Freitag, 29. April

Noch eine wirklich absolut definitiv letzte Sache.

Heute habe ich endlich ein Rätsel gelöst, das mich jahrelang umgetrieben hat. Ich habe nie eine auch nur annähernd befriedigende Antwort auf die folgende Frage bekommen: WARUM HAT SICH LEONARD THYNN UNSERE KATZE AUSGELIEHEN?

Wo immer ich hinkomme, wollen die Leute, die mein erstes Buch gelesen haben, von mir wissen, warum Leonard eines Tages zu uns kam und uns bat, ihm unsere Katze zu leihen.

Heute nun beschloss ich, ihm endlich die Wahrheit zu entlocken. Setzte ihn an unseren Küchentisch und fragte ihn rundheraus: »Leonard, weißt du noch, wie du dir einmal unsere Katze ausgeliehen hast?«

Beunruhigter Blick. »Ja.«

»Warum hast du das eigentlich gemacht?«

»Willst du die Wahrheit hören?«

»Ja, die Wahrheit.«

»Also, ich hatte nie ein eigenes Haustier, und – «

»Die Wahrheit, Leonard!«

»Die Wahrheit?«

»Die Wahrheit.«

»Ich hatte dieses Tonbandgerät, und – «

»Leonard!«

Pause – dann mit ganz dünner Stimme: »Mir waren die Vorwände ausgegangen, vorbeizukommen, Adrian …«

Muss unbedingt »kleistogam« im Lexikon nachschlagen.

ENDE

ADRIAN PIASS

Die rastlosen Reisen

des frommen Chaoten

ADRIAN PIASS

Die rastlosen Reisen
des frommen Chaoten

Aus den Englischen von Christian Rendel

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Copyright

Montag, 31. Januar

Dienstag, 1. Februar

Mittwoch, 2. Februar

Donnerstag, 3. Februar

Freitag, 4. Februar

Samstag, 5. Februar

Sonntag, 6. Februar

Montag, 7. Februar

Dienstag, 8. Februar

Mittwoch, 9. Februar

Donnerstag, 10. Februar

Freitag, 11. Februar

Samstag, 12. Februar

Sonntag, 13. Februar

Montag, 14. Februar

Dienstag, 15. Februar

Mittwoch, 16. Februar

Donnerstag, 17. Februar

Freitag, 18. Februar

Samstag, 19. Februar

Sonntag, 20. Februar

Montag, 21. Februar

Dienstag, 22. Februar

Mittwoch, 23. Februar

Donnerstag, 24. Februar

Freitag, 25. Februar

Samstag, 26. Februar

Sonntag, 27. Februar

Montag, 28. Februar

Dienstag, 1. März

Mittwoch, 2. März

Donnerstag, 3. März

Freitag, 4. März

Montag, 7. März

Dienstag, 8. März

Mittwoch, 9. März

Donnerstag, 10. März

Freitag, 11. März

Samstag, 12. März

Sonntag, 13. März

Montag, 14. März

Dienstag, 15. März

Mittwoch, 16. März

Donnerstag, 17. März

Freitag, 18. März

Samstag, 19. März

Sonntag, 20. März

Montag, 21. März

Dienstag, 22. März

Mittwoch, 23. März

Donnerstag, 24. März

Freitag, 25. März

Samstag, 26. März

Freitag, 1. April

Samstag, 2. April

Sonntag, 3. April

Montag, 4. April

Dienstag, 5. April

Mittwoch, 6. April

Donnerstag, 7. April

Freitag, 8. April

Samstag, 9. April

Sonntag, 10. April

Montag, 11. April

Dienstag, 12. April

Mittwoch, 13. April

Donnerstag, 14. April

Freitag, 15. April

Samstag, 16. April

Sonntag, 17. April

Montag, 18. April

Dienstag, 19. April

Mittwoch, 20. April

Donnerstag, 21. April

Freitag, 22. April

Samstag, 23. April

Ostersonntag, 24. April

Montag, 25. April

Dienstag, 26. April

Mittwoch, 27. April

Donnerstag, 28. April

Freitag, 29. April

Montag, 31. Januar

War gestern im Gottesdienst während der Predigt etwas abgelenkt. Sehr intelligenter Gastredner. So intelligent, dass ich nicht die leiseste Ahnung hatte, wovon er sprach.

Gegen Anfang seiner Ansprache sagte er plötzlich sehr laut:

»Wer wird sich erheben und das Missfallen des Herrn an Gemeinden bezeugen, die unbußfertig kleistogam sind?«

Richard Cook, der neben mir saß, sprang auf und rief: »Ja, Herr, wir weisen diese kleistogamen Tendenzen in unserer Gemeinde zurück, und wir stellen uns ihnen entgegen!«

Als er sich wieder setzte, beugte ich mich zu ihm hinüber und flüsterte ihm ins Ohr: »Was bedeutet kleistogam?«

Er flüsterte zurück: »Keine Ahnung.« Ehrlich!

Während der Redner weiterleierte, beschloss ich, wieder ein Tagebuch zu beginnen, nur für eine Weile, um einige meiner Erfahrungen in meiner Rolle als christlicher Redner aufzeichnen zu können. Jede Menge Einladungen für die nächsten drei Monate, und da ich vor dem Ende des Finanzjahres noch massenweise Urlaub zu verbrauchen habe, werde ich eine ganze Menge davon annehmen können.

Unglaublich, wie das alles ins Rollen gekommen ist. Es fing damit an, dass ich von örtlichen Gemeinden eingeladen wurde, Auszüge aus den Sachen vorzulesen, die ich geschrieben hatte, doch in den letzten zwei Jahren bin ich kreuz und quer durchs ganze Land gekommen. Inzwischen mache ich nicht nur Lesungen, sondern sage auch etwas. Anne sagt, es hört sich ganz gut an, solange ich die Wahrheit sage, aber wenn nicht, klinge ich wie ein aufgeblasener Trottel – ich glaube, so hat sie sich ausgedrückt. Sie hat eine ganz besonders subtile Gabe der Ermutigung.

Kaum zu glauben, dass meine drei Bücher über die Leute aus unserer Gemeinde von so vielen Leuten gelesen worden sind. Bin froh, dass Gerald mich überredet hat, mein erstes Tagebuch an einen Verleger zu schicken, obwohl ich ein wenig schockiert war, als ich feststellte, dass das Buch, das eigentlich eine ernsthafte, hilfreiche Darstellung des Christseins im Alltag hätte sein sollen, von Kritikern als »beißende Satire über die moderne Gemeinde« bezeichnet wurde. Etwas ärgerlich auch, einige meiner wichtigen geistlichen Einsichten als »lächerliche moderne religiöse Einstellungen, urkomisch karikiert« etikettiert zu sehen.

Aber wenn die Leute sagen, es sei beißende Satire, dann ist es das vielleicht auch. Zumindest habe ich den Kniff jetzt heraus – ich brauche nur ernsthaft zu schreiben, und die Leute brüllen vor Lachen. Ich hoffe wirklich, dass dieses Buch schließlich als eine Art ernsthaftes Handbuch für christliche Redner benutzt werden wird, aber nachdem ich erlebt habe, was mit dem ersten passiert ist, würde es mich nicht wundern, wenn es einmal als wichtiger Beitrag auf dem Gebiet der Begonienzucht gelten würde.

Wir werden sehen …

Muss im Lexikon nachsehen, was »kleistogam« ist …

Dienstag, 1. Februar

Habe heute Morgen beschlossen, dass ich auch eine dieser Unterstützergruppen haben sollte, die viele andere christliche Redner haben. Je mehr ich darüber nachdachte, desto besser gefiel mir die Vorstellung. Ich als Gottes auserwähltes Werkzeug, eindrucksvoll und ummantelt mit Vollmacht in der Öffentlichkeit, doch zurückhaltend und voll sanfter Freundlichkeit im Privatleben, wo ich mich in demütiger Unterordnung den Diensten, den Ratschlägen und der Kritik, einer kleinen Gruppe von Leuten öffnen würde, die es als ein Vorrecht empfänden und stolz darauf wären, an dem teilzuhaben, was Gott durch mich täte.

Erwähnte die Idee beim Frühstück gegenüber Anne und Gerald.

»Die Sache ist die«, sagte ich, »dass ich mich ihrem Rat und ihrer Kritik unterordnen würde und ihnen gegenüber gewissermaßen rechenschaftspflichtig wäre und … äh … so.«

Anne ließ mitten im Toastbrotschmieren das Messer sinken, lachte kurz auf und sagte: »Aber du kannst doch Kritik nicht ausstehen, Schatz. Das war schon immer so. Du kriegst Wutanfälle, sobald jemand irgendetwas sagt, das auch nur entfernt nach Kritik klingt – stimmt’s nicht, Gerald?«

»Mama hat recht, Papa«, sagte Gerald. »Kritik ist eines von den Dingen, bei denen kleine Schaumfleckchen in deinen Mundwinkeln auftauchen.«

War völlig entsetzt über diese Reaktion auf meine Idee. »Ich kann Kritik sehr wohl ausstehen, Anne – ich habe noch nie im Leben einen solchen Unsinn gehört! Wie kannst du nur so etwas sagen? Mir ist das Herz eines Dieners gegeben.«

Gerald sagte: »Dann hat dein Organismus wohl das Transplantat abgestoßen, Papa.«

Ignorierte ihn.

»Und ich kriege auch keine ›Wutanfälle‹. Das klingt ja, als wäre ich – als wäre ich ein kleines Kind, dem gesagt wird, dass es keinen Bonbon mehr kriegt. Bitte nehmt zur Kenntnis, dass Gott in mir mächtig gearbeitet hat, was den Bereich Kritik angeht. Offen gesagt, ihr könntet gar nicht falscher liegen, selbst wenn ihr es darauf anlegen würdet.«

An dieser Stelle brachen beide in Gelächter aus, aus Gründen, die mir völlig unverständlich waren. Gerald war so mit Kichern beschäftigt, dass er gar nicht merkte, dass seine Haarspitzen in der Marmelade hingen. Das tröstete mich etwas.

Als sie sich wieder erholt hatte, sagte Anne: »Tut mir leid, Adrian, ich bin sicher, dass Gott mächtig in dir gearbeitet hat, es ist nur – «

»Dass es noch nicht offenbar geworden ist.«

»Nein, Gerald, bitte nicht – das wollte ich nicht sagen. Was ich sagen wollte«, fuhr Anne in ihrem vernünftigen Tonfall fort, »war, dass du dich wirklich verändert hast. Du hast ganz recht. Du bist dir jetzt viel mehr der Probleme und Fehler bei dir selbst bewusst, die du in der Vergangenheit überhaupt nicht bemerkt hast. Aber seien wir ehrlich, Schatz, es fällt dir immer noch nicht leicht – nun ja, dir anzuhören, was andere Leute darüber zu sagen haben, stimmt’s? Es ist sicherlich sehr nützlich und beeindruckend, wenn du vor großen Sälen voller Leute stehst und erzählst, dass du keine besonders großartige Person bist, aber schließlich hast du vollkommen in der Hand, was die Leute in so einer Situation über dich wissen dürfen, nicht wahr? Die halten dich sogar für umso toller, weil du so offen über deine Fehler redest, also gewinnst du so oder so, oder? Und das ist prima, solange du ein bisschen Kritik von Leuten wie uns vertragen kannst, die dir nahe stehen und sich nicht so leicht beeindrucken lassen.«

Sie beugte sich herüber und ergriff meine Hand. »Es tut mir leid, Schatz. Gerald und ich hätten eben nicht so über dich lachen sollen. Es war nur so witzig, dass du einen Wutanfall kriegtest, als ich dich dafür kritisierte, dass du jedes Mal einen Wutanfall kriegst, wenn jemand dich kritisiert. So war es doch, oder nicht? Adrian, du siehst doch, worauf ich hinauswill, nicht wahr?«

Vorübergehend gelähmt durch die Schlacht, die in mir tobte. Wollte nicht beleidigt oder wütend wirken, weil die beiden das sicher wieder als Unfähigkeit, Kritik anzunehmen, interpretiert hätten, wollte aber auch nichts sagen, da ich wusste, dass es beleidigt oder wütend klingen würde, denn so fühlte ich mich im Moment nun einmal. Brachte eine Art hölzerne Nickbewegung mit glasigem Blick zu Stande.

»Falls es dir etwas hilft, Papa«, sagte Gerald, der inzwischen etwas auf die Rückseite eines Briefumschlages gekritzelt hatte, »hier ist ein kleines Gedicht zum Thema:

Frei bekenn’ ich meine Sünden,

denn Gott gewährt mir Gnade,

doch hältst du mir die Fehler vor,

polier’ ich dir die Fassade.

Trifft das ungefähr den Kern?«

Konnte mir das Lachen nicht verkneifen. Anne ging frischen Kaffee aufsetzen.

Ich sagte: »Dann findet ihr die Idee mit der Unterstützergruppe also nicht gut?«

»O doch«, sagte Anne, »ich finde die Idee hervorragend, solange du dich wirklich angreifbar zeigst und sie nicht nur als Mittel gebrauchst, um – nun ja, um deinen Status als ›Star‹ zu betonen und zu genießen. Aber das willst du ja nicht, oder?«

Klingt ja, als wäre ich Robbie Williams.

»O nein … nein, das wäre schrecklich. Das fände ich absolut grauenhaft …«

»Und du willst doch sicherlich auch nicht die Zeit der anderen verschwenden, nicht wahr? Weißt du was? Warum bittest du nicht Edwin, eine Gruppe für dich zusammenzustellen? Er weiß am besten, welche Leute er darum bitten kann.«

»Ach«, sagte ich, »ich hatte eigentlich eher gedacht, ich würde mir aussuchen, wer dazukommt.«

»Genau«, sagten Anne und Gerald im Chor.

Dankte Gott widerwillig, aber aufrichtig für meine Familie, bevor ich heute Abend zu Bett ging.

Wüsste gern, ob Norma Twill in meiner Unterstützergruppe sein wird. Eigentlich aus keinem besonderen Grund. Wüsste es nur gern, weil sie – nun, weil sie sehr … äh … nett ist.

Mittwoch, 2. Februar

Zwei Uhr nachmittags.

Habe gerade mit Everett Glander zu Mittag gegessen, der sich immer noch nicht bekehrt hat, obwohl er doch nun schon seit zehn Jahren Kontakt zu mir hat – dem großen reisenden Evangelisten!

Werde allmählich ziemlich nervös. Wenn ich es nicht schaffe, die Person zu bekehren, die seit einem Jahrzehnt neben mir sitzt, wie soll ich dann bei irgendjemand anderem etwas bewirken? Was bilde ich mir eigentlich ein? Ich meine, ich fühle mich nicht einmal wie jemand, von dem man sich vorstellen könnte, dass Gott ihn gebraucht, um mit Menschen zu kommunizieren. Und was bringt mich auf den Gedanken, dass eine Gruppe vielbeschäftigter Leute ihre Zeit damit verschwenden würde, mich zu unterstützen, wenn sie selbst wichtige Dinge zu tun haben? Und warum sollte Gott überhaupt wollen, dass ich, ausgerechnet ich, hingehe und ihn repräsentiere? Angenommen, er will eigentlich gar nicht, dass ich ihn repräsentiere, aber meine Ohren sind vom Satan verstopft worden. Was ist, wenn der Teufel mich um den Finger gewickelt hat? Angenommen, ich wäre ein aktiver Handlanger des Bösen, ohne es zu merken. Was ist, wenn ich der Antichrist bin? Was ist, wenn ich tatsächlich das Tier aus der Offenbarung bin, dazu bestimmt, für alle Ewigkeit in den Feuersee geworfen zu werden?

Beunruhigt mich ein bisschen, der Gedanke.

23.30 Uhr.

Habe Gerald gezeigt, was ich im Büro geschrieben habe, als er heute Abend heimkam. Er las es und sagte: »Ja, sehr ausgewogener Gedankengang, Papa, wie üblich. Meinst du nicht, du hast dich da vielleicht ein kleines bisschen hineingesteigert? Wenn die Engel dereinst gemächlich durch die Stadt aus Gold schlendern und ihr Tier mit Pommes genießen, eingewickelt in alte Heukelbach-Traktate, kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, dass du es bist, den sie da verzehren.«

Sagte ihm, dass ich eigentlich selbst nicht glaube, was ich da geschrieben habe – es käme mir nur sozusagen etwas albern vor, mir einzubilden, dass Gott mich »aussendet«. Er nickte sehr nachdenklich und sagte, er werde die Angelegenheit gründlich überdenken.

Weiß nicht, was mit Gerald im Moment los ist. Bin nicht sicher, ob wir uns Sorgen um ihn machen sollten oder nicht. Er hat seinen Job hingeschmissen und ist wieder bei uns eingezogen. Schön, ihn hier zu haben, aber was ist los? Im Moment lebt er von seinen Ersparnissen und sagt, er habe eine große Entscheidung zu treffen. Anne und ich ertappen uns ständig dabei, dass wir nervös hinter ihm herschleichen, als ob er jeden Augenblick explodieren könnte. Ständig macht er lange Spaziergänge oder arbeitet stundenlang an seinem Computer oder sitzt einfach still in seinem Zimmer.

Er sagt, er würde gerne mitkommen, wenn ich losziehe, um meine Ansprachen zu halten. Gutes Zeichen – oder?

Sicher.

Donnerstag, 3. Februar

Habe heute frei genommen, um einige wichtige Vorbereitungen zu treffen.

Kam spät herunter und stellte fest, dass Gerald bereits zu einem seiner Marathon-Spaziergänge aufgebrochen war. Fand einen Umschlag auf dem Küchentisch, der schlicht an »666« adressiert war. Finde ich überhaupt nicht amüsant. Drinnen waren vier beschriebene Blätter. Das erste las sich folgendermaßen:

Lieber Spielball Satans,

habe über das nachgedacht, was du gestern gesagt hast, und bin zu dem Schluss gekommen, dass du dir keine Sorgen zu machen brauchst, solange du nicht tatsächlich anfängst, dich für jemanden zu halten, auf dessen Mitarbeit zu verzichten Gott sich gar nicht leisten könnte. Er hat schon immer Idioten gebraucht – tut mir leid, ich meine damit nicht, dass du ein Idiot bist. – Du weißt schon, wie ich das meine. Was ich sagen will, ist: Es gibt keine besonderen Leute, nur gewöhnliche. Wenn er meint, dass du ihm von Nutzen sein kannst, dann ist das sein Problem, nicht deines. Ich dachte mir, dich interessiert vielleicht der beigelegte Abschnitt aus der Bibel, den ich ein wenig umgeschrieben habe. Ich glaube eigentlich nicht, dass es damals anders war. Gewöhnliche Leute – etwas anderes gibt es nicht.

Alles Liebe,

der Sohn des Tieres.

Machte mir einen Kaffee, setzte mich an den Küchentisch und faltete die drei Blätter auseinander, die mit dem Brief im Umschlag gewesen waren. Habe Geralds »umgeschriebenen Bibelabschnitt« hier abgeschrieben. Was wohl Gott davon hält? Ich habe so ein komisches Gefühl, als ob er für Gerald die Regeln ein bisschen großzügiger auslegt …

»Nach diesem aber bestellte der Herr auch siebzig andere und sandte sie zu je zwei vor seinem Angesicht her in jede Stadt und jeden Ort, wohin er selbst kommen wollte. Er sprach aber zu ihnen: ›Die Ernte zwar ist groß, der Arbeiter aber sind wenige. Bittet nun den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter aussende in seine Ernte. Gehet hin! Siehe, ich sende euch wie Lämmer mitten unter die Wölfe. Traget weder Börse noch Tasche noch Sandalen, und grüßet niemand auf dem Weg.‹

Und siehe, einer von den siebzig erhebt seine Hand und fraget: ›Wenn du ›Sandalen‹ sagst, Herr, sollen wir das als allgemeinen Oberbegriff für alle Arten von Fußbekleidung verstehen, oder geht es dir insbesondere um Sandalen. Ich frage nur, sintemal ich ein außerordentlich schönes Paar Wanderschuhe besitze, ideal für Leute, die umherwandern, wie du es uns wahrlich befiehlst.‹

Bevor der Herr antworten konnte, fällt ihm ein anderer ins Wort und spricht: ›Herr, ich habe deine Worte vernommen, aber siehe, die Haut unter meinen Füßen und auch unter den Füßen meines Freundes Fidybus – dessen, der mit mir zusammen eine Zweiergruppe bildet, sintemal wir über längere Zeit gut miteinander auskommen und das schon immer so war, seit wir als Knaben zusammen spielten … äh, mir entfällt, was ich sagen wollte …‹

Jesus spricht müde: ›Etwas über die Haut unter deinen Füßen und denen deines Freundes Fidybus?‹

›Ah, wahrlich, ja, jetzt kommt es mir wieder. Die Haut unter meinen Füßen ist ebenso wie die unter den Füßen meines Freundes Fidybus, denn sie wird auf steinigem Boden bald wund und empfindlich. Und uns kommt der Gedanke, dass der Anblick zweier Männer, die einander stützen und langsam und unter Schmerzen einherhumpeln und ›Uh!‹ und ›Ah!‹ und ›Au!‹ machen, wann immer einer von ihnen einen Fuß auf die Erde setzt, diejenigen in den Städten und Orten, in die du uns sendest, zum Spott veranlassen könnte, wenn wir die Botschaft verkündigen, dass der Sohn Gottes naht. ›Wie müssen erst seine Füße aussehen, wenn er noch nicht einmal mit diesen beiden Clowns Schritt halten kann!‹ werden sie höhnen. Dürfen wir daher, Meister, um deinen Segen für den Einfall bitten, Lumpen um jeden meiner Füße und jeden der Füße meines Freundes Fidybus zu wickeln? Schließlich fallen Lumpen keineswegs unter die Wörterbuchdefinition von Sandalen, stimmst du uns nicht zu?‹

Und siehe, ein wahrliches Babel fußbekleidungsbezogener Anfragen erfüllt die Luft, und Jesus erhebt seine Hand und spricht: ›Moment mal! Lasst mich die Sache klarer ausdrücken. Keine Sandalen bedeutet nichts an den Füßen, ja? Nichts! Weder Wanderstiefel noch Lumpen noch Tennisschuhe noch Skateboards noch irgendetwas, das ich im weitesten Sinne des Wortes als Sandale auslegen könnte. Habt ihr das alle verstanden? Gut. Und nun, macht euch auf zu je zwei, und – ‹

›Äh, entschuldige, Herr.‹

›Ja, Thomas?‹

›Wegen deines Befehls, dass wir zu je zwei gehen sollen.‹

›Ja?‹

›Äh, niemand will mit Thribbiel gehen.‹

Und der Herr fragt: ›Nun, und warum will niemand mit Thribbiel gehen? Er sieht doch ganz verträglich aus.‹

›Er ist ein bisschen merkwürdig, Herr.‹

›Nun, wir sind alle ein bisschen merkwürdig, oder nicht? Wie auch immer, ich organisiere es immer so, dass wir eine gerade Anzahl ergeben. Mit wem gehst du, Thomas?‹

Thomas erwidert traurig: ›Mit mir will auch niemand gehen, Herr. Schon in der Grundschule hat mich nie jemand ausgewählt.‹

›Nun, könnte es nicht sein, dass Thribbiel mit dir gehen will?‹

›Ich bezweifle es.‹

›Nun, dann fragen wir ihn doch einfach, was meinst du? Thribbiel, möchtest du Thomas begleiten?‹

›Ja, Herr, aber könntest du ihn bitten, dass er sich ein bisschen weniger negativ benimmt? Er kann einen so richtig ›runterziehen‹.‹

›Thomas, kannst du das tun?‹

›Ich bezweifle es, aber wahrlich, ich werde es versuchen.‹

›Gut‹, spricht der Herr, ›und nun können wir vielleicht endlich weitermachen. Macht euch auf zu je zwei, und – ‹

›Befiehl Thribbiel, dass er nicht so viele Witze macht, Herr. Es liegt wenig Sinn darin, dass ich positiver bin, wenn er nicht einmal versucht – ‹

›Macht das unter euch aus!‹ spricht der Herr. ›Wahrlich, diese ganze Angelegenheit wirkt eher wie ein Kindergartenpicknick denn wie ein Auftrag, das Reich Gottes zu errichten.‹ Er hält inne, um sich zu sammeln. ›Also, ich wiederhole meinen Befehl, dass ihr euch zu je zwei aufmacht, weder Beutel noch Tasche noch Sandalen tragt und unterwegs niemanden grüßt. Und jetzt geht!‹

Doch sofort erhebt einer der Siebzig seine Hand, um den Herrn zu fragen, ob er ein kleines rosa Handtuch mitnehmen dürfe, und sofort fangen alle wieder von vorne an. Einer erkundigt sich bezüglich seines Kulturbeutels, der genau in eine kleine Tasche passt, die ihm seine Mutter extra in sein Gewand genäht hat, ein anderer fleht, ihm möge ein kleines Stofftier gestattet sein, ohne welches er sich nachts nicht sicher fühlt, und wieder ein anderer wünscht für den Fall, dass er den Herrn selbst unterwegs trifft, zu wissen, ob der Befehl, niemanden zu grüßen, auch für diesen Fall gilt, bis sich, siehe, ein großer Lärm törichter Fragen erhebt.

Da ruft der Herr laut nach Ruhe und spricht: ›Hört mal, ich glaube, wir haben den Sinn dieser Reise noch nicht ganz begriffen, nicht wahr? Es geht nicht darum, dass ihr alle möglichen Sachen in euer Gepäck schmuggelt und euch darauf herausredet, dass Stofftiere nicht durch die Duden-Definition von Sandalen abgedeckt sind, sondern darum, dass ihr von mir abhängig seid! Versteht ihr das? Kein Beutel, keine Tasche, keine Sandalen, kein Teddybär, keine Visakarte – geht einfach!‹ Darauf senkt sich ein langes Schweigen herab, und gerade als Jesus schon glaubt, sie seien jetzt tatsächlich zum Aufbruch bereit, erhebt sich eine ängstliche Hand.

Jesus betrachtet den Besitzer der Hand mit zusammengekniffenen Augen. ›Ja?‹

›Äh, wegen deines Befehls, dass wir keine Börse mitnehmen sollen, Herr?‹

›Ja‹

›Nun, äh, um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, was eine Börse ist, Herr, und, nun ja, es macht mir Sorgen, dass ich, äh, eine Börse mitnehmen könnte, ohne zu wissen, dass ich sie habe. Also dachte ich mir …‹

Als sie das hören, spotten die anderen neunundsechzig laut, lachen und rufen: ›Ha! Du Depp! Weißt du nicht, was eine Börse ist? Das weiß doch jedes Kind. Was für ein Trottel!‹ Da knirscht Jesus mit den Zähnen und spricht: ›Also schön, wer kann uns sagen, was eine Börse ist?‹

Und siehe, das Lachen verfliegt von den Gesichtern der neunundsechzig. Einer wagt eine Vermutung, eine Börse habe etwas mit Aktien zu tun.

Jesus schüttelt den Kopf und spricht: ›Also schön, wie viele wissen nicht, was eine Börse ist?‹

Alle siebzig erheben ihre Hände.

Jesus stößt einen kleinen Seufzer aus, lächelt vor sich hin und spricht: ›Na gut, setzt euch wieder hin. Ich fange noch einmal von vorne an …‹«

Freitag, 4. Februar

Was Gerald gestern gesagt hat, hat mich sehr aufgeheitert und inspiriert. Er hat absolut recht! Ich bin qualifiziert, für Gott zu sprechen, gerade weil ich nur ein ganz gewöhnlicher Nachfolger bin. Bilde mir ein, dass ich diese Tatsache jetzt mehr zu schätzen weiß als die meisten Leute. Ich brenne regelrecht für den Herrn! Kann es kaum erwarten, morgen zu einer Veranstaltung bei »Reginalds und Eileens Nachmittagstee-Club« in West Hammerton zu fahren, einem Dorf hier in der Nähe. Diese Leute haben mich eigens gebeten zu kommen. Sie freuen sich darauf, und ich werde ihnen nicht durch meine dummen Sorgen um mich selbst die Freude oder den Zugang zu geistlichen Dingen vermiesen.

Halleluja!

Samstag, 5. Februar

Kam um halb drei mit Gerald im Gemeindehaus in West Hammerton an, reichlich rechtzeitig für meinen Vortrag, der für drei Uhr angesetzt war. Ging in die Halle mit meinem schüchternen Ja-ich-bin’s-Leute-aber-ich-bin-auch-nicht-andersals-ihr-Ausdruck auf dem Gesicht. Hätte mir die Mühe sparen können. Es schien sowieso niemand zu merken, wer ich war.

Als wir eintraten, kam ein elegant gekleideter, ziemlich alter Mann mit steif militärischer, aber schon etwas unsicherer Haltung auf uns zu, der sich als Mr. B. Granger vorstellte, Sekretär von Reginalds und Eileens Nachmittagstee-Club. Sagte, die Person, die mich eingeladen habe, könne leider nicht kommen, weil sie inzwischen verstorben sei (eine erbärmlich lahme Ausrede, wie Gerald später bemerkte), sodass er eigentlich nicht so recht wisse, was hier eigentlich laufe.

Erschwerend komme hinzu, erklärte er mit seiner altersdumpfen, bellenden Stimme, dass ich die Alternative zu jemandem sei, der, soweit ich es verstehen konnte, nicht hatte an die Stelle eines Mannes treten können, der nicht als Ersatz für eine Frau hatte kommen können, die abgesagt hatte, einen wunderbaren Menschen namens Mr. A. Whittle zu vertreten, der ein Experte über »West Hammerton in alter Zeit« war und dessen Erscheinen (nebst dem seiner Dias) eigentlich der allgemeine Wunsch gewesen wäre.

Ob ich auch Dias mitgebracht hätte? Nein, weniger. – Oh.

Auf eine Frage von Gerald hin erklärte Mr. B. Granger, dass

»Reginalds und Eileens Nachmittagstee-Club« seinen Namen der Tatsache verdanke, dass er vor vielen Jahren von zwei Leuten namens Reginald und Eileen ins Leben gerufen worden war, die inzwischen ebenfalls verstorben waren.

Gerald nickte verständnisvoll.

Die meisten der etwa zwanzig älteren Leute, die in Viereroder Fünfergruppen an den kleinen Tischen saßen, starrten mich an, als ich Mr. B. Granger zu der Stelle folgte, wo ein Mikrofon gestanden hätte, wenn sie eines besessen hätten.

Sie hassen mich, dachte ich, weil ich nicht Mr. A. Whittle bin und weil ich keine Dias habe.

Mr. B. Granger blickte verstohlen auf ein kleines Stück Papier, das er in der Handfläche verborgen hielt, und räusperte sich gebieterisch.

Er sagte: »Also, fangen wir an, meine Damen und Herren. Zuerst die Bekanntmachungen.« Pause. »Es gibt keine. Hat irgendein Mitglied vor der Vorstellung des Referenten etwas bekanntzugeben?«

Eine uralte, weißhaarige kleine Dame, von der Last der Jahre gebeugt, hebelte sich von ihrem Stuhl hoch und machte sich entschlossen auf den verschlungenen Weg nach vorne, von wo sie sich mit zittrig aggressiver Stimme an die Versammlung wandte.

»Ich wollte nur sagen, dass ich seit zwanzig Jahren alle sechs Club-Tischtücher mit nach Hause genommen und gewaschen habe und nicht bereit bin, das noch weiter zu tun. Es ist an der Zeit, dass mal jemand anderes an die Reihe kommt.«

»Worin genau besteht diese Aufgabe, Mrs. Lazenby?«, erkundigte sich Mr. B. Granger in ernstem, dienstbeflissenem Tonfall.

»Man muss einmal im Jahr alle sechs Tischtücher mit nach Hause nehmen und waschen«, sagte Mrs. Lazenby ziemlich erwartungsgemäß. »Aber das mache ich jetzt schon seit zwanzig Jahren, und ich glaube, ich habe meinen Teil getan. Es ist an der Zeit, dass auch mal jemand anderes drankommt. Ich bin nicht bereit, es noch weiterhin zu tun. Ich habe es zwanzig Jahre lang gemacht, und ich glaube, das reicht. Nun kann jemand anderes – «

»Mrs. Lazenby hat es zwanzig Jahre lang gemacht«, unterbrach Mr. B. Granger, der offenbar merkte, dass die ständige Wiederholung dieser Beschwerde Mrs. Lazenby enorme Befriedigung verschaffte und dass sie vermutlich bis in alle Ewigkeit fortfahren würde, ihren Standpunkt deutlich zu machen, wenn niemand sie aufhielt, »und ich glaube, sie hat ihren Teil getan. Es ist an der Zeit, dass jemand anderes an die Reihe kommt, denn sie ist nicht bereit, es auch weiterhin zu tun.« Er räusperte sich noch einmal. »Ich möchte im Namen aller Mrs. Lazenby unseren Dank und unsere Anerkennung für die Arbeit ausdrücken, die sie während der letzten zwanzig Jahre bezüglich der Tischtücher auf sich genommen hat. Drücken wir ihr wie üblich unsere Wertschätzung aus, wenn sie sich nun von dem Posten zurückzieht, auf dem sie uns so großartige Dienste geleistet hat, und das seit – «

»Zwanzig Jahren«, ergänzte Mrs. Lazenby genussvoll, »und ich bin nicht bereit – «

»Vielleicht möchte sich nach dem Vortrag, wenn die Erfrischungen gereicht werden, eine Freiwillige – oder ein Freiwilliger« – Heiterkeit an den Tischen – »melden. Nochmals vielen Dank, Mrs. Lazenby, für Ihre unschätzbaren Bemühungen um unseren Club.«

Mrs. Lazenby trat, begleitet von unverhohlen lustlosem Applaus, widerstrebend, aber triumphierend den verschlungenen Rückweg zu ihrem Tisch an, wo sie sofort mit ihren zwei unmittelbaren Sitznachbarn eine heftig geflüsterte Diskussion über die Tatsache begann, dass sie es zwanzig Jahre lang gemacht habe und nicht bereit sei, es noch weiterhin zu tun …

»Schön«, hakte Mr. B. Granger die »Bekanntmachungen« auf seinem kleinen Zettel ab, »kommen wir zu unserem Referenten. Und wir schätzen uns in der Tat sehr glücklich, heute Mr. E. Bass hier begrüßen zu dürfen, einen sehr beliebten örtlichen Laienprediger.«

(Das einzig Zutreffende an dieser Vorstellung waren die Geografie und das Geschlecht, was, wie Gerald später bemerkte, nicht viel nützt, falls man kein reisender Gynäkologe ist.)

»Mr. Bass’ Vortrag, dem wir alle mit … äh … mit großer Vorfreude entgegensehen, trägt den Titel« – ein kurzes Schielen auf den Zettel – »trägt den Titel ›Lesungen aus dem Tagebuch eines frohen Choristen‹ und wird uns bis zum Tee um fünfzehn Uhr fünfunddreißig beschäftigen. Es gibt keine Dias. Vielen Dank, Mr. Bass.«

Die einzige Person in jenem Raum, mich selbst eingeschlossen, der meine dialosen »Lesungen aus dem Tagebuch eines frohen Choristen« Spaß machten, war Gerald, der natürlich jeden Augenblick auskostete. Der Rest meines Publikums starrte mich entweder mit unverhohlener Verwirrung oder schwerhöriger Verständnislosigkeit an, während ich mich, die Oberlippe unangenehm an den Zähnen klebend, durch eine halbe Stunde völlig ungeeigneten Materials quälte, das nicht das leiseste Schimmern eines Lächelns hervorzurufen vermochte. Genauso gut hätte ich versuchen können, Pflanzen mit Sand zu gießen.

Auch nicht gerade hilfreich war die Tatsache, dass ungefähr zehn Minuten vor dem Ende des Vortrags zwei Damen an unterschiedlichen Tischen sich wie durch Zauberei in exakt demselben Moment erhoben und in der Küche verschwanden, wo sie die nächsten zehn Minuten damit verbrachten, mit allem möglichen Zeug herumzuklappern und zu klirren und zu scheppern und sich dabei so laut zu unterhalten, dass sie einander über ihr eigenes Geklapper und Geklirr und Geschepper hinweg verstehen konnten.

War hinterher total ausgelaugt. Als Mr. B. Granger dazu einlud, Fragen zu stellen, meldete sich nur ein Zuhörer.

War ich bekannt mit Mr. A. Whittle, der einen Vortrag mit höchst interessanten Dias aus dem alten West Hammerton hielt? Nein, leider war ich nicht bekannt mit Mr. A. Whittle, der einen Vortrag mit höchst interessanten Dias aus dem alten West Hammerton hielt.

Diese Information schien jedem weiteren Interesse den Garaus zu machen. Verspürte den starken Wunsch, Mr. A. Whittle den Garaus zu machen und ihn mitsamt seinen Dias zu Reginald und Eileen zu befördern.

Hatte meinen Tee dringend nötig. Gerald kam mit den alten Leuten prächtig zurecht. Brachte sie zum Lachen und verwickelte sie in lockere Plaudereien. Wünschte, er hätte den Vortrag gehalten. Ich will nie wieder einen halten – niemals.

Die Versammlung endete mit dem Absingen des Clubliedes, angeleitet von einem Klavier in der Ecke, dessen Tastatur ebenso lückenhaft zu sein schien wie das Gebiss des alten Herrn, der es mit zittriger Großtuerei bearbeitete. Der Text des Liedes, das mit großer Inbrunst zweimal gesungen wurde, lautete folgendermaßen:

Reginald und Eileen sind nicht mehr unter uns,

denn hingerafft hat sie der Tod vor langer Zeit,

doch tut’s uns auch weh, wir treffen uns zum Tee,

und alle Welt ist Zeuge uns’rer Fröhlichkeit.

Gerald fuhr uns nach Hause. Ich saß jämmerlich da, mein im Voraus geschriebenes Dankeskärtchen (»Wir alle wissen die neuen Einsichten in die Arbeit unserer Chöre, die Sie uns heute Nachmittag vermittelt haben, sehr zu schätzen«) und meinen Fünf-Pfund-Schein in der Hand umklammert, und fragte mich, wie ich es anstellen konnte, alle weiteren Termine abzusagen. Auf dem ganzen Heimweg produzierte Gerald, der immer noch das Bedürfnis hat, jeden Witz bis zur bitteren Neige auszuweiden, deprimierend akkurate Imitationen von Mr. B. Granger, wie er sagte: »Mr. E. Bass, ein sehr beliebter örtlicher Laienprediger, dessen Vortrag den Titel ›Lesungen aus dem Tagebuch eines frohen Choristen‹ trägt.«

Anne und Thynn, der auf eine Tasse Tee vorbeigekommen war, lachten Tränen, als Gerald ihnen von meinem albtraumhaften Erlebnis erzählte.

Vielleicht sollte meine Unterstützergruppe aus chronisch Depressiven bestehen; dann könnten die wenigstens zweimal im Monat auf meine Kosten herzhaft lachen.

Der arme alte Leonard ist immer noch etwas angeschlagen seit dem Tod seiner Mutter. Doch wie er heute abend sagte, kann sie jetzt unter all den himmlischen Wesen wenigstens verstehen, was die anderen sagen. Was Leonard gegen Ende ihres Lebens zur Raserei brachte, war, dass sie sich weigerte, ein Hörgerät zu tragen, weil sie ihrer Meinung nach nicht schwerhörig war, sondern nur nicht verstehen konnte, was die Leute sagten.

Wir bekommen L. T. zurzeit ziemlich häufig zu sehen.

Sonntag, 6. Februar

Habe heute in der Gemeinde ein paar Worte mit Gott gewechselt. Bat ihn um irgendetwas, das mir hilft, die ganze Sache mit den Vorträgen wieder positiver zu sehen. Ich scheine viel zu leicht das Selbstvertrauen zu verlieren.

Als ich mit den anderen herauskam, blickte ich auf und sah eine Wolke, die genau wie Südamerika aussah. Fragte mich, ob das vielleicht »das Zeichen« wäre. Wies Richard Cook auf die Wolke hin.

Ich sagte: »Siehst du die Wolke dort, die genau wie Südamerika aussieht? Meinst du, das könnte ein Zeichen sein?«

Er sagte: »Ja, könnte sein, nur ist das nicht Südamerika. Sie hat genau die gleiche Form wie Italien. Das ist erstaunlich! Gott ruft dich nach Italien.«

Dachte mir, ich höre lieber mal, was die anderen denken. Gerald meinte, seiner Ansicht nach sei es der indische Subkontinent.

Anne (die besonders den Westen Englands liebt) sagte, es sei ganz bestimmt die Lizard-Halbinsel in Cornwall.

George Farmer wusste, dass es nur Grönland sein könnte, was, wie er sagte, eine Bestätigung für das sei, was er schon seit jeher über mich dachte.

Thynn sagte, es sei eine Karotte, und vertrat die Ansicht, ich sei berufen, denen zu dienen, die mit Wurzelgemüse arbeiten.

Kam schließlich zu dem Schluss, dass die Wolke doch nicht das Zeichen war, nach dem ich Ausschau hielt, es sei denn, Gott erwartet von mir, dass ich den größten Teil unseres Planeten bekehre, nicht zu vergessen diejenigen, die mit Wurzelgemüse arbeiten. Ich meine, Gott hat die Welt erschaffen, oder nicht? Dann müsste er doch auch in der Lage sein, ein Stück davon akkurat zu zeichnen, wenn er will.

Montag, 7. Februar

Die Wolken haben sich geteilt! Wenn ich auch sagen muss, dass es reichlich lange gedauert hat …

Erwachte in finsterer Stimmung.

Gerald, der sich bereiterklärt hat, als mein unbezahlter Teilzeitsekretär zu agieren, solange er zu Hause ist, überreichte mir heute Morgen den folgenden Brief. Er sei mit der ersten Post gekommen, sagte er. War ziemlich aufgeregt, als ich zu lesen begann. Darin stand Folgendes:

Sehr geehrter Mr. Plass,
Grüße im Namen dessen, der uns bevollmächtigt.