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kommunikation audiovisuell

Beiträge aus der Hochschule

für Fernsehen und Film München

Für die Hochschule herausgegeben von

Prof. Dr. Michaela Krützen

Band 46

Hochschule für Fernsehen

und Film (HFF) München

Medienwissenschaft

Bernd-Eichinger-Platz 1

D-80333 München

Reihe »kommunikation audiovisuell«

Die Hochschulschriftenreihe »kommunikation audiovisuell« wurde 1981 von Prof. Dr. Karl Friedrich Reimers begründet. Als Ordinarius an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) war er bis 2001 Herausgeber dieser Reihe.

Im Wintersemester 2001/02 veränderte sich mit der Emeritierung von Prof. Dr. Reimers und der Neuberufung von Prof. Dr. Michaela Krützen das Profil der Abteilung »Kommunikationswissenschaft und Ergänzungsstudium«: Zusätzlich zu ihrer sozialwissenschaftlichen Ausrichtung erhielt sie einen geisteswissenschaftlichen Schwerpunkt. Dies manifestiert sich auch in der Umbenennung der Abteilung, die jetzt den Namen »Medienwissenschaft« trägt.

Trotz dieser Neuorientierung bleibt die Reihe »kommunikation audiovisuell« ihrem schon 1981 formulierten Anspruch treu, zwischen Medienwissenschaft und Medienpraxis vermitteln zu wollen. Diese Traditionslinie fortzuführen ist Ziel der Herausgeberin.

Inhalt

  1. Einleitung
  2. Bourdieus Kapitaltheorie: Die Gemeinsamkeiten zwischen Filmförderung und Mäzenatentum
  3. Historische Kontextualisierung, Systematisierung und Auswertung der Filmförderung in Deutschland
  4. Strategien von Kulturförderung in mäzenatischem Kontext
  5. Die Relevanz mäzenatischer Aspekte für die Filmförderung in Deutschland
  6. Fazit
  7. Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abb.  1: Jährliches Förderbudget 2010

Abb.  2: Jährliches Förderbudget 2011

Abb.  3: Jährliches Förderbudget 2012

Abb.  4: Jährliches Förderbudget 2010 bis 2012 (Durchschnitt)

Abb.  5: Anteil der BKM-Förderung am Gesamtförderbudget 2010 bis 2012

Abb.  6: Anteil der FFA-Förderung am Gesamtförderbudget 2010 bis 2012

Abb.  7: Anteil der Länderförderungen am Gesamtförderbudget 2010 bis 2012

Abb.  8: Förderausrichtung und Gesamtförderbudget 2010 bis 2012 (Durchschnitt)

Abb.  9: Anteil der rein kulturellen Förderausrichtung am Gesamtförderbudget 2010 bis 2012

Abb.  10: Anteil der rein wirtschaftlichen Förderausrichtung am Gesamtförderbudget 2010 bis 2012

Abb.  11: Anteil der automatischen Förderung am Gesamtförderbudget 2010 bis 2012

Abb.  12: Anteil der selektiven Förderung am Gesamtförderbudget 2010 bis 2012

Abb.  13: Anteil der Produktions-, Drehbuch-, Verleih- und Vertriebsförderung am Gesamtförderbudget 2010 bis 2012 (Durchschnitt)

Abb.  14: Anzahl geförderter Filmprojekte 2010 bis 2012

Abb.  15: Durchschnittlicher Förderbetrag 2010 bis 2012

Abb.  16: Senderbeteiligung an den geförderten Filmprojekten 2010 Abb. 17: Senderbeteiligung an den geförderten Filmprojekten 2011 Abb. 18: Senderbeteiligung an den geförderten Filmprojekten 2012 Abb. 19: Senderbeteiligung an den geförderten Filmprojekten 2010 bis 2012 (Durchschnitt)

Abb.  20: Anzahl der geförderten Großprojekte nach Genre 2010

Abb.  21: Anzahl der geförderten Großprojekte nach Genre 2011

Abb.  22: Anzahl der geförderten Großprojekte nach Genre 2012

Abb.  23: Anzahl der geförderten Großprojekte nach Genre 2010 bis 2012

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Top 10 der Großprojekte 2010

Tabelle 2: Top 10 der Großprojekte 2011

Tabelle 3: Top 10 der Großprojekte 2012

Tabelle 4: Top 10 der Großprojekte 2010 bis 2012

Tabelle 5: Top 10 der am umfangreichsten geförderten Produktionsfirmen 2010

Tabelle 6: Top 10 der am umfangreichsten geförderten Produktionsfirmen 2011

Tabelle 7: Top 10 der am umfangreichsten geförderten Produktionsfirmen 2012

Tabelle 8: Top 10 der am umfangreichsten geförderten Produktionsfirmen 2010 bis 2012

Tabelle 9: Geförderte Genres 2010

Tabelle 10: Geförderte Genres 2011

Tabelle 11: Geförderte Genres 2012

Abkürzungsverzeichnis

AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
ARD Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands
BBF Bayerischer Bankenfonds
BKM Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
BMI Bundesministerium des Innern
CNC Centre national du cinéma et de l’image animée
dffb Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin
DFFF Deutscher Filmförderfonds
EPI Erich Pommer Institut
EU Europäische Union
FBW Deutsche Film- und Medienbewertung
FFA Filmförderungsanstalt
FFF Bayern FilmFernsehFonds Bayern
FFG Filmförderungsgesetz
FFHSH Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein
Filmstiftung NRW Film- und Medienstiftung NRW
FKB Filmkreditbank
GATT General Agreement on Tariffs and Trade
GG Grundgesetz
GMPF German Motion Picture Fund
HFF München Hochschule für Fernsehen und Film München
KjdF Kuratorium junger deutscher Film
MBB Medienboard Berlin-Brandenburg
MDM Mitteldeutsche Medienförderung
MFG MFG Filmförderung Baden-Württemberg
Ufa Universum Film AG
Ufi Ufa-Film GmbH
ZDF Zweites Deutsches Fernsehen

Vorwort

Diese Arbeit entstand an der Hochschule für Fernsehen und Film München in Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie wurde in der Abteilung Medienwissenschaft der Hochschule für Fernsehen und Film München als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt meiner Doktormutter, Prof. Dr. Michaela Krützen, für Ihre hervorragende Unterstützung und ihr persönliches Engagement bei der Betreuung dieser Arbeit. Ebenfalls herzlich bedanken möchte ich mich bei meinem Zweitgutachter Herrn Prof. Dr. Christopher Balme sowie bei Herrn Prof. Dr. Michael Gissenwehrer für sein Mitwirken in der Prüfungskommission.

Vielen Dank für das Stipendium, dass ich im Rahmen des »Programms zur Realisierung der Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre« vom Freistaat Bayern erhalten habe.

Für Austausch, Lektüre, Impulse und Zuspruch bedanke ich mich bei Anna Katharina Brehm, Dr. Alexander Erhard, Dr. Judith Früh, Dr. Johannes Wende, Johannes Rosenstein, Christoph Menardi, Dr. Olga Havenetidis, Prof. Dr. Klaus Schaefer, Prof. Ulrich Limmer, Dr. Miriam Jakobs sowie Prof. Bettina Reitz. Ebenso danke ich dem gesamten Bibliotheksteam der Hochschule für Fernsehen und Film München.

Ohne familiäre Unterstützung hätte dieses Buch nicht entstehen können. Mein Dank gilt insbesondere meinem Mann, aber auch meinen Kindern, Eltern sowie meiner Schwiegermutter.

1 Einleitung

Kultur wird in Deutschland jährlich in Milliardenhöhe subventioniert. Wie aus dem zuletzt im Jahr 2014 erschienenen Kulturfinanzbericht hervorgeht, lagen die öffentlichen Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden 2012 bei 9,50 Milliarden Euro.1 Rechnet man die sogenannten kulturnahen Bereiche hinzu, zu denen auch Rundfunk- und Fernsehanstalten gehören, erhöht sich die Summe auf 11,80 Milliarden Euro.2 Über ein Drittel der Kulturausgaben und damit den größten Anteil erhielt 2012 mit 3,37 Milliarden Euro die Sparte Theater und Musik.3

Dagegen sind die Mittel, die jährlich in die Filmförderung fließen, eher gering. 2012 betrugen sie 343,54 Millionen Euro.4 Dies ist rund ein Zehntel der Ausgaben für Theater und Musik in demselben Jahr.

Dass die Fördermittel für Film vergleichsweise niedrig ausfallen, liegt an dessen Doppelcharakter: Film gilt nicht nur als reines Kultur-, sondern auch als Wirtschaftsgut. Wie Film wahrgenommen wird, hängt von den Umständen sowie vom Betrachter ab: Als eigenständige Kunstgattung ist Film klar als Kulturgut typisiert. Allerdings gibt es auch Gründe, Film als Wirtschaftsgut zu betrachten, allen voran die Möglichkeit der Refinanzierung. Film hat zudem einen gewissen Warencharakter, der sich unter anderem darin äußert, dass mit Filmrechten gehandelt wird. Darüber hinaus ist Film ein Produkt, an dessen Herstellung eine Vielzahl spezialisierter Unternehmen beteiligt sind, weshalb man Filmförderung unter anderem auch als eine Branchenförderung verstehen kann.

Dementsprechend fungiert die Filmförderung gleichzeitig als Kultur- und Wirtschaftsförderung. Der stark ausgeprägte wirtschaftliche Aspekt des Films ist als Grund dafür zu nennen, dass sich die Filmförderung nicht nur im Umfang, sondern auch in ihren Modalitäten von anderen staatlichen Kulturförderungen unterscheidet. Bei den Filmfördermitteln handelt es sich nicht ausschließlich um öffentliche Gelder; die Filmförderungsanstalt (FFA) finanziert sich aus Abgaben der Filmwirtschaft und in die Fördertöpfe einzelner Länderförderinstitutionen zahlen neben der öffentlichen Hand gleichfalls privatwirtschaftliche Unternehmen ein. Hier besteht eine Differenz zu subventionierten Kultursparten wie beispielsweise dem Theater, das sich primär aus öffentlichen Mitteln finanziert.

Ebenso gibt es hinsichtlich der Rückzahlung einen Unterschied: Während die Kulturausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden Subventionen sind, die nicht zurückgezahlt werden müssen, werden die Filmfördermittel sowohl als Zuschuss als auch als erfolgsbedingt rückzahlbares Darlehen ausgereicht. Bei Zuschüssen besteht keine Rückzahlungsverpflichtung, erfolgsbedingt rückzahlbare Darlehen müssen dagegen im Erfolgsfall (beispielweise bei Veräußerung von Filmrechten oder ab einem bestimmten Einspielergebnis) getilgt werden.

1.1 Das Dilemma der Filmförderung

Der duale Charakter des Films (Film als Kultur- und Wirtschaftsgut), der ein Pendant in der Filmförderung findet (Filmförderung als Kultur- und Wirtschaftsförderung), führt zu einer paradoxen Situation: Einerseits kann man in der Möglichkeit, den Film als Wirtschaftsgut zu deklarieren, den Grund dafür ausmachen, dass der Filmförderung im Vergleich zu anderen öffentlich subventionierten Kultursparten relativ geringe Mittel zur Verfügung gestellt werden. Andererseits bedarf der Kulturförderaspekt der Filmförderung zunehmend einer Legitimation durch wirtschaftliche Kriterien. Diese Tendenz tritt beim Film deutlicher zutage als in anderen Kulturbereichen und hat die Konsequenz, dass die Filmförderung in ihrer Rolle als Wirtschaftsförderung prägnanter und effektiver auftreten kann, als im Gewand der Kulturförderung. Die Gefahr, die dieser Entwicklung innewohnt, liegt auf der Hand: Die wirtschaftliche Seite der Filmförderung droht die kulturelle Seite zu marginalisieren und könnte im Extremfall dazu führen, diese vollends zu verdrängen.

Die ökonomischen Effekte der Filmherstellung können genau beziffert werden. In der zuletzt im Jahr 2015 erschienenen Studie der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung wird der volkswirtschaftliche Anteil der Filmwirtschaft belegt.5 Diese erzielte demnach im Jahr 2014 einen Umsatz von 9,28 Milliarden Euro und hatte damit einen Anteil am Gesamtumsatz der Kultur- und Kreativwirtschaft von 6,34 Prozent. In absoluten Beträgen ausgedrückt lag dieser 2014 bei rund 146 Milliarden Euro. Wenn man diesen Betrag in Relation zu anderen Wirtschaftsbereichen setzt, dann hat die Kultur- und Kreativwirtschaft 2014 im Hinblick auf ihrem Umsatz einen Anteil von 2,39 Prozent an der Gesamtwirtschaft. Auch wenn dieser Prozentsatz auf den ersten Blick gering erscheint, ist er dies nicht. Die Bruttowertschöpfung der Kultur- und Kreativwirtschaft befindet sich im Vergleich zu anderen großen Industriesektoren im Mittelfeld (sie ist beispielsweise höher als in der chemischen Industrie und bei Energieversorgern, aber geringer als im Maschinenbau und der Automobilbranche).6

Die Studie zur Kultur- und Kreativwirtschaft liefert wichtige Erkenntnisse für die Filmbranche, zur Legitimation von Filmförderung eignet sie sich jedoch nicht. Denn dies kommt einer »Ökonomisierung von Kultur«7 gleich, welche sich auch in anderer Hinsicht ausdrückt:

Die Tendenz, den Erfolg der Kultur an ökonomischen Parametern zu messen, begann in den siebziger Jahren, erfährt gegenwärtig aber eine entscheidende Zuspitzung. In den siebziger Jahren bahnte sich die Ökonomisierung der Kultur darin an, dass Besucherzahlen zum Kriterium einer scheinbaren Rentabilität gemacht wurden.8

Walter Grasskamp schreibt in Kunst und Geld, dass Kultur sich nicht betriebswirtschaftlich darstellen ließe. Sie sei, wenn überhaupt, eine Angelegenheit der Volkswirtschaft und erfordere daher einen ganz anderen Hintergrund für die Diskussion von Daten, als das bei der Innenansicht konkurrierender Wirtschaftsbereiche nötig sei.9

Den Erfolg von Filmförderung mit wirtschaftlichen Parametern wie Besucherzahlen zu messen, wird der Sache nicht gerecht. Dennoch wird eine solche Gleichung immer wieder aufgestellt. Unter anderem von Alan Posener, der im November 2014 in Die Welt einen Artikel mit dem Titel »Die bittere Bilanz der deutschen Filmwirtschaft« verfasste. Darin setzte er die Fördersumme von neun im Jahr 2013 geförderten Filmen (unter anderem KOKOWÄÄH, FRAU ELLA, FÜNF FREUDE 2 und DAS KLEINE GESPENST) ins Verhältnis zu deren Zuschauerzahlen. Besonders schlecht, wird proklamiert, schneide dabei DAS KLEINE GESPENST ab, das mit rund 3,90 Millionen Euro gefördert wurde und lediglich 908.000 Kinobesucher hatte.10

Auf diesen Artikel gab es empörte Reaktionen aus der Filmbranche. Eine stammte von Prof. Dr. Klaus Schaefer, dem Geschäftsführer des FFF Bayern. Er warf Posener eine bedauerliche Stimmungsmache vor, die überwiegend auf falschen Erkenntnissen, schlechter Recherche oder unzutreffenden Rückschlüssen beruhe. Bei der Filmförderung ginge es nicht um eine Subventionierung der Filmindustrie, sondern um die Förderung des Kulturguts Film. Schaefer sagt Filmförderung sei Kulturförderung und als Maßstab für den Erfolg von Filmförderung dürften keineswegs nur Besucherzahlen herangezogen werden.11 Der künstlerische Wert eines Filmwerks, »der sich weniger an verkauften Tickets, als an Festivalteilnahmen und Preisen oder auch am Echo in den Feuilletons […] und in der öffentlichen Debatte misst, und vor allem die inhaltliche Relevanz des Themas in historischer, gesellschaftlicher oder auch sozialer Hinsicht«12 seien mindestens genauso wichtig.

Ob Filmförderung als Kultur- oder Wirtschaftsförderung wahrgenommen wird, hängt auch von der Art der geförderten Filme ab: Werden kulturell anspruchsvolle Filme gefördert, ist von Kulturförderung die Rede. Werden kommerziell ausgerichtete Filme gefördert, von Wirtschaftsförderung. Nach Wolfgang Längsfeld, dem ehemaligen Professor der Abteilung III Kino- und Fernsehfilm der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF München), werden »›Kunst‹ und ›Kommerz‹ häufig als sich ausschließende Gegensätze empfunden, wobei letzterem bestenfalls das Etikett ›gute Unterhaltung‹ zugedacht wird. Der Film ist demnach entweder eigentlich verachtete Marktware oder geliebhaßtes Kulturgut.«13

»Kunst« und »Kommerz« müssen sich aber nicht ausschließen. Viel wichtiger ist, dass sich beides nicht eindeutig voneinander trennen lässt. Denn sind kommerzielle Filme wie KEINOHRHASEN, FACK JU GÖHTE 1 und 2 oder FÜNF FREUNDE 1 bis 4 nicht auch Kunst? Und können Arthousefilme, denen ein besonderer künstlerischer Wert zugesprochen wird, wie beispielsweise OH BOY, VICTORIA oder TONI ERDMANN nicht auch kommerziell sein?

Mit dieser Dissertation möchte ich Argumente dafür liefern, dass die Filmförderung ebenso eine Daseinsberechtigung als Kulturförderung hat und dass es gilt, diese nicht nur zu bewahren, sondern auch zu pflegen. Um diese These zu überprüfen, bediene ich mich eines gedanklichen Experiments: Ich diskutiere Filmförderung anhand von Mäzenatentum und vergleiche hierbei fünf unterschiedliche Mäzene. Dies mag zunächst verwundern, handelt es sich bei der Filmförderung doch um eine institutionalisierte Form von Kulturförderung und beim Mäzenatentum (im klassischen Sinne) um eine private Form von Kulturförderung. Es besteht also in Bezug auf die Mittelherkunft und -vergabe eine eindeutige Diskrepanz. Dennoch gibt es einen klaren Bedeutungszusammenhang zwischen Filmförderung und Mäzenatentum, der sich aus der genaueren Betrachtung des eingesetzten Kapitals und der damit zu erzielenden Effekte ergibt. Denn sowohl bei der Filmförderung als auch beim Mäzenatentum spielt kulturelles Kapital eine prägnante Rolle. Der Begriff entstammt Bourdieus Kapitaltheorie. Was genau darunter zu verstehen ist und welche weiteren Kapitalkategorien Bourdieu benennt, wird in Kapitel 2 ausgeführt. Zunächst sei jedoch festgehalten: Filmförderung und Mäzenatentum operieren mit kulturellem Kapital und darin liegt eine grundlegende Gemeinsamkeit.

1.2 Aktueller Forschungsstand

Ein Blick in die wissenschaftliche Literatur zeigt, dass es bisher keine Arbeit gibt, in welcher der Wert der Filmförderung als Kulturförderung explizit hervorgehoben wird.

Filmförderung wird vor allem im Bereich der Medien-, Rechts- und Sozialwissenschaften thematisiert.

Hier finden sich vornehmlich Überblickswerke mit einem ökonomischen oder geschichtlichen Fokus, in denen Filmförderung lediglich in Unterkapiteln behandelt wird.14 Zu den Standardwerken zählen: Filmproduktion, Filmförderung und Filmfinanzierung von Knut Hickethier und Jan Berg, Einführung in die Medienwirtschaft ebenfalls von Knut Hickethier, Filmfinanzierung von Dirk Eggers sowie das Handbuch der Mediengeschichte von Helmut Schanze.

Darüber hinaus gibt es explizite Überblickswerke zur Filmförderung – meist in einem deutschen und/oder europäischen Kontext.15 Der Großteil dieser Arbeiten ist jedoch nicht mehr zeitgemäß. Das aktuellste Werk stammt aus dem Jahr 2009, es heißt Filmförderung in Deutschland und der EU 2009 und wurde von dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG herausgegeben.

Hinzu kommen Arbeiten, in denen die Filmförderung einer speziellen Region betrachtet wird.16 Dies können sowohl einzelne Bundesländer sein oder auch das Fördersystem anderer Länder, beispielsweise das der Schweiz.

Vereinzelt finden sich ebenso Vergleiche der Filmfördersysteme unterschiedlicher europäischer Länder.17 Insbesondere Deutschland und Frankreich stehen dort im Fokus der Betrachtung.

Außerdem wird das Thema Filmförderung in diversen Monografien aus verschiedenen Perspektiven dargestellt.18 Eine vielschichtige Analyse liefern hierbei Gisela Hundertmark und Louis Saul in Förderung essen Filme auf … und Steffen Wolf in Filmförderung oder Zensur? Beide Werke sind allerdings nicht mehr auf dem neuesten Stand: Sie stammen aus den Jahren 1984 beziehungsweise 1986.

Ferner gibt es zum wirtschaftlichen Erfolg oder auch zur Effizienz von Filmförderung diverse Arbeiten.19 Diese Evaluationen finden meist in einem wirtschaftswissenschaftlichen Zusammenhang statt. Der Erfolg von Filmförderung bemisst sich hierin anhand von konkreten Besucherzahlen und Einspielergebnissen. Oft wird auch der Marktanteil deutscher Filme als Erfolgskriterium gewertet. Manche dieser Evaluationen setzen sich mit dem kulturellen Effekt von Filmförderung auseinander. 20 Die Tatsache, dass ein Film auf einem Festival zu sehen ist, einen Preis gewinnt oder mit einem Prädikat der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) ausgezeichnet wird, gilt dort bereits als Beleg für seinen kulturellen Wert. Als besonders detaillierte Evaluation ist Oliver Castendyks Die deutsche Filmförderung zu nennen.

Darüber hinaus gibt es diverse Studien zur Filmförderung. Allen voran die jährlich erscheinende FFA Info21 sowie die für die Jahre 2010 bis 2012 publizierte Studie zur Filmförderung des Erich Pommer Instituts (EPI)22.

Im Bereich der Rechtswissenschaft findet man eine Vielzahl von Arbeiten, in denen Filmförderung im Kontext eines bestimmten Rechtsrahmens analysiert wird, wie beispielsweise dem Grundgesetz, europäischen Beihilfenrecht oder Welthandelsrecht, aber auch hinsichtlich ihrer Rechtsgrundlage, dem Filmförderungsgesetz (FFG).23

Hier gibt es ebenso Überblickswerke, das Thema Filmförderung ist dabei häufig eine Unterkategorie.24 Ein Beispiel ist das umfangreiche Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts von Holger von Hartlieb und Mathias Schwarz.

Die Spannbreite der sozialwissenschaftlichen Abhandlungen zum Thema Filmförderung ist groß. Hierin werden sowohl Identität, die Zukunft von Filmförderung, als auch eine Analyse der Machtverhältnisse im Filmbereich beleuchtet.25.

Es finden sich zusätzlich zahlreiche Publikationen der jeweiligen Förderinstitutionen, die informativen Charakter haben und einen Eindruck von der entsprechenden Fördertätigkeit liefern sollen.26 Daneben veröffentlichen diese die rechtlichen Grundlagen ihres Schaffens in Form von Richtlinien.27

Während die wissenschaftliche Literatur zum Thema Filmförderung überschaubar ist, gibt es zum Mäzenatentum zahllose Werke.

Mäzenatentum wird vornehmlich in der Kunstwissenschaft thematisiert, wo es überwiegend der Illustration einer bestimmten Epoche dient. Dabei liegt der Fokus häufig auf einer Einzelperson28, wie beispielsweise in Das Pseudomäzenatentum Adolf Hitlers von Winfried Nerdinger oder in Sammler, Stifter und Mäzene des Handels von Bernd Hallier. Das Mäzenatentum einer bestimmten Epoche wird auch anhand von Personengruppen beschrieben,29 zum Beispiel das Mäzenatentum des aufkommenden Bürgertums. Darüber hinaus kann sich die Epochenanalyse ebenso auf Kunstgattungen und/oder Kulturkreise beziehen,30 wie in Literarisches Mäzenatentum von Joachim Bumke oder Patronage and Italian Renaissance Sculpture von Kathleen Wren Christian und David J. Drogin zu lesen ist. Zudem wird Mäzenatentum immer wieder zur Veranschaulichung einer kunsthistorischen Entwicklung aufgegriffen.31 Ein Beispiel hierfür ist Fürstliche Mäzene und Sammler in Deutschland von 1500–1620 von Gerhard Händler. Es existieren daneben vereinzelt Werke, in denen anhand von Mäzenatentum das kulturelle Engagement eines Vereins32, einer Universität33 oder einer Region34 dargestellt wird. Hinzu kommen Publikationen von kulturellen Einrichtungen, wie beispielsweise Museen.35 Hierin werden die von unterschiedlichen Mäzenen überlassenen Kunstschätze aufgeführt. Außerdem gibt es auch Werke zu bestimmten Sparten von Mäzenatentum, wie Bildungsmäzenatentum oder städtisches Mäzenatentum.36 Mäzenatentum kommt ferner in diversen kulturpolitischen Arbeiten vor37, wo es als eine mögliche Variante von Kulturförderung genannt wird.

In der Wirtschaftswissenschaft wird Mäzenatentum insgesamt zwar nur selten herangezogen, dennoch findet es hier als Vergleichsinstrument zum Sponsoring mit kulturellem Schwerpunkt Anwendung.38

Der Forschungsstand der vorliegenden Arbeit reicht bis März 2016. Alle bis dahin in Zusammenhang mit dem Thema Filmförderung relevanten Entwicklungen sind hierin berücksichtigt.

1.3 Aufbau der Arbeit

Die Akzentuierung der Filmförderung als Kulturförderung spiegelt sich in der Struktur der Arbeit wieder.

Dazu gehe ich in Kapitel 2 zunächst auf die Gemeinsamkeiten von Filmförderung und Mäzenatentum ein und bringe diese mit Bourdieus Kapitaltheorie in Verbindung. Insbesondere die Transformation von ökonomischem in kulturelles, aber auch symbolisches Kapital ist hier von Bedeutung.

Kapitel 3 beginnt mit der Entstehungsgeschichte der institutionellen Filmförderung in Deutschland, welche sich in vier Phasen untergliedern lässt. Danach systematisiere ich das deutsche Filmfördersystem anhand einer Matrixanalyse. Ich gehe dabei auf folgende vier Aspekte ein: die Ziele von Filmförderung, die Bereiche, in denen gefördert wird, die Herkunft der Mittel sowie die unterschiedlichen Vergabesysteme. Im Anschluss daran findet eine Auswertung der gegenwärtigen Förderpraxis statt. Ich werde an dieser Stelle mithin die Anzahl geförderter Filme, geförderte Großprojekte, geförderte Produktionsfirmen und geförderte Genres in einem repräsentativen Zeitraum analysieren.

Darauf folgt in Kapitel 4 die Darstellung diverser Formen von Mäzenatentum. Hierbei beziehe ich mich auf fünf Typen von Mäzenen: den Paten Gaius Clinius Maecenas, den Strategen Lorenzo de’ Medici, den Egoisten König Ludwig II., die Fokussierte Marie-Laure de Noailles sowie die Autonome Julia Stoschek. Der Zeitraum der Betrachtung reicht dabei von der Antike bis zur Gegenwart.

Die Relevanz mäzenatischer Aspekte für die Filmförderung stelle ich in Kapitel 5 heraus. Dabei werde ich die gewonnen Erkenntnisse aus der historischen Kontextualisierung, Systematisierung und Auswertung von Filmförderung in Kapitel 3 sowie der Analyse der unterschiedlichen Formen von Mäzenatentum in Kapitel 4 in Relation setzen, diskutieren und bewerten.

In meinem Fazit (Kapitel 6) greife ich schließlich noch einmal Bourdieus Kapitaltheorie auf und benenne aktuelle medienpolitische Entwicklungen in der Filmförderung.

2 Bourdieus Kapitaltheorie: Die Gemeinsamkeiten zwischen Filmförderung und Mäzenatentum

Filmförderung und Mäzenatentum sind zwei unterschiedliche Arten von Kulturförderung, die erstaunliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Diese werden vor allem dann deutlich, wenn man den Fokus auf die Fördermittel beziehungsweise auf das eingesetzte Kapital und den damit zu erzielenden Effekt richtet.

Manuel Frey schreibt in Macht und Moral des Schenkens, Mäzenatentum sei »eine Strategie der Umwandlung von Geld in Kulturprestige«39. Ein Mäzen kauft sich durch sein Mäzenatentum etwas, dass man mit Geld eigentlich nicht kaufen kann. Es handelt sich dabei um kulturelle Anerkennung. Diese kann er auf ganz unterschiedliche Art und Weise erfahren, beispielsweise durch die Teilhabe am Erfolg eines von ihm geförderten Künstlers oder auch durch die Gesellschaft selbst, die ihn als Kunstkenner wertschätzt. Im Bereich der Filmförderung ist die Situation ähnlich. Diese partizipieren ebenfalls am Erfolg an von ihnen geförderten Filmen, wenn diese beispielsweise auf einem bedeutsamen Festival zu sehen sind oder mit einem Preis ausgezeichnet werden. Zwar setzen sich die Förderbudgets der einzelnen Förderinstitutionen aus unterschiedlichen Mitteln zusammen, der überwiegende Teil sind jedoch öffentliche Gelder. Bund und Länder erfahren durch ihre Unterstützung des Kulturguts Film ebenfalls eine symbolische Wertschätzung.

Demnach findet sowohl beim Mäzenatentum als auch bei der Filmförderung eine Transformation von Kapital statt, die sich weiter spezifizieren lässt, indem man sich an Bourdieus Kapitaltheorie orientiert. Diese wurde in einem soziologischen Kontext formuliert, sie bietet sich aber dennoch dazu an, die Umwandlung von Geld in Kulturprestige anhand diverser Kapitaltransformationen zu veranschaulichen und auf theoretischer Ebene zu diskutieren.

Bourdieu führt seine Kapitaltheorie primär in Die verborgenen Mechanismen der Macht aus. Darin unterscheidet er folgende Kapitalformen: »ökonomisches«, »kulturelles« und »soziales Kapital«. Zudem definiert er im Zusammenhang mit sozialem Kapital eine weitere Kategorie: das »symbolische Kapital«.40 Im Laufe seiner Forschungsarbeit hat Bourdieu weitere Spezifizierungen vorgenommen – er spricht beispielsweise von »Bildungs- und Schulkapital«, oder von »intellektuellem«, »wissenschaftlichem«, »philosophischem«, »universitärem«, »politischem« und »linguistischem Kapital« als Unterarten des kulturellen Kapitals. Um wirtschaftliche Strukturen und Prozesse zu analysieren verwendet er auch die Begriffe »finanzielles«, »technologisches«, »kommerzielles«, »juristisches Kapital« und »Organisationskapital«.41 Da er aber keine dieser Kapitalformen präzisiert wie in Die verborgenen Mechanismen der Macht, werden hier nur die vier klar definierten und dadurch gegeneinander abgrenzbaren Kapitalformen – ökonomisches, kulturelles, soziales und symbolisches Kapital – herangezogen.

Doch bevor ich genauer auf diese vier Typen eingehe, möchte ich ausführen, was Bourdieu unter Kapital versteht, denn seine Auffassung davon unterscheidet sich von der Wirtschaftstheorie. In Die verborgenen Mechanismen der Macht kritisiert er den wirtschaftswissenschaftlichen Kapitalbegriff:

Dieser wirtschaftswissenschaftliche Kapitalbegriff reduziert die Gesamtheit der gesellschaftlichen Austauschverhältnisse auf den bloßen Warenaustausch, der objektiv und subjektiv auf Profitmaximierung ausgerichtet und vom (ökonomischen) Eigennutz geleitet ist. Damit erklärt die Wirtschaftstheorie implizit alle anderen Formen sozialen Austausches zu nicht-ökonomischen, uneigennützigen Beziehungen.42

Seine Kritik richtet sich vor allem gegen die im wirtschaftswissenschaftlichen Kapitalbegriff postulierte Uneigennützigkeit. Dies ist für die hier zugrunde liegende Analyse besonders wichtig, da weder die Filmförderung noch Mäzenatentum frei von Eigennutzen ist. Bourdieu hebt vielmehr »die polymorphen Interessen, Einsätze und Profitmöglichkeiten in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Feldern«43 hervor. Eine allgemeine ökonomische Praxiswissenschaft müsse sich deshalb bemühen, das Kapital und den Profit in allen ihren Erscheinungsformen zu erfassen und die Gesetze zu bestimmen, nach denen die verschiedenen Arten von Kapital gegenseitig ineinander transformiert würden.44

Die vier Kapitalformen ökonomisch, kulturell, sozial und symbolisch definiert Bourdieu wie folgt:

Unter ökonomischem Kapital versteht er die verschiedenen Formen materiellen Reichtums.45 Es »ist unmittelbar und direkt in Geld konvertierbar und eignet sich besonders zur Institutionalisierung in der Form des Eigentumsrechts«46.

Kulturelles Kapital hingegen untergliedert Bourdieu in drei Zustände: objektivierter, inkorporierter und institutionalisierter Zustand.

Beim objektivierten Kulturkapital handelt es sich um materiell übertragbares Kapital durch materielle Träger (zum Beispiel Bücher, Gemälde, Denkmäler, Instrumente).47 Das objektivierte Kulturkapital ist für die folgenden Ausführungen nicht relevant, denn die materielle Übertragung von Kunstgegenständen kann beim Mäzenatentum zwar eine Rolle spielen, bei der Filmförderung hingegen nicht. Film ist ein immaterieller Vermögensgegenstand, bei dem lediglich mit Rechten gehandelt wird. Und selbst wenn man den immateriellen Aspekt außer Acht lässt, werden diese Rechte aber in keinem Fall auf die Filmförderung übertragen.

Kulturelles Kapital in inkorporiertem Zustand ist eine personen- und körpergebundene Form von Kapital, die einen Verinnerlichungsprozess voraussetzt. In inkorporiertes Kulturkapital muss Zeit investiert werden.48 Der Begriff meint in dieser Form »sämtliche kulturellen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissensformen, die man durch ›Bildung‹ – freilich in einem sehr allgemeinen, nicht nur im schulisch-akademischen Sinne – erwerben kann«49.

Die Schwierigkeiten der Übertragung von inkorporiertem Kulturkapital beschreibt Bourdieu folgendermaßen:

Inkorporiertes Kapital ist ein Besitztum, das zu einem festen Bestandteil der »Person«, zum Habitus geworden ist; aus »Haben« ist »Sein« geworden. Inkorporiertes und damit verinnerlichtes Kapital kann deshalb (im Unterschied zu Geld, Besitz- oder sogar Adelstiteln) nicht durch Schenkung, Vererbung, Kauf oder Tausch kurzfristig weitergegeben werden. Daraus folgt, dass die Nutzung oder Ausbeutung kulturellen Kapitals sich für die Eigner ökonomischen oder sozialen Kapitals als besonders problematisch erweist. Ob es sich nun um private Mäzene handelt oder, im Gegenteil, um Unternehmer, die ein »Kaderpersonal« mit spezifischen kulturellen Kompetenzen beschäftigen (von den neuen Staatsmäzenen ganz zu schweigen), immer stellt sich folgendes Problem: Wie läßt sich diese so eng an die Person gebundene Kapitalform kaufen, ohne die Person selbst zu kaufen – denn das würde zum Verlust des Legitimationseffektes führen, der auf der Verschleierung von Abhängigkeiten beruht?50

Da inkorporiertes Kulturkapital personengebunden und daher nicht übertragbar ist, wird es ebenfalls von der weiteren Analyse ausgeschlossen.

Die dritte Form kulturellen Kapitals, das institutionalisierte Kulturkapital, hingegen ist für die folgende Betrachtung von Bedeutung. Bourdieu versteht darunter Titel, die einen Symbolcharakter haben. Dies können Bildungstitel sein, wie beispielsweise akademische Abschlüsse.51

Bourdieu nennt das soziale Kapital als eine weitere eigenständige Kapitalform. Er versteht darunter »die Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennens oder Anerkennens verbunden sind«52. Diese Ressourcen beruhen dabei auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe, wie zum Beispiel einer Familie, einer Klasse, eines Stammes, einer Partei oder auch eines exklusiven Clubs.53 Im Rahmen seiner Ausführungen zum sozialen Kapital betitelt Bourdieu dieses auch als symbolisches Kapital. Denn das soziale Kapital bewegt sich »so ausschließlich in der Logik des Kennens und Anerkennens, daß es immer als symbolisches Kapital funktioniert«54. Da ich symbolisches Kapital für den exakteren Begriff halte, werde ich diesen im Folgenden verwenden. Markus Schwingel schreibt in Pierre Bourdieu zur Einführung über den Zusammenhang zwischen symbolischem Kapital und sozialer Anerkennung:

Darüber hinaus sind zum symbolischen Kapital sämtliche Formen des Kredites an sozialer Anerkennung zu rechnen, die sich innerhalb der verschiedensten gesellschaftlichen Bereiche etablieren können, zum Beispiel die (symbolische) Wertschätzung, die ökonomisch reiche Akteure oder Institutionen sich durch »gemeinnützige« Spenden und Stiftungen verschaffen können.55

Symbolisches Kapital kommt ebenso mittels gesellschaftlicher Anerkennungsakte zustande, die bestimmten Akteuren oder gesellschaftlichen Gruppen einen »Kredit« an Ansehen und damit ein bestimmtes Prestige einräumen.56

Die im sozialwissenschaftlichen Kontext von Bourdieu definierten Kapitalformen ökonomisch, kulturell und symbolisch lassen sich folgendermaßen auf die Filmförderung übertragen:

Unter ökonomischem Kapital sind schlichtweg Filmfördermittel zu verstehen. Diese setzen sich aus unterschiedlichen Quellen zusammen: aus der Filmwirtschaft selbst, aus öffentlichen Geldern, aus Mitteln von öffentlich-rechtlichen Sendern sowie aus privat-wirtschaftlichen Geldern (von privaten Rundfunkanbietern oder Landesmedienanstalten).

Als institutionalisiertes Kulturkapital lassen sich Filme bezeichnen, die auf einem renommierten Filmfestival zu sehen sind, einen Filmpreis oder auch ein Prädikat der FBW erhalten haben.

Symbolisches Kapital wird durch Kulturprestige generiert. Dieses spielt bei der Filmförderung eine gewichtige Rolle. Nicht nur Bund und Länder erfahren gesellschaftliche Anerkennung durch ihre Beteiligung an der Filmförderung, auch für einzelne Politiker ist Filmförderung mit eindeutigen Prestigeeffekten verbunden:

Entsprechende öffentliche Veranstaltungen können zur Eigenwerbung und Positionierung genutzt werden. Filmpremieren, Festivals und der Kontakt zu renommierten Akteuren der Filmwirtschaft, die über einen hohen Bekanntheitsgrad verfügen, können ebenfalls einen individuell positiven Nutzen für die politischen Akteure bewirken. Daher streben Politiker eine möglichst hohe eigene Bedeutung ihres Einflussbereiches für die Filmwirtschaft an.57

Um die Bedeutung von Bourdieus Kapitalbegriffen für das Mäzenatentum herauszustellen, muss ich auf Kapitel 4 vorgreifen.

Mit ökonomischem Kapital ist das von den Mäzenen zur Verfügung gestellte Kapital gemeint. Diese kann wie im Fall von Lorenzo de’ Medici, Marie-Laure de Noailles oder Julia Stoschek aus privaten Quellen stammen, aus staatlichen Mitteln (wie bei König Ludwig II.) oder aus einer Mischung aus privaten und staatlichen Geldern (wie bei Gaius Clinius Maecenas).

Kulturelles Kapital in institutionalisiertem Zustand wird dadurch generiert, dass einige der in Kapitel 4 porträtierten Mäzene explizit auf von ihnen geförderte Künstler verweisen, sofern diese eine gewisse Popularität haben. Beispiele hierfür sind Maecenas, der etablierte Künstler wie Vergil, Horaz oder Properz förderte oder Julia Stoschek, die in ihrem Privatmuseum Medienkunst von Marina Abramovic ausstellt und mit deren Namen wirbt.

Im Zusammenhang mit symbolischem Kapital lässt sich festhalten, dass der Prestigeeffekt bei den in dieser Arbeit vorgestellten Mäzenen stark variiert. Während Lorenzo de’ Medici durch sein Mäzenatentum in ganz Italien als großer Kunstkenner galt, verschaffte sich Marie-Laure de Noailles durch ihre Förderung von Luis Buñuels umstrittenen Film L’ÂGE D’OR (zumindest zur damaligen Zeit) keine gesellschaftliche Anerkennung.

Übersetzt man die von Frey zu Beginn des Kapitels genannte Aussage »Mäzenatentum sei eine Strategie zur Umwandlung von Geld in Kulturprestige«58 in Bourdieus Kapitaltheorie, lässt sich festhalten: Sowohl bei der Filmförderung als auch beim Mäzenatentum findet eine Transformation von ökonomischem in institutionalisiertes Kulturkapital sowie symbolisches Kapital statt.

Eine solche Transformation ist bei einzelnen Kapitalkonstellationen auch in umgekehrter Richtung denkbar. Institutionalisiertes Kulturkapital lässt sich in ökonomisches Kapital umwandeln: Fördert eine Filmförderinstitution die »richtigen« Filme, das heißt Filme, die mit diversen Preisen ausgezeichnet wurden, könnte dies dazu führen, dass mehr Zuschauer ins Kino gehen und sich dadurch die Rückflüsse erhöhen. Dies hat wiederum positive Auswirkungen auf den Förderetat. Auch eine Konversion von symbolischem in ökonomisches Kapital ist möglich: Gesellschaftliche Anerkennung staatlicher Filmfördertätigkeit in Form von Wählerstimmen, kann zu einer Erhöhung des Förderbudgets führen.

Im Bereich des Mäzenatentums lässt sich über einen solchen Umkehreffekt – das heißt der Transformation von institutionalisiertem Kulturkapital oder symbolischem Kapital in ökonomisches Kapital – aufgrund der unterschiedlichen Ausprägungen keine valide Aussage treffen.

3 Historische Kontextualisierung, Systematisierung und Auswertung der Filmförderung in Deutschland

Zunächst sei näher dargelegt, welche Auslegung des Begriffs Filmförderung der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt. Wenn im Folgenden von Filmförderung die Rede ist, dann ist die institutionelle Filmförderung in Deutschland gemeint. Dabei wird zwischen der Förderung des Bundes und der Länder unterschieden. Es werden alle heute existierenden Filmförderinstitutionen analysiert, die ihrem Förderumfang nach eine Relevanz haben. Diese sind auf Bundesebene die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und deren Förderung, die Filmförderungsanstalt (FFA) und der Deutsche Filmförderfonds (DFFF). Zu den Länderförderungen zählen: Film- und Medienstiftung NRW (Filmstiftung NRW), Medienboard Berlin-Brandenburg (MBB), Film-FernsehFonds Bayern (FFF Bayern), Mitteldeutsche Medienförderung (MDM), Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH), MFG Filmförderung Baden-Württemberg (MFG) sowie nordmedia. Kleinere regionale Förderinstitutionen, wie beispielsweise das Filmbüro Bremen, das Saarländische Filmbüro, die HessenFilm, die kulturelle Filmförderung Mecklenburg-Vorpommern, die kulturelle Filmförderung Sachsen oder die kulturelle Filmförderung Thüringen werden aufgrund ihres geringen Förderbudgets nicht berücksichtigt. Auch wenn der Förderetat des Kuratoriums junger deutscher Film (KjdF) ebenso nicht allzu üppig ist, zähle ich es zu den relevanten Förderinstitutionen. Dies liegt primär an seiner filmpolitisch und auch -geschichtlich herausragenden Bedeutung. Das KjdF hat einen weiteren Sonderstatus: ursprünglich war es als Bundesfilmförderinstitution angelegt, heute wird es jedoch gemeinschaftlich durch die Länder finanziert.

Wenn es um institutionelle Filmförderung geht, liegt es nahe, öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten, die ja bekanntermaßen einen Kulturauftrag haben und damit Filmförderinstitutionen in gewisser Weise ähnlich sind, ebenfalls als eine Art Filmförderung zu begreifen. Dies wird in dieser Arbeit jedoch nicht der Fall sein und zwar aus folgenden Grund: Der Schwerpunkt der Tätigkeit öffentlich-rechtlicher Rundfunkanbieter liegt in der Produktion eigener Programminhalte und auch wenn sich diese beispielsweise an einem Kinofilm in Form einer Koproduktion beteiligen, steht der Rechteerwerb, das heißt ein konkreter wirtschaftlicher Gegenwert, im Vordergrund. Ihr finanzielles Engagement und im übrigen auch das privater Rundfunkanbieter im Bereich des Films findet jedoch insofern Berücksichtigung, dass sich diese als Gesellschafter (bei einzelnen Länderförderinstitutionen) oder im Rahmen einer Abgabepflicht (bei der FFA) an der Filmförderung beteiligen.

In diesem Kapitel erfolgt eine Analyse der institutionellen Filmförderung in Deutschland anhand einer festgelegten Matrix. Dabei untersuche ich die Filmförderinstitutionen nach folgenden Kriterien: Förderziele, Förderbereiche, Mittelherkunft, Mittelvergabe sowie Förderpraxis.

Besonders der letzte Punkt bedarf einer umfangreichen Recherche. Während Filmförderung in Kapitel 3.2 bis 3.5 in theoretischer Hinsicht erfasst wird, werde ich in Kapitel 3.6 die gängige Förderpraxis analysieren. Dabei gehe ich auf Aspekte, wie das jährliche Förderbudget, den Schwerpunkt der Fördermaßnahmen, die Anzahl geförderter Filme, umfangreich geförderte Filmprojekte, geförderte Produktionsfirmen, die Senderbeteiligung an geförderten Filmprojekten sowie geförderte Genres ein.

Zunächst soll aufgezeigt werden, wie sich staatliches Engagement im Bereich der Filmförderung entwickelt hat und wie es zur Etablierung des heutigen institutionellen Systems kam.

3.1 Die Entstehung der institutionellen Filmförderung

Die Geschichte der Filmförderung lässt sich in vier Zeitabschnitte untergliedern: erste staatliche Fördermaßnahmen und die Gründung der Ufa (Universum Film AG) Anfang des 20. Jahrhunderts, zwangsverstaatlichte Filmförderung im Nationalsozialismus, Bürgschaftsmodelle im Nachkriegsdeutschland und institutionelle Filmförderung ab den 1950er Jahren bis heute.

3.1.1 Erste staatliche Fördermaßnahmen und die Gründung der Ufa Anfang des 20. Jahrhunderts

Eine umfassende staatliche Kulturförderung setzte sich jedoch erst ab circa 1914 durch.59 Dies galt zunächst nicht für das noch junge Medium Film. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Film noch nicht als einen Gegenstand einer förderwürdigen Kunstpflege anerkannt.60 Erst zu Zeiten des Ersten Weltkriegs entdeckte der Staat die politische Verwendbarkeit von Film. Daraufhin rief im Januar 1917 das Preußische Kriegsministerium das Bild- und Filmamt ins Leben. Da dessen Filmpropaganda nur eine begrenzte Wirkung zeigte, wurde bereits Ende 1917 auf Initiative des Außen- und des Kriegsministeriums die Ufa gegründet. Diese sollte subtilere, unterhaltsamere und vor allem wirkungsvollere Propaganda betreiben.61 Es war hierbei vor allem General Ludendorff (der Chef des Generalstabs des Feldheers war), welcher die Filmproduktion in einen propagandistischen Kontext rückte. Er wollte die Mehrheit an Filmherstellungsunternehmen erwerben und diese verstaatlichen um die deutsche Filmindustrie zu vereinheitlichen. Demnach war die frühe deutsche Filmpolitik nicht von dem Gedanken einer pluralistischen privaten Struktur geprägt.62 Der Ufa-Konzern finanzierte sich somit nur zu knapp einem Drittel aus Mitteln des Staates, der Großteil der Gelder stammte aus der Privatwirtschaft. Dennoch wurden durch ihn die ersten staatlichen Filmfördermaßnahmen durchgeführt.