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Uschi Zietsch

Das Reich Albalon

Band 2

Das Herz des Königs

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Albalon, das Weiße Reich, ist ein Land voller Mythen und Legenden.

Peredur, der Mann ohne Herz, ist als Hochkönig auf seinen Thron nach Sìthbaile zurückgekehrt – doch es herrscht noch lange nicht Frieden. Das Oberste Gesetz existiert nicht mehr und der Bund der Völker droht zu zerbrechen. So manches Herrscherhaus lehnt einen Untoten als Oberhoheit ab und will die Grenzen neu ziehen.

Damit nicht genug, setzen die Verbündeten Schwarzauges alles daran, Albalon zu erobern – mit Schwert und Magie rüsten sie zum Krieg.

Der Bund der Fiandur muss erneut an vielen Fronten kämpfen – und wird zum Gejagten. Ein Mitglied nach dem anderen wird ermordet und der Zauberer vom Berge verschwindet spurlos. Zu einem Zeitpunkt, als eine finstere Macht der Vergangenheit erwacht.

Durch die außer Kontrolle geratene Magie? Oder ist Schwarzauge zurück?

Um den Untergang Albalons zu verhindern, wird Peredur gezwungen, erneut auf die gefahrvolle Suche nach seinem gestohlenen Herzen zu gehen. Das verlangt einen hohen Preis, denn er muss dafür seinen Bruder opfern. Und das ist längst nicht alles …

Die Autorin:

Uschi Zietsch publiziert seit 1986 erfolgreich in verschiedenen Genres und kann auf weit über zweihundert Veröffentlichungen zurückblicken. www.uschizietsch.de

Bisher erschienen:

Das Reich Albalon 1: Der Bund der Fiandur

Das Reich Albalon 2: Das Herz des Königs

In Vorbereitung: Band 3: Schwarzauges Erbe

In Vorbereitung: Band 4: Jaderose

Als Fantasy-eBooks sind ferner erhältlich:

Drakhim – Die Drachenkrieger

Die Chroniken von Waldsee (Trilogie Gesamtausgabe)

Nauraka – Volk der Tiefe (Waldsee 4)

Fyrgar – Volk des Feuers (Waldsee 5)

Der Stern der Götter (Waldsee – Prequel)

Eine Kurzgeschichte aus Waldsee: Der wahre Schatz

Sternwolke und Eiszauber (neue, erweiterte Ausgabe)

Der Traum der Wintersonne

HADES

Der Alp

Sowie die Kinderbuch-Reihe »Ich erzähl dir was« – aus dem Leben von Jungtieren

Impressum:

Cover: iStock, Dank an Stefan

© der eBook-Ausgabe 2017 by fabEbooks. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage.

ISBN: 978-3-943570-88-5

INHALT

Karte

Dramatis personae

Kapitel1: Drei Tage

Kapitel2: Tag der Freude

Kapitel3: Tag der Veränderung

Kapitel4: Aufbruch und Verlust

Kapitel5: Die aus dem Abgrund

Kapitel6: Der Erste Ritter

Kapitel7: Verdorrte Blüten

Kapitel8: Schwarze Seelen

Kapitel9: Erfüllung

Kapitel 10: Vollendung

Glossar

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Dramatis personae

Fionn Hellhaar – der junge Bogin besitzt außergewöhnlich ordentliches, blondes Haar, ist ein Freund der Elben und der beste Freund Peredurs. Er glaubt, sein größtes Abenteuer schon hinter sich zu haben, doch weit gefehlt, denn er gehört zu den meistgehassten Feinden des Feindes.

Cady – Fionns Ehefrau ist eine beherzte, kluge und bodenständige junge Bogin, besonders talentiert im Aufdecken von Geheimnissen. Sie nimmt es auch mit Myrkalfren auf und wird so schnell zum Staatsfeind Nummer Eins.

Tiw – Fionns Halbbruder, ein überaus gebildeter Griesgram, der bevorzugt mit grimmiger Freude das Falsche zur falschen Zeit sagt. Sein größter Traum ist ein eigenes Reich der Bogins.

Peredur – der rund tausend Jahre alte Hochkönig Albalons hat eine Menge damit zu tun, sein auseinanderfallendes Reich zu bewahren, außerdem unterliegt er immer noch einem Bann und ist deshalb auf der Suche nach seinem Herzen, das Schwarzauge ihm gestohlen hat.

Asgell – »Der Zauberer vom Berge«, Peredurs Bruder, der durch den Bann ebenfalls Schwarzauges Fluch unterworfen ist. Er hat aus der Not eine Tugend gemacht und in seinem »Gefängnis« in den Schwarzbergen Du Bhinn eine riesige Bibliothek aufgebaut.

Màr die Möwe – Elbe und Mitglied der Fiandur, Zwillingsschwester Mànis; eine mutige Kriegerin und ebenfalls auf der Suche nach ihrem Herzen, aber aus anderen Gründen.

Ragna Dubh Sùil »Schwarzauge« – die vermutlich Mächtigste aller Elben, die fast ein Jahrtausend lang ganz Albalon als »Árdbeàna die Friedensherrscherin« auf dem Hochthron genarrt hat, und die gar nicht daran denkt, das aufzugeben.

Malachit – ein Myrkalfr, der noch unangenehmer ist als alle übrigen finsteren Geschöpfe zusammen.

Ingbar – genannt der Zweifler, halb Elb, halb Mensch, Ragnas Sohn, hat die Fiandur einst ihretwegen verraten und hasst seine Mutter dafür aus ganzem Herzen.

Alskár der Strahlende – Hochkönig der Elben, den Menschen zugetan, ein Mann des Friedens. Dass ein mächtiges Wesen wie er spurlos verschwindet, wirft einige Fragen auf.

Pellinore – einst hochgeachteter Ritter, als »der Erste« bekannt, erlag auch er dem Bann Schwarzauges und wurde in lächerlicher Gnomengestalt nach Clahadus festgesetzt, hofft seither auf seine Freiheit und damit Rückverwandlung.

Gru Einzahn – ein vegetarischer Oger, von seinem Volk verlacht verfügt er doch über eine gute Axt und vermag sie auch einzusetzen.

Blaufrost – ein Troll, der immerzu friert und von der Sonne träumt; damit ein hoffnungsloser Romantiker für sein Volk.

Jaderose – ein ganz und gar unangenehmes Wesen aus einem fernen Land, verwandt mit den Myrkalfren, aber noch schlimmer.

Sowie weitere Angehörige der Fiandur:

Meister Ian Wispermund – ein geachteter Gelehrter der Menschen, alt aber keineswegs gebrechlich.

Cyneweard der Königswächter – ein stolzer, muskulöser Schwertmann um die 50. Als er herausfand, dass die Legende von Peredur kein Märchen war, schloss er sich der Fiandur an, um dem Königsthron zu dienen.

Dagrim Kupferfeuer – ein rothaariger Zwerg, der sehr erfolgreich als Handelsvermittler schwierige Geschäftspartner an einem Tisch zusammenbringt. Er lebt in Uskafeld, sein Haus dient als »geheimer Stützpunkt«, und er ist stets als Erster über die Vorgänge in Albalon informiert.

Draca der Drache – ein Mensch, dessen Haut von Geburt an schuppenartig und »entstellt« ist. Sein massiges Äußeres täuscht über sein feinfühliges Wesen hinweg.

Hrothgar der Ruhmreiche Speer – er hält das Rittertum der alten Zeit aufrecht und träumt von dem Tag, da Pellinore zurückkehrt.

Màni die Mondin – Màrs Zwillingsschwester, eine ätherische Elbe, jedoch unerbittlich im Kampf.

Morcant der Meersänger – ein Hochelb aus dem Nordreich, lebt normalerweise an der stürmischen See. Schiffsbauer, Barde und der Magie mächtig.

Rafnag der Rabe – ein ruhiger, bodenständiger Mensch mit erfindungsreichem Verstand, absolut loyal gegenüber Peredur.

Randur »der Rote« Felsdonner – der berühmteste aller Zwergenkrieger, Gründer anerkannter Kampfschulen. Ihn wünscht man sich zum Freund, nicht zum Feind.

Vàkur der Falke – kein Kämpfer mit dem Schwert, sondern ein Stratege der Menschen mit einem messerscharfen Verstand, ausgestattet mit einer außergewöhnlichen Stimme. Man heißt ihn einen Meister der Sprache und Manipulation.

Valnir »das Schwert« Eisenblut – ein besonders düsterer Zwerg mit außergewöhnlichem Kampftalent, den man in der Öffentlichkeit nie ohne Rüstung sieht, und der besonderen Wert auf seinen kurzen, aber buschigen Bart legt, der fast sein ganzes Gesicht bedeckt. Und warum? Unter all dem Haargestrüpp und der finsteren Art verbirgt sich in Wahrheit eine Zwergenfrau …

Kapitel 1

Drei Tage

Tag 1: Nachtgespenster

Manchmal, wenn Fionn Hellhaar die Augen schloss, kurz bevor er in den ersten Traum des Schlafes hinüberdämmerte, erblickte er das Gesicht.

Er sah es genau vor sich, und doch hätte er es nicht beschreiben können, wäre er im Wachzustand darüber befragt worden.

Aber er erzählte niemandem davon. Die Angst peinigte ihn, dass dann alles von vorn beginnen würde und das zerstörte, was er und seine Gefährten unter großen Mühen aufbauten.

Fionn versuchte auf jede erdenkliche Weise dem Gesicht zu entgehen. Er las vor dem Einschlafen eine spannende Geschichte oder blätterte in der Großen Arca. Als das nichts half, nahm er ein Schlafmittel, oder trank ein wenig zu viel, oder probierte dieses oder jenes Kraut zu rauchen, das nichts mit Tabak zu tun hatte. Letztere Maßnahmen benebelten zwar seine Sinne und bescherten ihm am nächsten Tag einen ordentlichen Katzenjammer, halfen aber nicht, ihn vor dem Gesicht zu bewahren. Im Gegenteil, das alles verstärkte nur den Effekt der Erscheinung. Er wurde dieser nur in dem einen Moment des Hinübergleitens und für die Dauer von ein paar Atemzügen gewahr, doch das wirkte über Stunden nach und verhinderte einen erholsamen, ruhigen Schlaf.

Mit jeder folgenden Nacht, in der das Gesicht auf ihn wartete, wuchs die Angst in Fionn. Auch Schlafentzug half nicht, irgendwann schlummerte er schließlich ein, und dann … war es umso schneller da. Unbeschreiblich, nicht fassbar, fremd und doch vertraut. Das Gesicht wandte sich ihm zu, es sah ihn an, und der Mund formte lautlos Worte, die ein dröhnend hallendes Echo in seinem Kopf erzeugten.

Schlaf weiter, mein Kleiner, schlaf nur ruhig ein.

Gütig sollte das klingen, beruhigend sollten die Worte sein, wie von einer sorgenden Mutter; nur war das eine Lüge. Fionn ließ sich nicht täuschen.

Ich habe mein Leben lang geschlafen, erwiderte er, das will ich nicht mehr.

Das beeindruckte das Gesicht nicht. Es versprach, ihn zu beschützen, ihn zu hüten und zu leiten, und ihm Frieden zu schenken.

Ich habe bereits Frieden, antwortete Fionn, und ich bin frei.

Niemand ist frei, mahnte das Gesicht.

Damit fängst du mich nicht. Ich brauche deinen Schutz nicht, und ich will nicht mehr von dir ausgenutzt werden. Freiheit heißt, eigenständige Entscheidungen treffen zu können. Und dazu bin ich endlich in der Lage. So wie jetzt, indem ich mich weigere, den Kontakt mit dir zu halten.

An diesem Punkt angekommen, schaffte er es regelmäßig, an die Oberfläche des Bewusstseins zurückzukehren, wo das Gesicht ihn nicht mehr erreichen konnte. So auch heute.

Fionn starrte mit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit. »Und ein weiterer Sieg wird darin bestehen«, so wisperte er, »frei von dir zu sein. Und von deiner Heimsuchung.«

Sein Herz flatterte gegen die Brust und er legte die Hand darauf, als könne er es so festhalten und beruhigen. Am liebsten wäre er ein paar Türen weiter zu Cady gelaufen und hätte sich bei ihr im Bett verkrochen. Doch das war unmöglich, und nicht allein deshalb, weil Onkelchen Fasin zusammen mit Fionns Eltern strengstens über die »Einhaltung der guten Sitten« wachte.

»Hört ihr beiden«, hatte er zu ihnen gesagt, als sie Hand in Hand ihre Verlobung verkündeten, »ich weiß, wie sehr ihr danach verlangt, in den Armen des Anderen zu liegen. Aber wir Bogins haben gerade erst unsere Freiheit erlangt, und noch wissen wir nicht, wie wir damit umgehen sollen oder was aus uns wird. Wir müssen zurückfinden zu dem, was wir einst waren, zu unseren Sitten und Gebräuchen. Geht mit gutem Beispiel voran und haltet euch an die Regeln, die Bogins von Menschen und allen anderen Völkern unterscheiden. Die Prüfungszeit ist sehr wichtig für euch, und ebenso für eure Familien, denn eure Kinder sollen in Geborgenheit aufwachsen.«

Die beiden Verliebten hatten sich seine Worte zu Herzen genommen, so schwer ihnen das auch fiel. Doch da sie als »Retter des Volkes« galten und kaum ein Tag verging, an dem nicht ein Bogin vorbeikam, um sich zu bedanken, und jede Menge Post eintraf, die ehrlich beantwortet werden musste, sahen sie ein, dass sie zumindest eine Zeitlang für alle Bogins so etwas wie ein Vorbild waren. Das galt umso mehr, da sie außerdem Hüter des Buches waren, das nach wie vor ungeöffnet und wohlverwahrt in einem Geheimfach in Meister Ian Wispermunds Bibliothek lag.

Das war einer der Gründe, weswegen Fionn nicht zu Cady lief. Weitaus schwerwiegender aber war, dass er seiner künftigen Ehefrau bisher nicht einmal davon erzählt hatte, was ihn da fast jede Nacht quälte.

Sie schob seine zunehmende Müdigkeit und die Ringe unter den Augen auf die Aufregung wegen der anstehenden Hochzeit, und er widersprach ihr nicht. Keinesfalls wollte er sie damit belasten, denn sie hatte genug durchgemacht und er wusste, dass auch sie ab und an von Albträumen gequält wurde. Über das, was sie in dem Labyrinth unter dem Schloss gefunden und was sie während ihrer Gefangenschaft erlitten hatte. Natürlich verschwieg sie ihm ihre Ängste ebenso wie er sein Geheimnis hütete. Doch ihr Gesicht war viel zu offen, um ihre Gefühle zu verbergen, und es war leicht, darin zu lesen. Cady war sehr mutig und beherzt, nur manchmal schob sich wie eine Wolke die Angst in ihre klarblauen Augen und trübte das heitere Licht darin. In solchen Momenten nahm er sie schweigend in den Arm und hielt sie fest. Gleichzeitig lehnte er sich damit auch an ihr an und schöpfte Kraft aus ihr.

Aber selbst zu so einem Zeitpunkt sprachen sie nicht über das vergangene Jahr, dazu waren sie beide noch nicht bereit. Zu viel war geschehen, zu viel hatten sie gesehen, womit sie fertig werden mussten, dem sie sich jedoch derzeit nicht stellen konnten. Der Zeitpunkt würde kommen, um all das nachzuholen und aufzuarbeiten. Im Augenblick konzentrierten sie sich daher auf schönere Dinge.

Cady hatte im vergangenen Sommer die Zwanzig-Zwei, das Volljahr, erreicht und die Große Arca studiert. Obwohl das junge Paar gleich nach Cadys Geburtstagsfeier hatte heiraten wollen, hatte Onkelchen Fasin weiterhin auf der »Prüfungszeit« bestanden. Er gab um keinen Tag nach, und die beiden jungen Bogins hatten sich seinem Willen und der Tradition gefügt. Der weise alte Bogin hatte schließlich recht, der erste Zeitpunkt wäre nicht gut gewählt gewesen. Das Reich Albalon fiel auseinander und die Gerichtsverhandlung gegen Schwarzauge Ragna Dubh Sùil war noch nicht beendet und nahm alle enorm in Anspruch. Eine fröhliche Hochzeitsfeier passte einfach nicht in so eine schwierige Zeit – aber danach, so hatten es Fionn und Cady allen verkündet. Sobald das Urteil gefällt sei, würden sie den Termin setzen. Im Frühjahr, wenn die Blüte erwachte, sollte es soweit sein. Und sie wollten alle Freunde dabei haben, und Hochkönig Peredur persönlich sollte die Zeremonie leiten.

Und in drei Tagen war es endlich soweit: Der ganz besondere Augenblick nahte.

Also eigentlich schon in wenigen Stunden, wenn man es genau nahm.

Fionn rieb sich den Schweiß von der Stirn und seufzte. Er brauchte in der verbliebenen Zeit noch ein bisschen Erholung, um für Cady gut auszusehen und diesen Tag durchstehen zu können. Die Zeremonie, die Glückwünsche, die Feier: Alle freuten sich darauf. Und dann, endlich, würden Cady und er zusammen in ein kleines Gelass ziehen, das schon auf sie wartete: mit Wohn- und Schlafraum, eigenem Waschraum und sogar einer Kochstelle. Und sie würden sich im Arm halten und einander spüren, die ganze Nacht und alle folgenden Nächte, ihr Leben lang. Sie würden für immer zusammengehören.

Noch einmal seufzend legte er sich wieder hin. So erfüllt von den Gedanken und Erwartungen, würde das Gesicht ihn nicht mehr erreichen können, für heute war es genug.

Er würde schon einen Weg finden, es auf Dauer aus seinem Kopf zu verbannen. Wahrscheinlich genügte allein Cadys nächtliche Anwesenheit …

Es wird gut, sprach er sich Mut zu. Alles wird gut. Hafrens Segen wird uns beschützen.

Und mit Cadys rosigem Gesicht vor Augen, ihrem strahlendblauen Blick und ihrem fröhlich lächelnden Mund im Sinn, schlief er endlich ein.

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Fionn ahnte nicht, dass Cady derweil vor seiner Tür stand, hin und hergerissen, ob sie nun anklopfen sollte oder nicht.

Auch sie konnte nicht schlafen, und obwohl er nie mit ihr darüber gesprochen hatte, wusste sie genau, was der wahre Grund für seine Müdigkeit und seinen sorgenvollen Blick war. Denn sie sah es ebenso.

Das Gesicht.

»Cady?«

Der Klang der gütigen Stimme hinderte Cady gerade noch daran, an die Tür zu pochen. Sie drehte sich um und sah Meister Ian Wispermund im bodenlangen Nachthemd, in Filzschuhen und mit Schlafkappe aus violettem Samt, unter der die weißen Haare ungeordnet hervordrängten. Auch sein sonst so sorgfältig gekämmter Bart sträubte sich dagegen, derart aus dem Schlaf gerissen zu werden. Der Zwicker saß schief auf seiner Nase, und dahinter blinzelten schlafensmüde Augen. In der Hand trug er einen Halter mit einer brennenden Kerze, der eigentlich gar nicht notwendig war, da die ganze Nacht über Öllämpchen in den Hausgängen sanftes Licht spendeten.

»Meister, Ihr solltet nicht hier sein, sondern im Bett«, wisperte sie besorgt. »Morgen ist ein anstrengender Tag, wie überhaupt die nächste Zeit uns alle voll in Anspruch nehmen wird …«

»Das gilt vor allem für dich und den jungen Mann hinter dieser Tür, möchte ich meinen«, erwiderte der Gelehrte. Er ergriff Cadys Hand und zog sie mit sich, bis zu seiner Bibliothek. Dort schloss er die Tür hinter ihnen und nötigte die junge Boginfrau, sich in seinen Lieblingssessel zu setzen.

»Das geht nun schon seit Tagen so«, begann Meister Ian. »Sicherlich dauert es viel länger, wahrscheinlich bereits seit dem letzten Sommer, aber je näher der Tag der Hochzeit rückt, desto auffälliger wird es. Selbst ich, der sonst einen recht gesegneten Schlaf hat, musste darauf aufmerksam werden. Immerzu schleicht einer von euch beiden nächtens durch die Gänge, aber nicht zu einem heimlichen romantischen Treffen.«

»Ich kann nicht schlafen. Es ist die Aufregung über diesen bedeutenden Schritt«, murmelte sie. »Lange ist es ja nicht mehr hin, und viele Gedanken jagen einander gegenseitig wie junge Füchse durch meinen Kopf.«

»Lampenfieber? Ausgerechnet ihr beide, die ihr euch über alles liebt und genau wisst, was ihr wollt, ohne Schwanken und Zweifel?« Er winkte ab. »Mach mir nichts vor, Cady. Dich und Fionn quält etwas ganz anderes. Etwas, das ihr nicht einmal miteinander zu teilen vermögt, aus Furcht, es könnte schreckliche Folgen haben.« Der alte Mann setzte sich zu ihr auf die breite Armlehne und tätschelte ihre Hand. »Ich bin in dieses Haus geboren worden und habe mein ganzes Leben hier verbracht. Die Wände erzählen mir alles, und ich weiß immer, was in diesen Mauern vor sich geht. Deswegen habe ich mich auch gerade heute Nacht aus dem Bett gezwungen. Und siehe da, meine Ahnung hat mich nicht getrogen. Sag es mir, Mädchen. Und hab keine Scheu. Wir beide sind hier drin absolut sicher, nichts kann uns erreichen.«

»Wie könnt Ihr davon so überzeugt sein?«, fragte sie und blickte sich gehetzt um.

»Nun, ich gehöre weiterhin zur Fiandur, die keineswegs aufgelöst ist. Schließlich ist ihre Aufgabe noch nicht beendet – wie du selbst am besten weißt. Ich habe durch die Beziehungen der Fiandur ein paar Elbenfreunde, die sich darauf verstehen, einen Raum so zu präparieren, dass nicht einmal sie selbst mehr hineinlauschen können.« Der Gelehrte lächelte. »Kannst du es nicht fühlen?«

Doch, das konnte sie. Auf unbestimmte Weise. Und sie spürte auch die Anwesenheit des Buches. Die Geschichte ihres Volkes, verborgen hinter einem möglicherweise unüberwindlichen Siegel. Cady beruhigte sich ein wenig.

Und rückte dann endlich mit der Sprache heraus.

»Sie ist es«, flüsterte sie. »Sie lässt uns einfach keine Ruhe.«

Sie musste keinen Namen nennen, es gab nur eine Person, die gemeint sein konnte. Cady sprach von Ragna Dubh Sùil, Schwarzauge, der Gefangenen von Sìthbaile.

Fast tausend Jahre lang hatte die Elbenfrau als angebliche »Friedensherrscherin« auf dem Thron ihre Fäden gezogen, sich auf subtile Weise die Völker Albalons unterworfen und sie beeinflusst – mithilfe der Bogins, die sie dafür in die Sklaverei gezwungen hatte. Schwarzauge hatte dafür gesorgt, dass sich niemand mehr an den Großen Krieg erinnerte und an das, was danach geschehen war. Ebenso wenig besaßen die Bogins während dieser Epoche eine Erinnerung daran, dass sie einst ein freies Volk gewesen waren. Sie kannten nichts als die Sklaverei, waren ohne es zu wissen dem Willen der Àrdbéana ausgeliefert gewesen, die ihre besonderen Lebenskräfte abgesaugt und für ihre eigenen Zwecke missbraucht hatte. Die Àrdbéana hatte das Geheimnis der einzigartigen Macht der Bogins, das Leben zu bewahren und Frieden zu stiften, aus gutem Grunde wohl bewahrt.

Meister Ian musterte sie prüfend. »Ich verstehe. Wie lange geht das schon so?«

»Ich weiß es nicht genau …«

»Und wie äußert es sich?«

»Sie schickt ein Gesicht in der Nacht, wenn ich gerade dabei bin einzuschlafen.« Cady rieb sich unbehaglich die Nase. Sie merkte, dass der Gelehrte mitfühlend war, zugleich aber auch ungehalten wirkte.

»Warum bist du nicht gleich damit zu mir gekommen?« Diese Frage war eine Rüge. Und als solche nicht unberechtigt.

»Es tut mir leid«, entschuldigte sie sich.

Der Zwicker auf seiner Nase wackelte bedenklich. Es war noch nicht vorbei. »Und Fionn?«

»Das ist es ja«, gestand sie. »Ich bin sicher, er sieht es auch. Aber wir reden nicht darüber, wie Ihr richtig vermutet habt. Es … wir können es einfach nicht. Ich weiß nicht, warum es mir gerade jetzt den Mund öffnet …«

»Das ist dieser Raum«, brummte der alte Gelehrte. Seine gesträubten buschigen Augenbrauen glätteten sich wieder. »Schwarzauge gibt also nicht auf und versucht weiterhin, euch in ihre Gewalt zu bekommen.«

Cady hob die Schultern. »Mir ist nicht bekannt, ob es alle Bogins betrifft. Manchmal kommt es mir so vor, als ob sie gezielt mich angreift, und damit natürlich erst recht Fionn. Ihn wird sie am meisten hassen, denn er hat sie schließlich enttarnt und zu Fall gebracht. Sie wird sich bestimmt an ihm rächen wollen. Vergebung ist nicht ihre Art, wie wir alle wissen. Und wie sie nach Verhängung des Urteils auch deutlich kundgetan hat.« Sie atmete tief durch. »Deswegen werden wir fortgehen müssen, sobald wir verheiratet sind. Wir können Dubh Sùils Nähe nicht ertragen. Eines Tages wird es ihr gelingen, uns zu überwältigen. Vor allem vermute ich, dass sie nicht nur Rache an uns nehmen will – sie will uns bestimmt für einen weiteren ihrer unzähligen finsteren Pläne benutzen, denn sie hat noch lange nicht aufgegeben.«

Meister Ian Wispermund stand auf und wanderte zu einem Buchregal. Bedächtig strich er mit den Fingern über die Buchrücken. »Ich habe Peredur davor gewarnt und ihn gebeten, Ragna für … immer auszuschalten«, sagte er. »Doch er erklärte mir, und das muss ich respektieren, dass er sie nicht zum Tode verurteilen kann, solange er sein Herz nicht zurück hat, denn mit ihr stirbt auch das Herz des Hochkönigs. Und er will die Verantwortung tragen, das zerfallende Reich Albalon wieder aufzubauen. Deshalb muss er sie unter seiner Aufsicht und Kontrolle behalten, und zwar genau hier in Sìthbaile, wie er betont. Er denkt, dass kein anderer Ort sie auf Dauer gefangen zu halten vermag.«

Cady nickte. »Deshalb werden ja wir beide diejenigen sein, die gehen. So weit fort wie möglich. Damit verringern wir die Gefahr, dass es ihr eines Tages gelingt, ihren Einfluss auf uns wieder auszuweiten und uns zu benutzen. Ich bin sicher, dass Fionn sich längst mit denselben Gedanken trägt. Wir wollen den König niemals belasten und schon gar nicht gefährden.«

»Er braucht euch, Cady«, wandte Meister Ian ein. »Ihr seid Teil der Fiandur, und, was von besonderer Bedeutung ist, ihr seid seine Freunde. Soweit er dazu in der Lage ist, empfindet er sehr viel für euch und ist dankbar für das, was ihr für ihn tut. Er kann mehr fühlen und ist ruhiger, wenn ihr bei ihm seid. In einem Gespräch vertraute er mir an, dass er sich durch eure Nähe beinahe wieder wie ein Mensch fühlt, in dessen Brust ein Herz schlägt. Und sein Wohlergehen liegt mir nun einmal nicht weniger am Herzen als das eure. Wir müssen deshalb eine andere Lösung finden. Ich werde mit ihm sprechen.«

Sie sprang auf und lief zu ihm. »Ich bitte Euch, behaltet für Euch, was ich Euch anvertraut habe!«, flehte sie. »Bald ist unsere Hochzeit. Diese Zeremonie darf von nichts überschattet werden – um unserer Freunde willen! Wir wollen einen unbelasteten Tag der Freude für alle begehen. Das ist so wichtig in diesen Zeiten.«

Der Gelehrte zögerte, dann lächelte er plötzlich. »Ja, du hast recht. So sehr müssen wir nun auch nicht übereilen. Mein Poltern tut mir leid – die Sorge sprach aus mir.«

»Ich weiß.«

»Nach der Hochzeit müssen wir aber mit Peredur darüber reden und eine Lösung finden.«

»Ich werde es dann nicht mehr länger aufschieben, verlasst euch darauf.«

»Asgell findet vielleicht einen Ausweg.«

»Ich hoffe es so sehr, denn … Genau wie Ihr habe ich mein Leben hier verbracht und möchte nicht fort. Und natürlich will ich den König genauso wenig im Stich lassen wie Fionn.« Cady spürte, wie Müdigkeit ihre Glieder bleiern werden ließ. Sie war getröstet und entspannte sich. »Ich gehe jetzt besser schlafen, und das solltet Ihr auch tun. Wenigstens in den nächsten drei Tagen sollten wir nur Freude in unsere Herzen lassen.«

Der alte Gelehrte streckte die Hände aus, zog sie zu sich und nahm die Bogin, die ihm gerade bis zur Brust reichte, in seine Arme.

»Das kriegen wir hin«, gab er ein Versprechen, das er hoffentlich auch halten konnte.

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Tag 2: Dunkler Fels

»Der Weg ist lang, das Tal so tief, die Seen dunkel, die Steppe weit

Randur Felsdonner trällerte den Refrain eines bei allen Völkern beliebten alten Liedes vor sich hin, während das kräftige, trittsichere Bergpony sich seinen Pfad zwischen den Geröllhalden der Schieferhänge hindurch suchte.

Hier in den Schwarzbergen, allgemein Du Bhinn genannt, hatte der Frühling noch nicht richtig Einzug gehalten. Vorsichtig spitzten Krokusse und Schneeglöckchen aus der teils noch schneebedeckten Erde in den Südtälern, während andernorts in den Ebenen schon Wildkirsche und Mandelbäume kräftig blühten, und an Bodengewächsen die Großen Schneeglöckchen und Hyazinthen und auch die ersten Primeln. Hier oben jedoch, an den schwarzen, großteils blanken Hängen gab es ohnehin so gut wie kein Anzeichen der Jahreszeiten, denn keinerlei Bewuchs wies auf irgendeine regelmäßige Änderung der Verhältnisse hin. Der einzige Unterschied mochte darin bestehen, dass im Sommer Regen fiel und im Winter Schnee. Doch beides konnte sich auf dem glatten Schiefer nicht lange halten, rutschte hinab in schroffe, scharfkantige, tiefe Senken und sammelte sich dort in glänzender Nässe oder glitzerndem Frost, und zurück blieb oben die ewig gleiche matte Schwärze.

Zu dieser frühen Zeit konnte sich die Feuchtigkeit unten nicht entscheiden, ob sie nass oder eisig funkeln sollte. Feine Dunstschwaden stiegen von dort auf und waberten in Schleiern an den Hängen entlang, ohne sich mit den tief hängenden Wolken vereinen zu können, obwohl sie die faserigen Finger weit ausstreckten.

Das Wetter schlug schnell um in diesem Gebirge und es gab deutlich mehr verhangene als klare Tage. Aber für Randur Felsdonner war es jedes Mal wie eine Rückkehr nach Hause, obwohl er schon so lange nicht mehr hier lebte. Er liebte dieses raue, stürmische Hochland, die finsteren Hänge, die kahlen Gipfel und die im Sommer üppig blühenden und grünenden Täler, wenn die Wärme auch endlich dorthin gelangte.

Es war eine andere, stillere Welt, in der aus diesem Grund auf jedes Geräusch besonderen Wert gelegt wurde: auf den einsamen Ruf des Adlers, das Knallen der aufeinandertreffenden Hörner der kämpfenden Widder, die Pfiffe der Murmeltiere, das Heulen des Bergwolfs und auf das heisere Husten des Luchses.

Die Völker, die hier lebten, einschließlich der wenigen Elben, waren von gedrungener, kräftiger Gestalt, angepasst an Kälte und Entbehrungen. Geschöpfe, genauso hart wie der Felsen des Gebirges, zäh und ausdauernd. Es gab keinen Müßiggang, Arbeit war Teil des Lebens, doch wurde sie niemals in großer Eile verrichtet, sondern gemächlich, immer ein Schritt, ein Handgriff nach dem anderen.

Vorwiegend war es ein Reich der Zwerge, vor allem oben in den höheren Lagen, wohingegen die Menschen in den Tälern siedelten und dort Ziegen und Ponys züchteten und zähe Knollen anbauten. Die Bergelben hatten sich ebenfalls in die höheren Lagen an die Südhänge zurückgezogen und trieben wie die Zwerge Minen in die Berge, um Erze und Mineralien zu schürfen. Sie dienten der Anfertigung von Schmuck und Waffen, für Werkzeuge und den Wagenbau sowie der Herstellung von Gebäuden und Rüstungen.

Man lebte in friedlicher Eintracht, weil man gar keine andere Wahl hatte. Es gab zu wenig für den Einzelnen, aber genug für alle, denn das Gebirge war groß, sodass man sich nicht im Weg stand, während man dennoch Hand in Hand arbeiten musste. Man war aufeinander angewiesen hier draußen. Der Handel war rege und es gab an wichtigen Kreuzungspunkten Wirtshäuser, in denen die Bergvölker sich begegneten und auch mal gemeinsam den einen oder anderen Krug hoben.

»Ich zieh weiter, die Straße dahin, fühl weder Hunger noch Einsamkeit

Randur Felsdonner ließ das Pony dahinzockeln, während er sich eine Pfeife stopfte und mit einem Schwefelhölzchen, das er funkenschlagend am Sattel entlangstreifte, entzündete. Von diesen Wunderdingen gab es noch viel mehr in diesen Bergen. Und wie man sie verwenden konnte, das stand in den gleichfalls wundersamen Büchern der großen Bibliothek des Zauberers vom Berge.

Noch wurde dieses Wissen innerhalb Du Bhinns verwahrt, doch nicht mehr lange, dann würde es sich über ganz Albalon ausbreiten.

Für den Frieden, das war Asgells Bedingung gewesen, und daran mussten sich alle halten, weil er einen Bann darüber gelegt hatte.

»Vorwärts muss ich, es treibt mich fort und fort, denn einst, ja einst, gab ich mein Wort

Randur sog den Rauch ein und blies durch die Nasenlöcher feine Wölkchen aus. Schmunzelnd dachte er darüber nach, wie es wohl sein mochte, einer der mächtigsten Zauberer der Insel zu sein und zugleich Gefangener eines Banns und unfähig, sein Gefängnis zu verlassen. Der Tausendjährige hatte das Beste daraus gemacht, indem er die größte Bibliothek aller Zeiten geschaffen hatte und noch beständig erweiterte. Doch er war gebunden, und all seine Macht in dieser Hinsicht nutzlos.

Randur setzte zur nächsten Strophe an und musste feststellen, dass er sie vergessen hatte.

Kopfschüttelnd trieb er das Pony vorwärts, das daraufhin bockig den Kopf hochwarf, und fing das Lied von vorne an. Nebenbei blies er Wölkchen, und als der Tabak im Pfeifenkopf aufgeraucht war, hatte er den Eingang erreicht.

Das Portal von Fjalli, dem größten Zwergenreich Du Bhinns, lag vor dem Zwergenkrieger. Ein großer Bogen, mit reichhaltigen Verzierungen in den Fels geschnitzt, und darin eingefasst eine schwere Eisentür mit silbernen, fein ziselierten Beschlägen.

Randur saß ab und führte das Pony mit sich näher an das Portal heran. Es war sehr still, nicht einmal die sonst unermüdlichen Dohlen und Nebelkrähen führten ihre gegenseitigen halsbrecherischen Verfolgungsjagden vor. Mittagszeit, alle waren anscheinend mit dem Essen oder einem Schläfchen beschäftigt.

Im Maul eines silbernen, lebensecht geformten Bärenkopfes von der Größe einer Trollfaust hing ein Ring, den Randur ergriff und mit Schwung gegen die Verstärkung schlug. Ein kräftiger Klang hallte bis tief ins Innere. Es war nicht notwendig, ein zweites Mal anzuschlagen.

Eine Zwergentür wurde innerhalb der Portaltür geöffnet, und ein schwer bewaffneter und gerüsteter Wachtposten trat heraus. In seiner Hand hielt er den Rest einer gegrillten Schweinshaxe.

»Dein Begehr?«, schnarrte er.

»Welch ein Willkommen!«, gab Randur Felsdonner sich scheinbar erfreut, doch seine friedlichen blauen Augen blitzten kurz auf. »Melde deinem Vorgesetzten, Randur Felsdonner ist hier und wünscht mit König Fjölnir zu sprechen.«

Der Posten zerrte mit großen kräftigen Zähnen eine der wenigen verbliebenen Fleischfasern vom Knochen und fing an zu kauen. »Nie gehört.«

»Deswegen sollst du ja mit deinem Vorgesetzten reden«, gab Randur sich großzügig. Von Natur aus gutmütig veranlagt, verfügte er über einen langen Geduldsfaden.

»Warte hier.« Der Wachmann wollte die Tür schließen, doch Randur stemmte die Hand dagegen.

»Einen Augenblick mal!«, sagte er, immer noch freundlich lächelnd, sein Tonfall allerdings glitt allmählich in tiefere, düstere Lagen. »Ich bin weit gereist und ich war lange nicht mehr hier, aber ich glaube, ich habe nicht an die falsche Tür gepocht. Das hier ist doch der Haupteingang zum Reich Fjalli, nicht wahr?«

»Mhm.«

»Zwerge sind gute Gastgeber und erhalten gern Besuch. Mag ja sein, dass man Fremden gegenüber ein wenig misstrauisch geworden ist in diesen Tagen, aber ich bin zufälligerweise ein Zwerg. Genauer gesagt Randur Felsdonner, wie bereits vorgestellt, und ich bin hier geboren und aufgewachsen. Ich gehöre zu diesem Volk und diesem Königreich von Geburtswegen, und …« Jetzt drückte er mit nur einer Hand so gegen die Tür, dass er nicht nur sie, sondern auch den Wachmann beiseite schob. »… und wenn du mich nicht sofort mit der höflichen Gastfreundschaft der Zwerge begrüßt, mich in einem der Gastzimmer Platz nehmen lässt und mir für die Wartezeit etwas anbietest, dann vergesse ich meine Höflichkeit und werde dir den Bart stutzen, dass du die nächsten zwei Monate nicht mehr unter die Augen der Frauen treten kannst!«

Der Mann zögerte, dann zuckte er die Achseln, bedeutete Randur, ihm zu folgen und ging voran.

»Mein Pony«, erinnerte Randur ihn. »Ich bin zwar sicher, dass es sehr gern neben mir auf dem Sofa Platz nehmen würde, denke aber, dass ihm ein wenig Heu und Wasser lieber ist als Bier und Braten, die ich bevorzuge.«

»Ja, schon gut«, brummte der Wachtposten, der einsah, dass seine Mittagspause unwiderruflich verdorben war und er sich genauso gut dreinfügen konnte. »Pickwick!«, rief er in den mit Fackeln mäßig beleuchteten Gang zu seiner Linken. »Schlaf nicht, Faulpelz, komm sofort her!«

Nach einigen Augenblicken näherte sich ein Zwerg aus der Dunkelheit, jung und mit kaum sprießendem Bart, der sich um den korrekten Sitz seiner Kleidung bemühte. Seiner leicht benebelt wirkenden Miene nach zu urteilen hatte er tatsächlich geschlafen. »Bin schon da, bin schon da«, murmelte er, nahm die Zügel des Ponys in Empfang und tätschelte dem Tier die Nüstern.

»Braves Mädchen.«

»Das Mädchen ist ein Er und heißt Jarpnasi. Er mag das Heu gern gut aufgeschüttelt, und gegen einen Apfel und eine Karotte oder gar ein Stück Brot hat er nichts einzuwenden.«

»Ich werde drauf achten. Die Stallungen …«

»Wenn sie in den vergangenen Jahrzehnten nicht umgebaut wurden, kenne ich die Stallungen und finde meinen Weg, danke.«

Der Stallknecht nickte und nahm Jarpnasi mit sich. Es würde ihm gut gehen. Am Ende des Gangs ging es hinaus in ein Seitental des Berges, das nur über diesen Weg zugänglich war. Dort waren eingezäunte Koppeln und Ställe angelegt worden, und die Ponys durften nach Herzenslust herumtoben. Obwohl Zwerge häufig in den Bergen lebten, wo es von Natur aus beengter war, ging ihnen Bewegungsfreiheit über alles, und die ließen sie genauso ihren Tieren angedeihen. Auch die Grubenponys bekamen ausreichend Freilauf, frische Luft und Ruhe nach der harten Arbeit in den Minen. Selbst die Schweine lebten ganzjährig draußen, und deshalb war ihr Fleisch bei den anderen Völkern besonders beliebt.

Fjalli war ein sehr großes, altbesiedeltes Gebiet, das älteste aller Zwergenreiche. Der Berg war mit den Jahrhunderten vollständig durchhöhlt worden, sodass mit der Zeit ein wahres Labyrinth entstanden war. Dabei waren Verbindungen zu vielen Seitentälern geschaffen worden und längst nicht alles lag in den Felsen verborgen. Hauptsächlich siedelten die Zwerge im Freien. Die meisten Häuser waren tatsächlich außerhalb des Berges erbaut worden, an geschützten Hängen, in der Nähe fließenden Wassers. Zahlreiche kleine Bergquellen entsprangen hier und sorgten für einigermaßen fruchtbares Land mit zähen Gräsern und Bäumen. In den Höhlen waren vor allem die Schmieden, Manufakturen, Minen und dergleichen untergebracht; eben alles, was zur Arbeit der Zwerge gehörte. Das galt auch für die gewaltige Königshalle, die nahezu im Zentrum des Berges und unerreichbar für Feinde in den Fels geschlagen worden war. Hier hielt der König Hof, hier wurde gehandelt und gefeiert.

Trotzdem war Randur dies alles eines Tages zu klein geworden und er hatte sich aufgemacht, Albalon zu erkunden. Er war ein sehr starker, stämmiger Zwerg mit einem ausgewiesenen kämpferischen Talent, das so anerkannt war, dass er inzwischen bereits vier Schulen im Südreich führte, in denen Zwerge, Menschen und Elben gleichermaßen in der Kriegskunst ausgebildet wurden, und zwar mit großem Erfolg. Es ging in seinen Ausbildungsstätten um Körperbeherrschung, um Ehre, und vor allem darum, wie man einen Kampf nicht führen musste, weil man gelernt hatte eine Auseinandersetzung im Vorfeld auf unblutige Weise zu beenden.

Randur war gekränkt, dass der Wachtposten seinen Namen nicht kannte. Aber er war aus wichtigem Grund hier und durfte sich nichts anmerken lassen.

Der Wächter ließ ihn zuerst durch die erste Tür rechts im Gang treten, wo er sich frisch machte und angemessen kleidete. Dann wurde er in eine rustikal ausgebaute Felsenkammer geführt, die von Öllämpchen ausgeleuchtet wurde, deren kunstfertig geschmiedete Fassungen verzaubernde Schattenspiele an die schroffen Wände warfen. Ein großer, offener Kamin sorgte für eine ebenso warme wie heimelige Atmosphäre, davor waren bequeme Sessel und zwei Sofas arrangiert. Auf dem Tisch stand ein Krug dampfenden Honigbiers bereit, sowie ein Teller mit aufgeschnittenem Braten, dazu getrocknete Kräuterpilze, knusprige Speckscheiben, geröstete Kartoffelspalten und warmes Ofenbrot.

Einigermaßen versöhnt ließ Randur sich auf dem Sofa nieder und griff herzhaft zu. Es war ein paar Tage her, dass er eine ordentliche Mahlzeit zu sich genommen hatte, und das war nur ein kleiner Imbiss zwischendurch gewesen. Ganz zu schweigen davon, wann er zum letzten Mal über eine so bequeme Sitzgelegenheit verfügt hatte.

Er säuberte gerade die Hände mit einem feuchten warmen Tuch, als die Tür voller Schwung aufging und ein schwarzhaariger Zwerg mittleren Alters hereintrat, der über einen wild wuchernden Bart verfügte.

»Ich wollte es zuerst nicht glauben, wen Rupold mir da beschrieb«, röhrte er stimmgewaltig. »Feuerrote Haare, gebändigt in aufwendigen Zöpfen, die vielen Silberringe in dem vielsträhnigen Bart und die mit schweren Silberringen behangenen Ohren. Diese Beschreibung passt nur auf Einen, deshalb machte ich mich sofort auf den Weg, um mich selbst zu überzeugen – und da stehst du. Kein Gespenst, sondern stattlich und lebendig. Du bist es wirklich, alter Freund, und um keinen Tag gealtert!«

»Djarfur!« Erfreut sprang Randur auf, und die beiden Zwerge umarmten einander herzlich. »Bist du immer noch Hauptmann der Wache?«

»Ich bin Chef aller Bewaffneten und darf mich jetzt General nennen«, gab der Schwarzhaarige Auskunft. »Was treibt dich hierher, Randur? Nach … na, mindestens zwanzig Jahren?«

»Eine wichtige Angelegenheit«, antwortete Randur. »Ich komme in offizieller Mission aus Sìthbaile und muss mit König Fjölnir sprechen.« Er stutzte kurz, als er etwas über Djarfurs Miene huschen sah, das ihn erstaunte. Hatte er sich getäuscht? Warum sollte sein langjähriger Freund missmutig sein, das zu hören?

»Ein anderer Zeitpunkt wäre besser gewesen«, murmelte der General.

»Ich kann gern einen oder zwei Tage warten, wenn es gerade ungelegen ist«, meinte Randur höflich. »Das gäbe mir Gelegenheit zu ein paar Besuchen.«

»Nicht später«, sagte Djarfur leise und sah sich - besorgt? - um. »Früher.«

Bevor Randur nachhaken konnte, klopfte Djarfur ihm kräftig auf die Schulter. »Der König ist viel beschäftigt dieser Tage«, erklärte er munter in merkwürdiger Lautstärke. »Mal sehen, was sich machen lässt.« Er wies einladend zur Tür und ließ Randur vortreten auf den Gang.

»Hätte ich mich vorher anmelden sollen?«, äußerte Randur sich unterwegs verwundert. »Bisher hat es kein besonderes Hofzeremoniell gegeben, deshalb dachte ich …«

»Nein, nein, es ist alles in Ordnung«, wiegelte der General ab. »Es hat sich nicht sonderlich viel verändert in den vergangenen Jahren; zumindest, was das Protokoll betrifft.«

»Und sonst?«

»Die Geschäfte gehen gut, wir werden reich und reicher, und alle sind wohlauf.«

Eine merkwürdige Dissonanz schwang in dieser scheinbar heiteren Antwort mit, und Randur konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Djarfur ihm etwas mitzuteilen versuchte.

Was auch immer es sein mochte, es musste auf später verschoben werden. Der Fiandur hatte einen Auftrag zu erfüllen, und zwar umgehend. Die abgeschieden lebenden Zwerge Du Bhinns hatten sicherlich keine Vorstellung davon, wie fragil das Gleichgewicht auf Albalon derzeit war. Und das betraf auch sie, unzugängliche Berge hin oder her.

»Wir hätten uns auch draußen treffen können, im Gasthaus …«

»Der trunkene Bär«, fiel Randur ihm ins Wort.

»Genau«, setzte Djarfur, in Erinnerungen schwingend, fort. »Ich war so lange nicht mehr im Land unterwegs, das wäre eine schöne Gelegenheit gewesen. Manchmal bereue ich es, den Posten angenommen zu haben, denn ich habe zu gar nichts mehr Zeit.«

»Ich habe damals ja gesagt, geh mit mir. Das Angebot steht heute noch: Ich möchte demnächst die fünfte Schule eröffnen und könnte jemanden brauchen, der sie leitet. Du wärst ausgezeichnet dafür geeignet.«

»Das wäre schön, ja.« Djarfur verschränkte die Arme auf dem Rücken und setzte den Weg schweigend fort.

Was wollte er mir damit sagen? Ich hätte nicht hierher kommen sollen? Will er mich warnen? Seit wann kann ein Zwerg nicht mehr offen sprechen?

Randurs Miene verdüsterte sich bei dem letzten Gedanken, doch er schwieg ebenfalls und folgte dem Freund angespannt zur Thronhalle.

Die Wachen vor der riesigen Portaltür öffneten die Flügel, sobald die beiden Zwerge sich näherten. Unter dem Bogen hätten zwei übereinander stehende Trolle hindurchgehen können. Er bestand aus fein geschnitztem Holz, mit funkelnden Kristallen darin; ebenso die Flügeltüren. Dahinter öffnete sich eine Halle, die der Bezeichnung würdig war, getragen von vielen stuckverzierten Steinsäulen, die zusätzlich mit leuchtenden Farben und Edelsteinen versehen waren. Auch der Boden, bestehend aus dem feinsten weißen Marmor, funkelte voller Diamanten, die wie Blüten an goldenen Stielen angeordnet in das Gestein eingelassen waren. Die Halle war so hoch, dass hoch oben Lücken im Gestein dem Tageslicht ermöglichten, in dünnen Strahlen hereinzufallen, die von zahlreichen herabhängenden, kopfgroßen und sich fortwährend langsam drehenden Bergkristallen facettenreich reflektiert wurden und somit die Halle bis in den letzten Winkel ausleuchteten, darin unterstützt von mächtigen Kronleuchtern an den Seiten, in denen hunderte dicke Kerzen brannten.

Am gegenüberliegenden Ende der Halle stand der Thron, erhöht auf vier Stufen. Eine hohe Rückenlehne, die das Motiv des Eingangsportals in gleicher Form wiedergab, und ausladende Armlehnen betonten die Bedeutung des Sitzes.

Randur erkannte König Fjölnir sofort; er hatte sich seit der letzten Begegnung kaum verändert. Ein ehrwürdiger, mächtiger Zwerg mit schmuckbehangenem grauem Bart, der bis zu den Oberschenkeln reichte, und ebenso lang herabwallendem Haupthaar, gehalten von einer schweren, mit Gold und Juwelen verzierten Krone. Er trug samtene Gewänder von dunkelblauer Farbe, mit verschlungen eingewirkten, silbernen und grauen Fäden, und an der linken Hand prangte der schwere goldene königliche Siegelring, der gleich nach der Gründung des Reiches vor tausenden von Jahren geschmiedet worden war.

Dem König zur Seite standen am Fuß der Stufen seine Berater. Auf dem kleineren Thron oben neben ihm saß Königin Garún, eine nicht weniger imposante Zwergin mit grau durchsetzten braunen Haaren, die vermutlich bis auf den Boden hinabreichten, jetzt aber kunstvoll zusammengefasst und teils hochgesteckt waren.

Randur freute sich aufrichtig, das Herrscherpaar so wohlauf zu sehen. Mit ausgebreiteten Armen schritt er auf die Throne zu und zeigte im angemessenen Abstand eine vollendete Verbeugung. »Königin Garún, König Fjölnir, mögen Eure Essen niemals erkalten und das Schwert stets heiß geschmiedet werden!«, rief er. »Ich bedanke mich für die umgehende Audienz und bin angetan von der entgegenkommenden Gastfreundschaft, die Fjalli in ganz Albalon berühmt gemacht hat.«

Er hatte eine herzliche Erwiderung erwartet, immerhin war er ein berühmter und äußerst angesehener Zwerg, der die Ehre seines Volkes außerhalb der Heimat stets hoch hielt und jedes Jahr eine stattliche Steuerschuld ins Reich schicken ließ, obwohl er gar nicht dazu verpflichtet gewesen wäre.

Doch nichts dergleichen! Das Herrscherpaar saß wie erstarrt, die Mienen zeigten eher Verdrossenheit als Willkommen, und von Lächeln zeigte sich keine Spur. Ebensowenig bei den übrigen anwesenden Zwergen.

Randur war verblüfft und um Haltung bemüht. Gewiss, er war lange fort gewesen, aber Zwerge maßen Freundschaft und Wertschätzung nicht in Anwesenheitstagen. Und sie waren vom Gemüt her von heiterer Art.

Hätte er etwa Geschenke bringen sollen? Selbstverständlich trug er ein Gastgeschenk von König Peredur an das Herrscherpaar im Wams, aber keine ganze Karawane für den gesamten Hofstaat. Wäre das von ihm erwartet worden? In solchen Dingen war Randur noch nie erfahren gewesen, er war kein Politiker oder gar Diplomat. Außerdem wäre er unterwegs ganz sicher mehrmals überfallen worden, hätte die dreifache Zeit benötigt und wäre letztendlich genauso mit leeren Händen erschienen, vielleicht sogar mit ein paar Fingern oder einem Auge weniger.

Um die Verlegenheit zu überwinden, griff er in sein Wams und zog ein kleines Samtsäckchen, das von einer goldenen Schnur verschlossen war, hervor, dazu einen Umschlag, der das Siegel des Hochkönigs trug. Er winkte einem Berater, um ihm das Geschenk zu übergeben, der wiederum dem König den Brief und der Königin das Säckchen überreichte.

»Ein freundschaftlicher Gruß des Hochkönigs Peredur Vidalin aus Sìthbaile«, erläuterte Randur lächelnd. »Mit der Bitte, das bescheidene Gastgeschenk anzunehmen und mit Wohlwollen die beigefügten Zeilen zu lesen.«

Auf einen Fingerzeig hin brachte jemand einen Audienzstuhl, stellte ihn unten vor dem Thron auf, und Randur nahm darauf Platz, während Geschenk und Brief geöffnet wurden.

Die Königin hielt ein kleines Kunstwerk, das wie ein Schmuckstück gearbeitet war, hoch, und ein kurzes Lächeln glitt über ihre ernsten Züge. »Eine Nachbildung der Ritteruhr, nicht wahr?«

Randur nickte. »Ja, o Königin, sie ist Ridirean nachgebildet. Wenn Ihr das kleine Gefäß innen mit Wasser füllt, funktioniert sie sogar.« Seit Jahrhunderten stand die als Wunder geltende große Ritteruhr im Zentrum von Sìthbaile und zeigte die verstreichenden Stunden durch Posaunentöne mit absoluter Zuverlässigkeit an. Dafür sorgte ein Uhrenwächter, ein Ehrenposten für einen dafür auserwählten Bogin, der ein Jahr und einen Tag ausgeübt wurde.

Garún bedachte ihn mit einem warmen Blick, hinter dem jedoch eine große, rätselhafte Traurigkeit lag. »Richtet König Peredur meinen herzlichsten Dank aus. Mit keinem anderen Geschenk hätte er mir eine größere Freude machen können. Ich werde es in Ehren halten und neben mein Bett stellen, damit ich stets die richtige Zeit vor Augen habe, wenn ich morgens erwache.«

Dann richtete sie den Blick auf den König. »Mein Gemahl, was schreibt der Hochkönig?«

Fjölnir ließ den Brief sinken. »Dass er der Hochkönig ist«, antwortete er mit düster zusammengezogenen buschigen Brauen. »Und wir ihn als solchen anerkennen sollen.«

»Nun, das ist nicht verkehrt, nicht wahr?«, äußerte die Königin. »Peredur Vidalin der Tausendjährige hat den Thron seinerzeit von seinem Vater geerbt und lebenslang Anspruch darauf, insofern er nicht selbst zurücktritt. Durch seine Rückkehr macht er diesen Anspruch geltend.«

»Randur Felsdonner«, sagte der König, ohne darauf einzugehen. »Ihr seid ein Sohn Fjallis, habt unser Reich jedoch vor Jahrzehnten verlassen.«

»Das ist korrekt, o König. Ich habe Schulen in der Fremde errichtet, welche die Kampfeskunst der Zwerge verbreiten. Ebenso unseren Sinn für Tradition und Ehre. Dadurch kennt jeder uns Zwerge und achtet uns.«

»Das sei dahingestellt. Aber was mir eher Sorgen bereitet, Ihr seid auch ein Angehöriger dieser … Fiandur, die einst von dem Elb Alskár gegründet wurde?«

»Dem Hochkönig der Elben«, entfuhr es Randur spontan, auch wenn er wusste, dass es ihm nicht zustand, den obersten Herrscher der Zwerge zu korrigieren. Fjölnir saß seit annähernd hundert Jahren unangefochten auf dem Thron. Er hatte ein Anrecht auf höchsten Respekt.

Aber Randur war eben kein Diplomat und trug das Herz auf der Zunge. Vor allem, wenn etwas ganz und gar schiefzulaufen schien, das er sich als heiteren Besuch voller Feiern und Anekdoten vorgestellt hatte. Da gab es ja in einer Ghulengruft noch mehr Spaß.