Fürstenkrone – 111 – Das verleugnete Fürstenkind

Fürstenkrone
– 111–

Das verleugnete Fürstenkind

Kann sich Sandra aus dem Netz der Intrigen befreien?

Corinna Sandberg

Impressum:

Epub-Version © 2016 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

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Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74092-680-9

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»Was bedrückt dich, Sandra?« fragte der hochgewachsene blonde Mann. »Du bist so verändert.«

Die junge Frau im apfelgrünen Sommerkleid machte eine hilflose Geste. Tränen stiegen ihr in die Augen.

»Ich bin schwanger, Gunter. Es gibt keinen Zweifel. Der Test war eindeutig.«

Gunter blieb stehen wie vom Donner gerührt. Seine Lippen bebten, dann aber ging ein Strahlen über sein Gesicht. Er faßte Sandras Hände, zog sie an sich und küßte sie.

»Das ist doch kein Grund zum Weinen!« rief er übermütig. »Na­türlich heiraten wir, keine Frage. Ich liebe dich, Sandra, ich werde nie eine andere lieben. Im wievielten Monat bist du?«

»Ende des zweiten. Gunter, ich möchte nicht, daß du denkst, ich hätte dich einfangen wollen. Mit allem habe ich gerechnet, nur nicht mit einem Kind. Ich verstehe es nicht, es muß mit der Pillenpause zusammenhängen. Dabei glaubte ich, an alles gedacht zu haben, schließlich bin ich Ärztin. Was die Heirat betrifft, hast du dir das auch wirklich reiflich überlegt? Du mußt mich nicht heiraten, das ist altmodisch.«

Gunter blieb auf dem einsamen Waldweg stehen. Er hielt Sandras Hand.

»Hiermit mache ich dir in aller Form einen Heiratsantrag. Willst du mir als meine Frau auf Schloß Falkenau folgen?«

»Genau das ist es. Du bist Fürst Gunter von und zu Falkenau, ein Mitglied des Hochadels. Du wohnst auf einem Schloß, verwaltest deine Güter und wirst mit Durchlaucht angeredet. Du bist in der Tradition erzogen, die mir fremd ist. Mein Vater ist ein mittlerer Beamter, meine Mutter war Angestellte. Ich habe Medizin studiert und arbeite als ­Assistenzärztin am Main-Taunus-Krankenhaus. Ich liebe meinen Beruf, ich kann mir nicht vorstellen, als Fürstengattin nur hochvornehm im Salon herumzusitzen. Wie sollen wir zusammenleben? Wie können unsere Kinder aufwachsen?«

Gunter lachte, er sah dabei aus wie ein großer Junge.

»Was heißt hier Kinder? Du erwartest doch wohl keine Zwillinge? Das festzustellen, wäre wohl noch zu früh. Es wird einen Weg geben – wenn wir uns lieben.«

Sie küßten sich, alles um Sandra herum versank. In den Armen dieses Mannes spürte sie, was sie noch bei keinem anderen empfunden hatte. Einen Gleichklang, ein Beben in ihrem Innern.

»Ich nehme deinen Heiratsantrag an«, sagte sie förmlich, als Gunter sie losließ. »Aber…«

»Kein aber. Heute abend spreche ich mit meiner Mutter. Morgen kommst du zum Tee nach Schloß Falkenau. Ich bin sicher, du wirst Fürstin Claudia sehr gefallen.«

Genau da hatte Dr. Sandra Richter ihre Zweifel.

*

Gunter runzelte die Stirn, die Limousine mit der Wiesbadener Nummer, die in der Einfahrt des Schlosses parkte, kannte er. Sie gehörte Edgar von Balsingen, einem Gunter höchst unsympathischen Menschen. Er wußte auch, weshalb der Baron Schloß Falkenau wieder einen Besuch abstattete.

Er warb um die Fürstin, außerdem versuchte er, seine Nichte Marion an den Fürsten zu bringen. Gunter stoppte seinen Wagen vor der Garage, stieg aus und eilte die Freitreppe hinauf ins Schloß. Hubert, der alte Schloßverwalter, erwartete ihn in der Halle.

Hubert war für Schloß Falkenau unersetzlich. Er war außerdem ein eiserner Verfechter der alten Tradition des Fürstengeschlechts.

»Baron Edgar von Balsingen und Baronesse Marion von Balsingen geben sich die Ehre«, meldete er. »Sie finden Ihre Durchlaucht, Fürstin Claudia, und die beiden Besucher auf der Terrasse, Durchlaucht.«

»Seit wann sind sie da?«

»Seit zweieinhalb Stunden.«

Wenn die vielbeschäftigte Fürstin sich am Sonnabendnachmittag so lange ihren Besuchern widmete, hatte das einen Grund. Die Fürstin hätte Baronesse Marion gern als ihre Schwiegertochter gesehen. Gunter zog sich um und eilte auf die Terrasse, wo die drei unter dem Sonnenschirm saßen.

Von der Terrasse aus hatte man einen schönen Ausblick über die Wälder und Berge des Taunus’. Gegenüber, einige Kilometer entfernt, lag die Ruine von Burg Felseneck.

Jahrhundertelang waren sich die Herren von Falkenau und jene von Felseneck wenig sympathisch gewesen.

Einer schimpfte den anderen einen Raubritter und Landfriedensstörer, recht hatten sie alle beide damit. Es gab Fehden, bis die Herren von Felseneck Anfang des 19. Jahrhunderts ausstarben.

Das Geschlecht derer von Falkenau arbeitete hart, damit sein Stammsitz nicht das Schicksal der Burgruine Felseneck teilte.

Gunter küßte seiner Mutter die Hand und begrüßte den Baron und seine Nichte. Fürstin Claudia war eine stattliche Frau Anfang Fünfzig, jeder Zoll eine Aristokratin. Gunter hatte seine Mutter nie anders erlebt als überlegen und selbstsicher. Sie war schön, auch jetzt noch, da sich die ersten grauen Strähnen durch ihr dunkelbraunes Haar zogen.

Die Fürstin ließ sie nicht färben. Ihr Rubinschmuck funkelte auf dem Samtkleid.

Der Baron war schlank und wirkte sehr gepflegt. Er hatte eine weltmännische Art und konnte charmant plaudern. Gunter hielt ihn für aalglatt und verschlagen, ohne das genau begründen zu können.

Baronesse Marion war zweifellos eine Schönheit. Schwarzhaarig, blauäugig, mit einer Figur, die einen Mann zum Träumen bringen konnte. Sie hatte eine nette, natürliche Art, Gunter hätte sich in sie verlieben können, wenn… ja, wenn nicht Sandra Richter gewesen wäre.

»Ich habe Baron Edgar und Baronesse Marion eingeladen, übers Wochenende unser Gast zu sein«, sagte die Fürstin. »Ich hatte dich früher zurückerwartet, Gunter.«

Sie schaute bedeutsam auf die Uhr, aber Gunter gab keine Auskunft, wo er gewesen war. Das Dienstmädchen brachte ein Gedeck für ihn. Die Unterhaltung verfolgte er nur höchst unkonzentriert.

Er bemerkte auch die verliebten Blicke nicht, die ihm Marion zuwarf. Für die Baronesse war Gunter der Mann ihrer Träume. An diesem Wochenende hoffte sie, ihn für sich zu gewinnen.

»Wollt ihr nicht eine Partie Tennis spielen?« fragte die Fürstin. »Oder in den Pool springen? Ich möchte später auch noch ein paar Bahnen schwimmen.«

Gunter zeigte sich wenig begeistert, erhob sich aber und verließ mit Marion die Terrasse. Fürstin Claudia und Baron Edgar blickten ihnen lächelnd nach.

»Sie sind ein schönes Paar«, stellte der Baron fest. »Gunter so groß und stattlich, Marion dagegen zierlich und schwarzhaarig. Wir könnten uns glücklich schätzen, wenn sie Gefallen aneinander finden würden.«

Fürstin Claudia stimmte ihm zu, konnte sich aber nicht verkneifen, noch etwas hinzuzufügen.

»Gunter ist sehr begehrt, schließlich bringt er nicht nur den Fürstentitel mit, sondern auch ein beträchtliches Vermögen. Außerdem ist er Diplom-Ingenieur und ein tüchtiger, charaktervoller Mensch. Er könnte seine Auswahl unter mehreren Prinzessinnen treffen.«

»Die Stimme des Herzens entscheidet, Claudia. Heutzutage ist es leider sogar möglich, daß ein Adeliger eine Bürgerliche heiratet. Eine besser Gattin als Marion könnte Gunter nicht finden. Sie verfügt über gute Bildung und hat ein ausgesprochen heiteres und liebenswürdiges Wesen. Sie ist gesund, standesgemäß erzogen und sie bringt eine stattliche Mitgift.«

»Wir wollen nicht über Geld reden. Auf eine Bürgerliche würde Gunter nie verfallen, dazu kenne ich ihn zu gut. Er weiß, was er seinem Stand schuldig ist. Adel verpflichtet, Edgar, besonders in der heutigen Zeit.«

»Ganz meine Meinung.«

*

Während man versuchte, für ihre Zukunft die Weichen zu stellen, spielten Gunter und Marion auf dem zum Schloß gehörigen Tennisplatz. Den ersten Satz verlor Gunter, weil Marion eine verblüffend gute Rückhand schlug. Im zweiten und dritten nahm er sich zusammen. Er gewann knapp.

»Vorzüglich.« Marion lachte. Der Tennisdreß stand ihr ausgezeichnet, sie war braungebrannt. »Ich spiele nämlich in der Landesliga.«

»Du hast eine Menge Qualitäten. Wollen wir jetzt schwimmen?«

Später, als sie beim Pool auf der Hollywoodschaukel saßen, sagte Marion: »In dieses Schloß und die Umgebung könnte ich mich verlieben. Es ist schön hier. Der Park mit den alten Bäumen wirkt so romantisch und heimelig. Dazu das Schloß, an dem Generationen gebaut haben.«

»Ursprünglich war es eine Ritterburg. Die Falkenaus wurden nach den Bauernkriegen in den Fürstenstand erhoben.«

»Ich kann meine Ahnenreihe bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Wir wurden nach dem Krieg von unserem Besitz im Baltikum vertrieben.«

Gunter kannte seine Ahnen bis ins 12. Jahrhundert. Plötzlich hatte er Angst. In all den Jahrhunderten hatten die Falkenaus standesgemäß geheiratet. Aber sollte er deshalb der Tradition sein Lebensglück opfern? Er beschloß, die Unterredung mit seiner Mutter nicht aufzuschieben, obwohl die Balsingens auf dem Schloß weilten.

Marion merkte, daß sich Gunters Stimmung änderte.

»Was hast du? Langweile ich dich etwa?«

»Nein, nein. Eine angenehmere Gesellschaft könnte ich mir nicht vorstellen.«

»Du bist freundlich zu mir, aber förmlich. Magst du mich nicht?«

Der knappe weiße Bikini betonte Marions hinreißende Figur. Aber Gunter konnte nur an Sandra denken, er war gegen Marions Reize immun. Er hätte Sandra nie mit ihr betrügen können, besonders da sie ein Kind von ihm erwartete.

»Du bist bildhübsch, Marion, und ich mag dich sehr. Als Freund.«

Marion verbarg ihre Enttäuschung. Sie rückte näher an Gunter heran. Er spürte die Wärme ihres Körpers, ihren zarten Duft. Die dunkelbraunen Augen strahlten ihn an. Gunter erhob sich.

»Ich muß ins Haus, es – eh – ich habe ein dringendes geschäftliches Gespräch zu führen. Wir sehen uns zum Dinner.«

Er ging eilig weg. Marion schaute ihm nach, bis er im Schloß verschwand. Wie kann er sich nur so benehmen, fragte sie sich, spürte er denn nicht, was ich für ihn empfinde? Männer zeigten manchmal merkwürdige Reaktionen und waren in Herzensdingen hölzern und schwerfällig.

Marion tröstete sich. Sie würde dafür sorgen, daß Gunter sich ihr noch vor der Abreise erklärte. Er konnte ihr nicht immer ausweichen.

*

»Warum wolltest du mich unbedingt sprechen?« fragte Fürstin Claudia. »Es ist unhöflich, unsere Gäste allein zu lassen.«

Gunter hatte seine Mutter in die Bibliothek gebeten. Das Dinner war vorüber, der Baron und Marion warteten im Salon des Siebzig-Zimmer-Schlosses. Durchs Fenster der Bibliothek sah man die untergehende Sonne und das Abendrot.

Gunter eröffnete seiner Mutter ohne Umschweife, wie es zwischen ihm und Sandra stand.

»Ich habe sie für morgen nachmittag eingeladen«, schloß er.

Volle drei Minuten lang herrschte Schweigen. Die Miene der Fürstin wurde immer eisiger.

»Ich wußte, daß du ein Verhältnis hast«, sagte sie schließlich. »Aber ich hätte nie gedacht, daß du dich soweit vergessen würdest. Dieses Mädchen ist keine Partie für dich, ich bin überzeugt davon, daß sie mit Absicht schwanger geworden ist, um dich einzufangen. Das passiert einer Ärztin nicht, wenn sie es nicht will.«

»Da bin ich anderer Ansicht.«

»Sei es, wie es sei, jedenfalls kannst du sie nicht heiraten. Das ist völlig ausgeschlossen.«

Gunter wollte verzweifeln. Seine Mutter reagierte noch abweisender, als er es sich vorgestellt hatte. Er sprach von anderen Adeligen, die Bürgerliche geheiratet hatten, vom König von Schweden.

»Die Feudalherrschaft besteht seit langem nicht mehr, die Adels­privilegien wurden 1919 per Gesetz abgeschafft. Mein Titel ist im Grunde genommen nur noch ein Bestandteil meines Namens.«

»Er ist mehr! Er verkörpert eine Tradition und Lebensanschauung. Du bist als Fürst der Repräsentant derer von Falkenau, du stehst für das Geschlecht und die Ahnenreihe, für das Schloß, die Porzellanmanu­fakturen, die 1.500 Hektar Boden. Du bist nicht nur eine Person, sondern auch eine Institution, die von Gott selbst eingesetzt wurde.«

»Werde nicht pathetisch, Mutter! Ich bin ein Mensch wie jeder andere auch. Ich liebe Sandra und will sie so schnell wie möglich heiraten. Wirst du sie morgen auf dem Schloß empfangen oder nicht?«

»Auf gar keinen Fall. Wenn das Fräulein Richter…«

»Fräulein Dr. Richter, Mutter.«

»Das ändert nichts. Wenn sie dir den Kopf verdreht hat, ist das schlimm genug. Ich will sie nicht sehen, daran wird sich nichts ändern. Wenn du sie einlädst, kann ich dich nicht hindern, du bist der Fürst und seit deiner Volljährigkeit das Oberhaupt der Familie. Ich empfange sie auf keinen Fall.«

»Ist das dein letztes Wort, Mutter?«

»Ja.«

Die Fürstin verließ die Bibliothek, zu einem weiteren Gespräch war sie nicht bereit. In ihren Räumen betupfte sie sich die Schläfen mit Kölnisch Wasser, ging eine Weile aufgeregt auf und ab und schaute dann aus dem Fenster in die Abenddämmerung.

Erst jetzt dachte sie wieder an die beiden Besucher. Es war geplant gewesen, daß Gunter mit Marion wegfahren sollte, nach Wiesbaden oder Bad Homburg zum Tanzen. Das fiel ins Wasser.

Irgend jemandem mußte die Fürstin sich anvertrauen, Baron Edgar bot sich an. Zwar zögerte sie etwas, schließlich handelte es sich um intime Familienangelegenheiten. Aber man mußte dem Baron nicht unbedingt sagen, daß die Geliebte des fürstlichen Sohnes ein Kind erwartete.