Peter Hubral

Der Glaubensfreie Universelle Erleuchtungsweg - Band II

Enthüllung biblischer und nicht-biblischer Mythen


Rediroma-Verlag


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Stimmige Zitate aus unterschiedlichen Kulturen

Laozi: „Die Belehrung ohne Worte, den Wert des Nicht-Handelns (Wuwei) erfassen nur wenige auf Erden.“

Platon: „Also, wer glaubt, eine Fertigkeit mittels Buchstaben zu hinterlassen, und wer andererseits als Empfänger meint, aus Buchstaben gehe etwas Deutliches und Sicheres hervor, der dürfte höchst einfältig sein.“

Zhuangzi: „Wo finde ich einen Menschen, der die Worte vergisst, auf dass ich mit ihm reden kann?

2. Makkabäer: „Ich bitte dich, mein Kind, schau dir den Himmel und die Erde an; sieh alles, was es da gibt, und erkenne: Gott hat das aus dem NICHTS erschaffen, und so entstehen auch die Menschen.“

Zhuangzi: „Das Tor des Himmlischen ist das NICHTS. Alle Dinge kommen aus NICHTS.

Genesis: „Henoch ging mit Gott; und ‚er war NICHTS, denn Gott nahm ihn auf.“

Al-Kindi: „Wir sagen, dass der wahre erste Akt das Werden von Wesen aus dem NICHTSEIN ist. Denn das Werden von Wesen aus dem NICHTSEIN gehört keinem anderen. Und dieser Akt ist als ‚Entstehung zu bezeichnen.“

Zen Meister Kodo Sawaki: „Buddha-weg bedeutet: NICHTS zu suchen, NICHTS zu finden.“

Rumi: „Ich werde was kein Geist jemals begriff: Nichtexistenz.“

Ägyptische Totenbuch: „Ich bin eine Idee, in Fleisch gehüllt, die aus dem Bauch des Himmels entsprang. Wie ein Falke fliege ich über das Bekannte hinaus in das Reich des Unbekannten.“

Zenmeister Bunan: „Sterbe während du lebendig bist und sei dann absolut tot. Danach tue, was du willst. Es ist alles gut.“

Johannesevangelium: „Dann lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben.“

Laozi: „Wer nach Wissen strebt, muss jeden Tag vermehren. Wer nach dem Dao strebt, muss jeden Tag vermindern“.

Demokrit: „Vom Wissen gibt es zwei Weisen, eine echte (gnesie) und eine obskure (skotie).“

Salomon: „Und ich sah, dass alle Arbeit und alle Errungenschaften durch Arbeit das Ergebnis des Neides und der Rivalität des Menschen mit seinem Nächsten waren.“ „Aber besser ist die Erkenntnis des Menschen, der noch ungeboren und nicht damit konfrontiert ist, was der Neid unter der Sonne bewirkt.“

Platon: „Forscher gehören zu den besten Männern der Welt, die immerzu neue Gesetze formulieren und kontinuierlich verfeinern, ohne zu kapieren, dass sie nur die Hydra köpfen.”

 

Inhaltsverzeichnis:

 

Zusammenfassung      9


Kapitel 1. Einsichten auf dem Erleuchtungsweg      18

1.1 Universelle Lehre der drei Welten      39

1.2 Wahrnehmung: Gewöhnlich und außergewöhnlich      50

1.3 Der schwierige Zugang zu Wuwei, Gegenteil
von Youwei      80

1.4 Stufenweiser Aufstieg und Abstieg der psyché      93

1.5 Enthüllung des lógos aus dem mythos      100

1.6 Stimmige Zitate über Auf- und Abstieg der psyché      106

1.7 Aufstiegs- und Schöpfungsmythen      127

1.8 Gleiches durch Gleiches      144

1.9 Harran: Schmelztiegel traditioneller Kulturen      147

1.10 Platon, Suhrawardi, Mani, Al-Hallaj und Jesus      156

1.11 Suche nach Weisheit      166

1.12 Ursprung des Christentums      169

1.13 Vernichtung des Aberglaubens      174

1.14 Selbstlob der Philosophen und Wissenschaftler      176

1.15 Némesis: Reaktion auf hýbris      181

1.16 Erfahren kontra Glauben      190


Kapitel 2. Philosophía: Ursprung von Philosophie/ Theologie      194

2.1 Warum redet Jesus in Gleichnissen?      201

2.2 Der Erleuchtungsweg Jesu      211

2.3 Enthüllung des Mythos über „Kreuzigen“      220

2.4 Ausbreitung des Glaubens von West nach Ost      224

2.5 Der Siegeszug der empeiría      226

2.6 Erkenne dich selbst durch sophrosýne      231

2.7 Die verwirrenden Metaphern für Yin und Yang      234

2.8 Sterben, Tod und Wiedergeburt      241

2.9 Genesis kontra Evolutionstheorie      246


Kapitel 3. Enthüllung der Genesis      249

3.1 Entmystifizierung des Adam-Eva-Mythos      252

3.2 Sóma (Eva) und pneúma (Adam)      257

3.3 Vertreibung aus dem Paradies      260


Nachwort: Die Hoffnung stirbt zuletzt      262

 

 

Zusammenfassung

Ich erörtere nun – in größerem Umfang als in Band I – das einzigartige spirituelle Taiji-WISSEN (epistéme), das durch Üben (Bild 1) mit dem schöpferischen (S) Prinzip – Wuwei (philía, mahabba, ahabah, Akarma)-Prinzip – „aus sich heraus“ als Wiedererinnerung (anamnésis) an Verborgenes aufgedeckt wird (Pfeil I in Bild 2).

 

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Bild 1. Altgriechische AusÜBENDE der philosophía auf ihrer „universellen magical mystery tour“.

 

Der regelmäßige Einsatz des schöpferischen (S)-Prinzips intensiviert im Übenden durch sein eigenes Nichtwirken oder Nicht-Tun (Wuwei) das kreative Wirken (Wei =爲) aus dem Unbekannten (Nichtsein = Wu =無). Ich entmystifiziere mit dem, was es „aus sich selbst“ in der Innenschau (Bild 1) bewirkt, biblische und nicht-biblische Aufstiegsmythen (Pfeil I in Bild 2) und Schöpfungsmythen (Pfeil II). Damit biete ich die einzigartige „Spirituelle Archäologie“ an, die auf meiner Vertrautheit mit Metaphern der uralten Dao-Weisheitslehre (Taijixue) basiert.

 

 

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Bild 2: Schematische Darstellung (a) des Großen Wegs (Pfeil I) vom Diesseits (A) durch die drei jenseitigen Taiji-Welten (Himmel) zum absoluten Nichtsein (D) und (b) der Entstehung (Pfeil II) der drei Taiji-Welten (Himmel) und des Diesseits (A) aus dem absoluten Nichtsein (oberhalb D).

 

Ich habe ihre Äquivalente mittels der von mir eingesetzten Mustererkennung1 in mehreren untergegangenen Kulturen entdeckt. Ich benutze nun deren übereinstimmende „universellen Lehrinhalte“, um zu zeigen, dass den Verfassern der Mythen die persönliche Erfahrung der ewig schöpferischen Natur (phýsis) im Aufstieg (anagogé) (Pfeil I) vertraut war.

Phýsis ist die jenseitige spirituelle natürliche Welt oberhalb der vertrauten (A in Bild 2), die sich – im regelmäßigen Üben (Bild 1) – in meditativer Innenschau mit dem S-Prinzip zunehmend (Pfeil I) offenbart.

Die Verfasser der Mythen beschreiben damit, was sie mit wiedererweckten außergewöhnlichen Sinnen (sophrosýne, Yang-Liugen) SAHEN. Dies wurde jedoch durch das Sehen ungeübter Interpreten mit deren gewöhnlichen Sinnen (aphrosýne, Yin-Liugen) missinterpretiert, mythologisiert und oft sogar heiliggesprochen.

Das einzigartige WISSEN (epistéme) der philosophía, dem ich am meisten außer dem Dao-Wissen meine Aufmerksamkeit schenke, ist mit dem von renommierten Meistern zwischen Ost und West im Einklang. Es ist durch die Mustererkennung die ich einsetze, rekonstruierbar.

Dazu greife ich nicht nur auf die Lehre der drei Welten, sondern auch auf die vier kreisförmigen Dao-Symbole (Bild 2) zurück, die die Aufstiegserfahrungen (Pfeil I) artikulieren und die Abstiegserfahrung (Pfeil II) damit beschreiben.2

Die vier Symbole in Bild 2 werden in meiner Schule noch durch ein fünftes oberhalb des leeren Kreises ergänzt. Es ist KEIN Symbol. Hinter ihrer Folge (Pfeil II) steckt der stufenweise Übergang von der monistischen zur dualistischen Welt, vom (absoluten) Nichts (in D) und schöpferisch EINEM (hèn) zum Vielen (pánta) in A.

Diese vier/fünf Symbole sind durch Bagua (Bild 3) mit seinen acht Trigrammen zu ergänzen. Bagua charaktersiert die diesseitige Welt vor Einstieg in den Großen Weg (Pfeil I). Es ist das Logo meiner Taiji-Schule, worauf meine Erklärung des Adam-Eva-Mythos fußt.

 

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Bild 3 Bagua

 

Es gilt, dass jedes höhere Symbol im Aufstieg (Pfeil I) das darunter liegende einschließt und es im Abstieg (Pfeil II) wieder erzeugt. Dies bedeutet, dass die (übersinnliche) Wahrnehmung hinter jedem höheren Symbol die aller darunter liegenden beinhaltet. Es bedeutet ebenso, dass die eingeschränkte Wahrnehmung, die sich hinter dem untersten Symbol verbirgt, potentiell die Wahrnehmungen aller höheren Symbole beinhaltet und diese durch regelmäßiges Üben (Bild 1) stufenweise erweckt werden (Pfeil I).

Die vier (fünf) Symbole in Bild 2 haben, wie ich zeige, ihr Äquivalent in der weniger aussagekräftigen pythagoreischen Tetraktys (Bild 4). Diese ist aus der Monade (1), Dyade (2), Triade (3) und Tetrade (4) zusammengesetzt, deren erfahrbare spirituelle Inhalte zu Unrecht „mathematisiert“ und damit degradiert wurden. Sie entsprechen den vier Symbolen – von oben nach unten – in Bild 2.

Bildergebnis für tetraktys

Bild 4 Tetraktys

 

Auch Laozi, Suhrawardi und andere verweisen, wie ich noch zeige, auf die Folge 1,2,3,4. Damit stimmig ist auch das als Tetraktys dargestellte Tetragrammaton (Bild 5): Symbol für Inhalte der vier Buchstaben von JHWH (Jahwe, Jehova). Dies begründe ich damit, dass ich später den inhaltlich engen Zusammenhang zwischen Aussagen von Pythagoreern und AusÜBENDEN der Shekinah3 aufzeige.

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Bild 5 Tetragrammaton als Tetraktys

 

Ich liefere in Band II viele Indizien die zeigen, dass Bild 2, 3, 4 und 5 übereinstimmende Inhalte und somit denselben Ursprung im Aufstieg (Pfeil I) mit dem S-Prinzip haben.

 

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Bild 6 Sonnengott Ra (Re).

 

Wir finden, wie ich zeigen werde, vielerorts Hinweise auf den leeren Kreis in Bild 2, den meine Schule Taiji-Kreis (Taijitu) nennt. Er entspricht der Sonnenscheibe, die nicht nur dem altägyptischen Aton (Atum) zugeschrieben ist. Aton wird – so wie die Monade – symbolisiert durch , das ohne zentralen Punkt dem Taiji-Kreis (Taijitu) entspricht. Aus der Vergötterung von Aton entstand – durch invention of tradition – der Sonnengott Ra (Bild 6).

Wir lesen, was den Vergleich von Bild 5 mit einem Sonnengott betrifft: 4 „Ob auch die solaren Aspekte von Jahwe (JHWH) ein Erbe El / ilu’s sind, ist indes unsicher. Die Vorstellung von Jahwe als Sonne dürfte uralte Wurzeln haben (Dtn 33,2.14; Hab 3,11; Ps 84,12), andererseits ist die Solarisierung des Jahwe-Glaubens erst ein Produkt des assyrischen Einflusses in der späten Königszeit.“

Ich erinnere an meine Verweise auf die Sonne(nscheibe) in Band I, z.B. an Platons Sonnengleichnis, dessen Ursprung auf innigem Erfahren (Pfeil I) und nicht auf Glauben basiert. Ich zitiere später weitere Sonnengottheiten, deren Ursprung in glaubensfreier Erleuchtungserfahrung (D in Bild 2) liegt.

 

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Bild 7: Adam und Eva (Hawa) 5

 

Auch Adam und Eva (Bild 7) sind nicht von den Bildern 1-6 zu trennen. Sie sind, so wie in Band I angedeutet und im Folgenden weiter belegt, Allegorien für pneúma und sóma. Diese sind die oberste und unterste Metamorphose der dreigeteilten psyché, die sich im Aufstieg (Pfeil I) „vermählen (vermischen)“ und so den Schöpfungsakt (Pfeil II) beschreiben. Damit erkläre ich in Kap. 3 die Genesis. Dort assoziiere ich Adam mit Yang und dem weißen und Eva mit Yin und schwarzen „Fisch“ im Kreis innerhalb vom Bagua (Bild 3).

 

Entstehung und Enthüllung der Mythen

Ich vertiefe in Band II Mythen aus Band I und erkläre weitere, die alle miteinander stimmig sind. Hinter allen verbirgt sich die Lehre der drei Welten (LDDW), worauf z.B. die Metaphern männlich, weiblich, Eva, Adam, Jungfrau, Kind, Vater, Herr, Schlange, Löwe usw. hinweisen. Die Mythen sind nur deshalb Mythen, weil man ihre ursprüngliche in Metaphern gefasste Botschaft, die der Aufstieg (Pfeil I) offenbart, nicht kennt. Diese verbirgt sich hinter allen obigen Bildern. Damit deute ich an, was ich mit HOLISTIK – in jedem Teil steckt das Ganze – meine. Sie ist Folge der Anwendung des S-Prinzips. Wer die sich daraus ergebende Botschaft nicht erfasst, weil er Metaphern in den Mythen (Allegorien) wortwörtlich nimmt, gibt sich den „Schatten an Platons Höhlenwand“ und nicht dem hin, was diese wirft.

Es ist mein Ziel, aus den „Schatten“ zu rekonstruieren, was diese erzeugt. Ich kann dies Ungeübten jedoch nur so weit erklären, wie es mit Worten möglich ist, da die übersinnliche Aufstiegserfahrung nicht vermittelbar ist.

Dazu ist zu bemerken, dass ich die – durch invention of tradition (Erfundene Tradition) – erzeugten „Schatten“ nicht abwerte. Auch sie haben ihre Faszination. So bin ich auf meinen Reisen weltweit mit beeindruckender sakraler Kunst, Musik, Architektur und faszinierenden Ritualen in verschiedenen Religionen in Kontakt gekommen. Meine Hoffnung, mittels des von ihnen vermittelten Glaubens zu erkennen, was ursprünglich dahintersteckt, also die „Schatten“ wirft, hat sich für mich nicht erfüllt.

Meine Neugier animierte mich jedoch, hinter den kulturbezogenen Religionen – auf der Basis meines Dao-Wissens – deren ursprüngliche naturbezogene gemeinsame Kultur zu erkennen und erforschen, um deren universellen Ursprung zu erfassen, worüber ich berichte.

 

Kapitel 1. Einsichten auf dem Erleuchtungsweg

Ich habe in Band I die Gleichsetzung begründet: Dao-Wissen (Taijixue) = epistéme (gnósis) = hikma al huduri (Wissen durch Präsenz) = Brahmavydia. Ich erkläre nun dieses einzigartige WISSEN und die sich dahinter verbergende WISSENschaft mit ihrem universellen Netzwerk aus holistischen Metaphern. Diese resultieren, so wie ich es in Band II detaillierter als in Band I zeige, in allen zitierten Traditionellen Lehren aus dem Einsatz des S-Prinzips im regelmäßigen Üben. Diese Lehren stimmen, auch wenn sie in verschiedene Worte gefasst sind, ursprünglich inhaltlich überein. Dabei kommt es nicht auf die Worte, sondern darauf an was sich hinter ihnen verbirgt und erfahren werden will.

Dabei geht es mir vorrangig um die Begründung von: Dao- Lehre = philosophía (theología) = Hikmat al-Ishraq. Ich erinnere an die Gleichheit ihrer drei Weltinhalte (Xin, Qi, Shen) = (sóma, psyché, pneúma) = (nafs-i ḥayawānī, nafs i-insāni, nafs i-ruhani), worauf ich in Band I hingewiesen habe. Davon zeigt Bild 2 die ersten beiden Triplets.

Da ich mich im Folgenden mehr als in Band I auch biblischen Themen widme, die auf die Metamorphosen (sóma, psyché, pneúma) der psyché hinweisen, werde ich diese nun ausführlicher als in Band I beleuchten.

Dazu greife ich besonders auf Platon zurück, dessen missverstandene Äußerungen über das Triplet ich nun vertiefe. Sie resultieren daraus, dass Interpreten nicht erkennen, dass für ihn die psyché dreigeteilt und Oberbegriff von (sóma, psyché, pneúma) ist. Dies gilt ebenso für das dreigeteilte nafs in (nafs-i ḥayawānī, nafs i-insāni, nafs i-ruhani), so wie von Suhrawardi erklärt.

 

Platons Zitate über sóma und psyché

Die gängige Unterstellung, sóma sei SÓMA (Leib) kurz: Sóma = SÓMA – verzerrt tiefgründige hermetische, orphische, pythagoreische, platonische Weisheiten und dafür nötige Metaphern der LDDW wie z.B. philía, neíkos, (sóma, psyché, pneúma). Ist nur eine davon missinterpretiert, so sind es alle, zumal sie dem S-Prinzip genügen und wie betont untrennbar und holistisch sind.

Betrachten wir die weitverbreitete Behauptung, Platon hätte SÓMA (Leib) von der psyché (Seele) getrennt und ihr SÓMA untergeordnet. Dies ist folgendem Zitat und weiteren mit sóma = SÓMA fälschlich zu entnehmen (Gorgias 493, Phaidon 82e): „Sóma ist séma (Grab) der psyché (Seele)“.

Sóma = SÓMA verzerrt nicht nur diese, sondern viele Aussagen der philosophía, ebenso biblische, die auf (psyché =) sóma zurückgreifen, was der vertrauten Weltzugewandtheit geschuldet ist. Auch wenn sóma = SÓMA in Zitaten, die auf sóma verweisen, oft plausibel erscheint, so führt doch die Gleichsetzung zu inkorrekten Interpretationen („Schatten an der Höhlenwand“), denn sie ignorieren die im Aufstieg erfahrene Metamorphose der psyché.

Sóma = SÓMA erscheint z.B. auf den ersten Blick gerechtfertigt in (Phaidon 64a-70e): „ [...] denn sóma macht uns tausenderlei zu schaffen wegen der notwendigen Nahrung, denn auch wenn uns Krankheiten zustoßen, verhindern uns diese, das Wahre zu erjagen, und auch mit Gelüsten und Begierden, Furcht und von mancherlei Schattenbildern und vielen Kindereien erfüllt uns sóma.“ Doch in Platons darauffolgenden Worten (66d) ist sóma = SÓMA unakzeptabel: „Kriege, Zwiste, Kämpfe schafft uns nur sóma mit seinen Trieben, denn um den Besitz von Geld und Gut entstehen die Kriege alle, zum Gelderwerb aber werden sie nur gezwungen durch sóma als seine Sklaven.“

Sóma = SÓMA ist auch deshalb fragwürdig, weil sich nur schwerlich Argumente dafür finden lassen, warum der Leib (SÓMA) Menschen dazu bringt, Kriege, Umwälzungen und Kämpfe anzuzetteln. Was wären dann die „an SÓMA gebundenen Lüste (Begierden)“, denen wir angeblich ständig zu Diensten sind und die uns versklaven? Was wären die „Schattenbilder und vielen Kindereien, mit denen uns SÓMA angeblich erfüllt“?

Das Zitat kritisiert die einseitige exzessive Hinwendung der psyché zum Diesseits (sóma), die Kriege, Zwiste, Kämpfe schafft. Dazu trägt auch dianoeín (AD = aristotelisches Denken) und das damit einhergehende hypothesen-basierte weltzugewandte Wissen (empeiría) bei, das psyché = sóma geschuldet ist.

Wir lesen (Politeia 511a):6Mit dianoia ist die psyché gezwungen, bei der Untersuchung ihres Gegenstandes Hypothesen zu gebrauchen, wobei sie nicht zum Ursprung (D) gelangt (Pfeil I), so als wäre sie nicht in der Lage, über die Hypothesen hinaus emporzusteigen.“ Platon (Phaidon 62d-67b): „Wann also trifft die psyché die Wahrheit? Denn wenn sie mit (psyché =) sóma versucht etwas zu betrachten, dann wird sie offenbar von sóma hintergangen.“

Sóma = SÓMA erzeugt also – so wie viele andere Fehlauslegungen – mythos. Es hilft nicht der tiefgründigen Einsicht (Phaidon 64-70): „[...] also auch dabei verachtet des Philosophen7 psyché am meisten sóma, flieht vor sóma und sucht allein zu sein.“

Kein philosóphos verachtet SÓMA, ganz im Gegenteil. Er bemängelt lediglich die einseitige exzessive Hinwendung zu sóma, die er im Aufstieg (Pfeil I) überwindet. Dies bringt auch der leibesfreundliche Laozi zum Ausdruck (Kap. 13): „Ich habe große Angst und Sorge, weil ich leiblich (sóma zugeneigt) bin. Wenn ich nicht leiblich wäre, welche Angst und Sorge könnte ich haben?“

Es sind, was meine Leser*innen sicherlich erkannt haben, ungeübte Lehnstuhl-Philosophen, die mit ihrer „Gedankenakrobatik“ nicht erkennen, dass sóma die unterste Metamorphose der sich im Aufstieg wandelnde psyché ist. Damit und vielen weiteren Unterstellungen „verzauberten“ sie mit ihrer „Gedankenakrobatik“ die hypothesenfrei erworbene philosophía in die heutige hypothesen-basierte (Schatten-)Philosophie, ohne es selbst zu erkennen.

 

Sóma: Die tierische Seele

Vor „sóma fliehen und suchen, allein zu sein“ verweist auf das stille weltabgewandte Üben (Bild 1), dem Platons Aussagen inklusive folgender zu verdanken sind (Rep. 379c): „Das Gute wird bei uns Menschen weit überwogen von dem Übel.“ Ebenso (Rep. 586 a ff): „[…] nach ‚Art des Viehes‘ immer auf den Boden stehend und zur Erde und den Tischen gebückt, nähren sie sich und bespringen einander auf der Weide; und wenn sie aus habsüchtiger Begierde nach diesen Dingen ausschlagen und stoßen, so töten sie auch untereinander mit eisernen Hörnern und Hufen aus Unersättlichkeit.“

„Art des Viehes“ verweist auf psyché = sóma = tierische psyché (nafs) = nafs-i ḥayawānī. Tierisch ist ein Äquivalent für irdisch, was man daran erkennt, dass Tiere – im Gegensatz zu Menschen – ihren Kopf meist nach unten halten.

Was ich anspreche ist in Betracht zu ziehen, wenn es heißt:8 „Sie (die Pythagoreer) gingen davon aus, dass zwischen menschlichen und tierischen Seelen kein Wesensunterschied bestehe.“ Damit ist auch die tierische psyché (nafs) angesprochen in:9Nephesch ha-Behemit (Tierische Seele) ist der noch am stärksten animalische Anteil der (menschlichen) Seele, von dem die Begierden und Instinkte ausgehen.“ Es folgen später weitere Äußerungen zur „tierischen Seele“ des Menschen und zu ihrer Überwindung (Pfeil I).

 

Diesseits (Nicht-SEIN): Gitter vom SEIN

Sóma, „Grab (séma) der psyché“, oder tierische psyché, bezieht sich auf die diesseitige Welt (A). Ihre Wahrnehmung resultiert daraus, dass das ewig schöpferisch EINE (hèn) – mit den „Augen von sóma (aphrosýne)“ betrachtet – als Vielfalt (pánta), so wie „durch ein Gitter (das Tiere einsperrt)“ erfasst wird. Dies bestätigen Übende. Platon (Phaidon 83): „Es erkennen nämlich die Lehrbegierigen (Übenden), dass die philosophía, womit sie ihre psyché auffinden (Pfeil I), diese dazu (im Diesseits) zwingt, das SEIN (eón = hèn), den lógos (Dao), so wie ‚durch ein Gitter zu betrachten‘.“ Er deutet damit an, dass psyché (= sóma = séma) das ewig gebärende SEIN (eón = lógos = hèn = kósmos noetós = Wuyou = Taiji = Dao = Yin/Yang) als getrennte vergängliche Vielfalt (10.000 Dinge, A) wahrnimmt.

Psyché auffinden spricht die Metamorphose der psyché und damit einhergehende zunehmende Wahrnehmung des SEINs (Seienden, unterhalb D) im Aufstieg (Pfeil I) an. Wir lesen darüber, ich wiederhole und ergänze:10Wann trifft also die psyché die Wahrheit? Denn wenn sie mit (den Augen von) sóma versucht etwas zu betrachten, dann wird sie offenbar von diesem hintergangen.“

Parmenides ergänzt (Über die Natur): 11Dies ist nötig zu sagen und zu denken, dass [nur] das SEIN existiert. Denn seine Existenz ist gegeben, die des Nicht-SEINs (Nichtseienden = Diesseits, A) dagegen nicht; das heiß' ich Dich wohl zu beherzigen. […]. Denn unmöglich kann das Vorhandensein vom Nicht-SEIN zwingend erwiesen12 werden. Daher halte Du deine Gedanken von diesem Wege der Forschung (Weg der empeiría) ferne. So bleibt nur noch Kunde vom Wege zum EINEN (Pfeil I), dass [das SEIN] existiert.“

Damit stimmig ist auch Empedokles (Frag. 8):13 „Entstehung gibt es von keinem einzigen all der ‚sterblichen Dinge‘ (im Diesseits), noch ein Ende im ‚verderblichen Tode‘ (wie er uns im Diesseits erscheint). Nein, nur Mischung gibt es (in Wuyou = SEIN) und Trennung des Gemischten (im Sein = Diesseits = Nicht-SEIN)14; das Wort ‚Entstehen‘ gibt es nur bei (sterblichen) Menschen (im Sein).“

Dies betont auch Platon (Timaios 27c-d):15Was ist das (mit den Augen der psyché zunehmend erfahrene) ‚stets Seiende (SEIN = eón = lógos = Wuyou = Dao)‘ und ‚kein Entstehen-habendeund was das (mit den Augen von sóma gesehene und sich) ‚stets Verwandelnde‘, aber ‚nimmerdar Seiende (Nicht-SEIN = mè eón = You = Diesseits = Sein)‘? Das EINE (hén = SEIN) ist durch nóesis (schöpferisches Wirken durch Nicht-Tun mittels Wuwei = philía) zu erfassen (Pfeil I); es ist stets in sich gleich. Das andere (Sein = Nicht-SEIN = A) dagegen ist durch bloßes mit ‚vernunftloser Sinneswahrnehmung (aisthesis, aphrosýne, diánoia)‘ verbundenes ‚Meinen und Vermuten‘. Es ist ‚entstehend und vergehend‘ (zweigeteilt wie alles im Diesseits), aber nie ‚wirklich seiend‘ (so wie das SEIN).“

 

Abwertung des Leibes und Aufwertung der Vernunft

Die Unterstellung sóma = SÓMA und SÓMA = séma führte früh zur Abwertung des Leibs (Körpers). Typisch dafür ist:16 „Der Leib, der mancherlei Beeinträchtigungen und letztlich der Vernichtung unterliegt, ist der unsterblichen, unzerstörbaren Seele untergeordnet. Es steht ihr zu, über ihn zu herrschen. Der Körper ist das ‚Gefäß‘, die ‚Wohnstatt‘ der Seele, aber auch negativ ausgedrückt ihr ‚Grab‘ oder ‚Gefängnis‘ – eine berühmt gewordene Formulierung Platons.“ Wer meinen Argumenten folgt, wird die noch unverzerrte Formulierung dahinter erkennen.

Derartige Fehlauslegungen der philosophía gibt es in Platons „Höhle“ unzählige. Sie förderten nicht nur die Geringschätzung des Leibs (SÓMA), sie trugen auch zur Abwertung von pneúma bei. Dies geschah dadurch, dass pneúma (Geist) mit Vernunft, Verstand und Intellekt – Attributen von sóma – assoziiert wurde. Pneúma ist wesentlich tiefgründiger. Es die höchste Wahrnehmung der psyché.

 

Die zwei Facetten von sóma = séma!

Zum einen drückt sóma = séma aus, dass Denken, Wahrnehmen, Verstehen, Logik und Vernunft und die sich daraus ergebende empeiría, die dem Diesseits zugewandt sind, eingeschränkt sind. Es impliziert zum anderen aber auch die Empfehlung, sich mit Hilfe von SÓMA von sóma (= séma) – durch regelmäßiges Üben (Bild 1) zu befreien. Nur so lässt sich den Meistern zufolge all das, was sóma uns Menschen zu schaffen macht, vermindern (Phaidon 64a-70):

[...] Und solange wir leben, werden wir, wie sich zeigt, nur dann dem Erkennen (der Schöpfung, dem lógos) am nächsten sein, wenn wir so viel wie möglich nichts mit sóma zu schaffen noch gemein haben, was nicht höchst nötig ist, und wenn wir mit seiner Natur uns nicht anfüllen, sondern von sóma reinhalten […].“

Dies ist kein Aufruf zur Askese oder zum Mönchstum, was man dem Zitat entnehmen könnte. Es verweist auf den einzigartigen universellen Erleuchtungsweg (Pfeil I), der sowohl weltzu- als auch weltabgewandt ist.

 

Kontrollgewinn durch Kontrollverlust

Fangfu empfiehlt seinen Schülern: „Es ist besser, Sie erlernen es in der Dao-Praxis (Bild 1) regelmäßig die Kontrolle dem Leib zu übergeben als diese im Alltag über sich zu verlieren.“ Der Erfolg durch regelmäßiges Üben zeigt sich nicht nur im Vermindern von Stress, Krankheit und Gebrechlichkeit. Damit gelingt es auch, dank des sich daraus ergebenden WISSENS (epistéme), den „Plan der Schöpfung (Pfeil II)“ zu entdecken. Der Aufstieg bestätigt, dass die exklusive Hinwendung zu (psyché =) sóma, der Welt der dóxa (Meinen, Glauben), Menschen vom lógos trennt. Sie hat bedrohliche Folgen für Mensch, Gesellschaft und Natur, worauf die hýbris-némesis-Interaktion verweist, die ich noch anspreche.

 

Stehposition: Schlüssel zur Erkenntnis der drei Welten

Die Stehposition (Bild 1) ermöglicht es dem Leib, sich in (fast) allen Richtungen frei „aus sich heraus“ zu bewegen. Es ist daher die beste Haltung, um die ewig schöpferische Wirkung (Wei) aus dem Unbekannten (Wu) – creatio ex nihilo – zu erfahren. Es kommt im lockeren Stehen leichter zu ESP (extra-sensory perception)-Wahrnehmungen als in allen anderen Positionen. Damit kann sich die psyché für Unerwartetes öffnen (Pfeil I). PD kann sich entwickeln und frei entfalten. Fangfu: „Stehen ist besser als Sitzen und dies ist besser als Liegen!“ Damit wird das in uns allen verborgene schöpferische Geschehen enthüllt.

Auch Sokrates setzte Stehen (Bild 1) dafür ein. Platon lässt Alkibiades über ihn sagen:17[…] da bemerkten es die Leute, und verwundert erzählte es einer dem anderen, dass Sokrates schon seit dem Morgen dastehe […] und konnten gleichzeitig beobachten, ob er auch in der Nacht dort stehen geblieben ist […] bis es Morgen wurde und die Sonne aufging!“ Übende verlieren im Aufstieg (Pfeil I) – im Zustand meditativer Trunkenheit (Bild 1) – zunehmend das Gefühl für Raum und Zeit. Vergangenheit und Zukunft vermischen sich. Sie erfahren immer mehr den Zustand ewiger Präsenz.

 

Meditative Trunkenheit

Es gibt mehrere Metaphern der philosophía, die direkt oder indirekt auf die meditative Trunkenheit der Übenden (Bild 1) hinweisen. Sie ermöglicht den Wandel ihrer psyché von sóma (in A) zu pneúma (in D). Platon spricht von manía (μανία Wahnsinn)18. Er schreibt (Phaidros 432): „Nun aber werden uns die größten der Güter durch Wahnsinn zuteil, freilich nur einen Wahnsinn, der durch göttliche Gabe gegeben ist.“

Er unterscheidet vier Arten des Wahnsinns, davon zwei Haupttypen (Phaidros 265a): „Eine, die durch menschliche Krankheiten und die andere, die – und genau darum geht es im Üben (Bild 1) – durch Befreiung von Gewohnheiten (Dogmen, Hypothesen, Anhaftungen, Glauben, Wünschen, Meinungen, Konditionierungen) entsteht.“ Platon spricht auch (245c) von eros-manía (Eros = gutes Qi = Yang-Qi). Es ist für ihn die beste manía, weil sie im AusÜBEN der philosophía entsteht.

Philon assoziiert manía mit:19 (a) nüchterner Trunkenheit (μέθη νηφάλιος), (b) Wahnsinn (μανία) und (c) eros-(ἐρώς)-Erfahrung. Bei (c) geht es um den Erwerb des guten Qi. Es geht dabei um die „Berauschung an der philosophia“ in der „Vermählung mit dem logós“, um so das „Schöne zu schauen“ (Symposium, 210a-212a).

Wie sonst, als sich innig dem „trunkenen ESP-Zustand“ (Bild 1) anzuvertrauen, wäre der ewig schöpferische kósmos (Pfeil I in Bild 2) zu erkunden? Etwa durch die heute so hoch gepriesene Logik und Vernunft der Lehnstuhl-Philosophen?

 

Entdeckung der Dao-Lehre

Die Entdeckung in China des Großen Wegs (Pfeil I), der das Dao-Wissen (Taijixue = epistéme) „aus sich heraus“ hervorbringt, geht laut Fangfu in schamanische Zeiten um 10.000 v.u.Z. zurück, als es noch keine Schrift(zeichen) gab. Die Kompetenz, das Dao-Wissen durch Üben zunehmend zu erfahren und zu bestätigen, wurde über Jahrtausende hin, ohne Schrift, in einer ununterbrochenen Genealogie mündlich tradiert.

Was für den Großen Weg gilt, sollte für seine Äquivalente andernorts, die dem S-Prinzip genügen, auch zutreffen. Dazu zählt der Weg (hodós) zur Erkundung der philosophía (theología) auf der Basis der meléte thanátou (Praxis des Sterbens, Bild 1). Der wahre philósophos stirbt20“ Platon zufolge (Phaidon, 64a-b) gerne. In seinem Werk Theaitetos ist Staunen (thaumázein) der Anfang der philosophía.

Nachdem ich ihr Vokabular mit dem der Dao-Lehre in beeindruckende Übereinstimmung brachte, nutzte ich es zur Auslegung griechischer Übersetzungen des AT, NT und apokrypher Schriften. Ich schlussfolgerte mittels der von mir eingesetzten Musterkennung, dass auch die dortigen tiefgründigen Aussagen ihren Ursprung im hypothesen-, dogmen- und glaubensfreien S-Prinzip haben.

 

Wissen durch Präsenz bei Einstein?

Das weltliche Wissen (empeiría) ist dualistisch, zumal es in der Regel a priori den Gegensatz Vergangenheit-Zukunft und somit auch eine Zeitskala akzeptiert. Der Einsatz des S-Prinzips überwindet (Pfeil I) diese Dualität. Es liefert – im trunkenhaften Zustand nicht-dualistischer (monistischer) Gegenwart (Präsenz) – das WISSEN (epistéme), das die Meister mit Wahrheit (aletheía) verbinden.

Die Einschränkung des Dualismus erkannte auch Albert Einstein (1879-1955):21Die Unterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart (Präsenz) und Zukunft ist nur eine hartnäckige Illusion.“ Damit deute ich an, dass es auch mit der Neuen Physik möglich ist, das uralte WISSEN der Weisen zu bestätigen, um somit die „Dichtkunst“ darüber zu beseitigen. Darauf komme ich noch zurück.

 

Unterschied zwischen empeiría und epistéme

Die empeiría beinhaltet alle hypothesen- und somit glaubensbasierten Ansätze und Methoden zum Erwerb von Wissen mit aristotelischem Denken (AD). Ihnen steht das hypothesenfrei erworbene WISSEN (epistéme) der Weisen diametral gegenüber, das auf KEINER METHODE basiert. Dies erkennen ungeübte Interpreten nicht, weil sie es nicht mit dem S-Prinzip assoziieren. Der Grund ist, weil sie selber an dies oder jenes glauben: Gleiches durch Gleiches.

Ich zähle zu ihnen Mullā Ṣadrā (c.1571- c.1635), der Suhrawardis beide komplementäre Wissensweisen, hikma al huduri (epistéme) und ilm al husuli (empeiría), inkorrekt kommentiert. Ihm war nicht mehr bewusst, dass hikma al huduri (Wissen durch Präsenz), das Ṣadrā ilm al huduri nennt, kein Glaubenswissen, sondern das einzigartige hypothesenfrei erworbene und vielerorts verlorene WISSEN (epistéme) ist.

Auch dessen Äquivalente in den anderen zitierten Kulturen werden seit langem als Glaubenswissen ausgelegt. So wird der Eindruck erweckt, als gäbe es nichts anderes. Friedrich Nietzsche: „Glaube heißt Nicht-wissen-wollen, was wahr ist.“

 

Entdeckung der Schrift: Hindernis zur Erfahrung des EINEN

Schrift basiert, wenn sie nicht Schriftzeichen (so wie in China oder Ägypten) nutzt, meist auf Alphabeten. Diese haben ihren Ursprung im westlich-mittelöstlichen Kulturkreis im „ersten Alphabet“, das semitische Arbeiter um 2.000 v.u.Z. in Ägypten konzipierten. Im Jahr 1200 v.u.Z verwendeten Phönizier bereits ein Schriftsystem, in dem alle Konsonanten durch 22 Zeichen wiedergegeben wurden. Auf ihren Reisen entlang der Mittelmeerküste verbreitete sich ihr System. Seine Einführung trug dazu bei, das ganzheitliche platonische Denken (PD = noeín = Taiji-Denken) vorangegangener Zeiten zu verdrängen und das trennende (zerstückelnde) aristotelische (peripatetische) dualistiche Entweder-oder-Denken (AD = dianoeín), das uns heute prägt, zu fördern.

AD erweist sich als Hindernis zur Erfahrung des EINEN (hèn). Es projiziert das im Aufstieg (Pfeil I) glaubensfrei erfahrbare innere WISSEN (epistéme) auf äußeres Wissen (empeiría), an das es zu glauben gilt. Damit setzten sich Meister der Gefahr aus, dass das ursprünglich von ihnen GESEHENE und in Metaphern gefasste WISSEN durch das Sehen der „(ungeübten) Schriftgelehrten“ verzerrt wurde.

Platon:22 „Also, wer glaubt, eine Fertigkeit (übersinnlich erworbene Fähigkeit) mittels Buchstaben zu hinterlassen, und wer andererseits als Empfänger meint, aus Buchstaben gehe etwas Deutliches und Sicheres hervor, der dürfte höchst einfältig sein.“ Doch wer nimmt heutzutage seine Worte noch ernst, in der das nicht in Worte zu fassende subjektiv erfahrbare WISSEN ab- und das in Worte zu fassende „objektive“ Wissen aufgewertet wird?

Während Sokrates – wohl aus diesem Grund – nichts zu Papier brachte, hat sein Schüler Platon dies umfangreich getan, soweit es Worten zugänglich ist. Er war wohl – so wie es ihm das Schicksal seines Lehrers Sokrates bestätigte – besorgt, dass die philosophía (theología) verloren gehen könnte, womit er ja auch rechtbehielt.

Ihr erfahrbarer Inhalt, den ich weiterhin teilweise aufdecke, wurde mangels Kenntnis seiner Metaphern zunehmend verzerrt. Philosophie, Theologie und moderne Wissenschaft ermöglichen keinen Zugang dazu. Dafür ist die von mir eingesetzte Mustererkennung gefragt.

 

Philosophie/Theologie: Verzerrten philosophía/theología

Wer Platons Kritik an der Schrift ernstnehmen würde, dürfte sich eigentlich nicht wagen, die philosophía anhand ihrer Worte auszulegen. Dies taten jedoch – und tun noch immer – unzählige Interpreten ohne ihre „Einfältigkeit“ zu erkennen. Sie haben – insbesondere nach Untergang der philosophía – über Jahrhunderte hin einen plausibel erscheinenden Meinungskonsens über sie gefunden.

So entstand zum einen daraus, durch invention of tradition, die Philosophie und zum anderen die Theologie. Beide sind der Unkenntnis ihrer übungsbezogenen Metaphern geschuldet, die regelmäßiges Üben „aus sich heraus“ erzeugt. Dies erklärt die Ursache für den alten Streit (Band I) zwischen philosophía und „Dichtkunst“, worauf Platon hinweist.

Was für die philosophía gilt, trifft gleichermaßen für ihre äquivalenten Weisheitslehren zu. Sie lassen sich mit AD nicht enthüllen, es sei denn, sie werden ausführlich erklärt, was mein Anliegen ist. Dabei geht es mir darum, aus der verzerrten philosophía (theología) – sprich: Philosophie und Theologie – das erfahrene Original zu rekonstruieren.

Damit konnte ich auch teilweise die Urversion der Genesis und die damit stimmige Lehre Jesu wiederherstellen. Ich konnte damit nicht nur beide, sondern auch andere Glaubenslehren entmystifizieren, d.h. naturalisieren, soweit dies mit Worten möglich ist. Ich kenne niemanden, der nach Untergang der philosophía (theología) das über sie vermittelt, was ich berichte. Ich hätte es ihrer Literatur ohne mein Dao-WISSEN nicht entnehmen können.

 

Konfrontation zwischen West und Ost

Das einzigartige WISSEN (Taijixue) hat sich in China bis heute erhalten. Ein Grund ist wohl, dass die Schriftzeichen (Langzeichen), die dort um 1.400 v.u.Z. entstanden, das Gemeinsame (Ganzheitliche, Holistische) hinter der diesseitigen Vielfalt besser als das trennende Alphabet ansprechen. Dies könnte erklären, warum sich die Dao-Lehre dort länger als ihre Äquivalente im Westen und Mittleren Osten erhalten hat.

Diese prägte einst auch das naturverbundene Denken (Taiji-Denken = PD) der Chinesen. Dieses passte sich aber – insbesondere nach den Opiumkriegen (1839-1860) – dem des „kolonisierenden und missionierenden Westens“ an. Der Grund ist, dass Chinesen erkannten, dass sie dem expansiven Westen keinen Widerstand damit leisten konnten.

Dennoch konnte sich die philosophía – im Gewand der Dao-Lehre (Taijixue) – in China bis heute erhalten. Als ich Fangfu einmal fragte, wie dies denn möglich sein konnte, antwortete er lächelnd und stolz, dass China „ideale Bedingungen“ dafür gehabt hätte. Er ging aber nicht auf Details ein.

Ich zitiere später Suhrawardi, der in seiner Allegorie über Exil im Okzident23 den Westen mit „dunkel“ und Osten mit „hell“ assoziiert. Es sollte klar sein, dass beide Attribute nicht wortwörtlich zu nehmen sind.

Ein „heller Kopf“ wäre für ihn also nicht das gewesen, was wir heute – mit Verweis auf die empeiría – damit verbinden, in einer Welt, die nur AD und kein PD kennt. Was Suhrawardi berichtet, bestätigt mir, dass die philosophía auch im Iran bis ins 12. Jh. überlebte. Sie war dort und im Mittleren Osten, wie ich noch zeige, schon vor seiner Hinrichtung24 in Aleppo bedroht.

 

Relative Bewertung von dunkel und hell

Einige von Heraklits Zeitgenossen nannten ihn den Dunklen25. Ich betrachte ihn jedoch – ob seiner Äußerungen im besten Einklang mit der mich beeindruckenden Dao-Lehre – als erleuchtet (sehr hell). Dies erkennen logisch denkende Ungeübte aber nicht, wie folgendes Beispiel zeigt:26 „Die Dunkelheit der Sprache Heraklits ist die Folge einer für ihn charakteristischen doppelbödigen Ausdrucksweise […], die der Doppelbödigkeit seiner Gleichnisse entspricht.“ Dazu ist zu sagen, dass weder Heraklit noch seine Gleichnisse doppelbödig, sondern eindeutig und universell sind, sofern man seine Metaphern erkennt. Dies werde ich noch mit weiteren Zitaten von ihm belegen.

Zur falschen Zuweisung über Doppelbödigkeit gelangt das polarisierende AD derer, die seine Metaphern nicht erkennen, weil sie nur Sehen und nicht SEHEN: Gleiches durch Gleiches. Was für sie „dunkel“ erscheint, ist für GeÜBTE „hell“. Was für Sehende Mythen sind, sind für SEHENDE (GeÜBTE) tiefgründige Allegorien.

Dies ist nur eines von vielen Beispielen dafür, das zeigt, dass dem natürlichen Denken (noeín) der Meister mit AD (dianoeín) oft das Gegenteil entnommen wird, von dem, was sie vermitteln. Das natürliche ist mit dem lógos im Einklang, woraus jedoch mit AD all der mythos erzeugt wird, den viele als wahr (logisch) oder doppelbödig betrachten.

Die Unkenntnis des tiefgründigen Vokabulars der Meister hatte für sie – bedingt durch deren Fehlinterpretation im religiösen Umfeld – bedrohliche Folgen. Sie führte im Westen und Mittleren Osten zu deren Ausrottung und bewirkte den damit einhergehenden Untergang der übungsbasierten philosophía.

 

Schwierigkeit der Auslegung von Weisheitsschriften

Ich kenne keine Übersetzung des Daodejing, obwohl ich mehrere studiert habe, die damit übereinstimmt, was Fangfu berichtet. Der Grund ist, dass Laozis Metaphern – ohne Bezug zur formlosen Dao-Praxis (Bild 1) – mit AD missinterpretiert und verdreht werden. Man schaue sich nur an, was Übersetzer und Interpreten – im Vergleich zu mir – über Wuwei berichten. Es ist „überzeugende Dichtkunst“, an die ich auch früher geglaubt habe, bevor ich mit Fangfu in Kontakt kam.

Er zeigte mir den Weg, peu à peu meine (inneren) Augen zu öffnen, damit allmählich mein in mir verschüttetes PD wieder aufzudecken, um so meine hier vermittelte ganzheitliche Sicht der Dinge zu erlangen.

So wie Laozi und viele andere Daoisten hinsichtlich Wuwei missverstanden werden, ergeht es allen Meistern, die über seine Äquivalente – philía, mahabbah, ahabah und Akarma – berichten. Diese werden ohne Übung, die das einzigartige Netzwerk von in sich stimmigen Metaphern hervorbringt, missinterpretiert, was jedoch nur wenige Menschen erkennen.

Der Grund ist, weil die „Dichtkunst“ ihrem AD viel plausibler erscheint, als was ich hier aufdecke. Dafür sind philosophía = Philosophie = Liebe zur Weisheit und theología = Theologie zwei allgemein akzeptierte Beispiele, die ich infrage stelle und revidiere.

 

Geschriebene und ungeschriebene Lehre