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Wie alles anfing

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Kleine Ursache, große Wirkung: So verhielt es sich mit dem Lärm, den eine Stockente am 5. Juni 1995 verursachte, als sie die gläserne Fassade des Naturhistorischen Museums von Rotterdam unsanft berührte, tot zu Boden stürzte und anschließend längere Zeit von einem Art- und Geschlechtsgenossen „vergewaltigt“ wurde. Zum Glück war ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort und wurde so Augenzeuge des – wie sich später herausstellen sollte – ersten Falls von homosexueller Nekrophilie bei Stockenten. Der wissenschaftliche Artikel, den ich dazu verfasste und für den ich mit dem Ig®-Nobelpreis ausgezeichnet wurde, brachte mir nicht nur den Spitznamen „Duck Guy“ (Entenmann) ein, sondern auch internationale Bekanntheit als Beobachter außergewöhnlicher Verhaltensweisen bei Tieren. Es fasziniert mich in der Tat, zu sehen, wie und auf welche Weise Tiere uns und unser vermeintliches Wissen über ihre Verhaltensweisen immer wieder widerlegen. Dafür sind meine Augen und Ohren stets offen!

Seit jenem Tag im Juni erhalte ich aus dem In- und Ausland immer wieder Meldungen über Tiere, die sich eigenartig verhalten (haben), über Menschen, die sich damit beschäftigen, oder Hinweise auf (oftmals skurrile) Publikationen über solche Dinge. Mittlerweile wage ich zu behaupten, dass sich kein Tier auf diesem Planeten danebenbenehmen kann, ohne dass ich informiert werde. Ich reise dann dorthin, studiere den Fall und versuche, mehr darüber herauszufinden. So habe ich in den letzten 20 Jahren zahlreiche Entdeckungen gemacht, deren interessanteste in diesem Buch zusammengefasst sind. Zum Beispiel habe ich herausgefunden, dass Nekrophilie (bei Tieren) viel häufiger ist, als gemeinhin angenommen wird, und Stockenten in dieser Sparte unangefochtene Rekordhalter sind. Andere erstaunliche Verhaltensweisen, die der Öffentlichkeit viel zu lange verborgen geblieben sind (und deshalb in diesem Buch zu Recht thematisiert werden), sind Pädophilie unter Strandläufern, die Paarung von Käfern mit leeren Bierflaschen und der Oralverkehr, zu dem ein Schimpanse eine Riesenkröte zwang. Auch der abgewiesene Kiebitz, der seinen Samen frustriert auf einen Grasbüschel ergoss, erhielt einen Platz in diesem Buch.

2017 wurde beim 22. Dead Duck Day endlich wieder ein neues Nekrophilie-Opfer präsentiert. (Maarten Laupman)

Doch auch auf die Gefahr hin, dass zahlreiche Leser jetzt enttäuscht sein werden, sei an dieser Stelle erwähnt, dass dieses Buch nicht nur von Sex handelt: Von den insgesamt 15 Kapiteln spielen sich lediglich fünf teils oder ganz unter der Gürtellinie ab, die anderen sieben deutlich darüber. Das sollte aber niemanden davon abhalten, weiterzulesen.

Die Beobachtungen und Erkenntnisse, die ich in diesem Buch beschreibe, stehen oft in direktem Zusammenhang mit meiner Arbeit für das Naturhistorische Museum von Rotterdam – erst als Konservator, später als Direktor. Ob missbrauchte Stockente, seniler Fasan, geköpfte Taube, verirrte Wasserralle, berühmter Sperling oder letzte Filzlaus – dabei geht es um tote Tiere mit einer erstaunlichen Geschichte, denen, mit einer Nummer versehen, ein Platz in der Sammlung des Museums sicher ist.

Doch nicht alle Tiere, über die ich hier schreibe, sind leblos und konserviert worden. Verrückte Amseln, die sich Scheingefechte mit Fensterscheiben liefern, wird es immer geben. Und auch die Nachtreiher von Rotterdam und die Mäusebussarde von Manhattan sind am Leben. Gleiches gilt zum Glück auch für jene aufmerksamen Menschen, die eine ebenso wichtige Rolle in diesem Buch spielen.

Die Verkündung des Entenmenüs am Dead Duck Day 2017. (Maarten Laupman)

DEAD DUCK DAY

Mit einem Scherz fing alles an: Am 5. Juni 1996 stellte ich mich um 17.55 Uhr mit einem Kollegen, einer ausgestopften Stockente und einer Flasche Bier vor die gläserne Fassade des Naturhistorischen Museums von Rotterdam. Dorthin, wo genau ein Jahr zuvor das Leben der besagten Ente unsanft ein Ende gefunden hatte. Das wirklich Besondere an dem durchaus tragischen Todesfall aber folgte erst danach. Denn unmittelbar nach dem fatalen Aufprall wurde der tote Erpel von einem Art- und sogar Geschlechtsgenossen längere Zeit missbraucht. Ein Vorfall, den ich rein zufällig beobachtete. Meine Notizen darüber landeten in der Schublade, die Ente in der Museumssammlung. Seitdem trage ich den Vogel mit Eingeweihten jedes Jahr am 5. Juni um genau 17.55 an den Ort, an dem er so abrupt zu Tode kam. Den Tag, an dem die kurze Gedenkveranstaltung stattfindet, nannten wir „Dead Duck Day“1.

Als die Stockente – nach Veröffentlichung des Artikels mit dem Titel „The first case of homosexual necrophilia in the mallard” und der anschließenden Auszeichnung mit dem Ig®-Nobelpreis – eine gewisse Bekanntheit erlangt hatte, wurde die Welt auch auf den Dead Duck Day aufmerksam. Dadurch geriet der Tag zu einer öffentlichen Gedenkveranstaltung. Immer mehr Menschen versammeln sich von Jahr zu Jahr unter der Gedenktafel an der Fassade des Museums. Heute ist die Veranstaltung weit mehr als nur eine Gedenkfeier. Denn an diesem Tag trägt eine bekannte Persönlichkeit die „Special Dead Duck Day Message“ vor, es wird die „Dead Duck Day Modelinie“ präsentiert, ich verkünde die letzten Nekrophilie-News und – das Wichtigste überhaupt – es werden Ideen darüber ausgetauscht, wie sich verhindern lässt, dass Vögel sich an Glasfenstern und -fassaden zu Tode fliegen. So lenkt der Dead Duck Day die Aufmerksamkeit auf die Milliarden von Vögeln, die alljährlich an gläsernen Gebäuden zerschellen. Am Ende der Veranstaltung setzt sich der Trauerzug samt Stockente in Bewegung, um den Tag im Restaurant Tai Wu mit einem Sechs-Gänge-Entenmenü ausklingen zu lassen. Dazu ist jeder eingeladen. Der Eintritt ist frei, die Rechnung für das Essen trägt jeder selbst.


1   In seinem 1998 erschienenen Roman About a boy missbraucht der britische Autor Nick Hornby den Begriff „Dead Duck Day“.

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Zum Gedenken an eine Stockente († 5. Juni 1995),
heute mit der Katalognummer NMR 9989-000232

Impressum

© Kees Moeliker, 2018

Die deutschsprachige Ausgabe von „De eendenman” (Nieuw Amsterdam, 2009) wurde überarbeitet, aktualisiert und um entsprechende Passagen aus „De bilnaad van de teek” (2012) und „De kloten van de mus” (2016) ergänzt.

Die Übersetzung dieses Buches wurde von der niederländischen Stiftung für Literatur gefördert.

Copyright ©2018 Edel Germany GmbH, Neumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edelbooks.com

Übersetzung: Gerrit J. ten Bloemendal (für bookwerk GbR)

Projektkoordination: Dr. Marten Brandt mit Lisa Ebelt

Lektorat: Caroline Kazianka

Coverfoto: Julius Schrank

Coverillustration: Lena Schaffer

Layout: schaefermueller publishing GmbH | Nina Maria Küchler

Satz: Datagrafix GSP GmbH

Covergestaltung: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH | www.groothuis.de

ePub-Konvertierung: Datagrafix GmbH, Berlin | www.datagrafix.com

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

eISBN 978-3-8419-0651-9

Kees Moeliker, geboren 1960, ist Biologe, Direktor des Naturhistorischen Museums von Rotterdam und European Bureau Chief von Improbable Research. Sein TED-Talk „How a dead duck changed my life“ wurde bereits 1,5-millionenfach angesehen und seine Suche nach den letzten Filzläusen brachte ihm neben einer wachsenden Sammlung dieses seltenen parasitären Insekts einen Auftritt in The Daily Show von Jon Stewart ein. Kees Moeliker verfasst regelmäßig Beiträge für die Tageszeitung NRC Handelsblad und das Magazin National Geographic und hat mehrere Bücher veröffentlicht. Er sammelt hochwertige deutsche Ferngläser.

www.moeliker.com

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Aber wie es bei diesen Tieren immer ist, es geht stets anders, als es in der Schulnaturgeschichte steht.

Oskar Heinroth
Beiträge zur Biologie, namentlich Ethologie und Psychologie der Anatiden
(1910)

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Über das Bizarre an Tieren lacht der Verständige im allgemeinen nicht.

Konrad Lorenz
Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen
(1949)

Inhalt

 

Wie alles anfing

Nekrophilie im Tierreich

Sind Sie der Entenmann?

Der Erpel und sein Glied

Die Taube und die Krähe

Fleißige Nestbauer

Die Bussarde von Manhattan

Nachtreiher in der Stadt

Huschspinne im Weihnachtsbaum

Die Kirchenralle

Die krähende Henne

Die Klöten des Sperlings

Hilfe, die Filzlaus stirbt aus!

Berühmte Sperlinge

Die durchgeknallte Amsel

Sportopfer

Danksagung

Anmerkungen und Quellenangaben

Die Taube und die Krähe

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Früher konnte ich mich nach einem dumpfen Schlag an einer Fensterscheibe ohne jegliche Eile von meinem Arbeitsplatz entfernen und hinausgehen, um den Vogel, der an der Glasfassade des Naturhistorischen Museums von Rotterdam zu Tode gekommen war, einzusammeln. Eine Goldgrube für einen Konservator: Die Schubladen und Gläser im Depot der Museumssammlung füllten sich stetig mit Amseln, Kohlmeisen, Waldschnepfen, Tauben, Enten und anderen glücklosen Fensteropfern. Seit 2001 jedoch stagniert der Zuwachs, und das nicht nur, weil immer weniger Vögel unsanft mit dem spiegelnden Gebäude in Berührung kommen. Der wahre Grund: Konkurrenz. Immer öfter finde ich tote Vögel ohne Kopf oder mit Verstümmelungen anderer Art. Lange Zeit blieb die Ursache dieses Phänomens im Dunkeln.

Anfänglich dachte ich, Schädelsammler wären hier am Werk gewesen, denn die Enthauptungen waren mit beinahe chirurgischer Präzision, also mit Skalpell oder Schere, ausgeführt worden. Letztlich musste ich aber erkennen, dass ich da zu weit gedacht hatte: Rabenkrähen (Corvus corone) sind die Täter, die sich zunehmend als Stadtvögel verhalten und sich im Museumpark niedergelassen haben. Sechs an der Zahl sind es – ein Pärchen und einige vagabundierende Junggesellen –, die die Glasfassade als zuverlässigen Futterplatz entdeckt haben. Auf einem kahlen Baumwipfel warten sie in Lauerstellung, um dann nur wenige Sekunden nach dem Aufprall eines Vogels an der Fassade neben der Leiche zu erscheinen. Bei kleinen Vögeln habe ich sowieso das Nachsehen und größere Fensteropfer werden im Nu verstümmelt. Manchmal denke ich, dass sie mich und mein Sammelverhalten längst durchschaut haben und sich deshalb so beeilen. Die Krähen haben jedoch noch einen weiteren Standortvorteil: Anders als ich müssen sie sich nicht an Bürozeiten halten. Was die Aaskrähen schließlich übrig lassen, kommt für die Museumssammlung nicht mehr in Betracht. Auffällig ist schon, dass die meisten Vögel nur geköpft wurden – ein Phänomen, das mich seitdem sehr beschäftigt. Irgendwann habe ich angefangen, Buch darüber zu führen, welche Vögel den Krähen wann und wie zum Opfer gefallen sind. Die Analyse dieser Datensammlung steht noch aus, aber eine vorläufige Einschätzung lässt den Schluss zu, dass die Enthauptungen nur die etwas größeren Vögel (Tauben, Waldschnepfen, Amseln und Spechte) betreffen und dieses Verhalten überwiegend im Sommer und Spätsommer auftritt: In den Monaten Juni, Juli, August und September belassen die Krähen es in über 80 Prozent der Fälle bei Enthauptungen, während sie in den restlichen Monaten die Kadaver oftmals schon an Ort und Stelle rupfen und auch größtenteils vertilgen.

Die Rabenkrähe steigt mit dem Kopf der Taube im Schnabel auf und lässt die Taube sterbend zurück. (KM)

AKTIVE STERBEHILFE

Lange hat es gedauert, bis ich überhaupt beweisen konnte, dass die mysteriösen Enthauptungen auf das Konto von Rabenkrähen gehen. Bis zum 3. Juni 2004, um genau zu sein – dem Tag, an dem ich Zeuge eines besonderen Falles von Krähenpiraterie wurde. Um 12.51 Uhr hörte ich den inzwischen vertrauten dumpfen Schlag an der Fensterscheibe. Sofort öffnete ich das Fenster meines Büros und erkannte, dass auf dem mit Gänseblümchen übersäten Rasen vor dem Museum eine Ringeltaube (Columba palumbus) saß. Mit leicht ausgebreiteten Flügeln und etwas eingeknickten Beinen machte der Vogel einen benommenen Eindruck. Aus dem Augenwinkel nahm ich einen zweiten Vogel auf dem Rasen wahr – eine Rabenkrähe, keine zehn Meter von der Taube entfernt. Mir schwante sofort Böses und aus jahrelanger Erfahrung wusste ich, dass solche Fälle minutiös aufgezeichnet werden müssen. Also sprintete ich mit der Fotokamera in der Hand ein Stockwerk hinunter in den großen Ausstellungssaal, dessen Fenster mir freie Sicht auf den Rasen ermöglichten. Die Krähe war bereits bei der Taube angekommen und ging, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, besonders effektiv vor: Erst zupfte sie ein paar Federn aus dem Genick der Taube, dann hackte sie mit ihrem großen Schnabel dreimal gezielt auf die Stelle und köpfte ihr Opfer kurzerhand. Anschließend flog sie mit dem Kopf in ihrem Schnabel auf und davon und ließ die sterbende Taube allein zurück. Die ganze Aktion einschließlich des Aufpralls der Taube an der Fensterscheibe dauerte höchstens zwei Minuten, die Enthauptung an sich nicht mal zehn Sekunden. Es ging so schnell, dass ich gerade mal ein einziges Foto davon machen konnte.

Die Frage, die mich im Anschluss daran beschäftigte, war, ob die Taube ohne Zutun der Krähe, sprich mit Kopf, überlebt hätte. Hatten wir es hier mit einem brutalen Mord oder mit aktiver Sterbehilfe zu tun? Von seinem Seziertisch aus konnte mein guter Freund Erwin Kompanje, ein erfahrener Vogelpathologe und im Hauptberuf Ethiker, die Frage beantworten. „Was für eine Verwüstung“, sagte er kopfschüttelnd, während er mit einem Tupfer Blut zwischen den Organen entfernte. „Diese Taube wurde rasch von ihrem Leiden erlöst, ein Paradebeispiel aktiver, unerbetener Sterbehilfe.“ Mit der Spitze seines Skalpells deutete mein Freund auf einen Bruch im Brustbein, ein geprelltes Herz und zwei große Risse in der Leber, alles Folgeverletzungen des Zusammenstoßes, an denen die Taube schon nach kurzer Zeit gestorben wäre. So gesehen hatte die Krähe aus ethischer Sicht absolut verantwortungsbewusst gehandelt.

Eine der Krähen aus dem Museumpark wartet an ihrem Stammplatz in einem Baum auf das nächste Fensteropfer. (KM)

Auch ohne Kopf erhielt die Ringeltaube einen Platz in der Museumssammlung, und zwar mit der Katalognummer NMR 9989-01827 – als trockene Haut (Balg) mit den Eingeweiden in 70-prozentigem Alkohol konserviert. Der Text auf dem Schildchen lautet: Rotterdam, Museumpark, 3. Juni 2004; junges, erwachsenes Weibchen, Ovarium nicht entwickelt; Mageninhalt: frische Eichenblätter; Flügel 253 mm, Schwanz 160 mm; Gewicht 412 Gramm (ohne Kopf).

DER SINN DER ENTHAUPTUNGEN

Die oben beschriebene Beobachtung ist außergewöhnlich, denn die meisten Rabenkrähen essen Wirbellose, Aas (Teile von toten Tieren), Vogeleier, pflanzliche Kost aller Art und ab und an auch mal lebendige Jungvögel oder kleine Säugetiere, die sie selbst erbeutet haben. Als Prädator von relativ großen, erwachsenen Ringeltauben treten sie eher selten in Erscheinung – lediglich fünf dokumentierte Fälle sind mir bekannt, bei denen es sich in drei Fällen ebenfalls – und das ist durchaus bemerkenswert – um Enthauptungen handelte.

Der erste dokumentierte Fall stammt aus dem Jahr 1946 und ereignete sich in Swindon, England: Dort attackierte eine Krähe eine Taube im Flug, zwang diese zu landen und erlegte sie. Ob die Krähe die Taube vertilgte, wurde leider nicht überliefert. 1950 folgte der zweite Fall, wiederum in England. Am 4. Januar retteten zwei Naturforscher eine Taube aus den Fängen von drei Rabenkrähen, welche die Taube kurz davor mit vereinten Kräften in der Luft abgefangen und zum Absturz gebracht hatten. Genutzt hat ihr Eingreifen jedoch nichts, denn kurze Zeit später mussten sie die verstümmelte Taube von ihren Schmerzen erlösen. Mehr als 30 Jahre später, am 18. Mai 1982, sah ein aufmerksamer Vogelbeobachter im St. James’s Park in London, wie eine Ringeltaube einer übergriffigen Rabenkrähe in letzter Sekunde entkommen konnte, indem sie auf dem Wasser landete.

Spätere Beobachtungen von Interaktionen zwischen Rabenkrähen und Ringeltauben betrafen ausnahmslos Enthauptungen. Im Januar 1985 wurde in der Nähe des belgischen Ortes Ohain eine Rabenkrähe dabei beobachtet, wie sie eine Taube im Flug 400 Meter lang verfolgte, zu Boden zerrte und – während das Opfer um sein Leben kämpfte – zu rupfen begann. Schließlich setzten ein paar kräftige Schnabelhiebe auf den Schädel dem Leben der Taube ein Ende. Eine Stunde später fand der Beobachter den kopflosen Leichnam der Ringeltaube im mit Blut verschmierten Schnee. Erstaunlicherweise war der Rest des Kadavers vollkommen intakt geblieben. Wie im Museumpark von Rotterdam hatte die Rabenkrähe saubere Arbeit geleistet.

Die geköpfte Ringeltaube befindet sich mit Katalognummer NMR 9989-001827 in der Sammlung des Naturhistorischen Museums von Rotterdam. (KM)

Erst 2004 wurde wieder von köpfenden Rabenkrähen berichtet: In der französischen Vogelzeitschrift Alauda beschrieb René Damery ausführlich seine Beobachtungen im Parc des Buttes Chaumont im 19. Stadtbezirk von Paris. Bei einer Vogelzählung in jenem Stadtpark in den Jahren 1991 und 1992 hatte er mehrere enthauptete Ringeltauben gefunden, alle ohne weitere erkennbare Verletzungen. Auch hier waren die Täter schnell ausgemacht: Rabenkrähen. Sie jagten die Ringeltauben regelrecht, meist im Flug, und wie im Museumpark von Rotterdam nahmen sie anschließend nur den Kopf mit. Mehr als zehn Jahre später war Damery, diesmal auf dem Pariser Friedhof Pantin, wiederum Zeuge einer Enthauptung: Mit vereinten Kräften setzte dort ein Krähenpärchen einer Ringeltaube zu, und zwar so, dass eine der beiden Krähen die Taube mit lautem Gekreische ablenkte, sodass die andere die Taube aus dem Hinterhalt überraschen, auf deren Rücken springen und sie mit acht bis zehn Schnabelhieben auf den Schädel töten konnte. Danach wurde die Taube enthauptet und die Krähen verschwanden mit dem Kopf.

Lange zerbrach ich mir den Kopf darüber, was genau die Rabenkrähen in Paris und Rotterdam mit den Taubenköpfen wohl angestellt und warum sie den restlichen Kadaver einfach verschmähten hatten. Obwohl ich so etwas noch nie gesehen habe, vermute ich, dass die Krähen die Köpfe irgendwo als Nahrungsvorrat verstecken. Dieses Verhalten ist typisch für Rabenvögel, wobei es sich in den meisten Fällen um von Menschen hinterlassene Essensreste oder Samen, Früchte sowie Nüsse handelt. Ein Vogelkopf ist ein übersichtlicher, gut zu transportierender und energiereicher Snack (Gehirngewebe ist extrem fettreich) und weist, was die Form angeht, Ähnlichkeiten mit gängiger Nahrung auf. Mit ihrem schweren, dolchähnlichen Schnabel können Rabenkrähe einen Vogelkopf sehr rasch und effektiv vom Rumpf trennen, was ihnen einen deutlichen Vorteil gegenüber Konkurrenten (Artgenossen, anderen Aasvögeln) verschafft. Das Rupfen, Öffnen und Zerreißen eines toten Vogels kostet deutlich mehr Zeit und die Beuteteile lassen sich bei Weitem nicht so einfach transportieren und verstecken. Die Tatsache, dass Rabenkrähen im Museumpark ihre Enthauptungen mit Vorliebe im Sommer und Spätsommer vornehmen, lässt sich wohl damit erklären, dass das Nahrungsangebot in dieser Zeit deutlich höher ist als sonst (da in diesen Monaten mehr unerfahrene Jungvögel an der Glasfassade ihr Leben lassen) und sie es sich leisten können, wählerisch zu sein. Dagegen finde ich in den Wintermonaten viel mehr abgefressene Vogelgerippe.

Während ihres Zugs im Frühjahr und Herbst verlieren unzählige Waldschnepfen ihr Leben an den Glasfassaden moderner Gebäude. (KM)

TÖDLICHES GLAS

Obwohl ich der gläsernen Fassade des Museumsbaus zahlreiche Beobachtungen von außergewöhnlichem Tierverhalten und noch mehr Exponate für die Museumssammlung verdanke, da die meisten Vögel den Zusammenstoß mit ihr nicht überleben, stört es mich sehr, dass das Gebäude so viele Opfer fordert. Die Anbringung von Greifvogelsilhouetten half nichts und auch die großflächige Beklebung mit Folien und Buchstaben führte letztlich nicht zum Rückgang der Opferzahlen. Das Verhalten der Vögel lässt darauf schließen, dass sie transparentes und spiegelndes Glas nicht erkennen, geschweige denn verstehen. Sie sehen nur einen Durchgang, eine Flugroute, und stoßen, wenn ihr Lebensraum oder die Luft sich im Glas widerspiegeln oder Flugrouten durch Fensterglas unterbrochen werden, einfach dagegen.

Seit mehr als 40 Jahren erforscht der US-amerikanische Professor Daniel Klem Jr das Thema Zusammenstöße von Vögeln mit Glas und stellte fest, dass Glas die häufigste von Menschenhand herbeigeführte Todesursache bei Vögeln ist. Seinen Berechnungen zufolge überlebt allein in Nordamerika jährlich eine Milliarde Vögel den unsanften Aufprall an Fensterglas nicht. Wie das Bauwerk genau aussieht, macht dabei keinen Unterschied: Ob die Glasfassade eines normalen Wolkenkratzers oder ein Wohnviertel mit niedrigen Bauten, 200 Opfer täglich sind in beiden Fällen zu beklagen. Klem sagt ausdrücklich dazu, dass die Schätzung noch „vorsichtig“ sei. Auf die ganze Welt hochgerechnet, ist die Zahl so astronomisch hoch, dass ich mich frage, ob überhaupt noch Vögel übrig bleiben, die einfach aus Altergründen in irgendeiner stillen Ecke ableben. Zum Glück lassen sich die Zahlen relativieren: Die eine Milliarde Opfer in Nordamerika entspricht „lediglich“ fünf Prozent der schätzungsweise 20 Milliarden Vögel, die jenen Kontinent bevölkern. Eine weitere Milliarde tote Vögel geht auf das Konto von Hauskatzen, 120 Millionen Vögel fallen Jägern zum Opfer und 60 Millionen Opfer jährlich fordert schließlich der Verkehr.

In den Niederlanden wurden erstmals vor einem halben Jahrhundert Studien zu tödlichen Zusammenstößen von Vögeln mit Fensterglas durchgeführt, unter anderem um die Zahl der Fensteropfer unter Amseln zu ermitteln. Unter der Prämisse von einer toten Amsel pro „Haus mit Garten“ und unter Berücksichtigung der Volkszählung vom 30. Juni 1956 kamen die Wissenschaftler landesweit auf 200.000 bis 300.000 tote Amseln. Beunruhigende Zahlen, zumal die Bebauungsdichte in jener Zeit noch relativ gering war, Hochbau kaum existierte und Glas als Baumaterial noch wenig genutzt wurde.

Lösungen zu finden, ist nicht einfach. Das Bekleben von Fensterglas mit Aufklebern jeglicher Form oder Art (Greifvogelsilhouetten sehen zwar nett aus, sind aber nicht effektiver als andere Aufkleber) zeigt nur dann Wirkung, wenn die Zwischenräume zwischen den Aufklebern höchstens zehn bis 15 Zentimeter betragen und die Aufkleber selbst nicht größer sind als eine menschliche Hand. Besser und auch billiger wäre es, die Fensterscheiben einfach wie eine Schultafel schwarz zu färben. Heutzutage gibt es ein in Deutschland entwickeltes und hergestelltes Fensterglas (Ornilux) auf dem Markt, das Vögel dank der Verwendung eines für Menschen unsichtbaren, ultravioletten Streifenmusters besser wahrnehmen und diese so vor Zusammenstößen schützt. Ebenfalls wirksam ist die Anbringung der Fensterscheiben in einem Winkel von 20 bis 40 Grad (statt 90). So wird weniger Licht reflektiert und geht die Opferzahl zurück. Eigentlich alles Lösungen, die Architekten bereits in der Planungsphase eines Gebäudes berücksichtigen sollten. Der wichtigste Nachteil von speziellem „Vogelglas“ gegenüber herkömmlichem Fensterglas sind die vergleichsweise hohen Kosten.

KRÄHE ALS VOGELSCHEUCHE

Für die Glasfassade des neuen Pavillons des Naturhistorischen Museums von Rotterdam kam die Lösung für das Problem aus ganz unerwarteter Ecke: Im April 2006 stiftete der niederländische Künstler Florentijn Hofman, der mit kolossalen Kunstwerken für den öffentlichen Raum Berühmtheit erlangt hat, dem Museum ein sechs Meter hohes Kunstwerk mit dem Titel Zwarte Kraai (Rabenkrähe). Diese riesige, detailgetreue Ausführung einer Rabenkrähe aus Metall erhielt einen Platz auf dem Rasen neben dem Neubau. Dort dient er nicht nur als Verschönerung des Museumparks, sondern auch als riesige Vogelscheuche. Aus meinen Statistiken ergibt sich, dass die Zahl der fliegenden Fensteropfer seitdem kräftig zurückgegangen ist, was durchaus auf die Anwesenheit der Metall-Krähe zurückgeführt werden kann. Dass sich die köpfenden Rabenkrähen in keinster Weise von ihrer metallenen Artgenossin beeinträchtigt fühlen, zeigte der 29. August 2007. An jenem Tag stieß eine junge, vielversprechende Krähe gegen die Fassade und starb sofort. Zum Glück konnte ich sie rechtzeitig, mit Kopf, für die Museumssammlung sicherstellen.

Seit 2006 dient die neben dem Naturhistorischen Museum von Rotterdam aufgestellte Metallskulptur einer Rabenkrähe des Künstlers Florentijn Hofman als Vogelscheuche. (KM)

SCHLINGENSITTICH

Während meines täglichen Rundgangs durch den Museumpark gilt meine besondere Aufmerksamkeit einigen alten Ulmen. Einer der Bäume, ein stark verästeltes Exemplar mit großen Höhlen, ist im Frühling die Heimat von Dohlen (Corvus monedula), die dort emsig mit Nistmaterial umherfliegen. Ende Februar zeigte ein Pärchen Halsbandsittiche (Psittacula krameri) – ebenfalls Höhlenbrüter – Interesse an einer der Höhlen. Die knallgrünen Krummschnäbel verweilten immer öfter und länger in den Ulmen und ich vermutete, dass das Pärchen bereits eine der Baumhöhlen besetzt hatte. Einige Tage später wurde jedoch klar, dass sich dort oben ein Drama zugetragen hatte. Denn knapp unterhalb einer Höhle baumelte ein lebloser Sittich im Wind, während ihn der hinterbliebene Partner, der sich an einem anderen Platz im Baum aufhielt, trauernd und leise beobachtete. Durch das Fernglas konnte ich erkennen, dass der tote Vogel keinen Kopf mehr besaß. Wie und warum der tote Halsbandsittich dort hing, war zunächst ein Rätsel.

Versehen mit der Katalognummer NMR 9989-003446 erhielt der Schlingensittich einen Platz in der Sammlung des Naturhistorischen Museums von Rotterdam. (KM)

Mithilfe eines mobilen Hebekrans gelang es mir, den toten Vogel in etwa zehn Meter Höhe zu bergen. Es stellte sich heraus, dass der arme Sittich, ein Weibchen, mit seinem Kopf in eine Schlinge aus Nestmaterial geraten war und sich so stranguliert hatte. Vom Kopf war allerdings nur noch ein Schädelfragment übrig geblieben. Vermutlich hatten sich die Dohlen am Gehirn des Sittichs gütlich getan.

ENTENABSTURZ

„Heute Abend war ich mit meinem Fahrrad in Den Haag unterwegs, als genau in dem Moment, als ich eine Straße überquerte, etwa zehn Meter vor mir eine Ente senkrecht vom Himmel fiel und auf die Straße krachte.“ Eva Lemaier beobachtete das Drama mit Entsetzen: „Die Ente lag auf einer Seite und drehte sich zwei bis drei Minuten lang immer wieder um die eigene Achse, versuchte aufzustehen und sank schließlich langsam zu Boden, wo sie leblos liegen blieb.“ Per E-Mail erhielt ich ein Foto vom Opfer und dazu die ängstliche Frage: „Hätte mir dieser Absturz zum Verhängnis werden können?“

Das zu beurteilen, steht mir als einfachem Biologe nicht zu. Aber der Schlag, den die herabstürzende Ente auf den Kopf verursacht hätte, hätte gewiss traumatische Folgen gehabt. Allerdings ist in der medizinischen Fachliteratur kein einziger Fall bekannt, bei dem herabstürzende Vögel tödliche Kopfverletzungen bei Menschen verursacht hätten. Dagegen können aus Bäumen herabfallende Kokosnüsse (so schwer wie ein Erpel, nur härter) sich durchaus tödlich auswirken (wie ein Bericht in The Journal of Trauma aus dem Jahr 1984 beweist). Sogar aus dem Wasser hüpfenden Hornhechten gelang es, (oberhalb der Augenhöhle) tödliche Hirnverletzungen zu verursachen. Zum Glück konnte Eva ihre Fahrt ohne Verletzungen fortsetzen. Hätte sie den freien Fall der Ente mit ihrem Kopf gestoppt, wäre der Vogel jedoch höchstwahrscheinlich mit dem Schrecken davongekommen.

In dem satirischen Dokumentarfilm Animalicious aus dem Jahr 1999 präsentiert der Produzent und Regisseur Mark Lewis fünf Fälle, in denen Menschen von der Begegnung mit Tieren dramatisch betroffen waren. Absoluter Höhepunkt ist die Geschichte der Engländerin Mhairi Kent. Nachdem ihr eine herabstürzende Ente auf den Kopf gefallen war, wurde sie von einem herbeieilenden Streifenpolizisten der Wilderei bezichtigt. Und als sie später blutüberströmt im Krankenhaus erzählte, was passiert war, und dort um Hilfe bat, wurde sie vom Krankenhauspersonal auch noch ausgelacht.

In Den Haag fiel diese Stockente tot vom Himmel. (Eva Lemaier)

Sind Sie der Entenmann?

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Am Nachmittag des 2. Oktober 2003, einem Donnerstag, hält mir ein großer, korpulenter Mann mit freundlichem Gesicht eine schwere Eichenholztür auf und fragt mich völlig unvermittelt: „Are you the Duck Guy?“ Bin ich der Entenmann? Zögernd zeige ich ihm meinen ausgestopften Erpel, während ich das monumentale, mit viel Marmor ausgekleidete Foyer betrete. „The Duck Guy is here!“, ruft der Dicke. Ich bin im Sanders Theater, einer der heiligen Stätten der Harvard University in Cambridge, Massachusetts, wo in wenigen Stunden eine besondere Feierlichkeit stattfinden wird: die jährliche Verleihung der Ig-Nobelpreise. Mit dem Preis werden Forschungsarbeiten ausgezeichnet, „die Menschen erst zum Lachen, dann zum Nachdenken bringen“. Ich gehöre zu den zehn Auserwählten, für meine Publikation über den ersten Fall von homosexueller Nekrophilie bei Stockenten.

IG-NOBELPREIS: EIN WITZ?

Angefangen hat mein Ig-Nobelpreisabenteur im April 2003. In einer E-Mail bat mich Marc Abrahams, der Redakteur des Fachblatts Annals of Improbable Research, ihm ein Exemplar meines „bemerkenswerten“ Entenartikels zukommen zu lassen. Ich kannte die Zeitschrift nicht, machte mir aber keine weiteren Gedanken darüber, da solche Anfragen nicht ungewöhnlich sind und die Kopien (ein Bündelchen aneinandergehefteter loser Seiten) damals noch routinemäßig mit der täglichen Post das Haus verließen. Heutzutage tauschen Wissenschaftler ihre Publikationen elektronisch als PDF aus.

Marc Abrahams, Moderator der Ig-Nobelpreis-Zeremonie seit 1991, präsentiert den Ig-Nobelpreis des Jahres 2016, der wie immer aus billigstem Material gefertigt wurde. (Howard Cannon)

Mitte Mai folgte eine weitere E-Mail von Abrahams: „Ihr großartiger Artikel über die tote Ente wurde dieses Jahr für den Ig-Nobelpreis nominiert. Die zehn Gewinner werden am 2. Oktober im Rahmen einer feierlichen Zeremonie an der Harvard University bekanntgegeben und ausgezeichnet. Es werden auch ,echte‘ Nobelpreisträger zugegen sein, um die Ig-Nobelpreise zu überreichen.“ Ob ich denn die Auszeichnung annehmen würde, wollte er zum Schluss noch wissen.

Ig-Nobelpreis? Harvard? Nobelpreisgewinner? Sollte das ein Witz sein? Dank des Internets1 erfuhr ich rasch, um was es sich da handelte. Seit 1991 vergibt die satirisch-wissenschaftliche Zeitschrift Annals of Improbable Research (AIR) alljährlich den Ig Nobel Prize an zehn Wissenschaftler (oder Gruppen davon) unterschiedlicher Fachgebiete, deren Forschungsarbeit „Menschen erst zum Lachen, dann zum Nachdenken bringt“. Grob gesagt entsprechen die Kategorien denen des „echten“ Nobelpreises, dessen Gewinner traditionell eine Woche später in Stockholm bekanntgegeben werden. Ausgesucht werden die jährlichen Gewinner aus über 9000 Vorschlägen von einer Jury – dem Board of Governors, einem wechselnden Kreis von Forschern, Nobelpreisträgern, Journalisten, manchmal auch einem Knacki und immer einem zufälligen Passanten – unter Ägide von Marc Abrahams, dem geistigen Vaters des Preises.

Das Motto des Ig-Nobelpreises: Erst lachen, dann nachdenken; das Logo stellt den von seinem Sockel heruntergefallenen Denker dar. (Improbable Research)

Für die Herkunft des Begriffes Ig-Nobelpreis gibt es zwei Erklärungsversuche: Zum einen wurde der Preis angeblich nach dem legendären Erfinder Ignatius (Ig) Nobel benannt, der, wie er selbst behauptete, ein Nachfahre des noch berühmteren Alfred Nobel war. Laut einer anderen Auslegung ist „Ig“ eine Anspielung auf das englische ignoble, was genau das Gegenteil von „nobel“ bedeutet. Wie dem auch sei, mit den Ig-Nobelpreisen werden das Außergewöhnliche und Einfallsreichtum geehrt und versucht, das Interesse der Menschen für Wissenschaft und Technologie anzukurbeln – alles noble Ziele. Nachdem ich mir die Liste der früheren Preisträger und ihre ausgezeichneten Arbeiten angesehen hatte, nahm ich den Preis ohne zu zögern an. Am 2. Oktober wurde ich zur Zeremonie anlässlich der Verleihung des Ig-Nobelpeises im Sanders Theater der Harvard University erwartet und zwei Tage später zur Lesung am renommierten MIT, dem Massachusetts Institute of Technology. Da mir Stillschweigen auferlegt wurde, erzählte ich nur einigen engen Freunden davon. Im Naturhistorischen Museum von Rotterdam präparierten wir noch eine tote Stockente für die lange Reise – denn das Originalexemplar, Exponat NMR 9989-00232, wäre dafür zu empfindlich gewesen.

ERLESENE GESELLSCHAFT

Langsam trudeln die Organisatoren, Pressevertreter und anderen Ig-Nobelpreisträger im ältesten und imposantesten Treffpunkt von Harvard ein, Hände werden geschüttelt – ich befinde mich in erlesener Gesellschaft. Der Australier John Culvenor erhält den Ig-Nobelpreis für Physik für seine Forschungsarbeit, bei der er nach einer Methode suchte, mit der man Schafe am besten an die Stelle bekommt, an der sie geschoren werden sollen: down hill war sein Fazit, das er mit gediegenen physikalischen Berechnungen untermauerte. Der Österreicher Karl Schwärzler gewinnt mit seiner Geschäftsidee, das Fürstentum Liechtenstein als Ganzes für Firmenfeiern, Hochzeiten, Bar-Mizwas und andere Treffen zu vermieten, den Wirtschafts-Ig-Nobelpreis. Edward A. Murphy III ist gekommen, um den Ig-Nobelpreis für Ingenieurswissenschaften in Empfang zu nehmen, stellvertretend für seinen verstorbenen Vater Edward A. Murphy, Jr, der 1949 Murphy’s Gesetz formulierte, das besagt: „Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, eine Aufgabe zu erledigen, und eine davon in einer Katastrophe endet oder sonst wie unerwünschte Konsequenzen nach sich zieht, dann wird es jemand genau so machen“, oder zusammengefasst: „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“ Eleanor Maguire aus England erhält den Preis für Medizin für ihre Forschungsarbeit, mit der sie den Beweis erbrachte, dass (gewisse Teile der) Gehirne von Londoner Taxifahrern besser entwickelt sind als jene des durchschnittlichen Londoners. Stefano Ghirlanda, der auf überzeugende Art und Weise entdeckt hat, dass Hühner schöne Menschen bevorzugen, wird mit dem Ig-Nobelpreis für Interdisziplinäre Forschung geehrt. Philip Zimbardo, der Bekanntheit mit dem berüchtigten Stanford-Gefängnisexperiment erlangte, gewinnt den Psychologiepreis für seine schonungslose Feststellung, dass Politiker sehr einfache Persönlichkeitsstrukturen aufweisen. Mit dem Literatur-Ig-Nobelpreis ausgezeichnet wird John Trinkaus aus New York für seine sorgfältig zusammengetragene Datensammlung und die anschließende Veröffentlichung von über 80 detaillierten wissenschaftlichen Berichten zu Themen, die ihn aufgeregt haben, wie etwa: „Wie viel Prozent aller Pendler tragen Aktenkoffer“, „Wie viel Prozent aller Jugendlichen tragen ihre Baseballcaps mit der Klappe nach hinten statt nach vorne“ oder „Wie viel Prozent der Menschen an der Expresskasse eines Supermarks legen mehr Artikel aufs Band als erlaubt“.

Der Gewinner des Chemiepreises, der Japaner Yukio Hirose, läuft etwas verstört umher. Der freundliche Chemiker spricht kaum Englisch und hat, wie ich vermute, keinen Schimmer, wohin es ihn hier verschlagen hat. Hirose hat entdeckt, dass es in Japan ein einziges historisches Denkmal gibt, das nicht von Taubenkot überdeckt ist. Also wollte er wissen, warum das so ist. Es stellte sich heraus, dass das 123 Jahre alte Denkmal Arsen enthält, einen Stoff, der Tauben offenbar fernhält. Hirose rekonstruierte die Legierung aus Kupfer, Blei und Arsen und verwendete diese, um Tauben und andere lästige Vögel zu bekämpfen.

Lal Bihari aus Indien, dem der Friedenspreis für ein aktives Leben zuerkannt wird, obwohl man ihn offiziell für tot erklärt hat, ist als Einziger der Zeremonie ferngeblieben – da es ihm als Totem nicht gelungen war, einen Reisepass zu erhalten.

Das Medieninteresse ist riesig. Immer mehr wird mir bewusst, dass der Ig-Nobelpreis keineswegs Unsinn ist. CBS News interessiert sich sehr für meine Entengeschichte, nur der prüde Korrespondent bringt die Worte homosexual und necrophilia zunächst nicht über die Lippen. Erst als ich ihm den präparierten Erpel vor laufender Kamera zeige, gelingt es mir, ihn dazu zu bewegen.

DIE ZEREMONIE

Um 18.30 Uhr wird jedem von uns hinter den Kulissen eine eigene Hostess zugewiesen. Diese freundlichen, schwer aufgetakelten jungen Damen werden uns während der Show, denn das wird es ganz gewiss, begleiten. Unterdessen setzen drei echte Nobelpreisträger – Dudley Herschbach (Chemie, 1986), William Lipscomb (Chemie, 1976) und Wolfgang Ketterle (Physik, 2001) – in einem mehr oder weniger organisierten Chaos vor der eigentlichen Preisverleihung ihre Unterschriften unter die Urkunden der Gewinner. Sie haben sich einen Abend in ihrem vollen akademischen Kalender freigeschlagen und werden die Preise überreichen.

Als wir kurze Zeit später brav aufgereiht auf der Bühne stehen, werden uns zahlreiche Papierflugzeuge zugeworfen, die wir ebenso brav wieder in den Saal zurückwerfen. Das Theater ist proppenvoll: Sämtliche 1200 Plätze sind belegt, das Publikum ist begeistert. Meine Hostess führt mich zu einem Platz direkt hinter den Gewinnern des echten Nobelpreises. Meine ausgestopfte Ente habe ich immer in Reichweite. Neben mir sitzt ein älterer Herr in einem Tropenanzug, der ab und an aufsteht, um die Papierflugzeuge von der Bühne zu kehren. Er stellt sich mir vor als Professor Roy Glauber: „Wie immer bin ich auch heute Abend wieder fürs Kehren zuständig.“ Zwei Jahre später wird er für seinen Beitrag zur Quantentheorie, insbesondere der optischen Kohärenz, den (echten) Nobelpreis für Physik verliehen bekommen.

Die Zeremonie, die Marc Abrahams höchstpersönlich moderiert, geht im Schnellverfahren über die Bühne – im wahrsten Sinne des Wortes. Während der Preisverleihung wird das Publikum im Saal mittels Leinwänden textuell wie visuell über die jeweiligen Forschungsarbeiten informiert und zwischendurch mit einer Mini-Oper in drei Aufzügen (über zwei Sauerstoffatome, die sich ineinander verlieben) und vier, jeweils 24 Sekunden dauernden Lesungen mit einer Zusammenfassung in sieben Worten von großen Denkern wie Eric Lander vom MIT Center of Genome Research oder der Physikprofessorin Lene Hau von der Harvard University unterhalten. Garniert wird das Ganze mit einigen Moments of Science, Chemieversuchen, bei denen viel Flüssigstickstoff eingesetzt wird. Ich fühle mich wie in einem Monty-Python-Film.

Jedem Preisträger werden genau 60 Sekunden eingeräumt, um ein paar Worte an das Publikum zu richten. Wer zu lange redet, den bringt eine niedliche Achtjährige – Miss Sweetie Poe genannt – mit den Worten „Please stop. I’m bored. Please stop. I’m bored. Please stop. I’m bored” gnadenlos zum Schweigen. Ich bin Preisträger Nummer 10, der letzte des Abends. Marc Abrahams kündigt mich an und liest die offizielle Begründung vor:

Der Ig-Nobelpreis für Biologie 2003 geht an Kees Moeliker vom Naturhistorischen Museum von Rotterdam in den Niederlanden, für die Dokumentation des ersten wissenschaftlich festgestellten Falles von homosexueller Nekrophilie bei Stockenten.“

Mit sanfter Hand schiebt mich meine Hostess durch den Vorhang in die Mitte der Bühne, dorthin, wo Nobelpreisträger Wolfgang Ketterle mir die Auszeichnung überreichen wird. Während er das tut, schüttelt er unaufhaltsam meine Hand und flüstert mir etwas völlig Unverständliches ins Ohr, das ganz gewiss gut gemeint ist. Nachdem das Publikum – offenbar auf Aufforderung eines projizierten Textes hin – sein lautes Gequake eingestellt hat, fangen meine 60 Sekunden an. Hier folgt die deutsche Übersetzung des Transkripts meiner – an Ort und Stelle improvisierten – Rede in englischer Sprache:

Ich danke Ihnen sehr für diesen, äh, Preis. Lassen Sie mich erklären, wovon mein preisgekrönter Artikel handelt. Ich habe zwei Stockenten beobachtet. Falls Sie kein Vogelkenner sind: Eine Stockente ist eine wie diese hier. [Ich ziehe den ausgestopften Erpel aus meiner Tasche und halte ihn hoch.] Das Besondere: Sie gehörten beide dem männlichen Geschlecht an, und eine von beiden war tot. Die tote Ente war an der Fassade des Naturhistorischen Museums von Rotterdam zerschellt, wo ich als Konservator tätig bin. Die lebendige Ente bestieg die tote Ente und verging sich an ihr, über eine Stunde lang. Da ich irgendwann Hunger bekam und nach Hause wollte, sammelte ich die tote Ente ein und obduzierte sie. Es war tatsächlich ein Männchen. Noch nie zuvor hat jemand dieses Verhalten bei Stockenten beobachtet und davon berichtet. Ich habe es getan, und das ist vermutlich der Grund dafür, dass ich heute Abend hier bin. Ich danke Ihnen sehr.”

Die „eine Minute Ruhm“ des Autors am 2. Oktober 2003: „Ich ziehe den ausgestopften Erpel aus meiner Tasche und halte ihn hoch.“ (Takara Co Ltd.)

Der Preis ist ein ausgefallenes Kunstwerk: eine Badezimmerfliese mit der Aufschrift „Ig Nobel Prize 2003“, auf der sich ein Kubus aus Plexiglas befindet, in dem sich angeblich ein exakt ein Nanometer großer Goldbarren versteckt („Nano“ ist das Motto der Zeremonie in diesem Jahr). Nachdem meine liebenswerte Hostess mich zu meiner Urkunde gebracht hat, folgt eine chaotische Fotorunde, in deren Verlauf sich Publikum und Presse gleichermaßen unter die Gewinner und Organisatoren auf der Bühne mischen. Eine Frau krallt sich an mir fest und sagt: „Ich bin wirklich überrascht. Mir war nicht bewusst, dass solches Verhalten in der freien Natur vorkommt. Ich dachte, nur Menschen wären dazu fähig.“

EHRE ODER BLAMAGE?

Oft bin ich gefragt worden, ob der Gewinn des Ig-Nobelpreises eine Ehre ist oder eher eine Blamage darstellt. Um diese Frage beantworten zu können, sollte man wissen, was genau diese Auszeichnung beinhaltet. Meines Erachtens ist der Preis Satire der allerbesten Art, die aber auch etwas bewirken soll, und zwar Interesse für Wissenschaft wecken. Wer das nicht versteht oder verstehen will oder wer nicht hinter seine Studie, Forschungsarbeit oder Publikation steht, der verzichtet einfach auf die Auszeichnung. Schließlich gibt es diese Möglichkeit, denn keiner muss den Preis annehmen. Wer das Ziel des Ig-Nobelpreises unterstützt, spielt das Spiel einfach mit. Man bucht den Flug nach Boston, bezahlt ihn aus eigener Tasche und nimmt an einer bizarren Preisverleihungszeremonie teil, bei der man sich mit Papierflugzeugen bewerfen lässt. Zusammenfassend wiederhole ich an dieser Stelle gerne jene Worte, mit denen Marc Abrahams die Zeremonie alljährlich abschließt: „If you didn’t win an Ig Nobel Prize – and especially if you did – better luck next year!“ (Haben Sie keinen Ig-Nobelpreis gewonnen – oder schlimmer noch, wenn doch –, dann im nächsten Jahr mehr Glück!)

Die Urkunde, die Gewinner des Ig-Nobelpreises erhalten, wird mit einem ganz normalen Drucker gedruckt, ist aber von Marc Abrahams und drei (echten) Nobelpreisträgern handsigniert. (KM)

DIE IG-ENTE

Die eigens für die Zeremonie präparierte Stockente habe ich nach Ablauf der Feierlichkeiten im Oktober 2003 dem Museum of Comparative Zoology der Harvard University für seine Sammlung überlassen. Der damalige Konservator hat die Spende dankend angenommen und die Ente mit der Katalognummer MCZ 335714 versehen. Ergänzend habe ich handschriftlich hinzugefügt, welche historische Rolle dieses Exponat gespielt hat. Die Spende erwies sich als sehr sinnvoll, da ich seitdem die Zeremonie jedes Jahr aufs Neue besuche, um dort kurz die Ente in die Luft zu halten. Da die Vogelgrippe den Transport von Vögeln, sogar von präparierten Exemplaren, deutlich erschwert hat und der Papierkram vor einer Reise mit einem präparierten Vogel in die USA und wieder zurück gigantisch ist, konnte ich so zum Glück lange Zeit in Boston immer wieder auf die Ig-Ente zurückgreifen. Einige Jahre genügte eine E-Mail an die Vogelabteilung des Museums, um MCZ 335714 für die Zeremonie am ersten Donnerstag im Oktober auszuleihen, dem Tag, an dem die Ig-Nobelpreise traditionell verliehen werden. Als ich 2008 in der zweiten Septemberhälfte meine alljährliche Anfrage an das Museum richtete, um die Ente für einen oder zwei Tage auszuleihen, wurde ich zu meinem großen Erstaunen an eine andere Abteilung verwiesen, die für nicht wissenschaftliche Leihgaben (wozu auch meine Anfrage zählte) zuständig ist. Das offizielle Verfahren würde einige Wochen (ja möglicherweise auch Monate) dauern und Berge an Papier verschlingen. Es stellte sich heraus, dass diese Neuregelung personellen und politischen Veränderungen geschuldet war: Für den neuen Vogelkonservator war die Verwendung des Exponats während der Verleihung der Ig-Nobelpreise „nicht im Einklang mit den Zielen der Vogelabteilung, ja sogar unwürdig“. Außerdem hatte ich das Tier einmal „mit Ungeziefer behaftet zurückgegeben, das eine Bedrohung für die gesamte Sammlung des Museums darstellte“. Eine Darstellung falscher Tatsachen, da ich die Ente immer schon inklusive Museumskäferinfektion ausgeliehen hatte – worauf ich meine amerikanischen Kollegen bei der Rückgabe auch immer aufmerksam gemacht hatte. Wie dem auch sei, man ließ sich nicht erweichen. Die „Ig Duck“ blieb fortan in der sicheren, sauberen Umgebung des Museum of Comparative Zoology, was an und für sich ja ein beruhigender Gedanke ist. Als Ersatz fand ich zum Glück eine fröhlich quakende Latexente, die hauptberuflich als Hundespielzeug dient.

15 JAHRE LANG LACHEN UND NACHDENKEN

Dieses Jahr, 2018, ist es 15 Jahre her, dass ich zusammen mit der toten Ente den Ig-Nobelpreis gewonnen habe. Dank des enormen öffentlichen Widerhalls ist „die Ente“ heute weltweit bekannt. Unzählige Male habe ich ihre Geschichte in Radio- und Fernsehsendungen, Zeitungen und Zeitschriften im In- und Ausland erzählt – und auch jetzt in diesem Buch. Ich bereise die ganze Welt, um in Vorträgen über homosexuelle Nekrophilie und andere außergewöhnliche Verhaltensweisen bei Tieren zu berichten – und immer ist der Erpel mit dabei. Zwar ist das Thema grundsätzlich tabu, aber wenn das Publikum merkt, dass es sich dabei um Enten handelt, hängt es in der Regel an meinen Lippen – sogar in den USA. Ganz anders in England, wo man diesbezüglich überhaupt keine Scheu kennt, während mein bizarrer Entensex in Italien sogar Magistrate und Geistliche sehr belustigt hat. Auch in Österreich kam meine Entengeschichte gut an. Meine ausgestopfte tote Ente macht Unterschiede im Sexualverhalten anschaulich. Wird am Anfang köstlich darüber gelacht, regt die Geschichte Menschen – ganz im Einklang mit dem Credo der Ig-Nobelpreis-Philosophie – auch zum Nachdenken an, nicht zuletzt in Kreisen, in denen Homosexualität als eine Krankheit gilt. Das Schicksal der Ente führte bei mir zu der Erkenntnis, dass der Mensch mit der Art und Weise, wie er den öffentlichen Raum bebaut und einrichtet, dem Verhalten von Tieren manchmal eine überraschende, gelegentlich auch dramatische Wendung geben kann. Zusammenstöße von Mensch und Tier und deren Folgen bilden den Ausgangspunkt der womöglich erfolgreichsten Ausstellung im Naturhistorischen Museum von Rotterdam, die ich jemals entwickelt habe: „Tote Tiere mit einer Geschichte“, in welcher die Ente einen prominenten Platz hat, aber auch die Zwergfledermaus aus Stuttgart, die die Menschen berührte, als bekannt wurde, dass sie in einer Packung Frühstücksflocken zu Tode gekommen war.

Ein weiterer unglaublicher Erfolg, den mir der Gewinn des Ig-Nobelpreises und die Popularität des prämierten Entenartikels bescherten, war die Uraufführung von The Homosexual Necrophiliac Duck Opera am 8. August 2015 in London auf dem weltweit größten Festival für moderne Oper – „Tête à Tête“ genannt. Eine Oper? Ja, eine Oper! In der 30-minütigen, vom britischen Musiker Daniel Gillingwater komponierten und dirigierten Aufführung wurde der Text meines Artikels „The first case of homosexual necrophilia in the mallard“ beinahe Wort für Wort nachgesungen und das Verhalten der beiden Enten von zwei äußerst geschmeidigen Balletttänzern nachgespielt. Meine Rolle bestand darin, Opernliebhaber, die mit dem Thema nicht so vertraut waren, vor der Vorstellung mittels eines kurzen wissenschaftlichen Vortrags über den ersten Fall von homosexueller Nekrophilie bei Stockenten aufzuklären. Anschließend wurde mein Part von der Sopranistin Sarah Redmond singend übernommen, sodass ich meinen Platz im Orchester einnehmen konnte, in dem ich die Entenlockflöte spielte – ein Instrument, das im Vergleich zu den Klängen von Violinen, Celli und Klarinetten einen sehr dominanten Ton erzeugt. Eine erneute Aufführung dieser besonderen Oper fand am 24. Juni 2016 im Natural History Museum in London statt. Diese für mich heilige Stätte ist das größte und bedeutendste naturhistorische Museum der Welt, das ich in Begleitung meiner toten Ente noch nie zuvor betreten hatte.

WIE EINE TOTE ENTE MEIN LEBEN VERÄNDERTE