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Du liebst mich, oder doch nicht?

 

Wie Frauen mit beziehungsängstlichen Partnern wirklich umgehen sollten

Janett Menzel

 

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Über Janett Menzel

 

 

Janett Menzel lebt und arbeitet als Mentorin, Autorin und Fachjournalistin in Berlin.

 

 

Ebenfalls von ihr erschienen:

 

Über die Kunst, allein zu sein: Wie man Einsamkeit und Angst vor dem Alleinsein überwindet und sich nebenbei neu lieben lernt (2017)

 

Heimliche Liebe: Wie Geliebte ihre heimliche Affäre verstehen und überleben (2017)

 

 

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Du liebst mich, oder doch nicht?

 

Wie Frauen mit beziehungsängstlichen Partnern wirklich umgehen sollten

 

 

../../../Documents/Dreamstime%20Stock%20Fotos/eventuell7.jpgJanett Menzel

 

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Copyright © 2017 Janett Menzel

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN: 198163245X

ISBN-13: 978-1981632459

 

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk und Fernsehen sowie sonstige Kommunikationsmittel oder vertonte Wiedergaben und auszugsweise Nachdrucke sind vorbehalten.

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Für Elsbeth.

Ich wünschte, du hättest dich anders entschieden.

Du fehlst so sehr.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Mit Zugang zur exklusiven Facebook - Gruppe für Beziehungsängstliche und Partnerinnen beziehungsängstlicher Menschen

 

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Alle Beispiele Betroffener wurden anonymisiert und aufgrund der Wahrung ihrer Interessen streckenweise verschleiert. Etwaige Ähnlichkeiten zu Ihnen oder Ihnen bekannten Menschen sind reiner Zufall.

 

Dieses Buch ersetzt keine therapeutische Behandlung und/oder psychologischen Rat. Für Schaden wird keine Haftung übernommen.

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INHALTSVERZEICHNIS

 

TEIL I SEINE ANGST

Wider der Verletzlichkeit: Angst, Wut und Traurigkeit als Schutz

Alles nur Stress: Wenn Angst umspringt

Sonderfall: Ungesund narzisstische Charaktereigenschaften

Angst IV: Die Angst, sich zu verlieben, bei emotional nicht verfügbaren Männern

Die Liebe der Hochsensiblen und Empathen

Beziehungsstile und wie sie sich auswirken

Checkliste: Beziehungsängstliche Menschen

Beziehungsverhalten von Menschen mit suchtkranken Eltern

TEIL II DEINE ANGST

Ich habe Liebe und Glück doch (nicht) verdient.

Über den Umgang mit unerwiderten Gefühlen

Wieso du dein Glück nicht von anderen abhängig machen solltest

Wie man mit der Angst anderer umgeht

Er liebt mich, er liebt mich nicht

TEIL III Wie Liebe trotz Angst gelingen kann

Beziehungsstatus: Es ist schwierig!

Checkliste: Was du tun kannst

Checkliste: Was er tun kann

Literaturverzeichnis

 

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Danksagung

 

 

Ich danke allen Menschen, die mir offen ihre Geschichten erzählt haben, aus denen ich Rückschlüsse und wertvolle Inhalte für dieses Buch ziehen konnte.

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Was du vor dem Lesen wissen solltest

 

 

„Der Mensch hat dreierlei Wege klug zu handeln:
durch Nachdenken ist der edelste, durch Nachahmen der einfachste, durch Erfahrung der bitterste.“

 

Konfuzius

 

Ich spreche in dem gesamten Buch aus der Perspektive eines Menschen, der beide Seiten erlebte: der ängstliche Part und der, der unter der Angst des Partners leidet. Ich unterteile das Buch daher zur besseren Abgrenzung in drei Bereiche: die Angst deines Herzenspartners und deine, die vielleicht bereits da war oder durch die Angst deines Herzenspartners ausgelöst wurde. Im dritten Teil versuche ich eine Brücke zu schlagen.

Ich beschäftige mich mit dem „Problem Beziehungsangst“, in Verbindung mit Nähe-Distanz, Bindungsstilen (Bindungsangst) und vermeintlicher Beziehungsunfähigkeit, seit etlichen Jahren. Ich durfte darauf aufmerksam werden, weil ich selbst bindungsängstliche Partner hatte, die mir den Spiegel vorhielten. Ich wuchs zudem bei einer Mutter auf, die ähnliche Erziehungsstrukturen, die diese Angst fundamental ausbildet, erleben musste. So lernte auch ich weder emotionale Stabilität (Beständigkeit) noch wie eine „normale“ Beziehung aussieht und gelebt wird. Wer keine Beständigkeit gelernt hat, der weiß auch nicht, wie er mit beständigen Gefühlen umgehen soll. Es ist neu und beängstigend. Nach einer Weile langweilt es und es erscheint Menschen wie mir, als gäbe es keine belebende Energie mehr in der Partnerschaft. Zwischendrin aber glauben wir vermeintlich, dass durch die alltäglichen Aufgaben auch die früher so große Liebe, die uns verband, verschwunden sei. Als würde etwas stocken und als bräuchte es nur wieder etwas Aufregendes, um die Liebe sprudeln zu lassen. Etwas Aufregendes meint für viele von uns leider Aufregung. Wir sind oft unstete oder gar keine Emotionen anderer gewöhnt und kennen aus der Vergangenheit extreme Gefühlslagen.

Wir initiieren Dramen und Krisen, um diese Unbeständigkeit, das, was wir kennen, wieder zu uns zu ziehen, weil wir uns in diesem bekannten Milieu gut orientieren können. Kommt aber der Alltag ins Leben, so läuft die Liebe „nebenbei“ und das ist es nicht, wieso wir in eine Liebesbeziehung gegangen sind. Es ist das Gefühl, geliebt und warm gehalten zu sein. Wir suchen in Partnerschaften nach einem Gefühl aus früheren Beziehungen, meistens die ersten zu unseren Bezugspersonen oder die ersten Partner.

Diese früheren Verbindungen waren jedoch oft tückisch. Sie verletzten uns und viele von uns mussten lernen, dass wir tun und lassen können, was wir wollen: Wir werden sehr wahrscheinlich nie ausreichen. Vielleicht würde irgendetwas mit uns nicht stimmen. Für uns gäbe es keine beständige Liebe usw. So lernten wir auch, uns mit den Gegebenheiten auseinanderzusetzen und zu arrangieren.

Jeder fand seine eigenen Mechanismen, die Angst abzuwehren und mit der Traurigkeit, die die fehlende, echte und ehrliche Liebe auslöste, umzugehen: die eine Liebe, die jeder Mensch verdient hat, ganz egal, was im Leben der Eltern geschah und gleich, ob wir etwas falsch, richtig, gut oder nicht taten. Diese Arrangements mit dem Leben trafen wir zu unserem Schutz.

Viele von uns lernten die Situation positiv zu betrachten: Sie gab uns einen Freiraum, den wir erst schätzen lernen mussten, aber anfangs hassten. Es gab uns das Gefühl, dass es einen Grund und Sinn für all das gäbe (zum Beispiel wir, weil es uns nicht hätte geben sollen oder dass man Frauen und/oder Männern nicht trauen dürfte und andere Glaubensmuster, die uns bis ins Erwachsenenalter beherrschen). Viele von uns lernten, dass wir nichts fordern dürften - jedenfalls nicht zu offen und nicht zu ehrlich. In einigen herrscht daher bis heute Wut, weswegen sie gebende Menschen als Erleichterung empfinden, während Menschen mit fordernden Bedürfnissen als Last betrachtet werden: ein Spiegel unserer eigenen Angst. Wir übertreiben deshalb gern in vielem, was wir tun und sagen: in unseren Schuldzuweisungen klagen wir an und schämen uns dann wieder. Manchmal denke ich, dass wir in unseren Urteilen mehr unsere eigene Gefühlswelt anklagen als die der Partnerinnen und Partner.

Wir haben gelernt, dass wir uns nicht trennen dürften, weil sonst der oder die Andere traurig wäre und wiederum wären wir schuldig. Denn dem Partner ginge es nun wegen uns schlecht. Wir dürften niemanden im Stich lassen. Einige „verschwinden“ deshalb einfach, auch Angst, sich den Schuldzuweisungen stellen zu müssen: Das gerade aktuelle Wort dafür ist „Ghosting“.

Nur wer so richtig in Sachen Liebe die Nase voll hatte in seiner Kindheit oder frühen Jugend, der hat gelernt, dass man lieber gar nichts an Gefühl und Liebe offeriert, weil es so etwas wie Liebe und Nähe für ihn nicht gäbe.

Wir haben gelernt, dass wir stets perfekt sein müssten, weil wir sonst verlassen würden, auch wenn wir wissen, dass niemand perfekt ist oder je sein wird. Wir haben es probiert und sind gescheitert. Aber die Angst, jemand könnte unsere Schattenseiten erkennen, wenn wir ihn zu nah an uns heranlassen, ist so groß, dass wir sie gern verhüllen: durch kurze und oberflächliche Beziehungen, heimliche Affären, bei denen wir sind, wer wir wirklich sind, On-Off-Beziehungen, in denen wir durch das Herstellen der Distanz wieder glauben, zu uns zu finden, oder in Isolation und Einsamkeit, sodass uns erst recht niemand erreicht. Und vielleicht kennst du diese oder ähnliche Sätze: „Ich bin beschädigt.“, „Erwarte nichts von mir.“, „So bin ich eben.“ oder „Sei nicht böse. Ich habe dir ja von vornherein gesagt, dass ich in Sachen Liebe nicht gut bin.“ usw.

Ich denke nicht, dass Beziehungsangst ein Störungsbild im Sinne einer psychischen Krankheit ist. Meist ist es unsere Angst, nicht gesehen zu werden, vergessen zu werden, nicht geliebt zu werden - als Endinterpretation des eigenen „Ungeliebtsein-Gefühls“. Dabei haben wir eine Menge versucht, um uns der Liebe würdig zu erweisen, uns zu beweisen und uns zu verbiegen. Bei vielen ging irgendwann gar nichts mehr. Dieser Punkt bezeichnete den Start aller Katastrophen - für andere und für uns.

Einige Beziehungsängstliche tendieren zu null Liebe (investieren in die Liebe zum Beruf, Tieren, Hobbys, Sport und in Freundschaften, überall dort, wo Kontrolle möglich ist); andere wiederum tendieren zu dem, „was sie können“, haben oberflächliche Affären oder One-Night-Stands; wiederum andere probieren sich noch aus, schauen, welche Richtung sie einschlagen. Einige landen entweder in Therapien, weil sie selbst keinen Weg sehen, oder sprechen von Schuld, die sie anderen geben, um sich nicht selbst zu beschuldigen. Oft liegt es daran: Wir haben früher viel an andere gedacht und würden auch morgen noch an andere mehr denken als an uns. Wir glauben aufgrund unserer Erfahrungen jedoch, wir wüssten jede neue Situation und jeden neuen Menschen haargenau einzuschätzen. Unsere Messlatte ist unsere Erfahrung und die darf sich keineswegs wiederholen.

Unter uns gibt es tatsächlich kleine und große Meister im Durchschauen. Einige von uns sind weniger treffsicher und unterstellen ihren Partnern Charaktereigenschaften, die sie nicht aufweisen. Viele bagatellisieren ihr Verhalten oder projizieren destruktive Glaubensmuster auf die Partnerin. Oder sie glauben zu wissen, was in der Zukunft geschehen würde. Menschen zu beobachten, sie zu analysieren und latente Bedrohungspotenziale wahrzunehmen, wird dann zur Kontrolle der Angst genutzt.

Die meisten Menschen wehren ihre Angst ab und versuchen, sich wieder in einen emotional sicheren Zustand zu versetzen. Vielleicht liest du dieses Buch, weil du versuchst, deine Angst und/oder die deines Partners zu verringern, um dasselbe zu erreichen: emotionale Sicherheit. Angstabwehrmechanismen sind menschlich. Menschlich ist es auch, zu lernen. Bis ins hohe Alter kann unser Gehirn neues Wissen aufnehmen. Selbst eingefahrene Verhaltensweisen können wir jederzeit korrigieren. Das bedeutet im Umkehrschluss: Menschen mit einer bestimmten Angst können ihre Angst entweder überwinden oder dafür Sorge tragen, dass Angst sie nicht länger lähmt. Den Grundstein dafür legen neutralisierende und positive Erfahrungen, für die der Wille Bedingung ist. Dann können sich auch Bindungsstile verändern.

 

 

 

Vorwort

 

 

„Man muss durch schlechte Erfahrungen hindurchgehen

und nicht drumherum.“

 

Liza Minelli

 

 

Die Begriffe Beziehungsangst und Bindungsangst geistern durch unzählige Blogs und Websites und es existieren vielfältige Meinungen über den Umgang mit beziehungsängstlichen Menschen. Die meisten Inhalte widmen sich den Partnerinnen, die nach Lösungen für die Angst ihres Herzenspartners suchen. Es ist verständlich, dass man als Partner*in versucht, seiner Liebe die Angst nehmen zu wollen oder zumindest dabei zu unterstützen, neues Vertrauen in Bindungen zu gewinnen. Wer bei seinem Herzenspartner beispielsweise On-Off-Verhalten oder starke Nähe-Distanz-Mechanismen erlebt, wünscht sich sicher nichts sehnlicher, als das Auf und Ab der extremen Gefühle loszuwerden. Was ich mit diesem Buch versuche, ist eine Gratwanderung zwischen beiden Seiten. Es wird mir unweigerlich an der einen oder anderen Stelle misslingen, deine Gedanken und Gefühle zu bestätigen. Im besten Fall kann ich dich zu einem Aha-Moment oder gar Umdenken einladen. Es ist auch nicht mein Ziel, deinen Partner als Opfer oder Täter zu deklarieren.

Wer mit einem ängstlichen Partner eine Beziehung führt bzw. führen möchte, wird auf Hindernisse stoßen: eigene und die des Partners. An den eigenen zu arbeiten, stellt bereits eine Herausforderung dar. Dieser kann man sich stellen. Doch was Partnerinnen selbst tun können, um ihre Angst vor dem Verlust des (ängstlichen) Partners zu vermindern, wurde mir bislang noch zu wenig thematisiert. An den Ängsten des Partners zu arbeiten, sei es durch deine Verhaltensänderung, um seine Angst zu mindern, oder durch Strategien mit manipulativem Charakter, kann in meinen Augen ein Unterfangen werden. Viele Partnerinnen erhoffen sich von Beratern/Coaches jedoch genau solche Wunderstrategien, die dem Herzenspartner seine Beziehungsangst nehmen. Ich betrachte das kritisch, besonders Änderungen an deinem Verhalten, die dich als Mensch, Frau und Partnerin klein machen und halten. In meinen Augen tut man weder sich selbst noch Beziehungsängstlichen einen Gefallen damit. Mir gefällt jedoch der Gedanke der Würde und Selbstwirksamkeit. Am fairsten halte ich es deshalb, wenn die Arbeit an der Angst in Absprache und mit dem Einverständnis deines Herzenspartners geschieht, während du dich weder verstellen noch grundlegend ändern musst, um ihn in deinem Leben zu halten.

Dass das oft unmöglich ist, weil er beispielsweise nicht offen für Kompromisse, Lösungen oder gar Gespräche ist, ist mir bewusst, ebenso wie der Umstand, dass viele Partnerinnen ihrem Herzenspartner absichtlich nicht das Gefühl vermitteln möchten, sie würden ihn zu steuern versuchen. Ängstliche Menschen sind sensibilisiert für Gefahrenpotenziale. Heimliche, unauffällige Methoden, die ihn nicht zwingen, aktiv für die Beziehung zu handeln, erscheinen oft als letzter Rettungsanker. Bei vielen Partnerinnen schwingt zudem eine gewisse Versagensangst mit. Sie müssten nur irgendetwas richtig machen, damit sich seine Angst klärt und es nicht zur Trennung kommt.

Daher betrachtet mein Ansatz beide Partner: Was sie füreinander, für sich und für das Gelingen der Beziehung tun können, insofern sie es wollen. Es geht mir nicht um richtig und falsch, sondern um eine Form des Respekts auf mehreren Ebenen: für dich, deine Bedürfnisse und Ängste und ihn, seine Bedürfnisse und Ängste. Eine Harmoniebereitschaft auf beiden Seiten ist die Grundvoraussetzung für eine gelingende Beziehung.

Ich lade dich auf den folgenden Seiten auf ein Picknick mit mir ein. Unsere Gespräche werden sehr ehrlich sein und es wird nicht darauf hinaus laufen, dass nur Beziehungsängstliche die Schuld bekommen. Ich kann dir zudem keine Patentlösung oder Wunderstrategie, wie du den Menschen deines Herzens gewinnen oder „sichern“ kannst, bieten. Ich kenne ihn nicht und dich ebenso wenig. Aber ich kann dir sagen, wie du es nicht schaffst. Ich möchte dir vor allem zeigen, was dieses Ereignis mit dir zu tun hat. Ich werde dir daher (m)ein System vorlegen, wie du (und der Mensch deiner Wahl) zusammen wachsen und zusammenwachsen könnt. Ich werde dir aber auch ehrlich aufzeigen, wann es besser ist, loszulassen.

Ich möchte noch etwas vorwegnehmen: Die Angst, die vor, in und nach Beziehungen vorhanden sein kann, die eingangs erwähnten Hindernisse, müssen nicht zwangsweise therapiert werden. Unsere Angst kann auch „nur“ ein Signal dafür sein, dass wir noch nicht bereit sind oder sich bedauerlicherweise keine tiefen romantischen Gefühle einstellen wollen.

Interpretationen, um herauszufinden, WIESO dein Partner nicht lieben kann oder möchte oder dir wieder jemand begegnet ist, der „der Falsche“ war, dürften dich oft in eine innere Sackgasse geführt haben. Doch diese Sackgasse zeigt in meinen Augen, dass die Arbeit bei dir beginnen darf. Denn du hast ihn gewählt. Du hast ihn angezogen. Du findest ihn attraktiv. Du möchtest ihn lieben und von ihm geliebt werden. Du möchtest mit ihm zusammen sein.

Es sind die eigenen Gefühle, die man lernen kann, auszuhalten. Erträgt man sie, erträgt man auch die anderer. Erkennen kann man nur etwas, was man selbst von sich kennt. Niemand wird kommen und einen heilen. Den Partner so sicher wie möglich zu haben, will jeder Mensch. Und jeder Mensch hat stückweise Angst davor, zu viel geben zu müssen, verletzt, weniger geliebt oder gar verlassen zu werden. Leider nutzen wir unsere Angst oft als Schutzmaßnahme. Wir erlauben uns zu wenig, dass das Gegenteil von dem, was wir fürchten, geschehen darf. Sich selbst eine neue Chance zu geben, wäre ein wunderbarer Anfang für etwas, was schön und beiderseitig zufriedenstellend sein könnte. Das kann man natürlich nur herausfinden, wenn man es versucht und sich traut. Jetzt wirst du sicher denken:

 

Genau! Er muss sich nur trauen und es mit mir versuchen!

 

Warte noch. Uns zu verstehen, kann ganz schön schwer sein, weil die Situation, aus der wir kommen, eine leidvolle und verzwickte ist. Selbst wir brauchen mitunter Jahrzehnte, um zu verstehen, was in uns geschah und geschieht. Wir wurden früher verletzt, meist mehr als nur einmal. Wir tragen eine Unmenge an Enttäuschung und Wut mit uns herum. Wir fühlen uns schuldig oder schämen uns. Ganz tief in uns drin sind wir unendlich traurig, dass es so kam. Diesen Schmerz loszulassen, sollte der Weg raus aus der Angst sein. Normalerweise stellt ein Therapeut einem Beziehungsängstlichen daher solche oder ähnliche Fragen:

 

  1. Hat Ihre Partnerin geäußert, dass sie ein (für Sie schmerzhaftes) Ziel verfolgt, z. B. nur eine Affäre will, keine Kinder, nicht zusammenziehen, viel Freiraum benötigt, Sie irgendwann verlassen wird, sich nur um sich kümmert oder Sie einengen wird?
  1. Woher nehmen Sie die 100-prozentige Sicherheit, dass sie Sie verletzen wird?
  1. Ist sie tatsächlich so wie der Mensch, vom dem Sie diese Verletzung kennen?

 

Die Antwort unseres Verstandes lauten oftmals: Nein, ist sie nicht. Und dann kommt die Stimme der Angst, die nachschiebt: Aber ich glaube, dass ich schon jetzt Übereinstimmungen sehe. Die eine ehrliche Herzensantwort wäre: Beweise mir tagein und tagaus, dass du mich nicht verletzen wirst.

Es gibt eine Gruppe, die sich ihrer Angst zwar bewusst ist, aber sie nicht handhaben kann. Diese würde ambivalent und verunsichert reagieren, wegen ihrer großen Angst, dass du dich von ihnen abhängig machst und sie dich verletzen könnten, und ihrer ureigenen Angst, sie würden abhängig und verletzt von dir. Beides ist in ihrem System mit dem Stempel „zerstörerisch“ angelegt. So etwas soll und darf nicht sein. Während sie selbst nicht fliehen können, weil sie auch nur ein Mensch sind, der Liebe und Zuwendung, eine warmes Nest aus Geborgenheit und Anerkennung braucht, drängt sie ihr erlerntes System oft in Richtung Trennung: um den Worst Case zu vermeiden. Sie landen oft in On-Off-Beziehungen oder bleiben freiwillig Single.

Eine andere Gruppe Beziehungsängstlicher leidet zwar unter der Enge und dem Selbstverlust in Partnerschaften, aber hat größere Herausforderungen mit Einsamkeit und dem Aspekt, nicht gebraucht zu werden, was sie häufig mit zu nichts zunutze zu sein verbinden. Sie haben gelernt, dass sie große Kompromisse leisten müssten, allem voran bei sich, dass sie ihr wahres Gesicht verstecken müssten, um in einer vermeintlich liebevollen Umgebung Teil sein zu dürfen. Sie fürchten Beziehungen, aber sie fürchten noch mehr das Getrenntsein. Manchmal suchen sie große Nähe und klammern. Manchmal fordern sie und reagieren schnell verletzt, wenn sie in ihrer Angst stecken, du würdest sie nicht lieben oder die Trennung wäre nahe.

Die letzte Gruppe aber ist die größte Herausforderung: die, die nicht wissen, dass sie Angst haben. Sie klagen an, sie beschuldigen, sie trennen sich mit einem erhabenen Lächeln, verachten und spotten über deine Gefühle. Sie meinen, es läge an dir. Nicht an ihnen. An dir. Sie sind die, die am ehesten mit „Wenn du mich lieben würdest, dann ...“-Sätzen kontern. Oft wollen sie weder mit dir oder jemand anderem über das, was ihnen geschehen ist, sprechen. Noch wollen sie ihre Muster ändern, um sich nicht länger ein Bein zu stellen. Sie wünschen sich die volle und ungeteilte Liebe und Zuwendung und können selten akzeptieren, dass eine normale Beziehung so nur schwer zu führen ist. Im Prinzip lagern sie ihre Angst aus, indem sie andere dafür verantwortlich machen und die Konsequenzen tragen lassen.

Bei dir liegt die Entscheidung: Du kannst bleiben oder gehen. Das mag hart in deinen Ohren klingen, aber es entspricht der Wahrheit. Ob du eine solche Beziehung möchtest, dich gar verletzen lässt oder noch weiter bemühst, dich mit Krümeln abgibst oder loslässt, um dich auf die Suche nach dem ganzen Kuchen, der allein dir gehört, machst, entscheidest du. Ich kann aus eigener Perspektive gut nachvollziehen, dass das Hadern zwischen dem einen und dem anderen Weg eine große Herausforderung darstellt. Man möchte die beziehungsängstliche Person nicht im Stich lassen (so wie andere sie im Stich ließen), sie nicht verletzen (so wie andere sie verletzten). Es fällt schwer, genau den Schmerz, der vom Partner gefürchtet wird, zufügen zu müssen, um selbst gesund und zufrieden zu sein.