Dr. Daniel 80 – Spiel, Satz und Tod

Dr. Daniel –80–

Spiel, Satz und Tod

Roman von Marie-Francoise

Impressum:

Epub-Version © 2016 KELTER DIGITAL GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert, Oliver Melchert, Mario Melchert

Originalausgabe: © KELTER DIGITAL GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: http://www.kelterdigital.de

E-mail: info@kelter.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74091-153-9

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»Gott sei Dank, da kommt Martin!« stieß Julia Magnus erleichtert hervor, als sie den roten Kombi vor dem Haus anhalten sah.

Jetzt stieg Martin Behrens aus seinem Auto und kam rasch auf Julia und ihren Verlobten Peter Wiegand zu.

»Was ist passiert?« fragte er erschrocken, als er seinen besten Freund mit blutendem Knie auf dem Boden sitzend vorfand. Eigentlich hatte er nur sehen wollen, ob Julia und Peter wieder aus dem Urlaub zurück waren.

»Peter fühlt sich nicht wohl«, antwortete Julia und betrachtete ihren Verlobten voller Besorgnis. »Als wir jetzt ins Haus gehen wollten, wurde ihm plötzlich schwindlig, und er ist gestürzt. Ich wollte ihn hineinbringen, aber allein kriege ich ihn nicht hoch.«

»Gemeinsam schaffen wir das schon«, meinte Martin, und mit seiner Hilfe gelang es Julia auch tatsächlich, Peter auf die Beine zu bringen. Kraftlos hing er in ihren Armen und ließ sich mehr zum Haus schleifen, als daß er selber ging.

»Ins Schlafzimmer«, keuchte Julia und atmete erleichtert auf, als sie Peter ins Bett verfrachtet hatten.

»Seit wann geht es ihm so schlecht?« wollte Martin wissen.

»Erst seit unserer Ankunft in München.« Julia seufzte leise. »In den letzten beiden Tagen fühlte er sich schon ziemlich mies, hatte immer Kopfschmerzen und einmal auch ziemlich heftigen Schüttelfrost, aber drüben in Kenia wollte er keinen Arzt aufsuchen.«

Martin nickte verständnisvoll. »Es hätte die Abreise vielleicht erschwert.« Er sah Peter an. »Aber jetzt solltest du umgehend euren Hausarzt informieren.« Er blickte sich wie suchend um. »Hast du einen Verbandskasten?«

Julia nickte. »Im Bad.«

»Gut, dann werde ich erst mal sein Knie verarzten, während du mit dem Arzt telefonierst.«

Julia zögerte. »Es ist Samstag.«

»Na und?« entgegnete Martin, dann wies er auf Peter. »Ich glaube nicht, daß sein Zustand ein weiteres Abwarten zuläßt. Ruf’ bei Dr. Daniel an. Seine Frau ist Allgemeinmedizinerin, ich weiß aus Erfahrung, daß sie auch am Wochenende anstandslos Hausbesuche macht – genau wie ihr Mann. Damit sparst du dir den telefonischen Umweg über die Rettungsleitstelle und hast überdies auch noch schneller einen Arzt zur Hand, als wenn die den Bereitschaftsarzt informieren. Außerdem weiß man dann nie, wen man gerade bekommt.«

»Du hast recht«, stimmte Julia zu. »Frau Dr. Daniel ist ja auch unsere Hausärztin.«

»Um so besser«, urteilte Martin.

Julia seufzte. »Trotzdem widerstrebt es mir, sie am Wochenende zu belästigen.«

»Du kannst ja auch in der Waldsee-Klinik anrufen«, schlug Martin vor, obwohl er ihre Bedenken eigentlich nicht teilte. In seinen Augen war Peter ein Notfall, und Frau Dr. Daniel wäre mit Sicherheit die Letzte, die ärgerlich reagieren würde, wenn sie zu einem Notfall gerufen wurde.

Martin ging nun ins Bad hinüber, um aus dem Arzneischrank Desinfektionsmittel und Verband zu holen. Bis er ins Schlafzimmer zurückkehrte, war Julia schon am Telefon.

»Peter«, sprach Martin seinen Freund an.

Langsam öffnete dieser die Augen.

»Ich fühle mich ganz entsetzlich«, flüsterte er verzweifelt.

Martin nickte. »Das sieht man dir auch an. Ich werde jetzt dein Knie versorgen, und ich schätze, bis in einer Viertelstunde wird Frau Dr. Daniel hier sein. Sie kann dir bestimmt helfen.« Er desinfizierte die Wunde und erkannte dabei, daß es sich nur um eine oberflächliche Abschürfung handelte. Um so erstaunlicher war es, daß diese so heftig blutete. Gewissenhaft legte Martin den Verband an, dann blickte er besorgt auf seinen Freund hinunter. Peter war nicht empfindlich oder gar wehleidig. Er mußte sich also wirklich miserabel fühlen.

Gewohnheitsmäßig fuhr sich Martin mit einer Hand über den gepflegten Schnauzbart, als er plötzlich etwas Feuchtes spürte.

»Ich bin ja ganz voller Blut«, murmelte er, ging ins Bad hinüber, wusch sich Hände und Gesicht und kehrte dann zu Peter zurück, der in diesem Moment von heftigem Schüttelfrost ergriffen wurde.

Fürsorglich breitete Martin eine weitere Decke über ihn und hoffte inständig, daß Julia Frau Dr. Daniel telefonisch erreichen würde. Peter brauchte dringend einen Arzt.

*

Dr. Robert Daniel und seine Frau Manon hatten sich gerade zu einem kleinen Spaziergang an den Waldsee entschlossen, als das Telefon klingelte. Mit einem tiefen Seufzer sah Dr. Daniel den Apparat an.

»Sollen wir, oder sollen wir nicht?« erkundige er sich bei seiner Frau, obwohl das eigentlich für beide gar keine Frage war. Niemals hätten sie das Klingeln des Telefons einfach ignoriert.

»Macht ihr nur euren Spaziergang«, mischte sich nun Dr. Daniels verwitwete Schwester Irene ein, die hier in der Villa den Haushalt führte. »Ich geh ran.«

Das tat sie dann auch, doch Dr. Daniel und Manon warteten in stummem Einvernehmen an der Tür, ob es sich um einen Notfall handelte oder vielleicht nur um eine Auskunft, die Irene ebenfalls geben konnte.

An Irenes Antworten und dem beinahe hilfesuchenden Blick, den sie Manon zuwarf, erkannten die beiden Ärzte sofort, daß es wohl doch eher ein Notfall war.

»In diesem Fall ist es wohl wirklich besser, wenn Sie mit meiner Schwägerin persönlich sprechen«, sagte Irene da auch schon und gab den Telefonhörer an Manon weiter.

»Julia Magnus«, gab sich die Anruferin zu erkennen. »Es tut mir leid, daß ich Sie am Samstagnachmittag zu Hause störe, aber mein Verlobter fühlt sich nicht wohl. Wir sind vor drei Stunden aus Kenia zurückgekommen, und seitdem sind die Kopfschmerzen, an denen er schon seit zwei Tagen leidet, immer schlimmer geworden. Sie kennen Peter ja auch – er ist alles andere als wehleidig. Ich mache mir große Sorgen um ihn.«

»Ich komme sofort zu Ihnen, Fräulein Magnus«, versprach Manon, dann legte sie auf.

»Magnus«, wiederholte Dr. Daniel. »War das Tinas Schwester?«

Seine Frau nickte. »Ich dachte eigentlich, daß sie und ihr Verlobter in England wären. Immerhin steht Tina morgen im Finale von Wimbledon. Tina und ihre Schwester sind doch ein Herz und eine Seele, da erstaunt es mich, daß sie das Turnier verpaßt und statt dessen Urlaub in Afrika gemacht haben.«

Während sie sprach, hatte sie ihre Arzttasche geholt und griff nun entschlossen nach dem Autoschlüssel.

»Ich fahre dich«, bot Dr. Daniel spontan an, dann lächelte er. »Vielleicht können wir nach diesem unverhofften Hausbesuch unseren Spaziergang doch noch machen.«

»Das wäre schön«, meinte Manon, küßte ihn zärtlich und verließ an seiner Seite die stattliche Villa, die am Ende des Kreuzbergwegs stand und außer der geräumigen Wohnung der Daniels als Gynäkologe und seine Frau halbtags als Allgemeinmedizinerin tätig war.

Zehn Minuten später hielt Dr. Daniel den Wagen vor dem schmucken Einfamilienhaus an, das eigentlich der jungen Tennisspielerin Tina Magnus gehörte. Leider verhinderte ihre Karriere, daß sie sich allzu oft in Steinhausen aufhielt, deshalb hatte sie das Haus ihrer Schwester und deren Verlobtem zur Verfügung gestellt und begnügte sich während der wenigen Tage, die sie hier verbringen konnte, mit der geräumigen Einliegerwohnung im ersten Stockwerk – abgesehen davon, daß sich die Schwestern viel zu gut verstanden, um auf einer derartigen räumlichen Trennung zu bestehen. Die knapp bemessene Zeit, die sie zusammen verbringen konnten, nutzen sie immer weidlich aus, unternahmen viel miteinander und konnten stundenlang in dem gemütlichen Wohnzimmer zusammensitzen und plaudern.

Dr. Daniel wollte im Auto warten, bis Manon mit ihrer Untersuchung fertig war, doch sie bat ihn mitzukommen.

»Ich werde dir bei der Diagnose nur wenig helfen können«, meinte er schmunzelnd. »Immerhin bin ich Gynäkologe.«

»Was du nicht sagst.« Manon grinste, dann wurde sie ernst. »Ich hätte dich trotzdem gern dabei, und ich bin auch sicher, daß es Julia und ihrem Verlobten nichts ausmachen wird.«

»Wie du meinst.« Dr. Daniel küßte sie flüchtig, aber dennoch sehr zärtlich, dann drückte er auf den Klingelknopf.

Der Arzt kannte die junge Frau, die jetzt die Tür öffnete, schon seit ihrer frühesten Kindheit und lächelte sie nun entschuldigend an. »Tut mir leid, daß wir dich gleich zu zweit überfallen, Julia, aber wir dachten, vier Augen würden mehr sehen als zwei.«

Julia nickte zerstreut. »Das ist schon in Ordnung. Kommen Sie bitte.«

Sie begleitete die beiden Ärzte ins Schlafzimmer, wo Peter im Bett lag und mit offenem Mund atmete.

»Vielleicht ist es ja nur eine Erkältung«, meinte sie. »In Afrika waren es meistens vierzig Grad, und wir haben beide schrecklich gefroren, als wir in München aus dem Flugzeug gestiegen sind.«

»Du hast gesagt, er hätte schon in Kenia Kopfschmerzen gehabt«, mischte sich Martin ein, der noch immer neben Peters Bett stand und seinen Freund mit offener Besorgnis betrachtete.

Durch seine langjährige Tätigkeit als Gynäkologe hatte Dr. Daniel auf allgemeinmedizinischem Gebiet eigentlich keine allzu große Erfahrung, trotzdem hatte auch er das Gefühl, als würde Peter nicht nur an einer harmlosen Erkältung leiden.

»Ich werde mir den jungen Mann einmal ansehen«, beschloß Manon, »dann wird sich ja herausstellen, woran er leidet.«

Julia und Martin zogen sich ein wenig zurück, während Manon auf der Bettkante Platz nahm.

»Herr Wiegand, können Sie mich hören?« fragte sie.

Peter öffnete die Augen und richtete sich mühsam auf.

»Frau Dr. Daniel«, murmelte er erstaunt, dann blickte er Julia vorwurfsvoll an. »Es war doch wirklich nicht nötig, die Frau Doktor an einem Samstagnachmittag hierherzuholen. Ich habe schließlich nur ein bißchen Kopfweh.« Er ließ sich kraftlos in die Kissen zurücksinken, ehe er fortfuhr: »Sicher ist es nur eine Erkältung. Die Fahrt zum Flughafen war schon sehr anstrengend, dann der lange Flug und der Temperaturumschwung… das hat mich wohl umgeworfen.«

»Eine Untersuchung kann ja nicht schaden«, entgegnete Manon lächelnd, dann legte sie den Handrücken an seine Stirn. »Sie fühlen sich sehr heiß an. Haben Sie schon Fieber gemessen?«

Peter schüttelte den Kopf. »Vorhin hatte ich Schüttelfrost.« Er schwieg kurz. »Es ist bestimmt nur eine Erkältung. Ich bin in dieser Beziehung immer sehr anfällig.«

»Das stimmt«, fügte Julia hinzu und zwang sich zu einem Lächeln, nach dem ihr gar nicht zumute war. Seit Peter draußen gestürzt und allein nicht mehr hochgekommen war, hatte sich ihre Sorge deutlich gesteigert. Trotzdem fügte sie jetzt hinzu: »Hier im Haus muß nur jemand husten, dann hat Peter schon eine Grippe am Hals, die sich gewaschen hat.«

Auch Manon lächelte und überspielte damit ihre Besorgnis. Nach einer harmlosen Erkältung sah das nicht aus, dazu war das Fieber zu hoch. Peter glühte ja förmlich.

»Haben Sie sich vor Ihrer Reise gegen Malaria impfen lassen?« wollte sie wissen.

Peter wich ihrem Blick aus.

»Nein«, gestand er leise. »Wenn es um Spritzen geht, bin ich ein ausgemachter Hasenfuß.« Er zuckte die Schultern. »Ich hielt es auch einfach nicht für nötig. Immerhin haben wir uns nur in Touristikzentren aufgehalten und wollten nicht mit Rucksack und Zelt durch den Busch wandern.«

»Es war trotzdem äußerst leichtsinnig«, wandte Manon ein. »Moskitos gibt es auch in Touristikzentren.« Sie öffnete ihren Arztkoffer und entnahm ihm ein steril verpacktes Holzspatel. »Machen Sie bitte Ihren Mund auf.«

Peter gehorchte. Seine Zunge war trocken und belegt. Vorsichtig drückte Manon mit dem Spatel die Zunge nach unten, um ungehinderten Einblick in den stark geröteten Rachen zu bekommen. Anschließend tastete sie an seinem Hals und unter dem Kinn nach den Lymphknoten.

»Ziehen Sie Ihre Schlafanzugjacke aus«, bat Manon. »Ich möchte Herz und Lunge abhören.«

Peters Herz schlug schnell und heftig, doch die Lungengeräusche waren normal, was in Manons Augen eine Erkältung nahezu ausschloß.

»Können Sie bitte für einen Moment aufstehen?« fragte sie.