Inhalt

Julianna Grohe

Die vierte Braut

Astrid Behrendt
Rheinstraße 60, 51371 Leverkusen
www.drachenmond.de, info@drachenmond.de

Satz, Layout
Martin Behrendt

Lektorat / Korrekktorat
www.abc-lektorat.de

Umschlaggestaltung
Sarah Buhr / covermanufaktur.com

© Illustration: BuketGvozdey / Shutterstock.com
© Frau: Falcona / Shutterstock.com
© Texturen: Nik Merkulov ; tomertu;
Dasha Petrenko; Rolau Elena / Shutterstock.com

ISBN: 978-3-95991-221-1
ISBN der Druckausgabe: 978-3-95991-121-4

Better Life

Julia Adrian: Die Dreizehnte Fee - Erwachen
Softcover: ISBN 978-3-95991-131-3, EUR 12,00
eBook: ISBN 978-3-95991-231-0, EUR 3,99

Ich bin nicht Schneewittchen. Ich bin die böse Königin. Für tausend Jahre schlief die Dreizehnte Fee den Dornröschenschlaf, jetzt ist sie wach und sinnt auf Rache. Eine tödliche Jagd beginnt, die nur einer überleben kann. Gemeinsam mit dem geheimnisvollen Hexenjäger erkundet sie eine Welt, die ihr fremd geworden ist. Und sie lernt, dass es mehr gibt als den Wunsch nach Vergeltung. »Kennst du das Märchen von Hänsel und Gretel?«, frage ich flüsternd. Er braucht mir nicht zu antworten, er weiß, dass nicht alle Märchen wahr sind.

Nicht ganz zumindest. Es gibt keine Happy Ends, es gab sie nie.

Für keine von uns.

Prolog

Ich komme zu spät. Ich weiß es.

Die Erde fliegt unter meinen Füßen dahin. Ich berühre sie kaum, achte nicht auf meinen Tritt. Vorwärts, ist alles, was ich denken kann. Vorwärts. Und meine Füße tragen mich schnell und doch nicht schnell genug.

Dreh um, hallt es in meinem Kopf, du willst das nicht sehen.

Ich muss. Ich habe keine Wahl.

So ist die Liebe. Sie bindet, sie bindet mich und ich kann nicht anders, als dem Schrecken entgegenzulaufen. Ich weiß, was mich erwartet und dennoch kann ich nicht aufhören zu hoffen.

Bitte, bitte, habe sie verschont!

Ich beiße die Zähne zusammen, würge den Schrei hinunter. Nur die Tränen kann ich nicht aufhalten.

Du wolltest lieben. Liebe bedeutet Leid. Hast du das denn immer noch nicht begriffen?

Nein! Ich schließe die Augen, lasse mich tragen über die Wiesen. Und alles, was ich sehe, ist ihr Gesicht und es brennt in mir. Alles brennt. Nur nicht sie!

Sie ist ein Mensch. Unbedeutend.

Sie ist alles.

Die Königin in mir lacht, aber sie lacht leise und ich spüre, dass auch sie leidet.

Liebe, höhnt sie und dann verstummt sie. Denn ich stehe am Hang und blicke hinab auf das Tal. Ich blicke hinab auf den Tod.

Ich habe sie verloren.

Bett aus Rosen

Es war einmal – so beginnen die Märchen und so begann auch mein Leben. Und es hätte tatsächlich ein Märchen werden können, doch das ist lange, lange her. So lange, dass sich die Jahre zu Staub verwandelten, zu Bruchstücken einer sich selbst vergessenden Zeit. Und nicht einmal ich kann sagen, wann mein erstes Es war einmal seinen Anfang fand.

Ich atme. Ich lebe. Zum zweiten Mal.

Während ich keuchend die süße, unheilschwangere Luft einsauge, mein Herz in wilder, neu erwachter Energie pumpt, ahne ich, dass sich alles verändert hat, und begreife doch nicht was. Meine Lippen prickeln wie in Erinnerung an einen zärtlichen Kuss. Ich fasse mit meinen Händen in die steifen Laken, fühle den rauen Stoff unter meinen Fingerkuppen zu Staub zerfallen.

Ich schlage die Augen auf und sehe doch nichts. Aber ich fühle, dass da jemand ist, bei mir. Ich höre den Atem, das nervöse Zucken von Wimpern. Ich rieche Schweiß: Angst, Erregung und Erschöpfung.

Fremde Hände greifen nach mir, berühren mich. Etwas zerbröselt. Bestürzt stelle ich fest, dass es mein Kleid ist. Ich balle die Finger zur Faust, erwarte die Hitze der Magie – doch meine Hand bleibt leer.

Das Bett schwankt unter dem Gewicht des Fremden. Ich öffne die Hand und rufe erneut nach meiner Macht – nichts geschieht. Nur die Finger fassen mich an, schüren meine Verwirrung und meinen Zorn.

»Verflucht.«

Stille.

Dann: »O Gott, sie ist wach!« Lauter: »Sie ist wach!«

Hallende Schritte. Eine Tür, die aufgerissen wird. Frische Luft.

»Was sagst du? Sie ist wach? Was machst du da?«

»Ich dachte, weil sie doch nur so da liegt … ich glaubte, es würde niemanden stören!«

»Hast du sie geküsst?«

»Nein, ich meine ja …«

Ein Schwert wird zischend aus der Scheide gezogen. Ich kenne das Geräusch. Ich blinzele, kämpfe gegen die gleißende Helle, gegen das Gefühl der Ohnmacht. Nur langsam kehrt die Kraft zurück. Ich muss lange geschlafen haben. Zu lange. Etwas stimmt nicht. Etwas ist ganz und gar falsch.

»Wieso ist sie nackt?«

»Ich naja … ich … ich habe nur …«

»Was hast du getan?«

»Beim Fluch der Eishexe! Ich wollte sie nur einmal berühren. Aber das Kleid, das Kleid, es zerfiel einfach!« Die Worte überschlagen sich fast. Es schmerzt in meinen Ohren.

»Du hast die Schlafende erweckt. Ich hatte befohlen, sie nicht anzufassen.«

»Ich dachte … ich meine …«

»Wie lange?« Ich unterbreche den Streit. Meine Stimme klingt so sanft wie die einer neugeborenen Elfe, nicht wie die der uralten Frau, die ich fürchte zu sein.

»Wie lange?« Ich wiederhole die Frage und kann endlich Schemen ausmachen. Vage Umrisse, von vier oder fünf Gestalten. Menschen. Ein gutes Zeichen, wenn es noch Menschen gibt. Dann hat die Welt sich nicht allzu oft gedreht.

»Wie lange was?«, fragt der Mann mit der unerträglichen Stimme. Blonde Haare, helle Haut.

»Wie lange habe ich geschlafen?«, frage ich.

Schweigen.

Und in dem Schweigen kommt mir die Erinnerung an die letzten Momente, kurz bevor der Zauber seine Wirkung tat.

Und ich begreife die entsetzliche Wahrheit: Sie haben mich betrogen!

Eiskalter Hass brennt in mir, flammt durch meine Adern. Ich hebe den Arm, drehe die Hand. Das Zeichen auf dem Handgelenk brennt schwarz wie eh und je.

Ein verlogenes Symbol!

»Sie ist eine Hexe«, knurrt der Zweite. Der Blonde kreischt, er weicht zurück. Noch mehr Schwerter zischen. Eines legt sich an meinen Hals, kühl und scharf. Endlich klärt sich mein Blick und ich löse die Gedanken von der Vergangenheit. Ich sehe von dem tödlichen Stahl auf meiner Kehle hinauf in die schwarzen Augen eines dunkelhaarigen Mannes.

»Unser Dornröschen ist eine Hexe«, murmelt er und hebt mein Kinn mit der Spitze des Schwertes.

Fünf Männer stehen im Raum. Drei von ihnen scheinen Soldaten eines Reiches zu sein, dessen Wappen mir unbekannt ist: eine goldene Schlange auf blauem Grund. Der Blonde ist ein Edelmann, ein Prinz. Falls es noch Prinzen gibt und Königreiche.

Der fünfte und letzte Mann jedoch ist mir ein Rätsel. Er ist anders – er riecht anders.

»Was seid Ihr?«, frage ich.

Er neigt den Kopf, als würde er sich wundern. Die Augen verengen sich.

»Unmöglich, eine Hexe?«, näselt der Blonde und späht über die Schultern der verängstigten Soldaten. Seine Augen sind wässern. Kein Glanz ist in ihnen, keine Andeutung von Tiefe.

»Sie trägt das Zeichen«, antwortet der Dunkelhaarige.

»Sie sieht nicht aus wie eine Hexe!«, beharrt der Prinz störrisch. »Ich meine, sie ist so überaus reizend. So vollkommen und schön!«

»Die Eishexe ist auch schön«, flüstert einer der Soldaten.

»Und die Giftmischerin«, wirft der zweite ein.

»Es ist das Zeichen der Dreizehn Hexen.« Der Dunkelhaarige mustert mich genau. »Doch gab es bisher nur zwölf.«

Zwölf, sie leben.

»Es sind dreizehn, waren es immer«, sage ich leise und ignoriere die hastig gestammelten Gebete der vier anderen. Ich brauche sie nicht anzusehen, um sie wahrzunehmen. Ich höre ihre ängstlich flatternden Herzen, das Zischen ihrer Lungenflügel. Doch erreicht es mein Bewusstsein nur dumpf. Keine Magie, geschwächte Wahrnehmung. Die Jahre fordern ihren Tribut.

»Wer hat den Fluch gebrochen?«, frage ich und mein eigenes Herz beginnt zu stocken. Der Mann neben mir hebt eine Braue. Seine kurzen Haare schimmern schwarz wie der Himmel bei Nacht. Ob er …?

Er fixiert mich. Sein Blick sucht eine Antwort. Er scheint sie nicht zu finden.

»Unser Prinz«, antwortet er.

Nur langsam begreife ich den Sinn der Worte. Der blonde Prinz, er küsste mich. Mein Blick fährt herum, findet ihn. Er erbleicht.

»Du!«, zische ich und schmecke bittere Enttäuschung. Feige versteckt er sich zwischen den Soldaten und ihren Schwertern. Verlogenheit und Selbstsucht umgibt ihn wie ein schwelender Gestank. Dieser Mensch erlöste mich durch einen Kuss? Er soll der Eine sein? Meine wahre Liebe …?

»Ich … ich glaubte, Ihr wäret eine Prinzessin«, wirft er mir pikiert vor.

»Was soll mit Eurer Hexe geschehen?«, fragt der Dunkelhaarige. »Ihr erwecktet sie, jetzt gehört sie zu Euch.«

Hexe?

Es klingt wie eine Beleidigung. Besäße ich meine angestammte Macht, wäre sein Urteil besiegelt: Tod. Hätte ich meine Magie, würde nichts, aber auch nichts von ihnen bleiben. Ich würde sie alle zerstören, meinen Frust an ihnen auslassen … und meine Enttäuschung.

Verdiene ich jemand so selbstsüchtigen wie den Prinzen?, frage ich mich plötzlich erschöpft. Ist es das, was die Menschen Gewissen nennen? Die Erkenntnis über die eigenen Fehler?

»Ihr seid der Hexenjäger«, schnappt der Prinz. »Ich bin gesandt, um meinem Vater von dem Turm zu berichten. Nicht um Hexen zu töten oder gar heimzubringen.«

»Hexenjäger?« Ich ziehe überrascht die Augenbrauen hoch und mustere den Mann. Er wirkt kräftig, die Augen wachsam. Eine Narbe zieht sich über die Hälfte der Wange. Und noch während ich ihn betrachte, zuckt sein Mundwinkel spöttisch. Hexenjäger – das gab es zu meiner Zeit nicht.

Das Gewicht der Armbrust an seiner Schulter scheint er kaum zu spüren, zwei Dolche stecken im Gürtel. Das Schwert in seiner Hand liegt ruhig, ich spüre kein Zögern wie bei den Soldaten. Nein, der fürchtet mich nicht. Im Gegenteil, er würde keine Sekunde zögern, mich zu töten. Doch er tut es nicht. Warum?

»Die Dreizehnte Hexe«, höre ich ihn murmeln.

Lange, so lange Zeit. Die Spuren der Zauber, die einst diesen Ort umgaben, liegen noch in der Luft. Ich höre meine Schwestern ihre Bannsprüche sprechen, um meinen Schlaf der Ewigkeit auszuliefern, versteckt im Wald. Doch ihre Flüche sind gebrochen, verflogen die Zauber, die mich vor den Augen der Welt verbargen. Vergaßen sie, sie zu erneuern? Vergaßen sie mich?

Ihr Fehler wird sie teuer zu stehen kommen, denn jetzt bin ich frei.

»Was machen wir mit ihr?«, ruft der Prinz. »Beim Feuer der Drachen, sie ist eine Hexe! Eine der Dreizehn!« Seine Miene wechselt zwischen Hilflosigkeit, Angst und Wut. »Es ist mir gleich, was das Gesetz der Magie besagt. Niemals kann diese Hexe meine wahre Liebe sein! Hätte ich sie doch nur nicht geküsst!«

»Ja«, zische ich und erkenne, dass alles misslungen ist. Ich starre ihn an, den Prinzen, der den Zauber erlöste, und empfinde nichts als Verachtung.

Er keucht und die Furcht lodert in ihm auf wie ein gleißendes Schwert. »Tötet sie!«, kreischt er. »Sofort!«

Die Waffe auf meiner Kehle zuckt unmerklich – doch ich atme noch, ich lebe. Der Hexenjäger verharrt. Innerhalb eines Wimpernschlags erkenne ich, dass es nicht der Prinz ist, der über Leben und Tod entscheidet, sondern der Hexenjäger. Doch war ich zu lange an der Macht, um mich unterzuordnen. Ich werde nicht im Staub kriechen!

Ich überfliege die Situation. Der Turm, erinnere ich mich mit klarer Gewissheit. Ich befinde mich in dem Turm. In meinem luftigen Grab: die einst seidenen Vorhänge des nun zerschlissenen Himmelbettes, die zerbrochenen Fensterscheiben, die rankenden Rosen mit ihrem unerträglichen Duft, der an verwesende Leiber erinnert.

Hinter dem Prinzen gähnt die Tür wie ein dunkles Omen. Die Treppe hinab in die Freiheit, hinunter in den Wald der Geister – oder wie immer er heute heißen mag.

Mit einer einzigen, überaus flinken Bewegung schlage ich das Schwert des Hexenjägers beiseite und gleite an ihm vorbei. Der Mund des Prinzen klafft im stummen Schrei. Die Soldaten weichen. Ein Schwert klirrt verloren auf den kalten Steinfliesen. Ich bin an der Tür, als mich ein Schlag in die Seite trifft. Obwohl ich fast so schnell bin wie einst, gelingt es dem Hexenjäger, meinen Zopf zu greifen. Er reißt daran. Ich lande mit dem Rücken auf den kalten Fliesen. Der Aufprall raubt mir den Atem. Der Hexenjäger zieht mich zurück. Ich winde mich, will ihn treten. Doch er holt aus und seine Faust landet auf meiner Schläfe. Schmerz explodiert in meinem Kopf, Punkte tanzen vor meinen Augen und meine Gegenwehr erstickt.

Er hat mich geschlagen.

Ein Mensch.

Mich!

»Was bist du?«, knurrt der Hexenjäger, reißt mich hoch und drückt mich gegen die Wand. Er nimmt mir den Atem. Sein Duft. Ich mag seinen Duft. Unfähig mich zu befreien, starre ich in sein grimmiges Gesicht. Er ist nicht nur stark. Er ist schnell. Viel schneller als erwartet. Ja, die Welt hat sich verändert. Die Menschen sind nicht mehr die Opfer, die sie einst waren.

»Hexenjäger«, flüstere ich seinen Namen und muss fast lachen. Seine Augen glühen. Ich kenne den Blick. Ich muss schön sein, so schön wie in meinem ersten Leben, dass es selbst ihm schwerfällt, sich meinem Zauber zu widersetzen. Haut so weiß wie Schnee, Haare so schwarz wie Ebenholz und Lippen so rot wie Blut.

Die perfekten Menschen – Feenkinder – heute Hexen.

»Du hast das Zeichen«, sagt er und streicht mit den Fingern über die schwarze Stelle an meinem Handgelenk. »Aber du hast keine Macht. Du bist nicht wie sie. Wer bist du?«

Ich balle die Hand, öffne die Finger, einen nach dem anderen. Ich rufe nach ihr, mit all meinen Fasern. Ich rufe nach meiner Magie.

Die Muskeln des Hexenjägers verkrampfen. Die scharfe Klinge des Dolches presst sich auf die pulsierende Ader an meiner Kehle.

»Was bist du für eine seltsame Hexe«, murmelt er, als nichts passiert.

»Hexen«, zische ich und muss die Tränen unterdrücken. »Früher nannte man uns Feen.«

»Nenn dich, wie du willst.« Der Dolch schneidet in die Haut. Ich spüre den Schmerz kaum. Schmerz gehörte schon immer zu meinem Leben – sodass ich kaum weiß, wie es ohne ihn ist. Einzig der Duft des Blutes gräbt sich tief in mein Bewusstsein und ich erkenne, dass er kurz davor ist, sich für meinen Tod zu entscheiden.

»Du jagst uns Feen?«, flüstere ich erstickt. Ich darf nicht zweifeln, darf nicht der ungewohnten Angst nachgeben, die in meinem Bauch wächst und meine Glieder zu lähmen droht. Meine Kraft wird wiederkehren und mit ihr meine Magie. »Töte nicht die Einzige, die dir helfen kann, sie zu finden.«

Der Mund des Hexenjägers verzieht sich zu einem spöttischen Grinsen, aber die Klinge verharrt. Er hört mir zu. »Wie kommst du auf die Idee, dass ich deine Hilfe brauche?«

»Brauchst du nicht?«, frage ich zurück.

Sein schwarzer Blick wandert von meinen Lippen zu meiner Kehle. »Nein.« Doch er zögert.

»Bist du sicher?«, frage ich und versuche das gleichmäßige Pulsieren seines Herzen zu ignorieren. Er fürchtet mich nicht. Magie nährt sich von Furcht. Wer ist er? »Ich kann von Nutzen sein«, presse ich hervor. »Ich weiß Geheimnisse über sie, die niemand sonst kennt. Ihre Schwachstellen, ihre Vergangenheit.«

»Bringt es zu Ende, Hexenjäger«, ruft der Prinz ungeduldig. Jetzt da ich gefangen bin, traut er sich vorzutreten. Der Hexenjäger schweigt, mustert mich nachdenklich. »Hört nicht auf ihre Worte. Sie ist eine verdammte Hexe. Ach, wisst Ihr was? Behaltet sie. Ich überlasse sie Euch für die Mühen Eures Geleitschutzes durch die Hecke. Betrachtet sie als Lohn.« An die Soldaten gewandt fügt er hinzu: »Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es vor dem nächsten Sonnenaufgang hinaus aus diesem verfluchten Wald. Vater wird erfreut sein, von dem Turm zu hören und dem Geheimnis, das er barg. Eine Hexe, eine der Dreizehn – jetzt muss er mich zum Erben bestimmen!« Er klatscht in die Hände. »Los, los. Sattelt die Pferde!«

Die Soldaten fliehen der Treppe entgegen. Sie können dem muffigen Grab nicht schnell genug entkommen. Ihre Schritte hallen tausendfach aus dem Schacht empor. Der Prinz kehrt als Letzter zur Tür. Sein Blick fängt den meinen, er verzieht den Mund, als ekele er sich vor mir, und doch sehe ich die Gier. Angst und Lust, eine gefährliche Mischung.

»Beeilt Euch, falls Ihr mit uns reiten wollt – wir warten nicht!« Er folgt den Soldaten. Und der Prinz, der mich erweckte, verschwindet aus meinem Leben, ohne eine Spur hinterlassen zu haben.

Wir sind alleine. Ich und der Mann, der meine Schwestern jagt. Ich blicke in seine Augen und erkenne voller Verwunderung, dass sie nicht schwarz sind, sondern grün wie die dichtesten Tannenwälder.

»Was mache ich nur mit dir?«, murmelt er.

»Was würdest du denn gerne mit mir tun?«, wispere ich zurück. Eine Einladung, ein Versprechen. Die einfachste und älteste Falle der Welt und doch so effektiv.

Er stockt, seine Augen weiten sich, dann lacht er schallend auf. »Es steht wahrlich schlimm um dich.« Langsam nähert er sich, den Blick auf meine Lippen gerichtet, dann sieht er mich aus seinen geheimnisvollen Augen an. Mein Herzschlag beschleunigt, mein Atem stockt. Was geschieht mit mir? Ich spüre seinen Atem, die Wärme seiner Haut und fühle mich unendlich verletzlich. »Selbst wenn du die letzte Frau auf Erden wärst …«, flüstert er rau, greift in meine Haare und zieht meinen Kopf in den Nacken. »Deine Hexenkräfte wirken bei mir nicht.«

»Nicht?«, flüstere ich gepresst.

»Nein«, sagt er nur. »Ich finde dich nicht im Mindesten anziehend.«

»Du lügst.«

Er lacht und ebenso plötzlich, wie er sich mir näherte, entfernt er sich wieder, gibt meine Hände frei. Nur den Zopf schlingt er um die Hand. Eine Leine. Eine Demonstration seiner Macht.

»Du bist anders als die anderen«, meint er nachdenklich.

Anders, das war ich schon immer. Doch es gibt niemanden mehr, der um mein Geheimnis weiß – niemanden außer meinen Schwestern.

»Du bist schwach.«

»Ich war eine Königin«, erwidere ich und hebe die Handflächen empor. Sanft zeichnen sich die Linien ab. Es sollten die Hände einer alten Frau sein – runzelig und verbraucht. Stattdessen sind sie weich und stark: die Hände der Königin von einst.

Ich hebe den Blick. Vor uns thront der mächtigste Spiegel des Landes. Mein Spiegel. Mein Land. Ich hauche gegen das matte Glas, und wie von Feenflügeln berührt weicht der feine Staub, um mein Antlitz zu enthüllen. Glattes, tiefschwarzes Haar umfließt ein blasses Gesicht, das schöner nicht sein könnte. Dunkle Wimpern, stechende Augen, ein sinnlicher Mund so rot wie der pulsierende Lebenssaft selbst. Das Gesicht der Königin. Das Gesicht der Schönsten. Daneben der Hexenjäger, feindlich und ungezähmt. Er lässt meinen Zopf durch die Finger gleiten. Er hebt ihn an und fast – aber eben nur fast – ist er versucht, an meinen Haaren zu riechen.

»Zieh dich an«, fordert er abrupt und ich weiß, dass seine Entscheidung gefallen ist. Doch es ist nur ein Aufschub, ein bisschen Zeit.

»Ich weiß nicht was«, sage ich ruhig. Wie lange …, frage ich mich. Wie lange hielt mich der Fluch gefangen? Der Fluch des Todesschlafs.

Der Hexenjäger reißt einen Schrank auf. Für einen Moment glänzen Dutzende Kleider in allen Farben des Regenbogens. Prächtige Juwelen, golddurchwebte Schleier. Doch wie von Zauberhand verblasst der Glanz. Und langsam, so als würden sie den Moment hinauszögern, zerfallen sie und rieseln seufzend zu Boden. Von den einst kostbaren Kleidern bleibt nichts als ein Haufen Staub.

»Was ist das für ein Zauber?«, knurrt er und zerrt an dem Zopf.

»Kein Zauber«, erkläre ich schlicht. »Nur der Tribut der Zeit.«

Er schnaubt. »Ich glaube dir kein Wort. Aber gut, du willst nackt sein? Nur zu, mich soll es nicht stören.« Ohne zu zögern, strebt er dem Ausgang zu. Sein Schritt ist fest und entschlossen. Er wird mich nicht töten, noch nicht.

Ich folge dem Feind meiner Schwestern die Stufen hinab. Mit jedem Schritt wird der Duft des muffigen, nach Leichen stinkenden Grabes schwächer. Ich entfliehe meinem Gefängnis. Ich bin bereit, so bereit, mein zweites Leben zu beginnen.

Meine Rache wird furchtbar sein.

Better Life

Claudia Liath: Mondfrau
Hardcover: ISBN 978-3-931989-51-4, EUR 14,95
eBook: ISBN 978-3-95991-009-5, EUR 4,99

Ein poetischer Märchenroman

Auf der Suche nach einer Identität und einem Namen verlässt der Mond den Himmel und begegnet auf seiner Reise zahlreichen

Wesenheiten. Zeitgleich macht sich ein junger Barde auf den Weg, um das Geheimnis des verschwundenen Mondes zu lösen.

»Ich wünsche mir so sehr einen Namen«, wisperte der Mond so leise wie sachte fallende Blätter in einer verhangenen Herbstnacht.

Als wäre es eine unangebrachte, ja beinahe unanständige Bitte setzte der Mond hinzu: »Einen eigenen Namen.«

»Einen Namen?«, herrschte der Nordstern, ehe Mutter Nox den Mund auftun oder auch nur Atem holen konnte. »Aber du hast doch einen Namen! ›Mond‹ ist ein guter und ehrenwerter Name«, meinte der Nordstern. »Ein Name, auf den man stolz sein sollte!«

»Aber es ist kein richtiger Name. Kein Name mit Klang und Botschaft. Er ist so oft verdreht und erweitert worden, dass ich nicht mehr weiß, wer ich bin«, rief der Mond hitzig. Dann fügte er leise hinzu: »Und was ich bin. Bin ich der Mann im Mond, oder doch eher die Schäferin? Vielleicht bin ich auch der Mondhase oder eine einäugige Katze.« Von den vielen verschiedenen möglichen Identitäten noch mehr verwirrt sagte der Mond mit einem Beben in der Stimme: »Ich weiß es nicht …«

In Wahrheit war die Sache mit Cinderella ganz anders …

Mitgefangen, mitgehangen

Name: Mayrin Barnaby, 19 Jahre
Besondere Fähigkeiten:
Grund, weshalb die Prinzen mich auswählen sollten: Es gibt keinen! Ich möchte mich nicht bewerben. Das war ein Missverständnis. Ich bitte um Entschuldigung!
Hochachtungsvoll
Mayrin Barnaby

Schwungvoll setzte ich meine Unterschrift auf das Blatt. Das sollte ja wohl deutlich genug sein!

Die anderen Mädchen schrieben alle noch eifrig. Außer dem Kratzen der Federkiele auf den Bewerbungsbögen war kein Laut zu hören.

Ich schob meinen Bogen von mir weg und lehnte mich zurück. Hinter mir ging gerade einer der Uniformierten vorbei. Eingeschüchtert zog ich die Schultern hoch.

Wie war ich bloß in diese unangenehme Situation geraten?

Ein paar Stunden zuvor …

Ein Flüstern weckte mich, und ich schlug die Augen auf. Die beiden Betten neben meinem waren leer. Auf meinen Ellenbogen gestützt, blickte ich suchend durch die Kammer.

Im blassen Licht des Morgens, das durch das kleine Dachfenster fiel, entdeckte ich meine beiden jüngeren Geschwister Neela und Leo. Sie standen in ihren Nachthemden am Fenster und schauten hinaus, die roten Haarschöpfe dicht beieinander. Wir alle drei hatten nahezu die gleiche Haarfarbe von unserem Vater geerbt. Leo hüpfte aufgeregt auf und ab, was er immer tat, wenn er sich freute.

Noch müde schlug ich die Bettdecke beiseite und trat zu ihnen. Die alten Holzdielen der Dachkammer waren eisig kalt unter meinen nackten Füßen, sodass ich zusammenzuckte.

»Was ist denn los, ihr zwei Schlafräuber?«, fragte ich gähnend und zerzauste beiden das Haar.

»Guck doch, Mayrin, die vielen Fahnen!«, rief Leo aufgeregt und deutete aus dem teils zugefrorenen Fenster. Sein breites Grinsen enthüllte seine doppelte Zahnlücke. »Oh, Mann, ist das toll!«

Tatsächlich. An sämtlichen Masten des kleinen Städtchens Talebridge, und sogar aus einigen Fenstern, wehten blaue Fahnen mit dem königlichen Wappen darauf. Natürlich. Heute war der Tag der Brautschau. Aber damit konnte ich mich jetzt nicht befassen.

»Auf, auf, waschen und anziehen, bevor ihr festfriert! Neela, hol bitte das Wasser von unten!«

Mit fast elf Jahren konnte man meiner Meinung nach so etwas von ihr erwarten. Ich erntete einen missmutigen Blick.

»Immer ich! Leo muss nie helfen!«

»Jetzt stell dich nicht so an!«, schimpfte ich ungehalten und schob sie aus dem Zimmer. Dann schlüpfte ich in meine langen Strümpfe, deren grober Stoff an den Beinen kratzte, flocht meine Haare mit geübten Bewegungen zu einem festen Zopf und steckte sie hoch. Offene Haare geziemten sich in meiner jetzigen Position nicht. Schlimm genug, dass sich trotz aller Mühen ständig störrische Strähnen aus meiner Frisur lösten.

Neela kam kurz darauf mit einem Eimer voll lauwarmem Wasser zurück und knallte ihn, heftiger als nötig, auf den abgenutzten Tisch. Ihre grünen Augen funkelten rebellisch.

Ich atmete tief durch, um angesichts ihrer schlechten Laune nicht die Beherrschung zu verlieren. Mit zusammengebissenen Zähnen kontrollierte ich, dass beide sich gründlich reinigten, und anschließend wusch ich mich selbst. Mittlerweile war das Wasser kalt geworden. Na wunderbar.

»Machst du mir die Hose zu, May?«, bat Leo, dessen vollständiger Name eigentlich Leopold war. Aber niemand nannte den kleinen Wirbelwind so. »Dürfen wir nachher mit zum Rathaus?«, plapperte er aufgeregt weiter. »Vielleicht sehen wir ja einen der Prinzen!«

Es war nicht leicht, einem zappelnden Sechsjährigen die Hose zuzuknöpfen.

»Das erlaubt sie bestimmt auch wieder nicht«, maulte Neela, während sie sich ein Kittelkleidchen über den Kopf zog. »Das ist echt fies!«

»Neela, es reicht!«, sagte ich drohend. Vermutlich sollte ich mich freuen, dass sie selbstbewusster wurde, und stolz auf sie sein.

»May, ich hab dich lieb, soooo lieb!«, versuchte Leo, die Situation zu retten, legte seine kleinen Ärmchen um meinen Hals und machte damit alles nur noch schlimmer.

»Pah!«, keifte Neela und feuerte ihr Nachthemd wütend in eine Ecke, wo es an einem (glücklicherweise nicht brennenden) Kerzenleuchter hängen blieb.

Ich musste mich beherrschen, sie nicht anzuschreien, genau, wie ich mich im vergangenen Jahr grundsätzlich bemüht hatte, so ziemlich alle Gefühlsregungen zu unterdrücken. Früher wurde ich oft von meiner Mutter ermahnt, dass ich mein Temperament zügeln müsse. Aber das war vor ihrem Tod gewesen.

»Ich glaube kaum, dass die Prinzen persönlich durch das Land reisen werden«, winkte ich ab. »Tionne wird heute bestimmt nur ihre Bewerbung abgeben. Ihr verpasst also nichts.«

Tionne war meine beste Freundin, die unbedingt an dieser Brautschau teilnehmen und sich um die Hand eines der vier Königssöhne bewerben wollte.

Alle adligen Familien des Landes hatten einen Brief erhalten, in dem stand, dass jedes ungebundene Mädchen zwischen siebzehn und fünfundzwanzig Jahren, welches Interesse an einer Ehe mit einem der Prinzen habe, sich im Rathaus der nächsten größeren Stadt einfinden solle. Doch weil Tionnes Eltern keine Zeit hatten, sollte ich sie heute zum Rathaus begleiten.

Ich blickte Neela und Leo nach, die sich gerade auf den Weg nach unten machten. Es tat mir leid, sie enttäuschen zu müssen, aber ich konnte mich in dem Gedränge, das auf dem Rathausplatz herrschen würde, nicht auch noch um die beiden Kinder kümmern.

Entschlossen strich ich mein dunkles, hochgeschlossenes Kleid glatt und warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. Nachdem ich Neelas Nachthemd vom Leuchter geholt und es ordentlich zusammengefaltet auf ihr Bett gelegt hatte, folgte ich meinen Geschwistern.

Der Duft von frischem Haferbrei schlug uns entgegen. Sallie knetete gerade einen Teig für das Teegebäck und blickte nicht auf, als wir die Küche betraten. Wehmütig dachte ich an die Zeiten zurück, als meine Eltern noch lebten und auch bei uns solche Delikatessen serviert wurden.

»Nehmt euch ’n Apfel dazu«, knurrte die Köchin und stellte drei großzügig gefüllte Schalen Brei vor uns auf den Tisch.

Sallie war kein Freund großer Worte. Dass wir zusätzlich einen frischen Apfel bekamen, zeigte ihre Sympathie für uns besser, als sie es mit Worten gekonnt hätte.

»Danke, Sallie.« Ich holte die Kanne mit Tee, die schon auf dem Herd bereitstand, und goss die dampfende Flüssigkeit in unsere Becher. Meine kalten Finger erwärmten sich, während ich am Tee nippte. Das tat gut.

Leo erzählte Paul, dem Kammerdiener von Mr Conley, währenddessen aufgeregt, dass er unbedingt die Soldaten sehen wolle, die heute für die Brautschau in die Stadt kommen würden. Er redete furchtbar gern und viel.

Neela hingegen war immer noch schlecht gelaunt. Ich würde ihr ins Gewissen reden müssen, damit sie sich wenigstens vor der Herrschaft untadelig benahm. Schließlich hing unsere Zukunft von deren Wohlwollen ab, und wir mussten dankbar sein, dass meine Geschwister mit mir kommen durften, als ich die Stellung hier angetreten hatte. Es war schwer genug gewesen, eine Familie zu finden, die mir überhaupt Arbeit als Gouvernante gab, da ich trotz meiner gestandenen neunzehn Jahre eher wie sechzehn aussah.

Ein Klirren riss mich aus meinen Gedanken. Stöhnend besah ich mir die Schweinerei. Leo hatte wieder einmal mit Händen und Füßen geredet und durch raumgreifendes Herumfuchteln seine Breischüssel vom Tisch gefegt.

Mit erschrockenen Augen, in denen sich Tränen sammelten, schaute er mich an, und seine Unterlippe begann zu zittern.

Es war wirklich zum Verrücktwerden. Ständig passierten Leo solche Missgeschicke. Mal rannte er auf der Straße aus Unachtsamkeit eine feine Dame über den Haufen, mal erforschte er, was Kletten im langen Haar seiner Schwester bewirkten (ich musste ihr anschließend einige Strähnen abschneiden). Und erst kürzlich hatte er versucht, auf die riesige Eiche hinter dem Haus zu klettern. Gerade noch rechtzeitig hatte ich ihn erwischt, als er schon auf einer Holzkiste balancierte, um an die unteren Äste zu gelangen.

»May, du musst dir keine Sorgen machen«, hatte er mir beruhigend erklärt. »Ich bin doch gesichert!«

Dabei deutete er auf das Seil, dessen Ende um seinen Oberschenkel gebunden war. Das andere Ende hatte er allerdings einfach um den Stamm des Baumes geknotet. Ich hatte nicht gewusst, ob ich lachen oder schimpfen sollte, und dann versucht, ihm klarzumachen, dass diese Art der »Sicherung« nicht funktionieren würde.

Und diese Vorfälle waren nur die Spitze des Eisberges.

Ich seufzte und stand auf, um die Scherben zu beseitigen und die Breispritzer wegzuwischen. »Leopold Barnaby, du bist wirklich eine Plage!«, schimpfte ich. »Jetzt hol schon den Lappen!«

Kleinlaut gehorchte er.

»Is schon gut«, brummte Sallie und schob Leo zurück auf die Bank. »Ich mach das.«

Während wir das Malheur gemeinsam beseitigten, kam das Spülmädchen hereingetanzt.

»Hach«, seufzte sie. »Wie gerne würde ich mich auch um die Hand eines der Prinzen bewerben. Das muss ein Leben sein! Nie wieder abwaschen, nie mehr raue, blutige Hände …«

Ich konnte ihren Wunsch nachvollziehen. Nie mehr abhängig sein von den Launen der Herrschaft …

Bis zum Tod unserer Eltern vor drei Jahren waren wir in behüteten Verhältnissen aufgewachsen. Sie waren kleine Landadlige gewesen, die bei unserer Erziehung viel Wert auf gutes Benehmen und Bildung gelegt hatten. Nur dadurch war ich letztes Jahr, als das geerbte Geld zur Neige gegangen war, in der Lage gewesen, die Anstellung als Gouvernante bei den Conleys zu finden.

»Weshalb sind die Namen der Prinzen eigentlich alphabetisch geordnet?«, warf Neela ein und zählte auf: »Alexander, Byron, Caiden, Darion!«

Eine berechtigte Frage, wie ich fand. Vielleicht war das ein kleiner königlicher Witz? Mit leisem Stolz musterte ich die Sommersprossen auf ihrem zarten Gesicht – die besaßen wir alle drei. Ich wünschte nur, dass bei mir die braunen Tupfen verschwinden würden, denn sie ließen sich nicht mit meinem Wunsch nach einem seriösen Aussehen vereinbaren, wie es sich für eine Gouvernante ziemte. Das war wie mit meinem verflixten Temperament. Auch das wollte sich manchmal einfach nicht bändigen lassen.

Ich hatte vorher nie über die Prinzennamen nachgedacht. Überhaupt hatte ich mir bisher wenig Gedanken um die königliche Familie gemacht. Wondringham Castle, deren Stammsitz, lag weit entfernt.

Auch von den anderen Bediensteten war niemand in der Lage, Neelas Frage zu beantworten.

»Vielleicht kann Tionne uns helfen, es herauszufinden«, überlegte ich. »Schließlich möchte sie an der Brautschau teilnehmen. Ich werde sie bitten, die Prinzen danach zu fragen, wenn sie ihnen begegnet.«

»Würden Sie sich nicht auch gern bewerben, Miss Barnaby?«, fragte mich der Kammerdiener grinsend.

»Nein!«, winkte ich entschlossen ab. »Ich brauche keinen Prinzen. Bestimmt sind sie furchtbar selbstgefällig. Eigentlich möchte ich gar nicht heiraten.« Ich dachte an meine verstorbenen Eltern.

»Recht ham Se. Ich war auch mal verheiratet«, brummte Sallie.

Gespannt sahen wir sie an. Die Köchin erzählte sonst nie etwas von sich. Die Aufregung, die wegen der Brautschau unter den Angestellten der Familie Conley ausgebrochen war, schien auch sie angesteckt zu haben und ihre Zunge zu lockern.

»Mein John und ich waren noch Kinder, als unsere Eltern die Ehe beschlossen haben. Die ganze Woche vor meiner Hochzeit hab ich mir die Augen aus dem Kopf geheult. Er war fett, ungepflegt und grob.«

»Oh!«, stieß ich mitfühlend hervor.

»Macht nix, am Ende wurde alles gut. Ein paar Monate später hat er sich bei der Hochzeit von nem Verwandten mit Essen vollgestopft und den Schnaps literweise gesoffen. Dann bekam er Bauchkrämpfe und erstickte im Gebüsch an seiner eigenen …«

Sie hielt inne und blickte zu Neela und Leo, die interessiert lauschten.

»… Jedenfalls werd ich nich noch mal heiraten.« Sie wandte sich wieder dem Teig zu.

»Weshalb wollen die Prinzen eigentlich so überstürzt heiraten?«, unterbrach ich das unbehagliche Schweigen, welches den Worten der Köchin gefolgt war.

»Der König ist schwer krank«, berichtete die stets gut informierte Zofe von Mrs Conley, die ebenfalls mit am Tisch saß. »Die besten Ärzte wurden zum Schloss gerufen, um ihm zu helfen, aber es heißt, dass es wenig Hoffnung gäbe. Er möchte die Erbfolge vor seinem Ableben gesichert wissen. Deshalb will er möglichst schnell für jeden Prinzen eine passende Braut finden.«

»Die Armen!«, sagte ich und war froh, dass ich nicht in deren Haut steckte.

Das Gespräch in der Küche drehte sich immer noch um die Brautschau, als ich mich wenig später erhob und in die Bibliothek ging, um die Kinder der Conleys entgegenzunehmen.

Am späten Nachmittag, nachdem ich den Unterricht beendet hatte, ließ ich meine Geschwister bei Sallie zurück und machte mich auf den Weg, um mich mit Tionne zu treffen. Der eisige Winterwind ließ die blauen Fahnen mit dem Königswappen wild flattern und zerrte an meinem Hut, sodass ich die Schleife unter dem Kinn enger binden musste.

Dass meine Freundin sich näherte, bemerkte ich, ohne sie zu sehen, weil zwei Männern, die ganz in der Nähe flanierten, stehen blieben und sich die Köpfe verrenkten. In der Tat war sie eine Augenweide: schlank und wohlgestaltet, was man selbst unter ihrem Mantel erkennen konnte, riesige braune Augen und ein umwerfendes warmherziges Lächeln.

»Mayrin!« Strahlend lief sie mir entgegen und zog mich in ihre Arme. »Ist das alles nicht furchtbar aufregend?!« Ihre Stimme überschlug sich vor Begeisterung. »Sieh nur mein Kleid!«

Tionne öffnete ihren Mantel und präsentierte mir ihr tief dekolletiertes rotes Gewand. Auf ihren kastanienbraunen Haaren trug sie ein kesses Hütchen mit farblich zum Kleid passendem Band.

»Atemberaubend!«, hauchte ich ehrfürchtig.

Den beiden Herren, die Tionne immer noch anstarrten, fiel beinahe die Kinnlade herunter. Hastig bedeutete ich ihr, den Mantel wieder zu schließen, und zog sie mit mir davon. Tionnes Zofe folgte uns.

»Meinst du, es ist zu auffällig?«, fragte Tionne ungewohnt schüchtern.

Ich schüttelte den Kopf. »Du siehst wundervoll aus. Wenn du so nicht alle Blicke auf dich ziehst, weiß ich auch nicht weiter!«

Ich betrachtete sie kritisch und versuchte, sie mir als Prinzessin vorzustellen. Schön genug war sie allemal. Außerdem war sie wohlerzogen und klug. Und vor allem sehr freundlich. Ich konnte mir durchaus vorstellen, dass einer der Königssöhne Gefallen an ihr finden würde.

»Sieh mal, was ich dabeihabe!« Tionne zog eine Tüte hervor, aus der es dampfte, und hielt sie mir entgegen.

Maronen! Das Beste bei dieser Kälte! Das Wasser lief mir im Munde zusammen, als mir der Duft in die Nase stieg. Ich griff zu. Wir mussten bei den Conleys nicht hungern, aber so etwas Besonderes gab es dort für uns nicht.

»Mmmh, köstlich«, seufzte ich und kaute genüsslich.

Tionne und ich kannten uns schon lange, noch aus den Tagen, als ich ebenfalls ein behütetes Kind aus gutem Hause gewesen war. Sie war genauso alt wie ich. Wenn ich mit ihr zusammen war, fielen die pflichtbewusste Gouvernante und die sorgende Schwester von mir ab, und die echte Mayrin kam zum Vorschein. Doch seit ich arbeiten musste, hatten wir viel zu wenig Zeit füreinander. Trotzdem hatte sie nicht vergessen, wie sehr ich heiße Maronen im Winter liebte.

»Ach, Mayrin, ist es nicht wunderbar, dass ich an der Brautschau teilnehmen darf?!«, jubelte Tionne.

»Nun ja …« Es fiel mir schwer, ihre Freude zu teilen.

»Im Grunde unseres Herzens sind wir doch alle Prinzessinnen!« Sie machte eine affektierte Armbewegung.

Ich verdrehte die Augen. »Heiraten Prinzen nicht üblicherweise irgendeine Prinzessin oder hochrangige Adlige aus dem Ausland, um die politischen Verbindungen zu verbessern?«, fragte ich, während wir mit zügigen Schritten Richtung Rathaus wanderten.

»Der König hat es ziemlich eilig, scheint mir!«, antwortete Tionne achselzuckend.

»Hat er etwa Angst, dass die Prinzen nicht alleine in der Lage sind, sich eine passende Ehefrau zu suchen?«, machte ich mich lustig. »Vielleicht sehen sie in Wirklichkeit ganz anders aus als auf den Bildern – kleinwüchsig, pickelig oder sie haben Mundgeruch …«

Tionne kicherte.

»Denkst du wirklich, dass du auf das Schloss eingeladen wirst?« Ich vergrub meine kalten Hände tief in den Taschen des Mantels.

»Zumindest wünsche ich es mir«, antwortete sie gelassen. »Ich wäre ja dumm, wenn ich es nicht täte! Denk nur an das aufregende Leben, das wir führen würden! Das Schloss, berühmte Gäste, all der Schmuck und die schönen Kleider!«

»Und nicht zu vergessen, die hässlichen Prinzen!«, fügte ich hinzu.

»Genau! Was meinst du: einer für dich und einer für mich?« Ihre Augen blitzten bei dem Gedanken. Dann sah sie meinen Gesichtsausdruck. »Komm doch bitte mit, Mayrin. Das wird ein großer Spaß!«

Ich schüttelte den Kopf und schnaubte. »Da gibt es ein kleines Problem … oder besser gesagt drei Probleme. Erst einmal: Ich habe gar keine Einladung bekommen …«

Entschuldigend hob ich die Hände. Die Zeiten, in denen ich zu den Mädchen aus gutem Hause gehört hatte, waren unwiederbringlich vorbei.

»… und die Probleme zwei und drei habe ich gerade bei der Köchin zurückgelassen, die den beiden versprochen hat, mit ihnen Soldaten angucken zu gehen.«

Ich deutete in die Richtung, in der die Villa der Conleys lag. Als »Viertens« hätte ich noch hinzufügen können, dass ich mich nicht gerade kompetent fühlte, die Rolle einer Prinzessin auszufüllen. Dafür musste man wohl mehr Schönheit und Charme besitzen – so wie Tionne.

Meine Freundin seufzte. »Ich weiß ja. Aber es wäre zu schön gewesen, mit dir zusammen dort hinzugehen!« Ihr Gesicht nahm einen verschmitzten Ausdruck an. »Wenn ich mir einen Prinzen geangelt habe, dann hole ich euch zu mir auf das Schloss, versprochen!«

Wir kicherten wie kleine Mädchen.

Schon von Weitem hörten wir den Lärm der Menge, als wir uns dem Rathaus näherten. Auf dem Platz davor drängten sich an die hundert junge Damen in hübschen Kleidern und deren Angehörige. Die gespannte Aufregung der Anwesenden war beinahe greifbar.

Als ich die Menschenmassen erblickte, war ich kurz davor, Tionne ihrem Schicksal zu überlassen und mich davonzumachen.

»Dafür habe ich etwas gut bei dir!«, stöhnte ich, während wir uns auf den Platz zwängten.

Grinsend hielt mir Tionne die Maronentüte entgegen.

Endlich ertönte eine Glocke, und ein Herr in Uniform erschien auf der Rathaustreppe. Auf dem Marktplatz wurde es still.

»Meine sehr geehrten Herrschaften«, begann er würdevoll. »Ich bin hocherfreut, zu sehen, wie viele reizende junge Damen sich am heutigen Tag auf den Weg gemacht haben, um sich für eine Verbindung mit einem unserer verehrten Prinzen zu bewerben. Da Sie verstehen werden, dass wir eine gewisse Vorauswahl treffen müssen, bitte ich die Bewerberinnen nun in den großen Ratssaal. Die Angehörigen müssen – so leid es mir tut – im Freien warten. Und nun …«, er machte eine große Armbewegung Richtung Eingangsportal, »… treten Sie bitte ein, meine Damen!«

Es begann ein schreckliches Gedränge hin zum Rathaus, in dem wir Tionnes Zofe aus den Augen verloren.

»Bis nachher! Viel Glück!«, rief ich Tionne zu und wollte aus dem Gewühl fliehen. Aber sie zog mich am Arm mit sich.

»Nur noch bis zum Eingang – bitte, Mayrin!«, bettelte sie. »Lass mich noch nicht allein!«

Ich folgte ihr – innerlich kopfschüttelnd. Diese Hysterie wegen der Prinzen fand ich ein bisschen albern.

Aber je näher wir dem Rathaus kamen, desto mulmiger wurde mir, denn Bewerberinnen, die aus allen Richtungen nachdrängten, schoben mich mit sich. Vom Abschied vor der Treppe konnte keine Rede sein. Ohne Chance auf ein Entkommen wurde ich die Stufen hinaufgedrängt. Verzweifelt versuchte ich, in letzter Sekunde am Eingangsportal zur Seite auszuweichen. Aber ein kräftiger Mann in Uniform hielt mich zurück.

»Dort entlang, Miss«, rief er mir grinsend zu. »Kneifen gilt nicht!«

»Nein! Warten Sie!«, rief ich erschrocken. »Ich bin nicht … Ich darf gar nicht …«

Aber schon schoben mich die Massen ins Innere des Gebäudes. Noch machte ich mir keine Sorgen, denn gewiss würde sich eine Möglichkeit ergeben, das Missverständnis aufzuklären.

Widerwillig folgte ich dem Strom der Mädchen in den großen Saal im ersten Stock des Rathauses. Auch ich bekam vor dem Einlass einen Briefbogen in die Hand gedrückt. Ich winkte ab, aber die Dame mit den Blättern sah mich daraufhin so grimmig an, dass ich nicht wagte, sie weiter zu verärgern.

Im Saal hatte man lange Tischreihen aufgebaut. Wir wurden angewiesen, uns zu setzen und Feder und Tintenfass zu nehmen, die auf den Tischen bereitstanden. Ich schaute mich nach Tionne um, konnte sie aber nicht entdecken.

»Schreiben Sie nun bitte Ihren Namen und Ihr Alter oben auf das Blatt und darunter Ihre besonderen Fähigkeiten. Ganz unten begründen Sie bitte, weshalb die Prinzen gerade Sie auswählen sollten!«

Um mich herum setzte hektische Betriebsamkeit ein. Alle Mädchen bemühten sich, möglichst viel zu schreiben, sicher, um sich gut darzustellen.

Währenddessen sah ich mich weiter nach meiner Freundin um. Ganz am anderen Ende des Saals entdeckte ich sie schließlich dank ihres leuchtend roten Kleides. Ich versuchte, ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, aber sie saß völlig vertieft über ihrem Bewerbungsbogen.

»Hören Sie auf zu winken und beginnen Sie endlich!«, fuhr mich ein uniformierter Mann an, sodass ich zusammenzuckte.

Jetzt erst fiel mir auf, dass mehrere Männer zwischen den Tischen umhergingen und die Bewerberinnen genau beobachteten. Eine böse Vorahnung beschlich mich.

»Hören Sie, das ist alles ein Missverständnis.« Ich schob meinen Stuhl zurück und wollte mich erheben. »Ich will gar nicht hier sein und darf es genau genommen …«

Der Uniformierte schnauzte mich an, was mir denn einfiele, ob ich mich für etwas Besseres hielte, und drückte mich energisch auf den Stuhl zurück.

Verdutzt starrte ich ihn an und begann dann eingeschüchtert, mein Blatt auszufüllen.

Nachdem ich meine Unterschrift auf das Blatt gesetzt hatte, unterstrich ich sicherheitshalber den Satz »Ich möchte mich nicht bewerben« zweimal. Das sollte nun wirklich deutlich genug sein!

»Fertig?«, fragte einer der Uniformierten, die zwischen den Tischreihen hin und her gingen und die Bewerberinnen beobachteten.

»Ja, aber Sie müssen wissen, dass …«

Er ließ mich nicht ausreden, sondern entriss mir mein Blatt und ging weiter. Verflixt, warum hörte mir hier keiner zu?

Erstaunt bemerkte ich, dass die Männer nur bei einigen Mädchen das Blatt nahmen. Bei den meisten ließen sie es einfach liegen. Mir wurde eiskalt.

Au weia!, dachte ich. Treffen die etwa schon eine Vorauswahl?

Abermals versuchte ich, einen Mann anzusprechen und ihn darauf hinzuweisen, dass ich gerne gehen würde, aber niemand beachtete mich.

»Meine Damen, ich weiß, dass Sie alle aufgeregt sind!«, ertönte die laute Stimme des Mannes, der schon vor dem Rathaus gesprochen hatte. »Trotzdem muss ich Sie bitten, nun zu schweigen und den weiteren Ablauf nicht zu stören.«

Als sein drohender Blick mich traf, sank ich verschämt in mich zusammen.

»Folgende Damen kommen jetzt bitte zu mir!« Er warf einen Blick auf das erste Blatt in seiner Hand. »Miss Bernadetta Kennington, Miss Mary Galtrim, …«

Ich musterte die jungen Damen, die zu ihm gingen, und wusste: Das waren die Kandidatinnen. Jede von ihnen war gepflegt und besonders hübsch. Mittlerweile waren es sechs.

Wenn sie aus jeder größeren Stadt des Landes so viele Mädchen wählen, kommt für die Brautschau eine ganz schöne Anzahl von Kandidatinnen zusammen, dachte ich und hörte im selben Moment: »… Miss Tionne Healing …«

Was? Sie war genommen?! Ich stieß einen wenig damenhaften Jubelschrei aus und warf meiner Freundin eine Kusshand zu. »Erobere dir einen Prinzen, Tionne!«

Sie schaute überrascht zu mir hin und strahlte dann über das ganze Gesicht. Der Redner räusperte sich missbilligend und warf mir einen weiteren warnenden Blick zu.

»Wenn wir nun bitte fortfahren könnten …«

Ich bemühte mich wieder um Haltung, freute mich aber unbändig für Tionne. Doch dann schoss mir ein schrecklicher Gedanke durch den Kopf: Wenn sich einer der Prinzen tatsächlich für sie entscheiden sollte, würden wir uns vermutlich nie wiedersehen können. Ich schluckte.

»… und Miss Mayrin Barnaby.«

Ich erstarrte.

»Mayrin Barnaby?«, wiederholte er.

Jetzt wäre der beste Zeitpunkt, um das Missverständnis endgültig aufzuklären oder klammheimlich zu verschwinden. Doch wie gelähmt saß ich da und starrte den Sprecher an.

»He, das sind doch Sie!« Einer der Uniformierten tippte mir von hinten auf die Schulter.

Ich schüttelte den Kopf. Wäre ich doch nur unsichtbar!

»Natürlich sind Sie Miss Barnaby, ich habe Ihren Bogen doch eingesammelt! Stehen Sie schon auf und zieren Sie sich nicht so!«

Hatte denn niemand gelesen, was ich auf mein Blatt geschrieben hatte?!

Verlegen sah ich in die verständnislosen Gesichter um mich herum. Oh, wie peinlich!

Ich sprang auf und flüchtete geradewegs zum Ausgang. »Ich will keinen Prinzen heiraten«, murmelte ich mit hochrotem Kopf.

Doch die Frau, die am Eingang die Blätter verteilt hatte – die mit dem bösen Blick –, ergriff meinen Arm und führte mich zu den sieben Kandidatinnen. Der Gesichtsausdruck, mit dem sie mich jetzt bedachte, war noch finsterer.

»Bitte! Ich …«

»Machen Sie hier nicht so einen Aufstand! Wir haben nicht ewig Zeit!« Sie hielt mich fest, als ich mich weiterhin sträubte.

»Hören Sie, ich bin …«

»Wir haben jetzt schon siebzehn Städte hinter uns, und jedes Mal ist so eine Querulantin wie Sie dabei! Das ist doch nicht zu fassen! Wenn es nach mir ginge, würde ich Sie einfach hier lassen.«

»Ja, bitte! Das alles ist ein Irrtum!«

Doch sie ignorierte meine Worte und redete einfach weiter: »Drei Städte pro Tag! So geht das schon die ganze Woche. Sogar morgen, am Sonntag, müssen wir noch in einer Stadt nach Möchtegern-Prinzessinnen Ausschau halten!«

Ich klappte meinen Mund wieder zu. Keine Chance.

Sie schob mich neben die anderen Mädchen, die mich abfällig, ja fast feindselig musterten. Aber dann entdeckte ich Tionne.

»Mayrin!« Sie streckte die Hand nach mir aus und zog mich mit einem breiten Lächeln neben sich.

Der Redner sah an meiner schlichten dunklen Kleidung herunter und warf dem Uniformierten neben sich einen fragenden Blick zu. Der zuckte nur die Schultern.

»Bitte, folgen Sie mir, meine Damen!«

»Kannst du denen nicht sagen, dass ich hier nur aus Versehen bin?«, fragte ich Tionne flehend. »Auf mich hört niemand!«