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Bestell-Nr. 226.441

ISBN 978-3-417-22693-5 (E-Book)

ISBN 978-3-417-26441-8 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:

CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

© 2011 SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG

Bodenborn 43 · 58452 Witten

Internet: www.scm-brockhaus.de | E-Mail: info@scm-brockhaus.de

Die zitierten Bibeltexte sind folgenden Übersetzungen entnommen:

Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer

Rechtschreibung, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. (LUT)

Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002 und 2006

SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten. (NLB)

Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift,

© 1980 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart. (EIN)

Gute Nachricht Bibel, revidierte Fassung,

durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung,

© 2000 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. (GNB)

Umschlaggestaltung: Guido Apel, Bamberg

Satz: Provinzglück GmbH | www.provinzglueck.com

Titelbild: Mike Kiev/Fotolia

Illustrationen: Ivan Steiger, München

Inhalt

Vorwort

Barths Rat

Päpstliches Panier

Churchills Schule

Buschs Bonmot

Die Lektion des Freiherrn

Clemenceaus Ernüchterung

Springers Beharrlichkeit

Fords Erkenntnis

Twains Notiz

Balfours Gelassenheit

Cromwells Credo

Alexanders Maß

Luthers Lot

Die Kennedy-Formel

Das Picasso-Prinzip

Adenauers Kleingunst

Das Beispiel der Schwäbischen Pfarrfrau

Das Augustinus-Axiom

Die Maxime des Professors

Delps Vertrauen

Morgensterns Wunsch

Enzensbergers Einsicht

Die Allen-Doktrin

Coolidges Verweis

Das Gesetz des Seeräubers

Churchills Ethos

Käßmanns Haltung

Der Kompass des Bürgermeisters

Claires Bedauern

Jesu Einspruch

Anmerkungen

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VORWORT

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Der Schweizer Theologe Hans Urs von Balthasar hat einmal einen interessanten Satz gesagt: „Anstatt unser Leben lang auf außergewöhnliche Menschen zu warten, ist es besser, die Gewöhnlichen um uns herum zum Außergewöhnlichen zu befähigen.“

„In der Tat: Bis in die feinsten Verästelungen unseres Alltags hinein sind wir auf den Superlativ und das Besondere fixiert. Indes, wir verlieren dabei allzu oft das Menschliche aus den Augen. Und als würde das allein nicht schwer genug wiegen, verlernen wir in der verzweifelten und so oft ergebnislos bleibenden Suche nach dem „Außergewöhnlichen“ zugleich, die Gegenwart Gottes wie die Schönheit des Irdischen gerade im Gewöhnlichen zu sehen.“

Genau darum aber geht’s. Denn das, was wir heute als außergewöhnlich betrachten, kann morgen schon wieder eingeholt sein. Jeder Rekord wird irgendwann eingestellt. Jeder von uns findet irgendwann seinen Meister. Wer täglich im Sternerestaurant speist, sehnt sich irgendwann wieder nach einem Teller von Mutters Linsensuppe. Irgendwann ist auch das Außergewöhnlichste etwas ziemlich Gewöhnliches.

Wie gut, wie tröstend ist es da, dass Gott offenbar gar nicht das Außergewöhnliche von uns fordert. Sondern dass wir in seiner Gnade stehen, weil wir seine Geschöpfe sind. Unabhängig von dem, was wir leisten! Rabbi Sussja soll – an sein Ende kommend – gesagt haben: „In der kommenden Welt wird man mich nicht fragen: Warum bist du nicht Mose gewesen? Man wird mich fragen: Warum bist du nicht Sussja gewesen?“ Genau das ist der Punkt: Wir sollen mehr wir selbst sein.

Aber heißt das, dass wir deshalb unser Bemühen einstellen sollen? Gewiss nicht. Die folgenden Geschichten lenken den Blick auf das Gewöhnliche, das Alltägliche, hinter dem – wie so oft – das Besondere verborgen ist. Darin erweist sich Gottes Gegenwart. Und es kommt darauf an, sich dieser Gegenwart auch im eigenen Leben nicht zu verschließen – sie anzunehmen und sich von ihr leiten zu lassen. Im Alltäglichen und Gewöhnlichen. Heute und morgen.

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Anstatt unser Leben lang auf außergewöhnliche Menschen zu warten, ist es besser, die Gewöhnlichen um uns herum zum Außergewöhnlichen zu befähigen.

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BARTHS RAT

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Von Karl Barth wird erzählt, dass er einmal einem jungen, ehrgeizigen Mann den Rat gegeben habe, seine Standhaftigkeit zwar beizubehalten – aber doch zu lernen, dass die Wahrheit nur dann wahr sei, wenn sie auch gut gesagt werde.

Damals gab es noch keine Handbücher für Manager. Hätte es sie gegeben und hätte Barth mit seiner Empfehlung darin Aufnahme finden wollen: Er hätte wahrscheinlich in den Zynismus flüchten müssen. Denn was wir heute in allen erdenklichen Schattierungen und Formulierungen als Empfehlung für junge Führungskräfte serviert bekommen, liest sich in aller Regel doch eher so: dass wahre Überzeugungskraft sich darin beweise, sein Gegenüber so schnell wie möglich über den Tisch zu ziehen – zumindest aber so schnell, dass die dabei entstehende Reibungswärme als Nestwärme empfunden werde.

Der Unterschied zwischen diesen zwei Sätzen, Niemand möchte ein
überrumpeltes, hintergangenes
Objekt der Anwendung
perfekt beherrschter
Führungstechnik sein.
die auf den ersten Blick vielleicht einiges gemeinsam haben oder doch entfernt verwandt erscheinen, könnte größer nicht sein. Gewiss, beide zielen darauf, wie Unangenehmes, Schweres sich vermitteln lässt. Und doch liegen Welten zwischen jenem Vorgesetzten, der allein am Erfolg orientiert bleibt. Der schnell fertig ist mit einer Sache. Und noch viel schneller mit dem Menschen gegenüber. Der nicht nach den menschlichen Kollateralschäden fragt.

Nichts verbindet eine solche Führungskraft mit jener, die gänzlich andere Maßstäbe anlegt. Die dem Streben nach Erfolg den Menschen zur Seite stellt – auf Augenhöhe. Der es nicht darum geht, nur ein Gefühl, einen Eindruck, einen Anschein zu vermitteln. Sondern die sicher sein möchte: Ihr Gegenüber weiß, dass das Gesagte auch das Gemeinte ist. Ihr Gegenüber weiß, dass es nicht ein überrumpeltes, hinter-gangenes Objekt der Anwendung scheinbar perfekt beherrschter Führungstechnik geworden ist.

Barth also geht es damit um die Haltung, mit der wir dem anderen begegnen: dass es Güte bedarf, um Verständnis zu bekommen. Dass Warmherzigkeit nötig ist, um eine Seele nicht zu drücken und zu knechten. Dass die Person, der Mensch in den Blick genommen werden muss – und nicht nur die Sache. Barth fordert eine zutiefst christliche Haltung ein. Er knüpft die Wahrheit daran, dass im Gegenüber kein Gegner gesehen wird – sondern immer auch und zuerst der Bruder oder die Schwester. Ein Geschöpf Gottes also, dessen es unwürdig ist, über den Tisch gezogen zu werden. Und dessen Würde missachtet, wer sich in keiner Weise Gedanken darüber macht, wie eine Botschaft bei ihm ankommen wird.

Franz Kamphaus, der Limburger Altbischof, „Herr, lehre mich ein
Nein sagen, das wie
ein Ja schmeckt.“
hat Barths Rat in unsere Zeit gesprochen – und dabei keine Anleihen in der Management-Literatur unserer Tage machen müssen. Kamphaus hat seine Worte in ein Gebet gekleidet: „Herr, lehre mich ein Nein sagen, das wie ein Ja schmeckt.“

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Die Wahrheit ist nur wahr, wenn sie gut gesagt wird!

Karl Barth (18861968)

Pfarrer und Theologe

Der Schweizer Karl Barth hat mit seinem Werk das Rückgrat der gegen den Nationalsozialismus aufstehenden Bekennenden Kirche formuliert. Er verband diese Theologie mit jenem politischen Anspruch, der Christengemeinde und Bürgergemeinde darin verbunden wusste, dass beide – bei aller Unterschiedenheit – den Menschen und das Leben in den Blick nehmen.

Barth war zeitlebens von einem tiefen und tiefsinnigen Humor geprägt. Auf die Frage beispielsweise, ob wir denn im Himmel unsere Lieben wiedersehen würden, soll er geantwortet haben: „Ja, gewiss!“ Und nach kurzem Überlegen fügte er dann augenzwinkernd hinzu: „Aber die anderen auch!“

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PÄPSTLICHES PANIER

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August Bebel wurde „Arbeiterkaiser“ genannt. Weil er mit Herz und Seele Sozialist war. Aber: Bebel leitete auch einen kleinen mittelständischen Betrieb, um sich – wie er freimütig zugab – die für die politische Arbeit notwendige Unabhängigkeit zu sichern. Bebel war also auch Unternehmer. Und als solcher soll er kurz vor der Jahrhundertwende auch einmal das preußische und das österreichische Rechtssystem verglichen haben. Mit einem beeindruckenden Ergebnis: „In Österreich hat man schlechte Gesetze, aber man wendet sie lau an. Bei uns sind sie besser – aber man wendet sie so an, dass sie schlechter werden als die schlechtesten in Österreich. Uns fehlt eben die österreichische Schlamperei.“

In die Sprache des betrieblichen Alltags übersetzt: Wie viele Unternehmen
könnten auf eine zufriedenere
Belegschaft blicken, ließen sie es
gelegentlich etwas
„österreichischer“ zugehen?
Wie viele Unternehmen könnten auf eine zufriedenere Belegschaft blicken, würden vielleicht sogar bessere Bilanzen aufweisen, wenn sie den Mitarbeitern nicht nur nach Maßgabe von Recht und Gesetz begegneten – sondern es gelegentlich etwas „österreichischer“ zugehen ließen? Wenn sie zur rechten Zeit mal ein Auge zudrückten. Fünfe gerade sein ließen. Etwas großzügiger, gelassener wären.

Und um wie viel besser könnte ein Gemeinwesen sein, das etwas weniger vermessen wäre. Das nicht meint, jeden noch so individuellen Fall in Paragrafen pressen zu müssen – in der trügerischen Hoffnung, damit einen menschlicheren Staat zu befördern. Um wie viel humaner könnte unser Miteinander sein, wenn der Verstaatlichung des Menschen Grenzen gezogen würden?

„Der Buchstabe tötet – der Geist aber macht lebendig“, schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth. Bebel wird den Völkerapostel wohl gekannt haben. Er wird ihm vielleicht sogar recht gegeben haben. Und es ist überaus interessant, sich Paulus und Bebel im Zwiegespräch vorzustellen: in dem der eine ein wenig „Schludrigkeit“ einfordert, der andere Barmherzigkeit – und beide letztlich das Gleiche meinen. In dem der eine etwas mehr Gelassenheit und Gleichgültigkeit will, der andere von einer Idee redet, die beseelt – und beide letztlich gar nicht über Kreuz liegen. In dem der eine vom höheren Nutzen der Oberflächlichkeit spricht, der andere von Mitgefühl und Nächstenliebe – und beide allein den Menschen mit seinen Schwächen, mit seinen Bedürfnissen im Blick haben. Weil beide letztlich wissen, dass eine allzu orthodoxe Unternehmensführung nicht automatisch Erfolg bringt. Weil Großmut und Langmut sich in einer ganz anderen Art und Weise rentieren, ganz anders verzinst werden.

Papst Johannes XXIII. Eine allzu harte
Unternehmensführung bringt
nicht automatisch Erfolg.
hat diese Erkenntnis mit nur wenigen Worten auf den Begriff zu bringen vermocht, als er seinen eigenen Führungsstil einmal charakterisieren sollte: „Alles sehen, vieles durchgehen lassen, weniges anmahnen .“

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Alles sehen, vieles durchgehen lassen, weniges anmahnen.

Johannes XXIII. (18811963)

Geboren als Angelo Guiseppe Roncalli; Papst von 1958 bis 1963

Als „der gute Papst“ ist Johannes XXIII. in die Geschichte eingegangen – als der Papst, der die Öffnung der katholischen Kirche wie kein Zweiter beförderte. Und der wohl auch wie kein anderer Papst vor ihm um Versöhnung nicht nur innerhalb der Christenheit bemüht war, sondern auch die Aussöhnung mit dem Judentum suchte. Noch kurz vor seinem Tod formulierte er: „Wir erkennen heute, dass viele Jahrhunderte der Blindheit unsere Augen verhüllt haben, sodass wir die Schönheit Deines auserwählten Volkes nicht mehr sehen und in seinem Gesicht nicht mehr die Züge unseres erstgeborenen Bruders wiedererkennen. Wir erkennen, dass ein Kainsmal auf unserer Stirn steht. Im Laufe der Jahrhunderte hat unser Bruder Abel in dem Blute gelegen, das wir vergossen, und er hat Tränen geweint, die wir verursacht haben, weil wir Deine Liebe vergaßen. Vergib uns den Fluch, den wir zu Unrecht an den Namen der Juden hefteten. Vergib uns, dass wir Dich in ihrem Fleische zum zweiten Mal ans Kreuz schlugen. Denn wir wussten nicht, was wir taten.“

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CHURCHILLS SCHULE

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Vor einigen Jahren wurde die Chaos-Theorie populär. Jeder, der etwas auf sich hielt, führte sie im Munde – meist mit einer recht einfachen Formulierung: dass der Flügelschlag eines Schmetterlings in Lateinamerika einen Wirbelsturm im Pazifik auslösen könne, der bis nach Europa spürbar sei.

Heute wissen wir: Wer bei großen Fragen meint, auf ein kleines Insekt verweisen zu müssen, der dürfte in aller Regel zweierlei im Sinn haben: Im besten Fall geht es ihm darum, auf intellektuell reizvolle Weise zu belegen, dass die Welt eine ziemlich komplizierte Sache ist, in der alles mit allem zusammenhängt. Und im weniger guten Fall hält die Chaos-Theorie als Legitimation dafür her, dass es eigentlich ziemlich überflüssig ist, sich Gedanken über die Folgen des eigenen Verhaltens zu machen. Schließlich kann ohnehin niemand vorhersagen, wie sich dieses Verhalten auswirkt.

Und in der Tat: Die Chaos-Theorie lieferte und liefert vielen und immer wieder das perfekte Alibi für verantwortungsloses Handeln. Die Chaos-Theorie lieferte
und liefert vielen und immer
wieder das perfekte Alibi für
verantwortungsloses Handeln.
Wo Ursache und Wirkung nicht mehr eindeutig voneinander abhängen, wo sie nicht mehr zuzuordnen sind, da ergibt es keinen Sinn, sich über Wirkungen Gedanken zu machen oder über Ursachen. „Anything goes“ lautete entsprechend das Credo einer ganzen Generation, die „Toleranz“ predigte und sich an der Beliebigkeit ein ums andere Mal berauschte.