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Impressum

„Dienstverhältnis – Teil 4“ von Benjamin Larus

herausgegeben von: Club der Sinne®, Eichenallee 23 E, 16767 Leegebruch, Juni 2016

zitiert: Larus, Benjamin: Dienstverhältnis – Teil 4, 1. Auflage

 

© 2016

Club der Sinne®

Inh. Katrin Graßmann

Eichenallee 23 E

16767 Leegebruch

www.Club-der-Sinne.de

kontakt@club-der-sinne.de

 

Stand: 01. Juni 2016

 

Gestaltung und Satz: Club der Sinne®, 16767 Leegebruch

Coverfoto: © Daniel Korzeniewski/Shutterstock.com

Covergestaltung: Club der Sinne®

 

ISBN 978-3-95604-697-1

 

 

Das vorliegende eBook ist urheberrechtlich geschützt.

 

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Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden und volljährig.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Erfundene Personen können darauf verzichten, aber im realen Leben gilt:

Safer Sex!

 

 

 

Benjamin Larus

Dienstverhältnis

Teil 4

 

Inhaltsverzeichnis

5. Dienstvergehen

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5. Dienstvergehen

Nachdem mein bezaubernder Freund Flamur mir neulich das Verhältnis mit meiner Chefin mit solch unerschütterlicher Überzeugung auf den Kopf zugesagt hatte, war ich für einige Tage ja doch recht besorgt, um nicht zu sagen: verängstigt gewesen. War das auch für andere so offensichtlich? Was, wenn das Ganze in der Firma bekannt wurde? Würde einer von uns seinen Job verlieren? In dem Fall hatte ich gewiss schlechtere Karten als meine Chefin, auch wenn sich fünfundneunzig Prozent der Belegschaft sicher wünschen würden, dass es sich umgekehrt verhielte. Und zu meiner Überraschung beschäftigte mich neben dieser existenziellen Bedrohung auf dienstlicher Ebene mindestens ebenso die Frage, wie es dann zwischen ihr und mir ganz persönlich weitergehen würde. Es mag etwas salopp klingen, aber irgendwie hatte ich mich an sie und unsere heimlichen Schäferstündchen gewöhnt. Der Sex mit ihr war unverändert geil, und ich wollte ihn keinesfalls mehr missen.

Diese Sorgen, muss ich zugeben, hatten allerdings nicht lange angehalten. Inzwischen war unsere Affäre ja in ein neues Stadium getreten: Flamur selbst, der uns so treffend durchschaut hatte, war nicht länger nur Mitwisser, er machte fleißig mit. Unser heißer Dreier im Pool der feinen Niedernhausener Villa hatte sich zwar nicht ganz so spontan ergeben, wie ich es auch weiterhin beiden gegenüber in jeweils persönlich angepassten Versionen aussehen ließ, aber das interessierte jetzt eigentlich niemanden mehr. Flamur in seinem jugendlichen Ungestüm bekannte mir gegenüber ziemlich unverblümt, dass er die nächste Aktion dieser Art kaum abwarten konnte. Die Chefin gab sich ihrer Position entsprechend schon etwas souveräner und kontrollierter, aber ich, der ich sie mittlerweile doch ganz gut kannte, merkte ihr durchaus an, dass auch sie Blut geleckt hatte und es nicht schwer sein würde, ihr eine Wiederholung oder Vertiefung schmackhaft zu machen.

Von Guido war es sicher etwas viel verlangt, dass er sich rückhaltlos für uns freuen und das Ganze ohne jede Verstimmung aufnehmen würde. Natürlich bestand er auch diesmal auf einem detaillierten Bericht, und zwar von uns beiden. Genauer gesagt: An dem Abend nach dem Ereignis selbst ließ er zunächst einmal mich alleine ausführlich erzählen. Nach seinem ausdrücklichen Wunsch lief das so ab, dass wir uns in meinem Zimmer mit zwei Metern Abstand nackt gegenübersaßen und begleitend zu meiner Schilderung synchron zum Höhepunkt masturbierten. Anschließend musste ich ihm nach kurzer Erholung weiter zur Verfügung stehen, und nachdem er mich ziemlich hart durchgebügelt hatte, teilte er mir mit, was er sich als Ergänzung vorstellte: Nach meiner Darstellung wollte er auch noch Flamurs Version unseres Abenteuers genießen, und dazu hatte er ebenfalls schon genaue Vorstellungen.

So kam unser bezaubernder Freund am nächsten Samstagabend in Guidos Dachwohnung, wo er mit hoch über den Kopf an einen Deckenring gefesselten Armen splitternackt im Raum Aufstellung nehmen musste. Ihn genau im Blick behaltend, ließ Guido ihn nun das Ganze aus seiner Sicht erzählen, wobei er sich gleichzeitig durch mich, der ich vor ihm auf dem Boden kniete, nach allen Regeln der Kunst verwöhnen ließ. Nachdem er dann in meinem Mund gekommen war, ergötzte er sich an dem Anblick, wie Flamur sich qualvoll in seinen Fesseln wand und, wie Guido ausdrücklich wünschte, durch bloß zwei meiner Finger zu einem erlösenden Abschuss gebracht wurde. Anschließend war mein Liebster schon bald wieder so geil, dass er uns beiden gab, was wir seiner Ansicht nach verdient hatten und was wir wohl auch brauchten: Bäuchlings über die Lehne seines Sofas gebeugt, mussten wir ihm bereitwillig unsere Hinterteile entgegenstrecken und unserer gerechten Bestrafung harren. Nun ja, was man so Bestrafung nennt. Die Tracht Prügel, die auf uns niederprasselte, tat schon ganz schön weh, aber den ausgiebigen Fick, bei dem er jeden von uns bei mehrmaligem Wechsel immer wieder eine kurze Erholung von seinem Riesengerät gewährte, genossen wir letzten Endes wohl beide in vollen Zügen.

Ich vergesse nie jenen Ausdruck grimmiger Genugtuung, mit welchem er zu guter Letzt auf uns beide, die wir besudelt und keuchend über der Lehne hingen, herabgeschaut hatte.

„Na schön“, hatte er hervorgestoßen, ebenfalls merklich erschöpft und schwer schnaufend, „von mir aus treibt mit ihr, was euch Spaß macht! Aber dafür, dass ich mich auf Dauer mit euren blumigen Reportagen zufriedengebe, kann ich nicht garantieren.“

Die beiden ratlos-benebelten Gesichter, die daraufhin fragend zu ihm aufblickten, haben sicher ziemlich bescheuert ausgesehen. Schließlich hatte er selbst immer wieder von Neuem klargestellt, dass Antje Vollendorf aus gewissermaßen politischen Gründen immer ein Tabu für ihn bleiben musste. Das war ihm wohl bewusst, und deswegen klang seine nachgelieferte Erklärung auch reichlich unwirsch:

„Ja, ja, ich weiß, verdammt! Lasst euch halt was einfallen!“

So sah ich mich nun also unerwartet von meinem Liebsten in die Pflicht genommen. Ich muss allerdings zugeben, dass ich diese Überlegungen nach erster, erfolgloser Ideensuche (etwas einfallen lassen – wie stellte er sich das vor?) zunächst einmal beiseiteschob. Die Euphorie angesichts jener neuen Dimension, in welche das Verhältnis mit meiner Chefin eingetreten war, und schlichtweg die noch frische Erinnerung an jenen geilen Nachmittag mit ihr und Flamur überwogen jegliche Grübeleien. Und auch – ich deutete es bereits an – meine Sorge, unsere Affäre könnte publik werden, war völlig in den Hintergrund getreten, um nicht zu sagen: Ich hatte sie schlichtweg ausgeblendet.

Deswegen traf mich jene ungeheuerliche Begegnung, die sich dann Anfang der folgenden Woche auf der Chefetage zutrug, umso mehr wie der sprichwörtliche Blitz aus heiterem Himmel. Rein gefühlsmäßig verspürte ich übrigens eher den dazugehörigen Donnerschlag als den Blitz. Aber der Reihe nach.

Der Arbeitstag neigte sich dem Ende zu, und dieses Ende versprach nicht nur in meinem Fall ein gutes und vor allem pünktliches zu werden: Schon am frühen Nachmittag hatte irgendjemand aus dem zweiten Stock freudestrahlend vermeldet, er hätte vom Fenster aus Frau Vollendorf in ihr Auto steigen und wegfahren gesehen. Immer wieder erstaunlich, wie diese Meldung jedes Mal zuverlässig die Stimmung hob und zur allgemeinen Entspannung beitrug! Da wurde sogleich die eine oder andere private SMS geschrieben, man sah auf einmal überall gelöste, ja, fröhliche Gesichter und kann fast sagen: Die gute Laune war von einer auf die andere Sekunde förmlich zu greifen. Ich gebe zu, auch ich legte augenblicklich meine bei der Hitze doch recht einengende Krawatte ab und gönnte mir einen zufriedenen Seufzer angesichts der Gewissheit, heute einmal pünktlich Schluss machen zu können. O ja, keine Sekunde später als erlaubt würde ich zur Tür hinaus sein, mich aufs Rad schwingen und ins Schwimmbad sausen, um dort in der Abendsonne meine Bahnen zu ziehen. Wahrscheinlich würde ich sogar früh genug dran sein, um mich noch ein halbes Stündchen auf die Wiese zu legen. Nichts gegen meine heimliche Geliebte, aber heute Abend war ich ihr wirklich dankbar, dass sie sich beizeiten entfernt und uns allen damit ein wenig Entspannung verschafft hatte. Dachte ich.

Man kann sich angesichts dieser behaglich-gelösten Feierabendstimmung meine Enttäuschung vorstellen, als fünf Minuten vor dem offiziellen Dienstschluss – ich stand bereits mit der Tasche in der Hand neben dem Schreibtisch und sah ungeduldig auf die Uhr – mein Telefon läutete und Nadine sich meldete.

„Kommst du bitte noch mal rauf, bevor du gehst?“, befahl sie routiniert, wie sie es in letzter Zeit schon so oft getan hatte.

Ums Haar wäre ich herausgeplatzt mit einem Satz wie: Ich denke, die Alte ist schon weg! Stattdessen schluckte ich, murmelte ein heiseres „Is' gut“ in die Muschel und legte konsterniert auf. Die Kolleginnen in meiner Nähe waren schon auf dem Weg nach draußen oder zumindest so rührend gut gelaunt, dass ich es nicht übers Herz brachte, sie darüber zu informieren, dass wir offenbar einer Falschinformation aufgesessen waren. Wem wäre damit auch geholfen gewesen?

Für mich selbst allerdings bedeutete das, dass ich nun doch wieder später aus dem Haus und somit womöglich gar um meine erhoffte Erholungspause auf der Liegewiese kam. Es stand nicht einmal zu erwarten, dass es als Ausgleich dafür etwa heißen Sex auf der Chefetage geben würde – Nadine war ja offensichtlich noch da und hatte sich eben am Telefon nicht so angehört, als sei sie schon im Aufbruch.

Da hatte sich das Luder also anscheinend kurz vor Feierabend wieder hintenherum reingeschlichen, ohne dass jemand von uns es bemerkt hatte. Na schön, sei‘s drum! Ärgerlich vor mich hin grummelnd band ich mir vor dem Spiegel im Aufzug wieder die Krawatte um, während ich hochfuhr. Ich würde mir keine Blöße geben und ihr auch nicht die geringste Gelegenheit, einen Spruch anzubringen wie: Ist die Katze aus dem Haus ...

War ich es gewohnt, von Frau Vollendorfs zwar stets aufmerksam, aber nur kurz aufblickender Sekretärin mit immer derselben Geste durchgewinkt zu werden, merkte ich beim Betreten des Vorzimmers sogleich, das heute irgendetwas anders war als sonst. Nadine war nicht mit demonstrativer Geschäftigkeit in Rechner oder Schriftkram vertieft, sondern saß geradezu aufgeräumt an ihrem Platz, die Hände vor sich auf der Tischplatte, und lächelte mir in einer Art triumphierender Feierlichkeit entgegen. Trotz der Uhrzeit und offensichtlich erfülltem Arbeitspensum schien sie aber auch keine Anstalten zu machen zu gehen.

Was erwartete mich hinter der angelehnten Tür zum Chefinnenzimmer? Stand eine größere Beförderung an, von der Nadine als bislang einzige außer Frau Vollendorf wusste und über welche sie sich für mich freute? Oder erhielt ich meine Kündigung, was sie – wusste man's? – erst recht freute? Ich hatte diese Kollegin noch nie recht einschätzen können, sowohl hinsichtlich ihrer Sympathien für meine Person noch in Bezug darauf, was im jeweiligen Moment in ihr vorging.

„Kann ich rein?“, fragte ich, wie ich es meistens tat, und versuchte, mich durch Nadines unergründliche Haltung nicht weiter irritieren zu lassen.

Aber ihre Reaktion darauf war noch unergründlicher. Ohne sich ansonsten zu rühren, zuckte sie die properen, sonnengebräunten Schultern und sagte mit einem amüsierten Zug um die dunkel geschminkten Lippen lediglich:

„Wenn du willst ...“ Als ich stutzte und sie fragend ansah, fügte sie mit einem Hochziehen der Brauen unschuldig hinzu: „Mach nur, geh ruhig rein, wenn‘s dir Spaß macht!“

Das war zu viel für mein geplagtes Hirn. Nun vollends verunsichert, wie ich das alles einordnen sollte, schüttelte ich mit einem enervierten Schnauben den Kopf, schritt zügig auf die Tür zu und drückte sie auf. Das beneidenswert kühle Büro der Chefin war verdunkelt und leer, und dies offensichtlich schon seit Stunden.

„Was soll das, wo ist sie?“, fragte ich verdutzt.

Allmählich verlor ich die Geduld. Ich hätte längst auf dem Fahrrad in Richtung Schwimmbad sitzen können.

Nadine seufzte, legte in gespieltem Mitleid den Kopf schief und tat, als versuche sie einen Blick in den Nachbarraum zu erhaschen.

„Oooch, ist sie nicht drin?“, flötete sie zuckersüß. „Na, so was!“

„Nadine, was soll das?“, brach es jetzt ärgerlich aus mir hervor. „Ich wollte heute endlich mal pünktlich wegkommen! Warum hast du mich hochbestellt?“

„Traurig, dass deine Antje nicht auf dich wartet?“

Ich erstarrte. Ihre Augen, stets mit viel Schminke konturiert, wirkten heute besonders durchdringend und behielten mich grausam im Blick.

„Bestimmt trefft ihr euch doch sowieso noch heute Abend, hm?“, fügte sie mit einem verruchten Zwinkern hinzu, und mir blieb fast das Herz stehen. Sie schüttelte sich vor Lachen, sodass ihr beeindruckender Vorbau mächtig in Wallung geriet. „Da wird er feuerrot, wie süß!“, kicherte sie und legte einen Finger an die Nasenwurzel, als fürchtete sie um ihre Wimperntusche.

„Nadine, was … bist du bescheuert?“

Jetzt bloß die Nerven behalten!

„Nicht so bescheuert, wie ihr denkt!“

Diesen Satz hatte sie mir mit schneidender Schärfe entgegengeschleudert, und es gelang mir nur schwer, ihrem plötzlich wieder gnadenlos entlarvenden Blick standzuhalten.

„Aber Nadine! Wovon, um alles in der Welt, redest du?“

„Ja, ja, der kleine Schwuli! Von wegen, ich hab noch nie dran geglaubt!“, stieß sie beinahe verächtlich hervor, grinste aber schon wieder, indem sie ihren Blick ungeniert an mir runter und wieder hinauf wandern ließ. „Mir machst du nichts vor, und die Chefin auch nicht. Plötzlich seid ihr unser unschlagbares Verkaufsgespann, und zur Tagung nach Holland musst du natürlich auch gleich mit. Zimmer Nummer soundsoviel, A und B, mit Verbindungstür – ja, ja, ich hab die Rechnung selbst abgelegt. Bist du überhaupt zum Schlafen gekommen, oder musstest du‘s ihr rund um die Uhr besorgen?“

„Nadine!“ Mein Blick zuckte zur Flurtür. Sie war, Gott sei Dank, fest geschlossen. Wenn dieses Gespräch jemand mitbekäme, nicht auszudenken! „Das kann doch nicht dein Ernst sein! Nur, weil wir zwei Zimmer nebeneinander hatten? Ich bitte dich, mach mal halblang!“

Sie ließ sich nicht beirren. Nachdem sie ihren Bürostuhl ein Stück vom Tisch abgerückt und in meine Richtung gedreht hatte, schlug sie die kräftigen Beine übereinander und nahm eine provozierend lässige Haltung ein, alle zehn Fingerkuppen aneinandergelegt und mich genau im Blick behaltend. Ihr selbstsicheres Lächeln machte mich wahnsinnig.

„Mein lieber Benjamin, mag sein, dass du die Frauen glücklich machen kannst. Aber über ihre Psyche musst du noch eine Menge lernen!“

Bestreite ich ja gar nicht. Worauf wollte sie hinaus?

Ich bin auch eine Frau!“, stellte sie gewichtig fest.

O ja, das war unübersehbar. Ich sagte ja bereits, dass ich den Begriff Wuchtbrumme, den manche Kolleginnen für sie parat hatten, für eine böswillige Übertreibung hielt. Aber ihre weiblichen Formen würde manch einer schon als üppig bezeichnen, und vor allem pflegte sie diese auch durch entsprechende Kleidung mitunter recht kühn zur Schau zu stellen. Heute beispielsweise trug sie zu einem ärmellosen, geknöpften Oberteil aus glattem, schwarzem Stoff und hochhackigen Schuhen wieder mal ein gewagt kurzes Röckchen, das von ihren nicht gerade grazilen Oberschenkeln nur mal eben die oberen paar Zentimeter verhüllte. Schwarz war übrigens seit geraumer Zeit ihre bevorzugte Farbe: Ihre Frisur veränderte sie recht oft, aber bei der – nicht natürlichen! – Tönung blieb sie sich treu. Ich liefere diese Informationen jetzt nur nach, damit sich jeder ein auch äußerlich genaues Bild von der Situation in Frau Vollendorfs Vorzimmer machen kann. Ich selbst hatte in jenen Minuten keine Ruhe für solche Betrachtungen. Ich stand einfach nur mit jagendem Puls vor Nadines Schreibtisch, schwitzte Blut und Wasser und wartete ab, was sie weiter von sich geben würde.

„Und weil ich eine Frau bin, noch dazu eine nicht mehr ganz so junge – aber jünger als deine Geliebte, das will ich hier nur mal festhalten!“, stellte sie plötzlich mit erhobenem Zeigefinger klar, bevor sie sich wieder zurücklehnte und weiterredete: „Weil ich also eine Frau bin, versteh ich durchaus was davon, wie jemand wie unsere Chefin sich fühlt, was ihre Bedürfnisse sind. Nicht nur, weil ich selbst ein paar Mal mit ihr auf Tagungen war und mich teilweise persönlich um ihre Abendunterhaltung kümmern durfte. Ja, ja, guck nicht so verdattert, in Wien hab ich ihren Escort sogar an der Rezeption abfangen müssen, weil sie noch nicht fertig war! Zwei Tage auf Zeeland habt ihr drangehängt? So viel weiß ich dann doch vom Geschäft, dass wir mit diesem Ferienpark da rein gar nichts zu tun haben. War's denn schön für das junge Glück?“

Sie war dabei, sich in Fahrt zu reden. Ich kam kaum noch mit. Was ich da von der Chefin erfuhr, hätte mich eigentlich nicht wirklich erstaunen müssen, dennoch verschlug es mir vorübergehend die Sprache. In Nadine jedenfalls schien sich jeder getäuscht zu haben: Wenn sie dies alles hatte für sich behalten können, galt sie wohl zu Unrecht als das größte Tratschmaul der Firma. Oh Gott, hoffentlich hatten wir ihr Unrecht getan!

„Außerdem: Ich hab Augen und Ohren im Kopf“, fuhr sie fort. „Erinnerst du dich, wie du mal irgendwo einen verwüsteten Swimming-Pool auf Vordermann bringen musstest und dich dabei halb nackig gemacht hast? Unseren Herrn Schrott hätten Sie mal sehen müssen – was der für einen Body hat! Die Zunge hing ihr förmlich bis zum Boden dabei!“

Trotz meiner Fassungslosigkeit gelang es mir, mehr oder weniger gelassen die Schultern zu zucken. Was wollte sie, solche Sprüche wurden auch unter Frauen geklopft, das war mir schon klar. Wenn das alles war, was Nadine an Indizien zu bieten hatte …

„Was kann ich dafür, wenn ich ihr gefalle?“

Ich hatte meine Sprache wiedergefunden und versuchte ein lässiges Grinsen. Aber ich fürchte, es geriet mir etwas schief.

„Schon gut, Benjamin“, fuhr sie unbeirrt fort, „du wirst wahrscheinlich denken: Das beweist gar nichts. Aber glaub mir: Würde ich mich nur auf mein Gefühl verlassen, wärst du jetzt nicht hier.“

Ich versteifte mich und wartete ab. Drei, vier grausame Sekunden behielt Nadine mich fest im Blick, dann zeigte sie auf den ausgeschalteten Rechner neben sich.

„Glaubst du, man könnte im Zeitalter von PC, Smartphone und lückenloser Vernetzung irgendetwas auf Dauer verbergen? Ich bin die Chefsekretärin, vergiss das nicht!“

Verdammt, da hatte sie natürlich recht. Wie schnell hatte man eine E-Mail voreilig weitergeleitet, auf allen antworten geklickt, beim Synchronisieren des Terminkalenders auch private Termine mitübertragen oder beging ähnliche, kaum vermeidbare Nachlässigkeiten. Ich selbst bin ja eher ein Computermuffel und war zumindest seinerzeit noch längst nicht so umfassend vernetzt wie andere, hatte nicht mal ein Facebook-Profil; aber die Chefin, das hatte ich schon mitbekommen, war hier ganz auf der Höhe der Zeit und nutzte alle Möglichkeiten moderner Kommunikation. Wahrscheinlich war sie sogar eine von denen, die auf dem Nachhauseweg schon mal per Smartphone den Herd einschalten, damit bereits das Wasser kocht, wenn sie heimkommen. Was aber auch bedeutete, dass sie die damit verbundenen Risiken einging. Und wenn Nadine sich womöglich auch noch Zugang zu ihrem privaten Account verschafft hatte, die Chefin ihr diesen vielleicht sogar freiwillig gewährte (anscheinend bestellte sie ja mitunter schon Callboys über sie)? Na, dann gute Nacht!

„Was … was hat sie geschrieben?“, entfuhr es mir heiser und wahrscheinlich eine Idee zu schuldbewusst.

Nadine jedenfalls nickte und grinste selbstzufrieden, als hätte sie nur auf diese Bestätigung gewartet.

„Das möchtest du wohl gerne wissen!“, kicherte sie.

„Ich kann mir wirklich nicht vorstellen …!“

„Vergiss es, Benjamin, vergiss es!“, beendete sie mit einer wegwerfenden Handbewegung das grausame Spiel.

Die Szene war für mich der Alptraum schlechthin. Im Grunde wartete ich noch immer darauf, dass ich endlich aufwachen würde. Dabei war sie in ihrer äußeren Dramaturgie im Grunde völlig falsch angelegt. Mein alter Geschichtslehrer hatte uns einmal erklärt, wie die Aufstellung zu sein hat, will man einen Gesprächspartner so richtig fertigmachen: ihm einen möglichst tiefen Sessel anbieten, selbst aber stehen bleiben, um ihn herumgehen und von allen Seiten ins Kreuzverhör nehmen. Hier war es umgekehrt: Ich, immerhin ein tadellos gekleidetes, nicht unbedingt schmalschultriges Mannsbild stand mit meinen doch nicht gerade mickrigen Einsdreiundachtzig aufrecht mitten im Raum, die recht freizügig gewandete Nadine mit lässig übereinandergeschlagenen Beinen weit zurückgelehnt in ihrem tiefen Bürosessel mehr unter als vor mir. Und doch fühlte ich mich abwechselnd wie ein dummer, ertappter Junge und wie ein gehetzter Hund.

Ich habe mir, wie sich wohl jeder vorstellen kann, hinterher wieder und wieder das Hirn zermartert, was Nadine denn nun wirklich an Beweisen hatte, ob sie überhaupt welche hatte oder ob sie sich tatsächlich so sehr auf ihre angebliche weibliche Intuition verließ, dass sie von vorne bis hinten bluffte. Ich weiß es bis heute nicht. Aber die unerschütterliche Sicherheit, die sie in diesem Gespräch an den Tag legte, lässt mich doch vermuten, dass es da etwas ganz Konkretes gab, wobei ich inzwischen allerdings eher skeptisch bin, was eine fehlgeleitete SMS oder Mail betrifft. Bei angestrengtem Nachdenken bin ich nämlich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Chefin hier immer konsequent war und ich niemals auch nur die kleinste schriftlich-elektronische Nachricht von ihr erhalten hätte, die nicht von A bis Z dienstlich gewesen wäre. Ich glaube vielmehr, dass Nadine uns auf ganz klassische Art auf die Schliche gekommen sein muss. Zum Beispiel will ich nicht ausschließen, dass ein völlig belangloser Anlass – eine vergessene Brille, der Hausschlüssel – sie nach Dienstschluss oder an einem Samstag außerplanmäßig an ihren Schreibtisch zurückgeführt hat; und wie der Zufall es wollte, erwischte sie ausgerechnet eine der Ausnahmen, da die Chefin und ich es in ihrem Büro getrieben hatten. Sie muss uns ja nicht direkt zugeschaut haben; auf eine geschlossene Tür hatte Frau Vollendorf stets geachtet, auch wenn wir uns noch so sicher wähnten, aber für deren Schalldichte kann ich im Fall unserer Geräuschproduktion nun wirklich nicht garantieren.

Sei es, wie es sei – ich werde wohl nie erfahren, was Nadine dermaßen sicher machte. Und ihr Vorstoß hatte mich so völlig unvorbereitet getroffen, dass meine wenig überzeugende Gegenwehr wohl tatsächlich die beste Bestätigung war, die sie sich erhoffen konnte.

Das Schweigen in dem aufgeheizten Vorzimmer war unerträglich. Mein wummernder Herzschlag dröhnte mir in den Schläfen, dort, wo mir der kalte Schweiß in Strömen herunterfloss. Nadine behielt mich unbeirrt im Blick, schien sich an meinen Qualen zu weiden und ließ mich grinsend zappeln. Sicher wartete sie darauf, dass ich sie das Unvermeidliche fragen würde. Dafür allerdings brauchte ich erschreckend lange, da ich mir noch immer sinnlos das Hirn darüber zermarterte, wie um alles in der Welt sie das Ganze erfahren hatte. Ich stand unter Schock, das muss man klar feststellen, auch ganz sachlich-medizinisch. Trotzdem fing ich mich irgendwann, meine Hirntätigkeit setzte wieder ein, und da drängte sich mir plötzlich in logischer Konsequenz die wichtigste Frage auf: Was gedachte Nadine mit ihrem Wissen anzufangen?

„Nadine!“, setzte ich endlich beschwörend an (ich kann mich nicht erinnern, den Namen einer Kollegin jemals innerhalb so kurzer Zeit so oft und so gewichtig in den Mund genommen zu haben). „Gesetzt den Fall, du hättest recht – was ich hiermit auf gar keinen Fall zugebe! – und könntest es sogar beweisen ...“

Sie verschränkte die Arme über ihrem mächtigen Vorbau und schien erwartungsvoll zuzuhören. Ein amüsiertes Lächeln umspielte ihre Lippen.

„Jaaa?“

„Warum erzählst du mir das alles? Ich meine, willst du mir hier bloß Vorwürfe machen? Mir sagen, dass ich ein moralisch verkommenes Kollegenschwein bin, oder …?“

„Och, Benjamin!“ Sie lachte und schaute zur Decke. „Moralisch! Was gebrauchst du da nur für Fremdwörter, die hier keiner kennt! Nein, nein, als Tugendwächterin will ich mich bestimmt nicht aufspielen. Eher ist es ein Dienstvergehen, könnte ich mir vorstellen.“ Für einen Moment lag wieder etwas Bedrohliches in ihrem Blick. „Aber auch das kümmert mich, ehrlich gesagt, nicht wirklich.“

„Aber was willst du mit deinem Wissen anfangen?“

Die Verwendung des Wortes Wissen kam natürlich endgültig einem Schuldeingeständnis gleich, aber das war jetzt auch egal. Überhaupt war es eigentlich ohne Bedeutung, ob Nadine Beweise hatte oder nicht, und das wusste sie auch: Wenn sie morgen früh anfing, die ganze Geschichte auch nur andeutungsweise zu verbreiten, war sie bis zur Mittagspause vom Keller bis zum Dachgeschoss Gesprächsthema Nummer Eins. Und die Chefin und ich konnten eigentlich nur noch zurück in unser Häuschen auf Zeeland flüchten, wollten wir einem höhnischen Kreuzfeuer entgehen, gegen welches ein Spießrutenlauf sich wie ein erholsamer Spaziergang ausnehmen würde.

„Jetzt geht dir die Muffe, wie?“ Höhnisch, o ja, das war sie jetzt! „Nadine, das größte Tratschmaul der Firma, ja, ja, ich weiß schon, was über mich geredet wird. Aber, glaub mir, ich kann äußerst diskret sein! Die Chefin hat das eigentlich ganz gut begriffen, denke ich ...“

Ich mag ein wenig schuldbewusst von einem Fuß auf den anderen getreten sein. Möglich, dass wir ihr Unrecht getan hatten. Offenbar war diese Titulierung ebenso eine bösartige Übertreibung wie besagte Wuchtbrumme.

„Allerdings: Leicht fällt es mir nicht, das Maul zu halten!“, gestand sie mit einem ätzenden Grinsen. „Du musst zugeben, das ist eine Story, nach der die Kolleginnen nur so lechzen. So richtig was fürs Sommerloch!“

Sie kicherte, aber es gelang mir nicht, auch nur halbherzig in ihre Heiterkeit einzustimmen. Die Drohung in ihren Worten war mir nicht entgangen, und wir wussten beide, dass sie recht hatte. Worauf aber wollte sie hinaus?

„Ich nehme an, dir wäre es lieber, wenn ich schweige, oder?“, fragte sie überflüssigerweise und betrachtete ihre dunkelrot lackierten Fingernägel.

„Erwartest du auf diese Frage wirklich eine Antwort?“, presste ich hervor, mich zur Geduld zwingend.

Allmählich hatte ich genug von diesem nervigen Frage-und-Antwort-Spiel. Nadine schüttelte den Kopf, dann blickte sie auf und schaute mir forschend ins Gesicht.

„Eigentlich nicht. Eher solltest du dir eine Frage stellen ...“

„Und die wäre?“

„Was dir mein Schweigen wert ist.“

Da war es also endlich heraus. Erpressung, ein anderes Wort gab es dafür nicht! Jetzt erhielt ich die Quittung für meinen Leichtsinn. War ich nicht immer bestens damit gefahren, Berufliches und Privates strikt voneinander zu trennen? Für diesen Grundsatz gab es gute Gründe, o ja, das bekam ich jetzt schmerzhaft zu spüren!

„Nadine!“, stieß ich fassungslos hervor und schüttelte langsam den Kopf. „Du hast doch sicher Einblick in die Gehaltslisten – bei mir ist nichts zu holen!“

Sie beugte sich kurz vor, um ein spontanes Lachen zu unterdrücken, dann warf sie den Kopf in den Nacken und blickte, wie es schien, voller Mitleid zu mir auf.

„Geld?“, fragte sie amüsiert. „Ach Gott, Benjamin! Wofür hältst du mich – für eine Erpresserin?“ Ja, nichts anderes bist du, du Miststück! „Ich werde doch keinen kleinen Angestellten ausbeuten! Obwohl du in letzter Zeit durch deine Boni und Provisionen ja ganz gut verdient hast, und wenn man böse wäre, könnte man dir ankreiden, dass du dir die ja gewissermaßen erschlafen hast ...“

Was ich mir hier alles anhören musste! Ich werde es niemals über mich bringen, eine Frau zu schlagen, aber das Mindeste, wonach es mir in diesem Moment verlangte, war, auf dem Absatz kehrtzumachen, die Tür ins Schloss zu knallen und zu verschwinden. In meiner gegenwärtigen Position konnte ich mir das allerdings kaum erlauben, außerdem war ich weiterhin wie gelähmt.

„Nein, im Ernst“, fuhr sie schließlich fort, als von mir keine Reaktion kam: „Ich habe keinerlei Interesse an der Vernichtung deiner beruflichen Existenz. An der von Frau Vollendorf übrigens auch nicht, im Gegensatz zu manchen Kollegen. Aber ich denke, ab und zu mal einen Gefallen könntest du mir schon tun. Wär das zu viel verlangt?“

Auch wenn ich mir natürlich in keiner Weise klar darüber war, was Nadine vorschwebte – ihr Ton klang schon etwas versöhnlicher, und ein ganz klein wenig gelang es mir, mich zu entspannen.

„Kommt drauf an“, antwortete ich vorsichtig.