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Gerd H. Meyden

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Titelgestaltung: DSR | Werbeagentur Rypka GmbH, 8020 Graz

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

ISBN 978-3-7020-1486-5
eISBN 978-3-7020-1733-0

Inhalt

Jäger, was tust du?

Jäger, Reviere und Zeiten

Judika – sie sind noch da

Die alte Leiter

Ein Traumbock

Nix los

Jäger(in)prüfung

Intuition – Zufall?

Jockel

Der Himbeerbock

Im Niederwildparadies

Kornmandl

Vom Schlitzohr zum Schlappohr

Schlüsselerlebnisse

Knalleffekt

Jägerin

Der Terrier

Bergschuh-Rührei

Bergauf – bergnunter …

Hohenfelser Impressionen

O Sohle mio!

Der vom …

Jäger, was tust du?

Als ich ein blutjunger Jäger war, hatte ich in der Prägungsphase das Glück – ähnlich einem jungen Hund – an den richtigen Ausbilder, das heißt Lehrprinzen zu geraten. Dietrich Graf Bülow-Dennewitz – oder Onkel Dietrich, wie ich ihn nennen durfte – war ein Mann mit hoher ethischer Gesinnung. Er gab mir die weidmännischen, moralischen Grundsätze mit auf den Weg, welche die Achtung vor dem Mitgeschöpf gebieten. Dazu den sich daraus ergebenden Schlüsselsatz, den ich bei allem jägerischen Tun immer erneut abfragen müsse: „Jäger, was tust du da?“ Danach soll ich mein Handeln richten.

Ich muss gestehen, dass ich mich nicht immer daran gehalten habe. Ähnlich einem jungen Hund – um bei dieser Metapher zu bleiben – ging mit mir manchmal die allzu heiße Passion durch. Was ich dann getan habe, habe ich hernach, weil mir diese Maxime wieder in den Sinn kam, bereut. Doch wichtig war, dass ich mir dessen bewusst wurde und so hat sich dieser Grundsatz mit der Zeit so fest in meinen Handlungsablauf eingenistet, dass er mich vor vielen Taten (oder Untaten) bewahrt hat. Vor vielen Taten, die dem Mitgeschöpf Angst und Leid zugefügt hätten. Denn „Jagen“, so sagte mein Lehrprinz, „ist kein Sport, Jagen ist eine gänzlich andere Sache als Bergsteigen oder Segeln. Das Ziel der Jagd ist letzten Endes der Tod eines Tieres.“

Wenn wir Darwin ernst nehmen, dann müssen wir auch seine Ansicht über die Entwicklung des Menschen teilen. Demnach hat sich der eine Zweig unserer Ahnen, der in grauer Vorzeit mit Früchten und Beeren zufrieden war, zu Affen entwickelt, während aus dem anderen Zweig, der zum Jagen gezwungen war, der Mensch erwachsen ist. Seit es seit etwa 15.000 Jahren Ackerbau und Viehzucht gibt, sind nun zwei Wege für den Menschen gangbar. Er hat auf beiden Wegen die ethische Verpflichtung gegenüber dem Mitgeschöpf. Sie ist nicht teilbar. Sie gilt genauso dem Tierzüchter wie dem Jäger. Schauen wir genau hin, wer was daraus macht!

Die Jagd erfährt schnellen Wandel, ob uns das passt oder nicht, denn „alles fließt“. Viele Jäger fürchten – mit Recht –, dass wir in Zukunft nicht mehr so jagen werden können, wie wir es lieben. Das ist, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, unser eigenes, hausgemachtes Problem. Gerne wird es auf die Jagdgegner, die Feinde der Jagd, geschoben. Es liegt jedoch an uns, wie wir uns der Öffentlichkeit darstellen. Mit arrogantem Gehabe gegenüber anderen Naturnutzern, mit einem Äußeren, das an militärische Sonderkommandos erinnert, werden wir den Prozess des Niedergangs der Jagd nur noch beschleunigen. Der Feind ist nicht außen – er ist innen.

Vor etlichen Jahren unterhielt ich mich nach einer Drückjagd im Staatsforst – „kill for cash“ – mit einem Berufsjägerlehrling. Da ich stets nach den Treiben Nachsuchen machte, wusste ich, was ihm „im Magen lag“, als er bekümmert meinte: „Hoffentlich werden wir das nicht einmal büßen müssen!“

Der angehende Berufsjäger hatte von sich aus das richtige Empfinden und die entsprechenden Skrupel. Es bleibt zu hoffen, dass diese Einstellung nicht durch den Druck „von oben“ verloren gegangen ist. Wir zwei haben lange über das Jagen diskutiert und waren uns einig, dass es ein Handwerk ist. Bei jedem Handwerk macht man ungewollt Fehler, das ist so. Dennoch ist und bleibt das oberste Gebot der Jagd die Weidgerechtigkeit. Sie bedeutet Fairness gegenüber dem Mitgeschöpf, sie will ihm Angst, Schmerz und Schrecken ersparen. Wer das beherzigt und lebt, den kann man unbesorgt begrüßen mit „Weidmannsheil“.

Jäger, Reviere und Zeiten

Wutkreischendes Gebrüll. Urweltliches Kampfgetöse schreckt mich aus meinen Gedanken. Zwei Keiler sind aneinandergeraten. Ganz nah, nur knapp zwanzig Meter neben meiner Kanzel. Sehen kann ich sie nicht, höre nur Getümmel in der Dickung. Äste krachen, kleine Fichtenwipfel schwanken. Dumpfes Schalengetrommel, das sich entfernt. Der Sieger prescht dem Schwächeren hinterdrein. Stille. Kein anderer Laut. Nur das Harfen des Windes in den Baumkronen.

Neben meinem Ansitz huscht ein Baumläufer den Fichtenstamm empor. In jede Rindenspalte stochert sein suchender Schnabel. Mich beachtet er nicht. Wäre nicht der Kampf der beiden rauschigen Keiler gewesen, ich könnte denken, wir zwei seien in weitem Umkreis die einzigen Wesen.

Einsamkeit zu finden ist immer eines der Ziele meines Jagens gewesen. Fast könnt’ ich sagen, die Jagd war nur ein Vorwand, allein zu sein. Kobell hat es auf den Punkt gebracht: „Den Schwätzern aus dem Weg zu geh’n und keinen Narren mehr zu seh’n.“ Mit den Jahren bin ich nicht mehr so brausepulverig und mit dem Beutemachen ist’s nimmer so dringend. Obwohl mir das Jägerherz noch ganz gehörig einheizen kann.

Jetzt bin ich hier im Staatsforst in einer Gruppe von Jägern, die sich zweimal pro Woche zum gemeinsamen Ansitz zusammenfindet. Ein paar Kilometer nur bin ich von meinem Haus entfernt, in einer knappen Viertelstunde wäre ich wieder daheim. Wer hat’s so schön wie ich? Kommt was und passt’s, ist’s recht. Ich werde nur das erlegen, was ich allein für richtig halte. Kommt nichts, ist’s genauso recht. Kein Druck zur Abschusserfüllung, keine Sorge um Wildbretverkauf, kein Ärger mit Wildschaden, Verbissgutachten, wildfeindlich aufgehetzten Jagdgenossen. Ich kann die Stunden des Ansitzes voll genießen. Denn all diese erwähnte Jagdfreuden-Beikost, die hatte ich fast ein ganzes Jägerleben lang als Dreingabe. Nun schaue ich der hinter den Wipfeln versinkenden Sonne zu, lausche dem Raunen und Rauschen des Windes in den Zweigen und folge meinen Gedanken zurück zu den Stationen meines Jagens.

Gejagt habe ich bereits, als ich meine ersten frühkindlichen Erkundungen im elterlichen Garten machte. Alles, was ich erwischen konnte, ob Biene, Hummel, Schmetterling oder Käfer, all das war meine Beute. In den kostbaren Einmachgläsern, die ich dem Haushalt stibitzte, summte, brummte und krabbelte es. Mit den Jahren wandelten sich meine Fang- und Jagdmethoden und mit ihnen die Beutestücke. Steinschleuder, Luftgewehr. Der übliche Weg.

Sechzehnjährig war ich endlich legaler, geprüfter Jäger und schon eine bekannte Figur in der Hundeführerszene. Hatte ich doch soeben meinen Kurzhaarrüden mit einem 1a-Preis durch Solms- und Verbandsjugendprüfung gebracht. Das blieb nicht unbemerkt und kam mir als revierlosem Jungjäger zustatten. Dazu kam die Bläsergruppe des BJV-München. Wir waren seinerzeit unter den ersten, die nach dem Krieg diesen Brauch wieder ausübten. Onkel Dietrich – unser Lehrmeister, Graf Bülow-Dennewitz – hat mich mit seiner hohen Gesinnung von Ethik, der Achtung vor dem Mitgeschöpf, früh und tief geprägt. Noch heute gibt’s in Augsburg, der letzten Station seines Lebens, einen sehr lebendigen, ihn verehrenden Kreis seiner einstigen, dortigen Schüler und deren jagenden Nachkommen. Durch die Jagdhornbläserei kam ich viel herum, denn kaum eine Bezirksgruppe hatte noch ein eigenes Bläserkorps.

Ein „alter“ Herr namens Heinz Hobbhahn, er mochte aus meiner damaligen Sicht gewiss schon das „Greisenalter“ von 55 Jahren erreicht haben, wurde, wohlerzogen, wie man damals war, bei meinen Eltern vorstellig. Selbst kinderlos geblieben, war er Pächter des großen Reviers Puchheim, einer Nachbargemeinde unseres damaligen Wohnorts. Meinem Bruder und mir bot er kostenloses Begehungsrecht. Wir sollten die Jagdaufsicht machen und uns um den Rehwildbestand kümmern. Er selbst war nur an der Flintenjagd interessiert. Geboren und aufgewachsen in Ägypten, hatte er in den dortigen Flugwildeldorados seine Leidenschaft des schnellen Schrotschusses entdeckt. Deshalb machte er zur Bedingung, dass wir auf Hasen, Rebhühner und Enten nur in seiner Begleitung jagen dürften. Ausschlaggebend für dieses unglaublich großzügige Angebot war unser Hund, denn er selbst hatte nur einen bresthaften, dennoch heiß geliebten, alten Dackel. Rehe gab’s dort in den Nachkriegsjahren nicht allzu viele. Dafür hatten die amerikanischen Besatzer und sonstige stille Teilhaber gründlich gesorgt. Doch allein auf die Jagd gehen zu dürfen, Ringeltauben, Raubwild und Raubzeug bejagen zu können, das war mehr, als ich mir erträumen konnte. Und hin und wieder ein Reh erlegen. Wobei nicht allzu genau geschaut wurde, ob der Bock schon reif für die Kugel war. Dass ich mit dem Jugendjagdschein noch nicht allein jagen durfte, das scherte weder mich noch sonst irgendjemanden.

Die neun bis zwölf Kilometer ins Revier fuhr man mit dem Rad. Die Büchse über dem Rucksack auf dem Buckel, der Kurzhaar trabte nebenher. So ging’s durch die Dörfer. Saß eine Katze am Wegesrand, gab’s oftmals Ärger … Bis der Hund begriff, dass die Miezen innerorts tabu waren.

Ab und zu tauchte auf dieser Bühne der Mitpächter unseres Gönners auf. Nennen wir ihn Maxl. Nicht, dass mir seine Nachfahren noch den Kadi auf den Hals schicken. Im Gegensatz zu Hobbhahn, der stets so daherkam, wie man sich einen französischen Jäger vorstellt – mit kess schräger Baskenmütze und der Zigarette im Mundwinkel –, wirkte jener wie eine Karikatur von Geilfuß. Der rund- und blutdruckrotköpfige, behäbige, lodengewandete Bayer. Seine untersetzte Erscheinung mit einem Gesicht, einer aufgequollenen Semmel ähnlich, ließ auf einen gemütlichen Menschen schließen.

Mit ihm hatte es eine besondere Bewandtnis. War er nämlich wieder einmal abgetaucht, was jährlich ein- bis zweimal vorkam, erfuhren wir, dass er in die Nervenheilanstalt Eglfing eingewiesen wurde. Irrenhaus sagte man damals. Der Spottvers im Dorf lautete: „Eglfing mach’s Türle auf, der Maxl kommt im Dauerlauf!“ Das jeweils sichere Anzeichen, dass ein neuerlicher Anfall seines Irreseins bevorstand, war folgendes: Er öffnete die Ofentür und pieselte mit vollem Strahl in die Flammen, dass es zischte. Darauf musste man ihn schleunigst einweisen, denn diese „Löschaktion“ war ein Alarmsignal. Danach ging’s rund; er wurde aggressiv, randalierte, schmiss Gläser und Geschirr durch die Gegend und verprügelte jeden, der ihm über den Weg lief. Nach ein paar Monaten Therapie erschien er wieder, war brav, lammfromm und kümmerte sich, als wär’ nichts gewesen, um seinen großen Bauernhof. Im Herbst ging er sogar wieder mit auf die Jagd. Heutzutage undenkbar, dass ein Mensch mit einem solchen Defekt eine Waffe führen dürfte. Mir war er aufgrund seiner gewissen Unberechenbarkeit unheimlich, sodass ich bei Hasenstampereien, wenn er mit von der Partie war, auf die Teilnahme verzichtete. Ich hatte einmal seine Fünferschrote auf die Lederhose bekommen. Das tut einen teuflischen Schlag und brennt höllisch. An einer Wiederholung war ich, trotz aller Jagdpassion, nicht interessiert.

Im Laufe der Jahre erholte sich unser Rehbestand. Wir hatten Fütterungen eingerichtet, solide Hochstände gebaut, mit den Nachbarn Wildfolge und Grenzfrieden vereinbart. Das Revier war bestens gepflegt. Und Teilhaber Maxl, der immer wieder verschwand und neu aufkreuzte, entdeckte nun, da man allenthalben Rehe sah, seine Passion für die Bockjagd. Dagegen war nichts von meiner untergeordneten Position aus zu sagen, er war ja schließlich Mitpächter und mit seinem Landbesitz auch noch bedeutender Jagdgenosse. Mit dieser neu entdeckten, ungebremsten Leidenschaft trat jedoch ein Umstand ein, gegen den ich glaubte einschreiten zu müssen.

Wir hatten mit Zustimmung unseres Jagdnachbarn Lindinger 50 Meter vor der gemeinsamen Grenze einen Hochstand gebaut. Mit komfortabler, breiter Sitzbank, Lehne und Fußraste. Die Leiter war so schräg gestellt, dass unser Kurzhaar Birko ebenfalls bequem auf- und absteigen konnte. Der Hochstand diente hauptsächlich zum Fuchspassen und zur Beobachtung. Im Gegenzug hatte der Nachbar nach 100 Metern auf seiner Seite der Grenze eine Kanzel stehen. Ab und zu wurde wechselseitig auch das eine oder andere Reh erlegt. Alle Beteiligten waren damit einverstanden und der Frieden ging sogar so weit, dass Lindinger uns Gebrüder auch mal auf seine Jagd einlud. Doch diese Harmonie wurde nun durch Maxls Schießlust arg strapaziert. Er saß nämlich ausschließlich auf diesem bequemen Grenzsitz und jedes Reh, das sich dort zeigte, „ward des (mehr oder weniger) sichren Rohrs Gewinn“. Da von meiner Seite mit diesem Grenzschinder nicht zu reden war, wandte ich mich an seinen Kompagnon, an Hobbhahn. Der kratzte sich seinen ägyptischen Ramseskopf – den hatte er tatsächlich – und pfiff mich zurück. Das gehe mich nichts an, es sei das Recht des Mitpächters. Der könne ansitzen, wann und wo er wolle. Punkt! Nun schritt ich zur Selbsthilfe. Nicht legal, aber drastisch – greifbar drastisch.

Mit einem jagdbegeisterten Schulfreund wollte ich an dem Hochstand eine kleine „bauliche“ Veränderung vornehmen. Wir standen gerade beratend vor dem Ansitz, als sich Zweifel an der Wirksamkeit meines Plans meldeten – denn ich wollte ja den Hochstand auch selbst hin und wieder nutzen. Da hatte der Freund plötzlich eine Idee: Es kam ihn nämlich ein „menschliches Rühren“ an. Das war die Lösung! Wie liest man’s in Schillers „Wilhelm Tell“: „Er kniete nieder, drückte ab – und das Werk der Befreiung war getan.“

Die Wirkung war durchschlagend. Wie erhofft. Der Maxl stieg anderntags („mordgierig und heiter“, wie es bei Wilhelm Busch heißt) die Leiter empor und wollte sich im ersten Frühmorgendämmern auf der Sitzbank niederlassen. Dabei langte er voll in die Bescherung.

Er muss sich fürchterlich aufgeführt haben, als er sich bei meinem Gönner ob dieses „Bubenstücks“ beschwert hatte. Er sagte „ruchloses Bubenstück“. Das war allerdings nicht so ganz das passende Adjektiv dafür. Es war klar, der Verdacht musste auf mich fallen. Hätte ich meinen Schnabel gehalten und mich nicht nutzlos beschwert, der Sturm wäre an mir vorübergezogen. So aber beorderte mich Hobbhahn zu sich. Vor Zorn spuckte er wie ein Lama. Augen rollend, mit vielen „Saukrüppel“ und „elendiger Hundsbua“ wurde ich der Schandtat bezichtigt. Ich hätte mich dort auf dem Hochstand einer Verfehlung schuldig gemacht. Nun, mein Freund hatte den Sitz keineswegs verfehlt. Ich dagegen konnte beschwören, dass ich es nicht war, der dort oben etwas hinterlassen hätte. Doch mein nicht zu unterdrückendes, sieghaftes Grinsen verriet mich. Ich bekam für den Herbst Jagdverbot. Gleichzeitig verschwand der Maxl. Nach einer erneuten „Feuerlöschaktion“ wurde er für ziemlich lange Zeit hinter den Mauern der Anstalt verwahrt. Vielleicht hatte der Ärger seine wackligen Nervenstränge zu sehr durcheinandergebracht. Grausam, wie Jugend nun einmal sein kann, freute mich mein „Sieg“. Ins Revier bin ich dennoch gefahren, ohne Waffe. Mit meinem Bruder. Der hatte. Der durfte.

Im darauffolgenden Frühjahr war ich wieder in Gnaden, denn man brauchte mich … zur Glockenweihe. Hobbhahn hatte eine größere Spende für die neuen Glocken von Puchheim gemacht und bot der Gemeinde überdies an, dass seine zwei jungen Jäger dem Festzug Jagdhorn blasend voranschreiten würden. Die feierliche Prozession zur Kirche quer durchs Dorf wurde nun mangels Bombardon, Pauken und Trompeten mit unseren Jagdhörnern geleitet. Da uns für den langen Marsch an der Spitze der Prozession nur die üblichen Signale geläufig waren, wurde die neue Glocke halt auch mit „Sau tot“ begrüßt.

Die frühen Fünfzigerjahre waren noch weit entfernt vom heutigen Drang zum Perfekten. Vieles, was heute unmöglich wäre, sah man recht locker. Die Bürger waren froh, die Kriegszeit hinter sich zu haben. Meine Eltern, die, wie wir Brüder, Heimat, Hab und Gut verloren hatten, schauten nach vorn und packten kräftig an. Dabei ermöglichten sie uns Buben nach Kräften den Einstieg ins Jägerleben. Bei mir ging es so weit, dass ich unbedingt die höhere Forstlaufbahn einschlagen wollte. Wie ein Exot, schon im Vorgriff auf den ersehnten Beruf in einer Forstuniformjacke, auf dem Kopf den seitlich hochgeschlagenen Forstuniformhut, so fuhr ich täglich nach München ins Gymnasium. Es spricht für Toleranz oder aber es war den Mitschülern völlig wurscht, wie ich aussah, dass sich keiner über diesen Aufzug lustig machte. In der heutigen Gleichförmigkeit, wo sich der Normalmensch nicht aus der Reihe der Modelabels zu tanzen getraut, wär’s ein Unding, als Schüler so herumzulaufen. Vielleicht kämen gar die Männer mit der weißen, nur hinten zu knöpfenden Jacke.

Folgendes Bild aus jener Zeit: Ein Sechzehnjähriger steht am Bahnhof und wartet auf den Vorortszug aus München. Ein Fahrrad lehnt an seiner Seite. Daneben sitzt brav ein Deutsch-Kurzhaar. Über der Schulter des Buben hängt eine Doppelflinte. Natürlich ohne Futteral. An seiner Jagdtasche baumeln zwei erlegte Wildenten. Der junge Mann erwartet seine Freundin, die von der Schule heimkommt. In diesem malerischen Aufzug geleitet der junge Jäger seine Angebetete heim. Ein Bild wie aus der biedermeierlichen „Gartenlaube“. Heute würde das eilig herbeigerufene Sondereinsatzkommando der Polizei die lauschige Szene schnell beenden und den vermutlich geistesgestörten potenziellen Amokläufer unter Einsatz von Hubschrauberüberwachung dingfest machen.

Wie gesagt, man sah’s locker, die Zeiten waren damals noch nicht vom allgemeinen Misstrauen vergiftet. Die „Segnung“ der „Amerikanik aus zweiter Hand“ hatte bei uns noch nicht Einzug gehalten.

Für meinen Einstieg in die spätere Laufbahn besorgte ich mir forstliche Lehrbücher. Schmeil-Fitschen und ähnliche Literatur über Waldbau. Besser, ich hätte mich um Latein und vor allem um Mathe gekümmert. Ich sah mich schon als Forstmeister in einem großen Wald oder besser noch in einem Hochgebirgsrevier. Dieser „grüne“ Höhenflug erlebte nach einiger Zeit einen jähen Absturz.

Als Jagdhornbläser des Münchner BJV kam ich viel mit hochgestellten, ministerialen Persönlichkeiten der Forstpartie zusammen. Einem dieser hohen Herren schwärmte ich von meinem Lebensziel vor. Nach ein paar Fragen zu meiner Person kam wie eine kalte Dusche die niederschmetternde Ernüchterung: „Junger Freund“, verkündete der Ministerialrat mit Grabesstimme, „vergessen Sie’s! Sie sind evangelisch. Da haben Sie bei uns in Bayern keine Chance, es sei denn, Sie stammten aus einer altgedienten Försterdynastie. Und auch noch als Zugereister (er vermied den Ausdruck „Preiß“), ach du lieber Gott! (er rollte dabei seine Augen gen Himmel wie die heilige Anna) Da haben Sie überhaupt keine Aussicht.“

Aus der Traum! Die Uniformteile verschwanden in der Versenkung. Hatte ich zu schnell aufgegeben? Weitere Nachfragen bei anderen Männern der grünen Zunft bestätigten die düstere Vorhersage. Ein ernüchterter Zivilist mit tiefgrünem Herzen machte sich weiter auf seinen Weg.

Mein Vater, der selbst aus einer Lehrer- und Beamtenfamilie stammte und dessen zahlreiche Geschwister wohlbestallte Studienräte, Notare und Ärzte waren, zeigte sich weniger enttäuscht. Er selbst war als freier Kaufmann ebenfalls aus einer für ihn als spießig empfundenen Laufbahn ausgeschert. Sicher bot ihm das biedere Lebensbild der beamteten Verwandtschaft genügend Anlass zum Spott. Und so tröstete er mich mit dem Argument, dass mein freiheitsliebender Charakter keinesfalls für eine Laufbahn der Unterordnung geeignet sei. Gewiss sah er das mit einer falschen Dioptrie, denn ich kenne auch Beamte, die mir nicht wie Buckeltiere vorkommen. Sicher steckte hinter seinem Spott der heimliche Wunsch, seinen Jüngsten auch in die Kaufmannslaufbahn zu dirigieren.

Lassen Sie mich jedoch bei meiner Jägerlaufbahn bleiben. Die Hundeliebe, besser Hundevernarrtheit, die bei meinem Vater zeitweilig zur Verdunklung des Ehehimmels führen konnte, hatte bei mir erblich voll durchgeschlagen. Selbstverständlich mit voller Unterstützung des Erzeugers. So schenkte er seinen jagdfixierten Söhnen eine Deutsch-Kurzhaarhündin. Mit ihr begannen wir zu züchten. Aus unserem Zwinger „v. d. Achenburg“ entsprossen in der Folgezeit weit über die Grenzen Bayerns hinaus bekannte, erfolgreiche Hunde. Es blieb nicht bei deren Verkauf, sondern zwei der neuen Besitzer baten mich, die Hunde mit der notwendigen Ausbildung bis zur Vollgebrauchsprüfung „VGP“ abzuführen. Dies eröffnete mir neue und erweiterte Jagdmöglichkeiten.

Einer der neuen Hundebesitzer namens Krug hatte neben einem kleinen Niederwildrevier ganz in der Nähe unseres – will sagen Hobbhahns – Reviers an einem Teil des Ammersee-Ufers Entenjagd- und Fischereirecht. Es lag ganz im südöstlichen Teil, im sogenannten Fischener Winkel. Die Jagd war nur aus dem Kahn möglich, denn das feste Ufer war Jagdgrenze. Doch dazwischen lag eine breite Schilfzone. Ein wahres Entenjagdparadies! Die Hunde mussten zum Apportieren eventuell angeschossener Enten, die sich ins Schilf geflüchtet hatten, von Bord springen. Das war das kleinere Problem. Mit der Beute im Fang jedoch wieder an Bord zu kommen, war weit schwieriger. Aber das lernten Hunde wie Jäger auch. Der Hund musste zuerst schwimmenderweise seine Beute ausgeben. Die wurde, so sie denn noch lebte, zuerst abgetan, dann erst hievte man den Hund über die Bordwand. Solange das Wetter einigermaßen warm war, gab es da keine Probleme. War jedoch gar Frost, so konnte ich den Hund, der ja nach der Arbeit nass wie ein Wasserratz war, in diesem Zustand nicht lange im Boot lassen. Zudem wurde man bei dieser Aktion selbst nass. Also verbot sich die Jagd im beginnenden Winter von selbst. Eine Winterjagd ist mir jedoch im Gedächtnis geblieben. Der Jagdherr Krug wollte anlässlich meines Geburtstags am 1. Dezember noch eine Jahresabschlussjagd veranstalten. Er wollte damit auch seinen Dank abstatten, denn ich hatte seinen Liebling „Dirk v. d. Achenburg“ mit einem 1. Preis durch die VGP gebracht. Zu der Zeit waren immens viele Enten unterwegs. Als wir uns dem Bootshaus näherten, spiegelte der Ammersee mit einer funkelnden Eisfläche. Nur der Fischener Winkel, also unser Jagdgebiet, war jedoch zugefroren. Die übrige Seefläche war durch die Wellenbewegung noch eisfrei geblieben. Doch wir hackten uns unverdrossen eine mehrere hundert Meter lange Gasse durch das zentimeterdicke Eis bis zu einer winzigen Insel vor dem Schilfmeer. In der Dämmerung begann nun ein toller Entenstrich. Alle Vögel, die wir vom Himmel holten, schlugen krachend durchs Eis und blieben fixiert am Ort ihres Einschlags. Die Bergung nach Ende des „Flintenlichts“ war ein Kapitel für sich. Warum, so fragten wir uns, nachdem mit dem Tageslicht auch das Jagdfieber erloschen war, mussten wir auch so viele Enten schießen.

Ein wahres Jägerparadies eröffnete sich mir, als die Kurzhaarhündin „Cita vom Schweiklberg“ meine Gefährtin wurde. Als Decktaxe unseres „Birko v. d. Achenburg“ suchte ich sie mir aus dem schönen Wurf von „Amsel vom Schweiklberg“ aus. Eine glücklichere Wahl hat wohl selten ein Jäger getan. Zu der Zeit, als es in den oberbayrischen Gauen noch wenig Maisanbau, dafür umso mehr Niederwild gab, schauten die Besitzer und Pächter der einschlägigen Reviere nach exzellenten Hunden und sicheren Schützen aus, die ihnen bei der Ernte der Hasen, Fasanen, Rebhühner und Enten zur Seite standen. Damals beherrschten geschäftliche Vorteile noch nicht den alleinigen Grund für Jagdeinladungen, die jägerischen Qualitäten waren zumindest gleichwertig. Das Paradies im Erdinger Moos bei Goldach/Notzing habe ich bereits an anderer Stelle besungen. Durch Jagdgäste, die auch Zugang zu anderen Revieren hatten, wurde unser guter Ruf weitergetragen. Es kam nicht selten vor, dass ein mir beigestellter Schütze vor lauter Bewunderung der Arbeit meines Hundes das Schießen vergaß, so gebannt verfolgte er die Suche der Hündin. Nun – mir war’s recht, Schießen konnte ich auch allein. Wenn die Hühner Anfang Oktober nur noch schlecht hielten, dann holte die kluge Braune in weitem Bogen aus, damit sie sich am Ende der Deckung dem laufenden Wild vorlegen konnte. Sie wusste genau, worauf es uns ankam und zog ihre eigenen Schlüsse für ihr Handeln. Von den jeweiligen Jagdherren wurden uns Brüdern zwei bis drei weitere Schützen mitgegeben. Mein Bruder jagte dann mit seinem Birko und ich mit dessen Tochter Cita in einem anderen Team. Manchmal musste ich dabei auch Erziehungsarbeit bei sogenannten „alten“ Jägern leisten. Aus Konkurrenzneid schossen sie das aufstehende Wild viel zu nah, ließen es nicht ausstreichen. Da der Jagdherr ja das Wild verkaufen wollte, gab es jeweils ein berechtigtes Donnerwetter, wenn zerschossene Beute abgeliefert wurde. Es war dann meine Aufgabe, die Schützen meiner Gruppe zur Ordnung zu rufen. Es war nicht einfach, sich als so junger Jäger gegen oftmals Herren von Rang und Namen durchzusetzen. Mich hatte jedoch mein Lehrprinz schon früh darauf geprägt, dass beim Jagen äußerste Disziplin erforderlich sei. Ist es doch eine ernste Sache, bei der es auch um den Tod eines Mitgeschöpfes geht. Diese Ordnung einzufordern braucht es halt manchmal drastische Worte.

So führten mich meine grünen Pfade in ein nächstes Eldorado. Es war das Revier Eching. Autofahrer kennen die weite Landschaft östlich der A9 in der Münchner Kiesebene. Eine wegen des wasserdurchlässigen Untergrundes besonders für Hasen günstige Heimstatt. Der damalige Pächter war Ludwig Stocker, der Besitzer der Hofpfisterei mit dem heute ob seiner überragenden Qualität, weit über Bayerns Grenzen hinaus, zu recht berühmten „Pfister-Brot“. Er war damals ein schon in den Siebzigern stehender Mann. In den oft brütend heißen Septembertagen jagte er mit uns den ganzen Tag auf Rebhühner, wobei man viele Kilometer hinter den Hunden durch Kartoffelfelder und Rübenäcker herstolperte. Wenn uns Jungspunden gegen Mittag die Zunge vor lauter Durst bis zum Gürtel herabhing (für die Hunde hatten wir Wasser dabei), war der alte Herr noch immer taufrisch und er lachte uns aus: „Was is’, meine Herr’n, den Acker da hint’, den nemer doch a no?“ Saßen wir bei einer späteren Rast in seinem Jagdhaus, in der „Echinger Loh“, dem großen Eichenwald, beieinander, so trank er nur Wasser. Für seine Gäste standen alle möglichen anderen Getränke, auch alkoholische, zur Verfügung. Wir fragten ihn einmal ob seiner Abstinenz. Da erzählte er uns eine beeindruckende Geschichte.

Er hatte einst erhebliche Gesundheitsprobleme, sodass ihm das Leben wenig Freude machte. Die Gänge von Arzt zu Arzt brachten außer hohen Rechnungen keine Besserung. Da geriet er an einen – damals sagte man Gesundheitsapostel – namens Are Waerland. Dessen Lehre vom gesunden Leben, die auch heute noch genauso aktuell ist wie seinerzeit, bescherte unserem Freund und Gönner eine eiserne Gesundheit. Allerdings mied er nun Fleisch und wurde, wie er sagte, zum „Körnerfresser“. Sobald eine Kost anfing, ihm zu schmecken, musste er auf eine andere umwechseln. Dadurch wurde der Stoffwechsel angeregt und die Schlacken bauten sich schneller ab. Ludwig Stocker war der beste Beweis für die Effektivität der Waerland-Kost. Sicher hat dieser Einfluss in der Folge auch die Ausrichtung seiner Brotherstellung auf rein ökologisch erzeugte Zutaten bewirkt.

Die Hasenjagden waren von, man könnte fast sagen, „böhmischen“ Wildmengen gesegnet. Nach den Feld-Kesseln kam der große Wald-Trieb. Dabei wurde die „Echinger-Loh“ umstellt. Eines dieser Treiben, bei dem über 500 Hasen geschossen wurden, ist mir unvergessen. Ich konnte jedoch keinen einzigen Schuss loswerden. Die Schützen standen dermaßen eng zusammen und meine beiden Nachbarjäger waren total schussgierige Typen. Zwischen ihnen stehend, befand ich mich auf einem Haupthasenwechsel. Die Löffelmänner liefen mir in Scharen fast über meine Fußspitzen und in der Folge spitz von mir fort. Da ich sie erst hinauslassen wollte, um dann zu schießen, ballerten mir meine Flügelmänner rücksichtslos die Hasen vor der Nase weg. Ich habe darauf meine Flinte entladen, umgehängt und dem Geschehen passiv zugeschaut. Der Frage dieser „Herren“ nach dem Trieb, warum ich nicht geschossen hätte, bin ich die Antwort nicht schuldig geblieben. Heute ist das Revier von Autobahn und Bundesstraße zerschnitten. Ein riesiger Komplex, größer als drei Eigenjagden, wo einst buchstäblich Hase neben Hasen gelegen hat, ist nun Gewerbegebiet. Doch trotz des Aderlasses, den die Straßen täglich vom Besatz fordern, kann man im Frühjahr, noch bevor die Deckung sie verbirgt, Hasenhochzeiten mit bis zu einem Dutzend Teilnehmern beobachten. Wenn jetzt aber dort Energie- oder Futtermais angebaut wird, dann war’s das auch schon.

Das jägerliche Leben war bunt, reich und unbeschwert von jeglicher Verantwortung für ein eigenes Jagdgefild. Da brachte das Schicksal eine Wende. Mein Bruder hatte einen jagdbegeisterten Geschäftsfreund, der als Besitzer zweier bedeutender Geschäfte noch kein Niederwildrevier hatte. Es mangelte ihm auch an der Zeit, sich um dessen Pflege zu kümmern. So lockte er meinen Bruder und in der Folge auch mich ins Boot. Wir sollten ein Revier pachten und bewirtschaften, er würde die Kosten tragen. Dann könne er, sooft es seine Zeit erlaube, in nominell unserem, doch praktisch seinem Revier jagen. Das klang verlockend, da der Mann einen untadeligen Ruf hatte. Die Pachtung war ein Glückstreffer, denn der bisherige Pächter wollte vorzeitig altershalber aussteigen, sodass wir das Revier schon ein Jahr vor Ablauf seiner Pachtung übernehmen konnten.

Ich lernte in dem Geschäftsmann einen jagdlich ziemlich unbedarften, doch recht gutwilligen Menschen kennen. Als er meine Hündin Cita sah, rief er aus: „Da haben Sie aber eine prächtige ‚Rüdin‘!!“ Das wurde dann ein viel belachtes, geflügeltes Wort unter uns. Als Richtschnur für unsere Revierpflege bat er, wir sollten unbedingt alle „Raubtiere“ abschießen, er möchte gern im Jahr darauf hinter jedem Busch ein „Hähnchen“ sehen. Ich besitze noch einen Brief, in dem er dringend empfahl, alle Hunde und Katzen im Revier rigoros „abzuschießen“ und damit den Bauern eine Lehre zu erteilen, dass sie beim Mähen besser aufpassen und mehr fürs Wild tun müssten. Wir Brüder amüsierten uns königlich über seine absurden Vorstellungen, waren aber zu vertrauensselig und auch überdies zu jung, als dass wir mit diesem Herrn einen wasserdichten Vertrag gemacht hätten. Es kam dann, wie es kommen musste. Im Jahr darauf, als noch immer nicht hinter jedem Busch ein „Hähnchen“ saß und wohl noch zu viele „Raubtiere“ mordlustig lauerten, stieg er aus und ließ uns mit der Pacht sitzen. Was uns, als im Aufbau befindliche, junge Familienväter zuerst wie ein Unglück erschien, erwies sich in den kommenden Jahren als die beste Lösung. Mit solch einem Partner hätte es in den weiteren neun Jahren nur allergrößten Ärger gegeben.

Als Jagdpächter steigt man plötzlich in andere Dimensionen ein, als wenn man „nur“ Jagdgast ist. In den Jahren zuvor hatte ich meine Augen offen gehalten, mögliche Fehler entdeckt und mir vorgenommen, sollte ich einmal selbst Jagdherr sein, sie nicht zu wiederholen. Das kam dem Revier zugute. Es waren nun nicht hinter jedem Busch die gewünschten „Hähnchen“, doch die Strecke konnte sich dennoch bald sehen lassen. Ich konnte mich nun endlich bei meinen bisherigen Gönnern mit Gegeneinladungen revanchieren und – was mir besonders am Herzen lag – mich um Jungjäger kümmern. Was man mir in den Lehrjahren gegeben hatte, konnte ich jetzt meinerseits weitergeben. Die Erfahrungen, die ich dabei mit vielen, sagen wir mal „Neujägern“ machte, könnten ein Kapitel für sich füllen. Es waren nicht nur junge Jungjäger, sondern auch Spätberufene. Bei den Letzteren bestand die Gefahr, dass sie selten gewillt waren, nach ihrer „Selbstständigkeit“, klein anzufangen und sich von der Ringeltaube, der Krähe, vom Knopfbock langsam in höhere Regionen weiterzuentwickeln. Einer davon, er hatte als Treiber bei mir angefangen, erlegte gleich nach der Jägerprüfung einen ungarischen Kapitalbock. Das war der falsche Maßstab. Hernach achtete er alle geringeren Böcke als nicht des Aufhebens wert.

Als besonders wertvoll erwies es sich jetzt, ein eigenes Revier zu haben, in Bezug auf die Ausbildung junger Hunde – eigener und fremder. Zu der Zeit hatte ich mit meiner Hündin „Cita vom Schweiklberg“ den Zwinger „Vom Fürstenfeld“ gegründet. Die Besitzer der jungen Hunde, die in nicht allzu weiter Ferne wohnten, konnten nun in meinem Revier an Schulungen teilnehmen. Der schönste Erfolg war, dass ich den letzten Wurf der Hündin mit sieben Welpen bis zur VGP begleiten konnte, bei der sechs von ihnen einen ersten Preis bekamen. Das traurige Ende der Pachtperiode, den Verlust des Reviers, habe ich auf anderen Blättern erzählt.