Über dieses Buch

Jacqueline Straub fühlt sich berufen, katholische Priesterin zu werden. So will sie den Menschen neuen Mut zum Glauben und zum Wiederaufbau der Kirche machen. Leidenschaftlich schreibt die junge Theologin von Einwänden und Widerständen gegen ihre Berufung, über ihre Erfahrungen und ihre Vorstellungen vom Glauben und der kirchlichen Zukunft.

Über die Autorin

Jacqueline Straub, geboren 1990, studierte von 2010 bis 2016 katholische Theologie in Freiburg i. Br. und Fribourg und schloss mit dem Master an der Universität Luzern ab. Obwohl sie nicht aus einem religiösen Elternhaus stammt, fand sie als Jugendliche durch Freunde zum Glauben an Gott. Seither fühlt sie sich zur römisch-katholischen Priesterin berufen und setzt sich auch in der medialen Öffentlichkeit für mehr Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Kirche ein. Bekannt ist Jacqueline Straub unter anderem aus dem ZDF-Film »Jesus und die verschwundenen Frauen« (2013).

Mehr Infos unter www.jacqueline-straub.de

Kapitel I

Stationen des Glaubens

Das Kirchenjahr prägte

»Ich glaube« – dies sind die ersten zwei Worte des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, das im 3. und 4. Jahrhundert entstanden ist. Mit diesen zwei ausdrucksstarken Worten möchte ich beginnen.

So glaube ich daran, dass sich ohne Waffengewalt und ohne Hassparolen etwas ändern kann. Allein mit der Revolution des Herzens. Aber vor allem glaube ich an Gott und an die katholische Kirche. Der Glaube an Gott ist in der pluralistischen westlichen Welt nichts Spektakuläres, aber auch nichts Alltägliches.

Mein Glaube hat sich nur sehr langsam entwickelt. Ich ging in einen katholischen Kindergarten – eine Zeit, die ich nicht besonders positiv in Erinnerung habe. Während der gesamten Schulzeit besuchte ich den Religionsunterricht. Heute weiß ich, dass die Kindergarten- und die Grundschulzeit mich durchaus christlich geprägt haben. Auf fast allen von mir gemalten Bildern aus dieser Zeit sind christliche Symbole zu sehen: Fische, Kreuze und kleine Kirchen. Doch inhaltlich kann ich mich an wenig Gutes oder Beeindruckendes erinnern.

Der Glaube spielte in meiner Familie keine Rolle. Zwar wurde der Alltag durch die Feste des katholischen Kirchenjahrs geprägt, aber das wirkte sich auf die religiöse Erziehung kaum aus. Tisch- und Nachtgebete wurden – soweit ich mich erinnern kann – nicht praktiziert.

In meiner Kindheit habe ich etliche Kirchen besichtigt. Aber nicht etwa sonntags zum Gottesdienst. Nein. Mein Onkel war Kunsthistoriker und nahm mich zu Kirchen- und Klosterbesichtigungen mit. Er war es, der mein Interesse für Geschichte, Kunst und auch Theologie früh zu wecken verstand. Ich kann mich noch gut an die Adventszeit erinnern, als wir sämtliche Krippenausstellungen der Umgebung besuchten. Meine heutige Liebe zur Kirchenkunst habe ich ihm zu verdanken.

Ein Schritt in Richtung »Gemeinschaft mit Gott« – die Erstkommunion

Ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen. Dort war es ganz normal, dass alle Kinder der dritten Klasse zur Erstkommunion gingen. So auch ich. Zusammen mit vier weiteren Kindern wurde ich im Erstkommunionunterricht, der jeden Monat von einer anderen Mutter abgehalten wurde, auf das große Ereignis vorbereitet. Die Vorbereitungsstunden sind mir noch sehr präsent. Es gab passend zum Motto der Erstkommunion ein Arbeitsbuch, das wir schrittweise durcharbeiteten. Dazu bastelten, malten wir und backten Brot. Auch im Religionsunterricht erfuhren wir viel über die Erstkommunion und wurden auf die erste Beichte vorbereitet, vor der ich große Angst hatte, weil der Pfarrer sehr streng war. Aber so richtig wusste ich damals nicht, weshalb ich das Ganze machte.

Zusammen mit meinen Klassenkameraden ging ich an einem Freitagnachmittag zur Beichte. Es war quälend. Danach betete ich zur Buße drei »Vaterunser«, wie es mir der Pfarrer aufgegeben hatte. Erleichtert verließ ich die Kirche – nicht, weil ich mich nach der Beichte besser gefühlt hätte, sondern weil ich froh war, das Gespräch mit dem Pfarrer hinter mir zu haben. Damit am Tag der Erstkommunion auch nichts schiefging, probten wir Kinder schon Wochen zuvor mit dem Pfarrer den Ablauf des Gottesdienstes. Ich bemühte mich, alles richtig zu machen, da ich nicht vom Pfarrer getadelt werden wollte.

Und dann war es endlich so weit: Das Fest, das zu einem wichtigen Schritt meines Christseins werden sollte, stand vor der Tür. Als neunjähriges Kind war mir dies damals zwar kaum bewusst, aber ich bin mir sicher, dass diese erste Kommunion, die ich am Weißen Sonntag des Jahres 2000 erhielt, neben meiner Taufe ein weiterer Grundstein für das Aufblühen meiner Liebe zu Christus und zu seiner Kirche war. Die heilige Kommunion verstärkte meine Zugehörigkeit zur Kirche und vor allem den Glauben an Jesus Christus. Heute kann ich erkennen, dass die Erstkommunion ein wichtiges Ereignis in meinem Leben als Christin war, obwohl ich damals froh war, nach dem Gottesdienst die Kutte ausziehen und endlich mit meiner Familie das Fest feiern zu können.

Ministrantin? Nein danke!

Nach der Erstkommunion war es üblich, Ministrantin zu werden. Doch das wollte ich nicht. Schon meine Schwester hatte sich geweigert, beim Dorfpfarrer zu ministrieren. Ich tat es ihr gleich und merkte schon nach kürzester Zeit, dass dies die richtige Entscheidung war. Ich fragte mich immer wieder: Warum sollte ich mir das Leid antun, jede Woche bei diesem Pfarrer zu ministrieren, da ich ja schon die Grundschulgottesdienste, die einmal im Monat stattfanden, als Hölle auf Erden empfand. Für mich gab es nichts Schlimmeres als diesen einen Freitag im Monat. Eine Stunde stillsitzen, und es war nicht einmal erlaubt, dabei die schöne Kirchenbemalung anzuschauen. Sobald ich den Kopf hob und die Augen zur Decke richtete, zischte der Dorfpfarrer meinen Namen laut durch die Kirche. Er war, wie erwähnt, sehr streng und ist mir heute als bedrohlich in Erinnerung, jemand, der auch gut in einen mittelalterlichen Schauerroman gepasst hätte. Ich habe mich in dieser Pfarrgemeinde nie wohlgefühlt und bin deswegen auch nie zur Kirche gegangen. Selbst an Weihnachten – beim einzigen Gottesdienstbesuch der Familie im Jahr – gingen wir in eine andere Gemeinde.

Meine Mutter zwang uns nie, zur Kirche zu gehen. Meine Großmutter drängte mich zwar öfter, mit ihr mitzukommen. Aber meine Schwester und ich widersetzten uns weitestgehend erfolgreich. Wenige Male war ich mit der Oma im Gottesdienst. Wir saßen in der letzten Reihe – sogar noch hinter den eigentlichen Kirchenbänken – und ich bekam nichts vom Geschehen mit. Im Liederbuch durfte ich auch nicht blättern und war wieder bloß zum Stillsitzen verdammt. Wie froh war ich, als diese eine Stunde vorbei und ich wieder in die Freiheit entlassen war. Diese wenigen Stunden, die ich als Kind im Gottesdienst verbracht habe, waren wohl die längsten und unangenehmsten meiner Kindheit.

Alle meine Klassenkameraden wurden Ministranten, ob sie es wollten oder nicht. Da ich die Einzige in der ganzen Klasse war, die nicht dem Pfarrer am Altar diente, musste ich den Spott der anderen Kinder ertragen. Schon nach kurzer Zeit hörten sie jedoch auf, mich deswegen zu hänseln, da sie selbst keine Lust mehr auf den Ministrantendienst hatten. Gleichwohl mussten sie weiterhin ministrieren. Ich glaube, wenn ich bei diesem Pfarrer Ministrantin geworden wäre, wäre ich mit zwölf Jahren, wie es in der Gemeinde üblich war, frustriert aus dem Ministrantendienst ausgetreten und hätte der Kirche von da an die kalte Schulter gezeigt. Vermutlich wäre ich niemals mehr in einen Gottesdienst gegangen und hätte die Vielfalt der Kirche nie kennengelernt. Ich bin froh, dass ich erst Ministrantin wurde, als ich mündig war und aus voller Überzeugung dienen wollte.

Glauben? Ich weiß nicht genau …

Meine Großmutter war eine sehr fromme Frau. Sie betete täglich den Rosenkranz, ging jeden Sonntag in den Gottesdienst und las viel in der Bibel. Mich beeindruckte das als Kind nicht wirklich. Für mich spielte Gott keine sonderlich große Rolle. Ich lebte vor mich hin und freute mich besonders auf die Adventszeit und auf die Ostertage. Ich war wie viele andere Kinder getauft, ging zur Erstkommunion, aber sonst hatte ich mit der Kirche nicht viel am Hut. Den Religionsunterricht fand ich zwar immer ganz nett; ich passte dort wie in jedem anderen Fach gut auf und hatte sehr gute Noten. Aber überzeugend wirkte er in den ersten Jahren des Gymnasiums auf mich nicht.

In meiner Gymnasialzeit gab es jeweils am Schuljahresbeginn und vor den großen Ferien einen Gottesdienst. Bis zur achten Klasse habe ich diese Gottesdienste immer geschwänzt. Ich sah gar keinen Grund, warum ich wieder in der Kirche stillsitzen sollte. Das war in meinen Augen vergeudete Zeit. Ich empfand den Gottesdienst als überflüssig und schlenderte währenddessen lieber mit meinen Freunden durch die Stadt.

Die Entscheidung

Das christliche Jugendlager

Wegen eines Umzugs in eine Kleinstadt kam ich in die Kirchengemeinde, die später zu meiner spirituellen Heimat wurde. Ich lebte von nun an in der Stadt und musste auch die Schule wechseln. Dort lernte ich meinen ersten Freund und meine damalige beste Freundin kennen, die ebenfalls neu in der Schulklasse war. Diesen beiden habe ich meinen Glauben zu verdanken. Innerhalb kürzester Zeit hatte ich zwei Menschen um mich, die bereits im Glauben standen und in einer christlichen Gemeinschaft waren. Meine Freundin gehörte einer freikirchlichen Gemeinschaft an, mein damaliger Freund der katholischen Kirche. Beide eröffneten mir eine neue Welt, eine Welt mit Gott. Während des ersten Schuljahres in meiner neuen Heimat ging ich einige Male mit meinem damaligen Freund in die katholische Kirche. Ich sah etwas Neues: einen Pfarrer, der durch seine Predigt die Menschen bewegen konnte. Ich nahm eine Botschaft aus dem Gottesdienst mit, die mich dazu brachte, mich mit Gott auseinanderzusetzen.