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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1.

2.

Rückblende

3.

Rückblende

4.

Rückblende

5.

6.

7.

Epilog

Kommentar

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung KO-selbstlos

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2735

 

Das Kontrafaktische Museum

 

Rhodan und Bostich in der Larengalaxis – und auf dem Planeten der vergangenen Zukunft

 

Leo Lukas

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

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Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Die Terraner – wie sich die Angehörigen der geeinten Menschheit nennen – sind längst in ferne Sterneninseln vorgestoßen.

Immer wieder treffen Perry Rhodan und seine Gefährten auf raumfahrende Zivilisationen und auf die Spur kosmischer Mächte, die das Geschehen im Universum beeinflussen.

Im Jahr 1516 Neuer Galaktischer Zeitrechnung steht die Milchstraße seit nunmehr zwei Jahren unter dem Einfluss des Atopischen Tribunals, einer noch immer weitgehend rätselhaften Organisation, die vorgibt, im Rahmen der »Atopischen Ordo« für Frieden und Sicherheit zu sorgen.

Die Atopische Ordo gilt bereits seit Längerem in der Galaxis Larhatoon – der Heimat eines Volkes, das in früheren Zeiten großes Unheil über die Menschheit brachte: Die Rede ist von den Laren, die als Mitglieder des Konzils der Sieben Galaxien für mehr als hundert Jahre in der Milchstraße herrschten.

Perry Rhodan und Bostich verschlägt es auf ihrer Flucht vor den Atopen in genau jene Galaxis – und in DAS KONTRAFAKTISCHE MUSEUM ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner entwickelt ungeahnte Sympathien für Onryonen.

Gaumarol da Bostich – Der Arkonide beweist, dass er ein sehr spezielles Händchen hat.

Amtyphar-Thae – Die Zeitzeugin berichtet von grauenhaften Entwicklungen.

Gesspyr Hocctosser und Voruder-Paac – Den Onryonen und den Laren verbindet die Forscherleidenschaft.

»Ich habe immer die alten Beschreibungen (...) für übertrieben gehalten, so, wie vielleicht in späterer Zeit diese für übertrieben wird gehalten werden; aber alle, so wie diese, sind weit hinter der Wahrheit zurück.«

– Adalbert Stifter

 

 

Prolog

Anhauch der Dunkelheit

 

Am schockierendsten war der Moment, als die Vögel verstummten.

Meine Erinnerung ist verschwommen und höchstwahrscheinlich lückenhaft. Zum Zeitpunkt jenes Ereignisses, das mir noch jahrelang Albträume bescheren sollte, war ich ja ein kleines Kind. Ich hatte erst kurz davor meinen siebenten Geburtstag begangen.

Damals interessierten mich natürlich primär die Geschenke, die ich im Rahmen der Sippenfeier überreicht bekam: größtenteils billiger Kitsch, meinem Alter entsprechend.

Eine Menge beweglicher Figuren packte ich aus, Darstellungen historischer Helden unseres großen Volkes. Dazu diverse Miniaturschlachtschiffe, Modelle von unvorstellbar riesigen Raumforts oder Nachbildungen nicht minder furchterregender Kampfpanzer. Außerdem einige neue Programme für die geliebte Spielkonsole, mit denen ich meine taktischen und strategischen Fertigkeiten weiter verfeinern würde.

Lauter Kriegsspielzeug, klar. Wir sind nun mal eine soldatische Zivilisation.

Irgendwo kursieren wohl auch noch peinliche Bilder von mir in der Uniform, die meine Großmutter – väterlicherseits, die strenge, mit dem stets verkniffenen Mund – für mich maßgeschneidert hatte. Aus drückend schwerem Stoff, dunkelrot, der Farbe, die nur den höchsten Offizieren zusteht.

Sogar in meiner kindlichen Naivität verstand ich die unsichtbar eingestickte Botschaft: Du, Amtyphar-Thae, wirst später einmal beweisen, dass auch larische Frauen fähig sind, militärische Spitzenpositionen zu bekleiden.

Nun, diese Hoffnung sollte ich nicht erfüllen ... Aber ich schweife ab.

Als Letztes öffnete ich das Päckchen, von dem ich wusste, dass es von Greikenborth-Thae kam, meinem Urgroßonkel mütterlicherseits. Es war winzig, kaum faustgroß. Dennoch vermutete ich, dass sich darin der heiß ersehnte Gravoschweber befand – als Gutschein oder in Form einer symbolischen Holografie.

Aber weit gefehlt. Einen simplen Ausweis zog ich aus der Schachtel, einen biegsamen Chip, wie ich ihn mir jeden Morgen während des Schuljahrs hinter den linken Ohrbogen klebte, damit mich das Leitsystem sicher zur Lehranstalt brachte.

»Guck nicht so enttäuscht«, sagte Greikenborth, milde lächelnd. »Das ist ein Ticket, meine Süße. Und zwar kein gewöhnliches. Wir zwei gehen auf eine ganz besondere Reise.«

 

*

 

Aus gegenwärtiger Sicht kann ich nur mangelhaft nachvollziehen, über wie viele und welche Stationen die endlos erscheinenden Transfers verliefen. Jedenfalls muss es den Grei-Onkel, wie ich ihn der Einfachheit halber nannte und bis heute nenne, ein mittleres Vermögen gekostet haben, trotz seiner guten Beziehungen zum Transportkartell.

Wir flogen und flogen und flogen.

Der Grei-Onkel hielt mich bei Laune. »Schau, die Sterne«, sagte er im Bordobservatorium eines der vielen Schiffe. »Schau all die Sonnen! Überall dort draußen ist Leben, vielleicht dümmer, vielleicht erheblich schlauer als wir. Morgen kommen sie auf Besuch, übermorgen wollen sie uns unter ihr Joch zwingen. Unser Volk wappnet sich dagegen, mit aller Macht, die wir aufbieten können. Aber wissen wir, welch namenloses Unheil in den Tiefen des Alls lauert?«

»Du weißt alles, Herr Uronkel«, sagte ich voller Überzeugung.

»Nein, Kind. Niemand weiß alles. So ist dieser Kosmos nicht gebaut. Selbst die höchsten Mächte tappen ähnlich verzweifelt im Dunkeln wie du und ich. Auch ihre Pläne können scheitern, sind schon oft gescheitert. Im Größten wie im Kleinsten, und wir Kurzlebigen stehen letztlich hilflos dazwischen. Uns bleibt bloß, immerfort unser Möglichstes zu versuchen. – Wirst du dir das merken?«

»Ja«, sagte ich befangen, obwohl ich nur einen Bruchteil verstanden hatte.

Greikenborths plötzliche tiefe Ernsthaftigkeit schockierte mich; umso mehr, als er sonst bei jeder Gelegenheit Schabernack trieb. Nicht zuletzt deshalb war er mein Lieblingsonkel.

»Braves Mädchen. Alles in Ordnung mit dir, Süße?«

»Mhm.«

Er bemerkte, dass er mich erschreckt hatte, und sein Gesichtsausdruck wechselte. »Ach, vergiss das Geschwätz eines alten Narren! Das Leben ist zu kurz für trübe Flausen. Was hältst du davon, wenn wir hinunter in die Arkade fahren und eine neue Runde Sternkrieg spielen? Diesmal lasse ich deinen Flotten keine Chance!«

Seine Heiterkeit war gekünstelt. Dennoch ging ich darauf ein. »Pah! Du hast schon so gut wie verloren.«

 

*

 

Schließlich landeten wir auf Laccbogon, dem einzigen bewohnten Planeten eines kleinen, entlegenen Sonnensystems. Wir waren zwölf Tage unterwegs gewesen, mehr als ein Viertel meiner großen Ferien.

Bis dahin hatte der Grei-Onkel meine häufig wiederkehrenden Fragen nach dem eigentlichen Ziel und Zweck unserer Reise elegant abgeblockt. In der Kunst, mich mit wenigen Worten auf andere Gedanken zu bringen, war er ein wahrer Meister.

Laccbogon unterschied sich in mehreren Punkten von meiner Heimatwelt und der Handvoll anderer Planeten, die ich flüchtig kennengelernt hatte. Ein einziger blauer Ozean bedeckte fast die gesamte Oberfläche. Es gab keine Kontinente, dafür Abertausende kleiner bis mittelgroßer Inselgruppen, verstreut wie Würzbeeren auf einem überdimensionierten, kugelförmigen Geburtstagskuchen.

Unser Raumschiff bezog Parkposition im niedrigen Orbit. Eine Fähre brachte uns hinab zur Stadt Khewolgaddu, deren ausladende, grazile Brücken den ursprünglichen Archipel mitsamt seinen vielfältigen künstlichen Erweiterungen überspannten.

»Ist das schön oder ist das schön?«, raunte mir Greikenborth zu.

»Ja, eh.«

»Eh?«

Ich schnipste mit den Fingern, beidhändig, die Geste der Ungeduld.

Nicht, dass mich die schlanken, kühnen, funkelnden und einander hundertfach spiegelnden Konstruktionen dieser Brückenstadt nicht fasziniert hätten. Aber ich wollte endlich erfahren, warum wir die Strapazen der weiten, teuren Reise auf uns genommen hatten. Zumal mein Uronkel nie ein Faible für zivile Architektur hatte erkennen lassen.

»Fühlst du die Leichtigkeit?«, fragte er strahlend, bevor ich meiner Wissbegier hätte Ausdruck verleihen können.

»Wie ... oh.« Darauf angesprochen, verspürte ich mit einem Mal bewusst, wie buchstäblich unbeschwert ich mich auf dieser Welt bewegen konnte.

»Die Gravitation beträgt nicht einmal zwei Drittel der Standardschwerkraft«, erklärte der Grei-Onkel. »Man könnte sagen, an diesem Ort lebt es sich leichter, findest du nicht?«

»Aber ja doch!«

Zur Bestätigung vollführte ich einige Sprünge, die mich mindestens ums Doppelte höher trugen, als ich es von zu Hause oder den Aufenthalten an Bord larischer Raumschiffe gewohnt war. »Da ist aber mehr als ein Drittel Unterschied!«

»Ganz so einfach lässt sich die Auswirkung geringerer Schwerkraft auch nicht berechnen. Eine ganze Reihe von Faktoren kommt zusammen. Senkrechter Beschleunigungsweg bis zum Absprung, Sprungkraft abzüglich der in entgegengesetzter Richtung wirkenden Gravitation, bewegte Gesamtmasse, Dauer der Beschleunigungsphase, Umsetzung kinetischer in potenzielle Energie ...«

So genau wollte ich es gar nicht wissen. »Fang mich auf!«

Ich hüpfte mit aller Kraft, so hoch ich konnte. Als sich unsere Gesichter auf gleicher Höhe befanden, versetzte ich dem Grei-Onkel einen herzhaften Schmatz auf die breite, fleischige Nase. Reflexartig verschlossen sich die vier Riechspalten.

Sanft barg der alte Soldat mich in seinen muskulösen Armen. Pedant, der er zeitlebens war, schaffte er es nicht, auf weitere Belehrungen zu verzichten. »Ein Beispiel. Denkst du mit?«

»Sicher. Immer.«

»Weiß ich doch. – Stell dir vor, du hättest einen leeren Rucksack umgeschnallt. Da er dich praktisch nicht behindert, könntest du unter Normalbedingungen deine Fußsohlen etwa bis hierher lüpfen.«

Greikenborth ging in die Knie, wobei er mich mühelos mit dem linken Arm stabilisierte. Die rechte, flach ausgestreckte Hand hielt er im Abstand von ungefähr einer Unterschenkellänge parallel zum Boden. »Stimmst du mir zu?«

»Ja.«

»Gut. Jetzt pass auf. Wenn ich dir so viele Gewichte in den Rucksack packe, dass es dir nicht mehr möglich ist, vom Boden abzuheben – dann beträgt deine Sprunghöhe ...?«

»Äh ... nix.«

»Mathematisch ausgedrückt?«

»Null?«

»Exakt.« Er verzog die dicken, saftig gelben Lippen zu einem aufmunternden Grinsen. Der Blick seiner wasserhellen, aus dem glänzend schwarzen Gesicht blitzenden Augen ruhte wohlwollend auf mir. »Wie viel ergibt drei mal null?«

Da brauchte ich nicht lange nachzudenken. »Wieder null.«

»Oder zehnmal oder hundertmal oder ...«

»Siebentausend Millionen Milliarden mal null, das ist völlig kropzke. Es kommt immer dasselbe heraus, nämlich null.«

»Siehst du? Also muss die Rechnung, dass aus einem Drittel weniger Schwerkraft auch um ein Drittel mehr an Sprunghöhe resultiert, falsch sein. Sonst würdest du nämlich mit besagtem Rucksack nicht einmal in der Schwerelosigkeit auch nur um einen Millimeter vom Boden abheben können! Beweis hiermit erbracht. In Wahrheit lautet die anzuwendende Formel ...«

Ich war nicht undankbar, als sich die Warteschlange in Bewegung setzte und ein Roboter heranrollte, um unsere Einreiseberechtigungen zu überprüfen. Wenig später traten wir aus dem Glaskubus des Personenterminals hinaus ins Freie.

Die Luft schmeckte so süß und sättigend, dass sich das Grummeln in meinem Bauch augenblicklich legte.

 

*

 

Unglaubliches Gedränge herrschte in Khewolgaddu.

Auf den schmalen, verschlungenen Gehwegen kamen wir kaum voran, obwohl der Grei-Onkel seinen massigen, durchtrainierten Körper recht rücksichtslos einsetzte. Freilich galt das auch für die anderen Passanten. Aus allen Richtungen wurde gedrückt und geschoben, was das Zeug hielt, und kräftig geflucht dabei.

Ich umklammerte ängstlich Greikenborths Hand. Um nichts in der Welt hätte ich die raue Pranke meines Beschützers losgelassen.

»Nur noch ein paar Minuten musst du diesen Wirbel durchtauchen, Kleines«, tröstete er mich. »Wir haben's nicht mehr weit bis zu unserer Mole. Bald legt die Schnellbarke ab, dann können wir aufatmen und die Weite des Ozeans genießen.«

»Ist hier immer so viel los?«, fragte ich, von der Fülle der Eindrücke überwältigt. Wie konnte jemand in einem solchen Gewimmel leben wollen?

»Nein, keineswegs. Normalerweise sind Khewolgaddu und die jüngeren Inselstädte nicht annähernd so überlaufen.«

Zwar zöge Laccbogon Urlauber, vor allem Wassersportler, aus der halben Galaxis an, erläuterte der Grei-Onkel. Aber die zweifellos idyllische Welt lag so weit vom Schuss, also abseits der interstellaren Flugrouten, dass sich der Andrang üblicherweise in erträglichen Grenzen hielt.

»Zu diesem besonderen Termin allerdings ...« Er grinste. »Glaub mir, ich musste mich ganz schön ins Zeug legen, um noch ein dem Anlass adäquates Quartier für uns zwei Hübschen zu ergattern.«

»Welcher Anlass? Welcher Termin?«

»Später, Amtyphar. Du wirst sehen ... und staunen. Magst du ein Honigbonbon?«

 

*

 

Wie er es versprochen hatte, entkamen wir dem Getümmel mit der Schnellbarke.

Nicht, dass auch nur ein Sitzplatz an Bord des schnittigen Katamarans frei geblieben wäre. Aber die Enge der lang gestreckten, größtenteils transparenten Fahrgaströhre wurde durch den Ausblick gemildert, sobald wir die Brückenstadt Khewolgaddu hinter uns gelassen hatten.

Bis zum Horizont erstreckte sich tiefblaues, von heftigen Windböen aufgewühltes Meer. Seefahrzeuge verschiedenster Art kämpften gegen die Wellen – Brettreiter, Solo-Segler, Jetflitzer ...

Ihre Zahl ging in die Hunderte. Dennoch verloren sie sich rasch zwischen den abrupt sich auftürmenden, tosenden und schäumenden Wasserwänden.

Auf den ersten Kilometern begleiteten uns schrill kreischende Vogelschwärme. Räuberische Flugsaurier verscheuchten sie.

Die knochigen, lederhäutigen, starräugigen Urtiere jagten mir ganz schön Angst ein. Ihre mächtigen, zwanzig und mehr Meter langen Schwingen ausgespannt, glitten sie majestätisch ruhig dahin – um plötzlich herabzustoßen und dem Ozean eine Beute zu entreißen, die sich vergeblich wand und wehrte.

Ich vermochte nicht zu erkennen, um welche Tierarten es sich handelte, obwohl ich mich jedes Mal redlich bemühte. Aber erschütternd schnell wurden die Opfer zu einer zuckenden, blutigen Masse zerfleischt.

»Wer das größere Maul mit den schärferen Zähnen hat«, kommentierte der Grei-Onkel, »ist meist im Vorteil. Aber nicht immer.«

Wie zum Beweis missglückte einem Flugsaurier die Attacke: Bevor er sich, einen zuckenden silbrigen Körper im Maul, wieder von der Wasseroberfläche erheben konnte, umschlangen ihn fünf, sechs, sieben mit Saugnäpfen besetzte Tentakel und zogen ihn brutal hinab. Eine mehrere Meter hohe grünliche Fontäne war sein letztes Lebenszeichen.

Mich schauderte.

»Fressen oder gefressen werden«, sagte mein Lieblingsonkel heiter. »Darauf läuft's hinaus, nicht wahr?«

Ich schluckte, unfähig zu antworten. Zitternd vollführte ich die Geste der partiellen Zustimmung: verschränkte Finger, nach innen gedreht.

»Nicht wahr.« Greikenborth tippte sich verneinend an die Stirn. »Im Gegenteil, ganz falsch! Uns, den Laren, haben die Sterngötter oder zumindest die dumpfen Mechanismen der Evolution das Geschenk der Intelligenz gemacht.«

»Wir sind die Haarkrone der Schöpfung«, warf ich beflissen ein. Meine Hauptlehrerin hatte uns diesen Satz kurz vor Schulschluss bis zur Erschöpfung wiederholen lassen.

»Oh ja! Wir können nämlich reden; das heißt, wir können verhandeln. Kompromisse schließen.«

»Und vorausdenken, bis in die sechste Variation. Beim Sternkrieg-Spiel zum Beispiel.«

»Toll, gell? Das macht's aber nicht unbedingt einfacher. Ha! Sogar viel komplizierter, ungleich quälender. Der Entscheidungsbaum ...« Er wischte sich Schweiß von der Stirn. »Egal. Darüber wirst du dir noch früh genug das Hirn zermartern. – Soll ich dir mehr von dieser begnadeten Welt erzählen?«

 

*

 

Das Lacco-System, erfuhr ich, lag im Niemandsland, in einer ausgedehnten, sternenarmen Region zwischen militärisch und wirtschaftlich wesentlich attraktiveren Ballungsgebieten.

Die Erkundungsmissionen der Frühzeit waren mit der Überzeugung heimgekehrt, eine Kolonisation lohne kaum, trotz der angenehmen Umweltbedingungen auf Laccbogon. Dort gab es zwar unverwüstete Natur, aber sonst ... nichts.

»Keine nennenswerten Bodenschätze«, sagte Greikenborth-Thae. »Keinerlei verwertbare Relikte früherer Zivilisationen. Verstehst du? Nichts, was die Errichtung einer Siedlung oder wenigstens eines Vorpostens gerechtfertigt hätte.«

»Aber warum sind wir dann da, Herr Onkel? Warum sind überhaupt Leute hierher gezogen?«

Er blies Luft aus den leicht vibrierenden Nasenschlitzen. »Selbst in unserer perfekt durchorganisierten Gesellschaft gab und gibt es Randgruppen. Sektierer, Dissidenten, zwanghafte Individualisten ... Die Kunde von einem paradiesischen Planeten weitab jeglicher Einflusssphären sickerte unweigerlich durch. Falls sie nicht sogar bewusst ausgestreut wurde, um lästige Nörgler ohne viel Schnickschnack loszuwerden.«

Wie auch immer, etliche mangelhaft ausgerüstete Expeditionen machten sich auf den Weg, im vollen Bewusstsein, dass sie keine Chance auf Rückkehr hatten, erzählte der Grei-Onkel. Manche dieser Konvois aus altersschwachen, ausgemusterten Schiffen schafften es nicht einmal bis zum Zielsystem, sondern gingen irgendwo auf der Strecke verschollen.

»Einige immerhin landeten, soll heißen strandeten auf Laccbogon. Gleichwohl hätten sie es schlechter getroffen haben können. Sie kamen zurecht, richteten sich mit bescheidenen Ressourcen wohnlich ein. – Schau, da drüben ist eine der ältesten maritimen Siedlungen!«

Unsere rasant die Wellen durchpflügende Schnellbarke passierte gerade ein Konstrukt aus Halbkugelschalen, stählernen Röhren und auf die Distanz fragil wirkenden, begrünten Plattformen.

»Neu-Lithop, eines der ersten schwimmenden Dörfer«, sagte Greikenborth, hörbar gerührt. »Erschaffen aus den traurigen Überresten mehrerer Raumschiffswracks. Inzwischen eine Touristenattraktion, ein begehbares Denkmal des larischen Überlebenswillens.«

»Warum halten wir nicht an?«