiet wurde überwiegend von Studenten und jungen Familien besiedelt. Beim Eintreten bemerkte ich, dass die Wohnung noch genauso unordentlich war, wie ich sie zuvor verlassen hatte. Ich betrat unser Schlafzimmer. Traurig blickte ich mich um. Das Bett war nicht gemacht, die Gardinen noch zugezogen. Ich griff unter das Bett, holte den halb gefüllten Koffer hervor und suchte noch einige Kleidungsstücke zusammen. Ob ich alles in den Koffer bekomme? Sonst würde es unvermeidbar sein, noch ein weiteres Mal herzukommen. Während ich im Bad meine Kultursachen zusammensuchte, hörte ich die Wohnungstür. Sofort begann mein Herz wild zu schlagen. Ich beeilte mich die restlichen Schminkutensilien in mein Beauty Case zu verstauen. Dabei fiel mir der Eyeliner ins Waschbecken. Im Augenwinkel vernahm ich eine Bewegung und zuckte zusammen. Als ich mich zur Tür drehte, stand Achim plötzlich im Türrahmen. Schweigend sahen wir beide uns einige Minuten an.

»Was hast du vor?« Achims Stimme klang traurig.  Dabei schnürte es mir fast den Brustkorb ein, ihn so zu sehen.
    »Ich habe eine Wohnung gefunden.«
Seine Augen weiteten sich. »So schnell? Das hätte ich von dir gar nicht erwartet.«

Er konnte es wohl nicht fassen. Die letzten Worte klangen so überheblich, dass sie mich wieder in die Realität zurückholten. »Ja. Genau. So schnell«, erwiderte ich bissig. Ich war auf hundertachtzig und zwang mich zur Beherrschung.
    »Und wo wirst du wohnen?«
    Hastig fischte ich nach dem Eyeliner und warf ihn in das Beauty Case. Der Deckel klappte krachend zu. Demonstrativ ließ ich das kleine Schloss lautstark zuschnappen. Danach versuchte ich mich an Achim vorbei zu pressen, doch er versperrte mir den Weg. Verärgert blieb ich vor ihm stehen.
    »Das geht dich nichts an. Wir sind fertig miteinander.« Die Kälte, die meine Worte begleiteten, schockierten ihn.

Widerstrebend machte er einen Schritt zur Seite.
    »Dann habe ich keine Chance mehr bei dir?«, rief er mir bestürzt hinterher, als ich im Begriff war, in die Küche zu gehen.
    Mein Körper versteifte sich. Mitten im Türrahmen zur Küche verharrte ich. Eine Chance? Er will eine zweite Chance? Mir begannen die Knie zu zittern, während gleichzeitig meine Kehle trocken wurde.

Ich stellte das Beauty Case auf dem Boden, ging zum Kühlschrank und öffnete eine Flasche Bier. Achim folgte mir schweigend und setzte sich an den Küchentisch. Ich setzte mich dazu. Befangen blickten wir uns an. Mein Herz sagte mir, ich solle es noch einmal versuchen, doch mein Verstand war anderer Meinung. Ich spielte mit der halbleeren Bierflasche und pulte das Etikett herunter, bis ich endlich Mut gefasst hatte.
    »Ich denke, wir brauchen eine Auszeit. Wir beide müssen etwas Abstand gewinnen.« Ich konnte selbst nicht glauben, was ich da gerade von mir gab. Jetzt war plötzlich ich diejenige, die ihn verließ. Mein Magen krampfte. Ich bekam ein schlechtes Gewissen, stand auf, nahm das Beauty Case und ging ins Schlafzimmer, um den Koffer zu schließen.

Er war viel zu voll gepackt, sodass ich große Mühe hatte, die beiden Schlösser ineinander schnappen zu lassen.
    »Ich helfe dir«, hörte ich seine traurige Stimme hinter mir. »Los. Setz dich drauf.«
    Ich tat, wie mir geheißen. Immer wieder rutschte ich vom Koffer herunter. Achim konnte mich gerade noch davon abhalten, nicht auf dem Boden aufzutreffen. Unbeschwert lachten wir beide über die vielen Fehlversuche. Sogar mit vereinten Kräften benötigten wir fünf Minuten. Dann hatten wir es geschafft. Die Schlösser schnappten zu. »Ich komme gleich wieder. Warte kurz.«    

Achim verschwand, um kurz darauf mit einer Rolle Klebeband in der Hand zurückzukommen.

»Hier, damit er dir nicht plötzlich aufspringt.« Er riss einige Meter ab und umwickelte damit den Koffer.
    Danach begutachteten wir sein Kunstwerk. Der Koffer sah aus, als würde ihn nur noch das Tape zusammenhalten.

»Soll ich dir tragen helfen?«
    »Nein. Es wird schon gehen.« Mit einem Ächzen hob ich den Koffer an. Er war schwerer, als ich angenommen hatte, sodass ich ihn mit beiden Händen halten musste. Achim ließ sich nicht abhalten. Seine Hand ergriff den Bügel und gemeinsam hielten wir den schweren Koffer. Wir atmeten beide heftig. Ob von den Anstrengungen oder der gespannten Atmosphäre zwischen uns, war nicht klar zu definieren.

Ich beschloss, dass es an der Zeit war, die Wohnung zu verlassen. Doch meine Beine sträubten sich. Erst einmal musste ich ein paar Mal tief durchatmen.

»Ich komme nochmal wieder und hole dann meine restlichen Sachen ab.« Mit einem Mal schien sich ein Strick um meinen Hals zu legen. Das Atmen fiel mir immer schwerer. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Ich musste gehen. Je länger ich blieb, desto schwieriger wäre es für mich geworden. Ich schnappte mir das Beauty Case und klemmte es unter den Arm. Achim stand wie versteinert mitten im Schlafzimmer und sah mir nach. Er sagte kein Wort.
    Jede einzelne Stufe erschien mir wie ein Schritt in den Abgrund. Ich wartete. Aber worauf? Wollte ich, dass Achim mich zurückholte? Dass er irgendetwas sagte, damit ich bei ihm bleiben würde?
Mit jedem weiteren Schritt nach unten, wuchs die Verzweiflung in mir. ›Achim. Was ist nur geschehen? Wie konnte das überhaupt passieren?‹
    Noch immer empfand ich viel für ihn. Nachdem wir uns kennengelernt und ich mit ihm zusammenzog, war ich fest davon überzeugt, dass Achim der Eine für mich wäre. Meine große, immer währende Liebe. Ich schluchzte, schaffte es aber, die Tränen zu unterdrücken. Auf dem ersten Treppenabsatz pausierte ich. Voller Wehmut sah ich zum Fenster hinaus.

Ich spürte Achims Blicke in meinem Rücken. Den Drang, mich nicht umzudrehen, konnte ich nicht widerstehen. Es war wie ein unkontrollierbarer Reflex, der mich dazu verleitete. Er stand einfach nur da und sagte nichts. Den Ausdruck in seinen traurigen Augen, hielt ich nicht lange aus.

Ich schnappte mir den Koffer, klemmte das Beauty Case unter den Arm und schleppte mich mit wild pochendem Herz die restlichen Stufen hinunter.
    »Wenn du was brauchst, du weiß wo du mich findest.«
Ich hörte noch, wie er langsam die Tür schloss.
    Die restlichen Etagen eilte ich die Stufen hinunter. Auf dem Treppenabsatz im ersten Stockwerk traf ich auf meinen Nachbarn Danilo.
    »Hallo Chrissy! Fährst du in den Urlaub?«
Ich rauschte nur an ihm vorbei, ohne ein Wort zu sagen. Ich konnte spüren, wie er mir verdutzt nachschaute. Wenn er noch etwas gesagt hatte, so hörte ich ihn nicht mehr. Vor der Tür fiel alles von mir ab. Meine Beine wollten mich nicht mehr tragen. Ich sank ich auf die Knie.

Endlich konnte ich den Tränen freien Lauf lassen.

    Es dauerte eine Weile, bis ich mich beruhigt hatte. Schließlich fuhr ich mit dem Bus zurück in die Stadt, um mein neues Zimmer zu beziehen.

»Komm. Setz dich ins Wohnzimmer. Ich öffne uns eine Flasche Wein.«

»Magst du lieber Roten oder Weißen?« Er hielt jeweils eine Flasche in seinen Händen, während er auf meine Entscheidung wartete.







»Mein Termin hat sich auf morgen früh verschoben.« Vincent sah mich an, dabei bemerkte er mein Unbehagen.
    »Keine Angst, du kannst mein Bett haben. Das hatte ich dir versprochen. Außerdem, in diesem Zustand lasse ich dich nicht auf dem Holzboden schlafen.« Er lächelte zuversichtlich. »Ich nehme das Sofa.«
    Ich glaubte, er konnte hören, wie der Ziegelstein auf dem Boden aufprallte. »Wirklich?« Ungläubig starrte ich ihn an, während er einmal nickte.
    »Danke«, flüsterte ich erleichtert.
    »Musst du heute noch arbeiten?« Erneut füllte Vincent mein Glas mit dem köstlichen Rebensaft.
    »Nein. Heute ist mein freier Tag. Den hätte ich gern anders gestaltet, doch es hat wohl nicht sein sollen. Anscheinend werde ich gerade vom Pech verfolgt. Es klebt an mir wie ein alter Kaugummi, den man nicht mehr loswird.«







»So, und nun leg dich Schlafen. Es ist Zeit. Du hattest heute einen harten Tag.« Damit schloss er die Tür hinter sich. Mit einem wohligen Gefühl im Bauch und ein wenig beschwipst, legte ich mich ins Bett.