HARRIS MOORE

 

 

Die Wasserwelt

 

 

 

Roman

 

Apex Science-Fiction-Klassiker, Band 57

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

DIE WASSERWELT 

Prolog 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

Einundzwanzigstes Kapitel 

Zweiundzwanzigstes Kapitel 

Dreiundzwanzigstes Kapitel 

Vierundzwanzigstes Kapitel 

Fünfundzwanzigstes Kapitel 

 

Das Buch

 

Seit beinahe fünf Jahren treibt das Raumschiff Arcturus durch die Galaxis. Es ist auf der Suche nach bewohnbaren Planeten.

Lieutenant Gary Slater, ein junger Offizier, verspricht sich von dieser Forschungsreise den Beginn einer steilen Karriere. Als er auf dem Beobachtungsschirm den Lichtpunkt sieht, glaubt er sich kurz vor dem Ziel seiner ehrgeizigen Träume, denn ohne Zweifel handelt es sich um einen Planeten. Und er hat diesen Planeten als erster entdeckt! Vielleicht ist er sogar bewohnbar. Die Computer-Berechnungen lassen das erwarten.

Als sich die Arcturus dem unbekannten dem unbekannten Planeten auf Sichtweite nähert, stellt man jedoch fest, dass auf dieser Welt keine festen Landmassen existieren. Die Oberfläche... ist ein einziger riesiger Ozean. Nur eine winzige Insel ragt heraus – die mit Sicherheit künstlichen Ursprungs ist.

Also muss der Planet bewohnt sein. Doch wo befinden sich die Bewohner dieser Wasserwelt?

 

Die Wasserwelt von Harris Moore (ein Gemeinschafts-Pseudonym von Alfred Harris und Arthur Moore) ist ein klassischer und spannender Science-Fiction-Abenteuer-Roman, der erstmals im Jahr 1971 veröffentlicht wurde. 

Der Roman erscheint als durchgesehene Neuausgabe in der Reihe APEX SCIENCE-FICTION-KLASSIKER. 

DIE WASSERWELT

 

 

 

  Prolog

 

 

Beta durchlief eine neuartige Erregung, als die Strahlungen, die von dem in weiter Entfernung schwebenden Staubkorn ausgingen, die Existenz eines durch Kräfte und Intelligenz gesteuerten Objekts anzeigten. Etwas Neues war in die Galaxis eingedrungen.

Lichtjahre entfernt kreiste das seltsame Objekt in den Außenbezirken von Betas Erkennungsbereich. Betas Sensoren konnten nur feststellen, dass es einen etwa parallelen Kurs steuerte und nicht tiefer vorstieß.

Alpha gab das Kommando: Das Objekt muss näher herangeführt, es muss unter Kontrolle gebracht werden. Beta war nicht dazu imstande: Über solch riesige Entfernungen blieben selbst immense Kräfte unwirksam. Das seltsame Objekt steuerte unbeirrt seinen Raumkurs. Es könnte die Lösung in sich tragen, die Alpha so verzweifelt suchte. Seine verschiedenartigen Ausstrahlungen wurden empfangen und entziffert, und manche davon schienen den Charakter einer Art Kommunikation zu haben. Sein Kurs wurde berechnet; er führte das Objekt aber nicht näher heran, sondern lenkte es in die Dunkelheit des Weltraums. Die Chance war da - aber wie ließ sie sich ausnutzen und realisieren?

Die von dem Objekt ausgehenden Kommunikationen wurden geprüft, verglichen und definiert, und die Sprache wurde erforscht und begriffen. Es blieb keine Zeit, um die eigentliche Kultur des Objekts einer Prüfung zu unterziehen; es reichte aus, den Kommunikationsfluss nachzuahmen.

So lautete der Befehl.

  Erstes Kapitel

 

 

»Koordinaten vier eins fünf zu dreiunddreißig, siebenunddreißig«, las der Navigator vom Kursanzeiger ab.

Captain George Banyon beobachtete den Bildschirm, der sich bogenförmig über den vorderen Teil des Kontrollraums erstredete. Er war hochgewachsen, hatte ein kantiges Gesicht und klare braune Augen. Die Art, sich zu geben, war unbefangen, fast lässig. Er war gewohnt zu kommandieren. Schon seit mehr als fünf Jahren waren sie unterwegs. Seit fünf Jahren waren sie weit weg von der Erde, in der Dunkelheit des Weltraums, auf der Suche nach planetarischem Leben auf einem Gestirn, das der Erde ähneln könnte.

Die tägliche Routinearbeit lastete auf der Mannschaft. Aber sie musste getan werden, denn die Mission war noch nicht erfüllt. Das Raumschiff USS Arcturus steuerte noch keinen Erdkurs.

»Mr. Lawson, übernehmen Sie bitte.« Banyon sprach leise und hörte Lawsons Stimme. Der Erste Offizier reagierte sofort. Ein tüchtiger Mann, der immer zur Stelle war, wenn er gebraucht wurde, schon ergraut und vielleicht etwas feingliedriger als Banyon, ein nüchterner Karriereoffizier. »Zuverlässig, wenn auch nicht überragend begabt«, stand in Lawsons Personalakte.

Captain Banyon schlenderte langsam am Bildschirm vorüber und betrachtete ihn nachdenklich. Die weit entfernten Punkte, die das Licht der Sterne signalisierten, drückten auf seine Stimmung, und er wusste, dass auch die Mannschaft deprimiert war. Fünf Jahre waren eine zu lange Zeit. Die Leute wollten zur Erde zurück. Auch er, Captain Banyon, wollte endlich seine Mission zum Abschluss bringen. Aber die Befehle standen dem entgegen.

Lawson hielt sich auf seinem Kommandoposten auf, von dem aus er die Navigationsschirme im Auge behalten konnte. Vor jedem Schirm tat ein Navigator Dienst, um fortlaufend die Radar-Beobachtungen des Raumschiffes im Weltraum kontrollieren zu können.

Alles war in bester Ordnung. Captain Banyon wandte sich um und verließ schnell den Raum. Viele Augenpaare blickten ihm gespannt nach, selbst Lawson wandte seinen Kopf zur Lukentür. Banyon wusste, dass alle sehnlichst auf den Befehl zur Umkehr warteten.

Auf dem Weg zu seiner Kabine nickte er den Mannschaften und Offizieren, die ihm begegneten, freundlich zu. Wie hätte er die Männer auch seine deprimierte Stimmung fühlen lassen dürfen! Die Mission der Arcturus war fehlgeschlagen. In fünf Jahren hatten sie zwar Planeten entdeckt, aber keiner von ihnen trug Leben. Manche waren für Lebensbedingungen geeignet; nirgends war jedoch eine Spur tierischen oder selbst pflanzlichen Lebens gefunden worden.

Banyon war sich bewusst, dass seine täglichen Meldungen an die Erde diese Hoffnungslosigkeit widerspiegelten. Aber auch Dr. Samuel Hadley gab Meldungen heraus, und Banyon wurde von dem Inhalt dieser Berichte nicht informiert. Dr. Hadley war der Expeditionsleiter.

Banyon seufzte. Er goss sich einen Drink ein und nippte daran, bequem in seinen Sessel zurückgelehnt. An der Kabinenwand hingen Fotos der Expeditionsergebnisse; leblose, dürre und unwirtschaftliche Mondlandschaften.

Links von ihm stand der in die Wand eingebaute Schreibtisch, auf dem sich weitere Fotos befanden: Eine lächelnde junge Frau, Helen, seine Ehepartnerin, die ein Kleid trug, wie es vor einem Jahrzehnt in Mode war; sein Sohn Charles als kleiner Junge; ein Haus aus Klinkersteinen - wie fern das jetzt alles lag! Aber Banyon war an den Anblick dieser Bilder gewöhnt und schenkte ihnen keine Beachtung. Seine Gedanken kreisten um die Mannschaft. Er wusste, dass die Leute immer unwilliger wurden, dass sie den Fehlschlag der Mission des Raumschiffes ahnten. Wie konnte er den Leuten diese Einstellung verdenken?

Bahnte sich eine Meuterei an? Schon seit ewigen Zeiten hatte es auf einem Raumschiff keine Meuterei mehr gegeben. Eine solche Möglichkeit war auch nahezu ausgeschlossen, da man bei Raumfahrten von langer Dauer besonderen Wert auf sorgfältigste Auswahl der Offiziere und Mannschaften legte. Und doch - Banyon spürte, dass etwas im Gange war. Menschliche Charaktere können sich ändern, wenn viele Jahre eines Aufenthaltes im All ihre Auswirkungen zeigen.

Die Entwicklung bereitete ihm Sorgen; er nahm sich vor, bei der nächsten Zusammenkunft mit Lawson und den Offizieren diese Angelegenheit zur Sprache zu bringen. Man musste auf alles vorbereitet sein.

Er stellte das Glas auf den Tisch und lockerte seine Krawatte. Jetzt war Gelegenheit, sich ein Weilchen auszuruhen. Lawson hatte noch zwei Stunden das Kommando...

Erschrocken fuhr er hoch.

Die Alarmsirene schrillte. Auf allen Stationen des Raumschiffes tönte das durchdringende Signal.

Banyon griff im Laufen nach seinem Rock und stürzte auf den Kommandostand.

Auf der Brücke standen ihm Lawson, der ein finsteres Gesicht machte, und ein schlanker, dunkelhaariger junger Mann, Lieutenant Slater, gegenüber.

»Was ist?«, fuhr er die beiden an.

Lawson deutete auf Slater. »Lieutenant Slater hat den Alarmknopf gedrückt, Sir.«

Banyon unterdrückte einen Zornesausbruch. Wenn dies wieder, wie schon so oft, ein falscher Alarm war, dann kam er zu einem unglücklichen Zeitpunkt.

»Also los, was ist?«, sagte er eisig.

Der junge Slater durchschaute die Stimmung seines Chefs, aber auch Banyon wusste, dass der Mann keine Scheu vor ihm hatte. Slater war ganz bei der Sache; mit verbissenem Gesicht deutete er auf den Radarschirm, auf dessen Mittelpunkt ein winziger Lichtpunkt zu erkennen war. Ein Stern, aber sehr weit entfernt!

»Ist das alles?«

Slater blickte seinem Chief gerade in die Augen. »Ja, Sir.« Ein gutaussehender, intelligenter junger Mann, fuhr es Banyon durch den Kopf. Wie konnte es auch anders sein; die Berufung als Offizier auf die Arcturus setzte eine hohe Intelligenz voraus.

Banyon blieb kühl und sachlich. »Wir haben schon früher Sterne entdeckt, Mr. Slater. Also weiter.«

»Ich glaube, dies ist ein Planet, Sir. Sehen Sie sich den Glanz an.«

Banyon wandte sich dem Schirm zu und sah, dass die Helligkeitsbestimmung niedrig eingestellt war. Sie stand praktisch auf Null, und dennoch leuchtete der Planet - falls es überhaupt einer war - mit der Helligkeit einer Sonne. Aufmerksam betrachtete er die Erscheinung. Auch dieser kleine Beobachtungsschirm war auf den Weltraum gerichtet, so wie der Hauptschirm, der die ganze Vorderwand des Kontrollraums einnahm.

»Jaja«, sagte Banyon gedehnt. »Was ist die Massendichte?«

»Bisher nur vorläufige Messungen«, meldete Slater. »Sie deuten aber darauf hin, dass es kein Stern ist, Sir.«

»Hmm - ja«, Banyon warf Lawson, der immer noch ein unbeteiligtes Gesicht machte, einen vielsagenden Blick zu.

Lawson begriff. »Unwahrscheinlich, dass es ein Planet ist, Sir.«

»Warum?«

»Sir...«, unterbrach Slater. Er sprach mit ruhiger, selbstsicherer Stimme. »Wir haben noch nie einen Planeten mit einer so hohen Albedo beobachtet. Um so viel Licht zu reflektieren, müsste ein Spiegel dort draußen sein.«

»Sie widersprechen sich«, sagte Lawson.

Slater schüttelte den Kopf. Er hantierte an einem Bedienungsknopf herum, um die Schärfe einzustellen. Banyon wandte sich ab und horchte auf die Stimmen der Männer im Kontrollraum. Kein Laut war zu hören. Die in der Nähe sitzenden Navigatoren beobachteten gespannt die Szene. Banyon deutete mit einer fast unmerklichen Kopfbewegung an, dass er eine ungestörte Unterredung mit den beiden Offizieren wünschte und ging voraus zum anderen Ende des Raumes. »Sagen Sie mir, was Sie dazu meinen.«

Slater blickte ihn ernst an. »Ein künstliches Gebilde, Sir.«

»Künstlich!«, brummte Lawson verächtlich.

»Wir müssen die Beobachtungen fortsetzen, Sir!«

Banyon zuckte die Schultern. Die Untersuchungen hatten bereits begonnen. Die Wissenschaftler an Bord waren dabei, ihre Instrumente auf das seltsame Objekt einzustellen. Die Ergebnisse wurden in den Hauptcomputer eingespeist. Schon bald war mit einem Bericht zu rechnen.

»Eine hohe Albedo«, murmelte Banyon vor sich hin. Er blickte Slater an. »Machen Sie weiter«. Der junge Mann entfernte sich.

»Ein Hoffnungsschimmer«, sagte Lawson leise.

»Hoffnung gibt es immer, wenn sie auch unsinnig ist. Was sollen wir machen? Sicher ist es ein Stern.«

»Sie glauben nicht, dass es künstlich ist?«

Banyon lächelte müde und warf einen Blick auf den jungen Slater, der sich über ein Lesegerät gebeugt hatte. »Glauben Sie etwa daran?«

»Natürlich nicht«, sagte Lawson. »Aber diese verdammte Albedo ist doch eigenartig...« Seine Stirn umwölkte sich, als er auf den kleinen Radarschirm wies. »Ich habe das Gerät auf Fehler überprüfen lassen. Bisher keine Fehlerquelle festzustellen.«

Banyon nickte abwesend. Er starrte versonnen auf den Lichtimpuls. Diese Albedo war wirklich ein verheißungsvolles Phänomen.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Lieutenant Slater hatte seinen Wachdienst beendet und ging nach unten zum Aufenthaltsraum. Alle hatten von seiner Entdeckung Wind bekommen und machten ihre Späße über«Slaters Planeten«.

»Gibt es auf dem Planeten auch Mädchen, Slater?«

»Warum hast du uns nicht schon früher darauf gebracht?«

Das Radargerät war inzwischen einer gründlichen Prüfung unterzogen worden; eine Fehlerquelle war ausgeschlossen. Was es auch immer sein mochte - das Objekt war klar und hell wie ein Vollmond zu erkennen, nur war das Licht mehr ein Silberschein, weitaus eindrucksvoller als das klarste Mondlicht, das man sich denken konnte.

Banyon konnte mit der Stimmung seiner Leute zufrieden sein. Slater hatte den Eindruck, dass sie seit Monaten nicht mehr so guten Mutes gewesen waren. Allerdings würde die Stimmung sofort wieder auf den Nullpunkt sinken, wenn es sich herausstellte, dass wieder einmal nur ein totes Gestirn gesichtet worden war. Jetzt hieß es abwarten. Schließlich war es auch Banyons Problem, damit fertigzuwerden.

Gary Slater war ein Produkt seiner Zeit, vielleicht war er noch etwas gelassener als die meisten anderen; er blieb immer sachlich und gründete seine Meinung auf technische Tatsachen. Auf Menschen war nicht immer Verlass, aber auf richtig funktionierende Geräte und Maschinen - das war seine Überzeugung. Eine schlecht arbeitende Maschine ließ sich überprüfen und korrigieren; das ließ sich aber bei Menschen nicht machen. Menschen sind undurchsichtig und heuchlerisch; Maschinen nicht. So sah er die Welt an.

Slater betrachtete sich selbst wie eine mechanische Funktion. Er war stolz darauf, selbstsicher, nüchtern und ohne unkontrollierbare Gefühlsregungen zu sein. Schon seit langem war er darauf gefasst, eines Tages mit dem Raumschiff Arcturus bei der Landung auf einem unbekannten Planeten auf maschinenähnliche Wesen zu stoßen. Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass sein neuentdeckter Planet so beschaffen sein müsste. Dann würde er ein berühmter Mann sein, denn er hätte als erster diesen Planeten, Slaters Planeten, entdeckt.

Er war in aufgeräumter Stimmung, als er den Aufenthaltsraum betrat. Im Allgemeinen war es hier ruhig, denn das wachfreie Personal machte es sich nach dem Dienst bequem. Jetzt aber drängten sich die Leute in lebhafter Unterhaltung um die Bildschirme. Slaters Planet leuchtete wie ein Diamant in der Dunkelheit des Weltraums, unverkennbar inmitten der Schirmbilder. Das Bild wurde von dem kleinen Beobachtungsschirm im Kontrollraum nach hier übertragen, damit alle an Bord die rätselhafte Erscheinung sehen konnten.

Slater stellte sich unbeobachtet hinter die Schaulustigen, die aufgeregt durcheinander redeten. Das Raumschiff würde landen und dort das langgesuchte fremde Menschengeschlecht entdecken, und dann ging es endlich wieder zurück zur Erde, zur Heimat.

Er sehnte sich danach. Als Held wollte er heimkehren. Niemand würde je erfahren, dass er den Alarmknopf schon gedrückt hatte, bevor er seiner Sache sicher war, bevor er die Lichterscheinung als Planet erkannt hatte.

Slater schlenderte zur Kaffeetheke, nahm sich einen Becher und ließ ihn mit der dampfenden Flüssigkeit volllaufen. Peggy Hanson kam auf ihn zu, ein unwiderstehliches Lächeln um die Lippen.

»Ich habe gehört, du hättest den neuen Planeten entdeckt!«

Ihr Optimismus war ansteckend. Er strahlte sie an. Sie war die hübscheste von allen, diese langbeinige blonde Küchenhelferin. Ein netter Zeitvertreib für einen Mann, der bald berühmt sein würde.

»Das ist ein gutes Omen«, sagte sie schmeichelnd und berührte seine Hand. Die Worte amüsierten ihn: Wie konnte man heutzutage noch abergläubisch sein! »Ein gutes Omen, weil du ihn entdeckt hast.«

Er presste ihre Hand. »Lass das Gerede.«

»Oh, ich rede keinen Unsinn. Aber es stimmt doch... es muss einfach so sein.«

»Du weißt doch, das kann auch ein falscher Alarm sein.«

Sie seufzte und schüttelte ihren hübschen Blondkopf. »Ich weiß, aber es wird nicht so sein. Ich habe ein Gefühl dafür.«

Slater sah sie freudestrahlend an. Hatte er nicht auch selbst dieses Gefühl? War trotz seines Glaubens an die Technik noch immer Aberglaube und Sentimentalität in ihm verschlossen?

»Alle sagen, dass es so ist«, sagte sie. »Wir werden finden, was wir gesucht haben, und dann geht es nach Hause. Glaubst du das nicht auch?«

»Natürlich.« Er warf einen Blick auf die anderen. Keiner achtete auf sie. Er trat näher an sie heran und legte den Arm um ihre schlanke Taille. Verstohlen küsste er sie auf die Wange. »Wann hast du frei?«

»Bald, in fünfzehn Minuten.«

»Komm dann in meine Kabine.«

»Aber dann werden wir doch nichts beobachten können...« Ihre Augen wanderten zum Bildschirm.

»Ich habe einen Apparat in meiner Kabine.«

»Aber wirst du nicht auf der Brücke gebraucht?«

»Warum? Banyon kann schon eine Stunde lang das Schiff übernehmen.«

Sie kicherte und ließ es zu, dass er sie noch fester in die Arme schloss. Er fühlte die Rundungen ihres Körpers durch den leichten Uniformstoff.

»Also bis nachher...«

Er ließ sie los und nahm seinen Becher in die Hand, um den Kaffee auszutrinken. Dann schlenderte er zu seiner Kabine.

Unterwegs begegnete er Joe Stillman, dem Obermaat der Raumschiffsbesatzung. Stillman, ein untersetzter, stämmiger Mann, blieb einen Augenblick stehen, um zu salutieren.

»Wie ich gehört habe, haben Sie das Ding da draußen gesichtet, Sir.«

Slater nickte. Er und Stillman hatten sich in gewisser Weise angefreundet. Von enger Freundschaft konnte allerdings nicht die Rede sein, denn Slater verstand es, sich die Leute vom Leibe zu halten. Während der langen Stunden des routinemäßigen Wachdienstes hatten sie sich aber oft miteinander unterhalten.

»Suchen wir eigentlich nach diesem Ding?«

»Möglich«, sagte Slater. Er lächelte etwas säuerlich. »Ein seltsames Gebilde.«

»Da wird ziemlich viel gemunkelt«, brummte Stillman. »Wenn Sie mich fragen, viel Wunschdenken ist auch dabei.«

»Bleiben Sie nur sachlich, Stillman.«

»Das bleibe ich auch, Sir. Bestimmt.«

»Werden immer noch im Dunkeln die Wände beschmiert?«

Die Offiziere hatten gemeldet, dass im Maschinenraum mysteriöse Wandbeschriftungen entdeckt wurden wie »Wir wollen nach Hause« oder »Zurück zur Erde«.

»Ja, Sir. Ein paar sind da, aber das hat nichts zu bedeuten.«

»Ist das nicht ein Symptom?«

»Ja, das stimmt. Alle wünschen sich so etwas.«

Obermaat Stillman legte die Finger an die Mütze und ging weiter. Seufzend blickte Slater ihm nach, öffnete seine Kabinentür und trat ins Zimmer. Im Lautsprecher wurde gesagt, dass Captain Banyon eine Kursänderung befohlen hatte, in Richtung zu dem mysteriösen Objekt hin. Der neue Kurs war aber nicht direkt auf das Ziel gerichtet, sondern sollte dazu dienen, das Objekt besser beobachten zu können, um dann zu entscheiden, ob man es ansteuern oder weiterfliegen sollte.

Der Planet schwebte im Weltraum wie seit undenklichen Zeiten und seit den Uranfängen. Und seitdem arbeitete auch Beta an der Lösung des Rätsels seiner Existenz.

Jetzt war ein neuer Faktor hinzugekommen. Ein intelligentes Objekt, vielleicht auch ein Objekt, das mit Intelligenz erfüllte Einzelteile trug, war aus dem Nichts erschienen und konnte in weiter Entfernung geortet werden. Betas Fernpeilungen ergaben, dass das fliegende Objekt elektromagnetische Strahlungen übertrug. Beta spürte das und analysierte und entschlüsselte diese Sprache, diese endlosen Zahlenreihen, die zu einem noch weiter entfernt liegenden Objekt übertragen wurden, das »Erde« hieß. Das Schiff meldete in regelmäßigen Abständen seine Position und hielt genaue Übertragungszeiten ein.

Beta war gesichtet worden, aber das fremde Objekt kam nicht näher. Unendlich viele Berichte wurden zur »Erde« übertragen.

Alphas Druck auf Beta verstärkte sich. Beta sollte die Raumflieger veranlassen, näher heranzukommen. Es war lebenswichtig und unausweichlich, das Schiff unter Kontrolle zu bringen. Auf keinen Fall durfte es entweichen.

 

Captain George Banyon betrat das Zentrallabor des Raumschiffes. Er blickte sich um; in diesem Teil des Schiffes fühlte er sich nicht zu Hause. Mit Dr. Hadley stand er nicht auf vertrautem Fuß. An der Stelle, wo der Computer seine Berechnungen ausspuckte, standen ein paar Männer herum. Andere Assistenten saßen über Konsolen gebeugt oder machten sich Notizen.

Neben einem der Männer in Arbeitskitteln blieb er stehen. »Bitte sagen Sie Dr. Hadley, dass ich hier bin.« Der Mann merkte erst jetzt etwas von der Anwesenheit des Captains und machte sich auf die Suche nach dem Chief.

Banyon schlenderte durch das Labor und achtete nicht auf die neugierigen Blicke der Männer. Die Laborräume umfassten den größten Teil der Arcturus und waren so eingerichtet, dass die Wissenschaftler in der Lage waren, alle erdenklichen Lebenserscheinungen zu untersuchen, wie Stoffwechsel und Nervenreaktionen, Umweltbedingungen und Verhaltensformen. Sie sollten die Sprachen entziffern und die Kommunikation ermöglichen. In Wirklichkeit waren die Labors aber nie in ihren Untersuchungsmöglichkeiten ausgenutzt worden. Doch jetzt war die erste Phase der Untersuchung im Gange, nämlich eine Computeranalyse der Situation und eine Vorausberechnung mit Hilfe der Computer.

Dr. Samuel Hadley war ein hochgewachsener Mann, der mit gesenktem Kopf und etwas linkisch umherlief. Seine rötlichen, strähnigen Haare trug er gescheitelt über seiner Stirnglatze. Auf seinem versonnenen Gesicht war fast immer ein nachsichtiges Lächeln zu erkennen, doch seine Augen hatten einen wachen, durchdringenden Blick. Auf Banyon machte er immer den Eindruck eines ländlichen Schullehrers. Er wusste auch aus Erfahrung, dass Hadley seine freundliche Miene nur als Tarnung zur Schau trug. In Wirklichkeit war er ein trockener, humorloser Gelehrter.

Er kam auf Banyon zu. »Ja, Captain?«

Banyon nickte ihm betont freundlich, aber innerlich reserviert zu. Die beiden Männer hielten Abstand voneinander. Es hatte auch keinen Sinn, Hadley in die Probleme der Lenkung eines Raumschiffes einzuweihen, denn er wollte oder konnte sich nicht damit befassen.

»Wie lange wird es noch dauern?«

»Keine Ahnung.« Hadley verzog sein Gesicht wie in kindlicher Unschuld bei der Lösung einer schwierigen Schulaufgabe. »Der Computer hat gerade seine Kanäle für die Verarbeitung der Daten der vierten Stufe geöffnet. Wenn die Daten verarbeitet werden bis hin zur fünfhundertsten Stufe...« Er zuckte die Schultern.

»Hmm. Es kann also die ganze Nacht dauern.«

»Ja, möglicherweise.«

»Meinen Sie, es handelt sich wieder um einen falschen Alarm?«

»Schon möglich. Daran habe ich auch schon gedacht. Sie wissen ja, die Wahrscheinlichkeit ist gering. Sie wollen doch nicht etwa mit mir wetten, Captain?«

Banyon schüttelte den Kopf. »So etwas kann ich mir nicht erlauben. Besonders jetzt nicht. Im Schiff bahnt sich etwas an, Doktor. Allzu oft können wir es uns nicht mehr leisten, die Leute zu enttäuschen.«

Hadley verzog sein faltiges Gesicht zu einem Grinsen, aber seine Augen blickten lauernd. »Sie denken wohl an Meuterei.

Den ganzen Morgen wird schon darüber geredet. Das ist natürlich alles Unsinn. Es gibt keine Meutereien auf Raumschiffen.«

»Sie sind ein Romantiker, Doktor«, Banyon hatte einen etwas verächtlichen Zug um den Mund. »Sie müssten eigentlich besser Bescheid wissen. Vielleicht stimmt es, dass es noch nie eine Meuterei gegeben hat; aber noch nie ist ein Schiff so lange im Raum gewesen. Eine Meuterei liegt im Bereich der Möglichkeiten.«

Hadley grinste hinterhältig. »Das ist Ihre Angelegenheit, Captain. Ich verlasse mich da ganz auf Sie. Sie haben dafür zu sorgen, dass nichts passiert.«

»Aber wenn es doch passiert?«

Hadley seufzte. »Sie haben uns zu schützen, Captain. Sie haben für die Sicherheit zu sorgen. Wir hier sind keine Kampftruppe, klar?«

Der Computer verarbeitete seine Daten ununterbrochen. Von der fünften Stufe zur sechsten, bis hin zur zweihundertsten, dreihundertsten, vierhundertsten - bis schließlich bei der Öffnung der Kanäle zur vierhundertfünfundvierzigsten Stufe genügend Daten für die Endberechnung zur Verfügung standen.

Mehr als acht Stunden waren vergangen, bis das Endergebnis vorlag. Das gesichtete Objekt war auf natürliche Weise entstanden. Es lag kein Grund zur Annahme vor, dass es dort Leben irgendwelcher Art gab.

Im Aufenthaltssaal, in den Maschinenräumen, in den Kabinen und Labors herrschte ein betretenes Schweigen. Die Leute sahen sich verstört an. Wieder einmal ein falscher Alarm!

Von irgendwoher ertönte der Ruf: »Wir wollen nach Hause!«

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich das Heimweh der gequälten Herzen. Durch alle Gänge hallte der Ruf: »Nach Hause!«

 

 

 

 

  Drittes Kapitel

 

 

Aus den Lautsprechern ertönte die ruhige, gelassene Stimme des diensthabenden Offiziers: »Alle Offiziere auf die Brücke. Alle Offiziere auf die Brücke...«

Lieutenant Gary Slater blickte noch immer auf den Bildanzeiger, auf dem noch wenige Augenblicke zuvor das Endergebnis der Computerberechnung erschienen war. Ernüchtert richtete er sich auf.

»Was ist los?«, fragte Doria Raymond. Sie drehte sich im Bett um und blickte ihn an. »Was wollen die nun schon wieder?«

»Vermutlich sollen wir Partei ergreifen«, sagte Slater. Er drehte sich zu ihr und gab ihr einen Klaps. Sie kicherte.

»Was soll das heißen - Partei ergreifen?«

»Banyon rechnet mit Schwierigkeiten, das ist klar. Der Planet kann erkaltet sein wie die anderen. Du hast doch gehört, was der Computer ausgespuckt hat.« Er stand auf und begann, sich seine Uniform anzuziehen.

Doria setzte sich auf. »Meinst du das Gerede? Die Meuterei, die ausbrechen soll...?« Sie war brünett, schlank und mandeläugig, eine von Dr. Hadleys Assistentinnen. Slater hatte einen Hintergedanken, als er das Verhältnis mit ihr anfing: Sie hatte Zugang zu den Untersuchungen, da sie das Berichtsbuch des Labors führte. Er war sicher, dass sein Name mehr als nur einmal in diesen Berichten aufgetaucht war, seitdem er mit ihr ein Verhältnis hatte.

»Ja, ich meine...« Slater starrte auf den Lautsprecher. Eine eigenartige Stimme tönte heiser und atemlos: »Wir wollen nach Hause - zurück zur Erde!«

Ein schriller Ausruf, der von anderen Stimmen überlagert wurde. »Zurück zur Erde!« Ein aufgeregtes Stimmengewirr, das sich wie ein Echo in der kleinen Kabine verstärkte.

Er blickte Doria an. Sie war dabei, sich anzukleiden, und saß auf der Kante der Koje. Ihre Uniformbluse stand noch offen, und sie sah ihn mit angsterfüllten Augen an.

Slater zögerte. Die Stimmen kamen aus der Sendezentrale; aber wer eigentlich sprach, war nicht klar. Doch alle mussten inzwischen die Rufe aus dem Lautsprecher gehört haben. Er drehte am Lautstärkeregler, bis nur noch ein Geflüster zu hören war. War es ratsam, jetzt befehlsgemäß zur Brücke zu gehen?

»Jetzt ist es soweit«, sagte Doria mit belegter Stimme.

Er nickte abwesend und überlegte, was er tun sollte. Vielleicht war es gar nicht möglich, jetzt zur Brücke zu gelangen. Stand hinter diesen Rufern eine Organisation? War es ein spontaner Ausbruch, oder steckte ein Plan dahinter? Hatte das zu bedeuten, dass Slaters Planet wirklich tot war? Wer konnte jetzt darauf eine Antwort geben - und doch war es für ihn lebenswichtig, welche Lösung seiner harrte. Jetzt hieß es, wie eine Katze auf die Füße zu fallen.

Von draußen wurde an die Tür gehämmert. Aber nur schwingende Laute, kein eigentliches Hämmern war zu hören, denn die Kabinen waren schalldicht. Draußen musste etwas im Gange sein. Er gab Doria ein Zeichen, im Badezimmer zu verschwinden und die Tür zu verriegeln.

Er nahm all seinen Mut zusammen, um die Kabinentür zu öffnen, denn es bestand immerhin die Möglichkeit, dass er ohne Vorwarnung über den Haufen geschossen werden könnte. »Ja?« Er versuchte, unbefangen zu erscheinen. Die Tür wurde von außen aufgerissen. Obermaat Joe Stillman und mehrere andere blickten ihn drohend an. Stillman hatte eine Pistole in der Hand. Sie war nicht direkt auf ihn gerichtet, aber schussbereit.

»Sie wissen, was los ist, Mr. Slater?« Stillman war offenbar der Anführer, und die anderen hinter ihm versuchten, sich nach vorn zu drängen. Stillman blieb wie ein Fels vor der Kabinentür stehen.

Slater nickte. »Was ist geschehen?«

»Wir übernehmen das Raumschiff. Sind Sie für uns oder gegen uns, Mr. Slater?«

»Habe ich eine Wahl?«

»Natürlich steht Ihnen das frei.« Stillman grinste. »Wir sind keine Piraten. Früher ist das vielleicht anders gewesen, Mr. Slater. Wir brauchen Männer, die das Schiff nach Hause steuern.«

Slater seufzte. »Also gut.«

Stillman drehte sich sofort um und gab seinen Leuten ein Zeichen. Die Männer drängten sich auf dem Gang weiter. Slater zog die Tür zu. »Was ist mit dem Captain?«

»Festgenommen, weiter nichts. Von uns wird niemand umgebracht, Mr. Slater. Der Captain könnte sich auch auf unsere Seite schlagen.«

Slater unterdrückte ein Lachen. »Also reine Formalität? Haben

Sie auch bedacht, wie es weitergehen soll? Wohin wollen Sie das Schiff steuern? Sie haben doch bekanntgegeben, dass Sie nach Hause wollen...«

»Ich weiß das alles, Mr. Slater«, unterbrach ihn Stillman. »Dahinter steckte kein Plan. Es ist nun einmal so gekommen. Jemand muss die Führung übernehmen und sicherstellen, dass das Schiff nicht beschädigt wird...« Er entfernte sich und ging hinter den anderen her. »Ich bin dafür, dass Captain Banyon wieder das Kommando übernimmt, wenn das möglich ist. Das wird wohl das Beste sein.«

Slater ging hinter den Meuterern her. Doria war in seiner Kabine vorläufig in Sicherheit. Stillman war kein Dummkopf, das wusste er, eher ein verschlagener Bursche. Wollte der Obermaat ihn nur für einige Zeit kaltstellen?