Walter Kardinal Kasper

Eine Spur ins Leben

Begleiter durch die Fasten- und Osterzeit

Patmos Verlag


Anmerkungen

1 Der Jesuitenpater Rupert Mayer (1876–1945) gehörte zum katholischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus, wurde wegen Kanzelmissbrauch verurteilt und mehrfach inhaftiert.

2 Lübecker Märtyrer: die drei katholischen Priester Johannes Prassek, Eduard Müller und Hermann Lange und der evangelische Pastor Karl Friedrich Stellbrink, die in Lübeck seelsorglich wirkten und am 10. November 1943 kurz hintereinander in Hamburg als Gegner des Nationalsozialismus hingerichtet wurden.

ÜBER DEN AUTOR

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© Kardinal Walter Kasper Stiftung, Vallendar

Walter Kardinal Kasper, geb. 1933, Dr. theol., Professor für Dogmatik, 1989–1999 Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, 2001 zum Kardinal erhoben, 2001–2010 Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen und der Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum sowie Mitglied der Kongregationen für die Glaubenslehre und für die Orientalischen Kirchen.

Walter Kardinal Kasper ist Hauptautor des ersten Bandes des Katholischen Erwachsenenkatechismus und Hauptherausgeber der dritten Ausgabe des Lexikons für Theologie und Kirche. Zu seinen zahlreichen theologischen Publikationen zählen unter anderem: Der Gott Jesu Christi; Jesus, der Christus; Einführung in den Glauben; Theologie und Kirche (2 Bände); Katholische Kirche. Wesen – Wirklichkeit – Sendung; Wege zur Einheit der Christen. Schriften zur Ökumene I (Walter Kasper Gesammelte Schriften 14); Einheit in Jesus Christus. Schriften zur Ökumene II (Walter Kasper Schriften 15). Seine Gesammelten Schriften erscheinen im Verlag Herder, Freiburg. Anlässlich des Reformationsgedenkens 2017 veröffentlichte er den Essay: Martin Luther. Eine ökumenische Perspektive (Ostfildern 2016).

Bei seiner ersten Angelus-Ansprache empfahl Papst Franziskus Kaspers Buch Barmherzigkeit. Grundbegriff des Evangeliums – Schlüssel christlichen Lebens (Freiburg im Breisgau 5. Aufl. 2012) zur Lektüre. Eine Hilfe zum theologischen Verständnis des Pontifikats von Papst Franziskus erschien 2015 Papst Franziskus – Revolution der Zärtlichkeit und der Liebe. Theologische Wurzeln und pastorale Perspektiven (Stuttgart 2015) und 2016 Das Feuer des Evangeliums. Mein Weg mit Papst Franziskus. Ein Gespräch mit Raffaele Luise (Ostfildern 2016).

ÜBER DAS BUCH

Die Fasten- und Osterzeit ist eine besondere Zeit: Die biblischen Texte dieser Zeit werfen die Fragen auf: Warum und wozu bin ich hier? Was ist der Sinn meines Lebens? Wohin führt eine Spur ins Leben? Die Betrachtungen von Walter Kardinal Kasper erschließen das Geheimnis der Auferstehung Christi für die Tiefendimension unseres menschlichen Lebens und vermitteln die biblische Botschaft der Hoffnung für Menschen unserer Zeit.

»Von Ostern her fällt Licht auf die Geschichte des Gottesvolkes, auf die Geschichte der Menschheit: Die Mächte des Todes, der Gewalt, der Lüge, des Unrechts, des Hasses, sie sind gewiss noch am Werk, aber sie sind besiegt; sie sind am Ende. Das letzte Wort wird das Leben, die Wahrheit, die Gerechtigkeit und die Liebe haben.« (Walter Kardinal Kasper)

Auch als Printausgabe erhältlich.

www.patmos.de/ISBN978-3-8436-0889-3

IMPRESSUM

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© 2017 Patmos Verlag der Schwabenverlag AG, Ostfildern

Umschlaggestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart

Umschlagabbildung: Janet Brooks Gerloff, Unterwegs nach Emmaus

(Kreuzgang der Abtei Kornelimünster bei Aachen)

© VG Bild-Kunst, Bonn 2016

ISBN 978-3-8436-0889-3 (Print)

ISBN 978-3-8436-0931-9 (eBook)

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Inhalt

Einladung

Umkehr ins Leben

Zeit der Umkehr

Die notwendige Entscheidung

Endlich anfangen!

Auf dem Weg zum himmlischen Fest

Unser Lebensweg

Passion

Der Friedenskönig

Liebe bis zum Ende

Über den Tod hinaus

Gott allein genügt

Gottes Herzblut

Auferstehung

Ein neues Herz

Wer glaubt, sieht mehr

Worte des Lebens

Menschen der Hoffnung

Geist des Lebens

Feuer des Geistes


Anmerkungen


Über den Autor

Über das Buch

Impressum

Hinweise des Verlags

Einladung

Die Fasten- und Osterzeit ist eine besondere Zeit, eine Zeit, die uns über unser Leben und über die Richtung unseres Lebens nachdenken lässt. Die vierzig Tage der Fastenzeit zielen auf Ostern hin, den Dreh- und Angelpunkt des christlichen Daseins.

Die Fastenzeit ist die Zeit der Vorbereitung auf Ostern und damit eine Neuausrichtung unseres Lebens auf sein wahres Ziel hin. Diese Zeit gibt uns zu denken: Warum und wozu bin ich hier? Was ist der Sinn meines Lebens? Was ist meine Berufung als Christ, als Christin? Wohin gehe ich? Habe ich mich im Weg und in der Richtung geirrt oder bin ich auf dem richtigen Weg?

Wenn wir in dieser Weise über unser Leben nachdenken, hat jeder von uns einen Grund, umzukehren und sich neu auf Christus und auf Ostern auszurichten. In dieser Neuausrichtung wird die Betrachtung der Passion Christi zu einem österlichen Weg, zu einem Weg des Übergangs, der Verwandlung und der Gnade, zu einem Weg der Hoffnung. Auf diesem Weg finden wir zum Leben.

Die vorliegenden Betrachtungen gehen auf Predigten von mir zurück, die zum Teil von Dr. Gabriele Stein aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzt worden sind. Die Predigtauszüge wurden für die vorliegende Veröffentlichung von Dr. Ulrich Sander zusammengestellt und überarbeitet, wofür ich ihm herzlich danke.

Walter Kardinal Kasper

Umkehr ins Leben

Zeit der Umkehr

Hütet euch, eure Gerechtigkeit vor den Menschen zu tun, um von ihnen gesehen zu werden; sonst habt ihr keinen Lohn von eurem Vater im Himmel zu erwarten.

Wenn du Almosen gibst, posaune es nicht vor dir her, wie es die Heuchler in den Synagogen und auf den Gassen tun, um von den Leuten gelobt zu werden! Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten. Wenn du Almosen gibst, soll deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut, damit dein Almosen im Ver­borgenen bleibt; und dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.

Wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler! Sie stellen sich beim Gebet gern in die Synagogen und an die Straßenecken, damit sie von den Leuten gesehen werden. Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten. Du aber, wenn du betest, geh in deine Kammer, schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist! Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.

Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler! Sie geben sich ein trübseliges Aussehen, damit die Leute merken, dass sie fasten. Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten. Du aber, wenn du fastest, salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht, damit die Leute nicht merken, dass du fastest, sondern nur dein Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.

Matthäus 6,1–6.16–18

Die vierzig Tage der Vorbereitungszeit auf Ostern nennen wir »Fastenzeit«. Doch was heißt Fasten? Heut­zutage sind die Regeln für das religiöse Fasten in der katholischen Kirche nicht mehr streng und oft in Vergessenheit geraten und unbekannt.

Im Lauf der Zeit bin ich oft mit Gläubigen der orthodoxen Kirche und auch mit religiösen Juden zusammengetroffen. Ich war jedes Mal erstaunt zu sehen, wie ernst sie das Fasten nehmen. Für sie ist es etwas Wichtiges, und deshalb halten sie die Fastenregeln gewissenhaft ein. Und sie ihrerseits sind erstaunt darüber, dass wir Katholiken die Praxis des Fastens aufgegeben haben. Sie erinnern uns daran, dass es das Fasten in allen Religionen gibt, insbesondere in der Bibel und in der gesamten christlichen Tradition.

Auch bei uns ist das Fasten wiederentdeckt worden, aber nicht so sehr aus religiösen Gründen, sondern für die Zwecke der Gesundheit und der Schönheit. Viele Männer und Frauen geben eine Menge Geld für Fastenkliniken aus. Sie machen die Erfahrung, dass das Fasten ihrem Körper und auch ihrer Seele eine neue Leichtigkeit und Beweglichkeit verleiht, dass es eine Quelle der Freiheit und der Freude ist. Also scheint die alte religiöse Praxis (die deutlich preisgünstiger ist) doch nicht so unvernünftig zu sein … Im Gegenteil, es gibt gute Gründe, die dafür sprechen!

Allerdings hat das religiöse und christliche Fasten, auch wenn es nach außen hin dem säkularisierten Fasten ähnelt, eine andere Motivation. Natürlich wirkt sich auch das religiöse Fasten in der beschriebenen Weise auf die Gesundheit des Leibes und der Seele aus, doch das ist nicht sein eigentlicher Sinn. Jesus übt Kritik an einem religiösen Fasten, das nur ein Fasten des Magens ist, ein Fasten zu dem Zweck, vor den Menschen als fromm zu erscheinen. Das Fasten des Magens ist für ihn dann sinnvoll, wenn es ein Zeichen ist: Zeichen für ein Fasten des Herzens, Zeichen für eine Läuterung des Herzens, Zeichen für einen Verzicht, um freier zu sein für Gott und die Menschen. In der Bibel kommen daher immer drei Bestandteile zusammen: Fasten, Gebet und Werke der Nächstenliebe. Das Fasten soll uns frei machen für Gott und Güter und Geld sparen für die Armen und die Bedürftigen.

Hier kommen wir wohl an den springenden Punkt unseres menschlichen und christlichen Daseins: Wir alle sind sehr beschäftigt und sorgen uns um vieles. Wir sind in einen oft sehr straffen und engen Terminplan eingebunden. Wir müssen jeden Tag so vielerlei erledigen und laufen Gefahr, das Ganze, den Sinn und die Richtung unseres Lebens, aus dem Blick zu verlieren. Gerade bei dem heutigen Stress brauchen wir eine Befreiung. Freiheit ist eines der großen Worte, das die Sehnsucht der Menschen heute beschreibt. Wir alle wollen frei sein und in einer freien Gesellschaft leben.

Gott hat uns frei erschaffen. Das ist der eigentliche Sinn der vorösterlichen Bußzeit und des vierzigtägigen Fastens. Es geht bei unserem Fasten nicht bloß darum, einen leeren Magen zu haben: Es geht darum, frei zu werden von vielen Dingen, vielen Verpflichtungen, die uns beanspruchen und beunruhigen und oft nutzlos oder unnötig oder zumindest nicht gar so wichtig sind. Es geht darum, dass wir von uns selbst frei werden, leer und frei für das eigentliche Ziel und die wahre Erfüllung, den Sinn und die Freude unseres Lebens. Frei für Gott und für die anderen, frei, das erste Gebot umzusetzen, frei für die Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen.

Jesus selbst – so berichten die Evangelien – hat sich auf sein öffentliches Wirken vorbereitet und vierzig Tage lang gefastet.