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Einleitung

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Der innere Friede als Voraussetzung von Zufriedenheit

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Zufriedenheit als Dankbarkeit, Genügsamkeit und Einfachheit

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Zufriedenheit und Anspruchsdenken

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Satte Zufriedenheit und wahre Ruhe

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Der zufriedene Mensch

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Zufriedenheit mit dem Leben

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Wege zur Zufriedenheit

Der Weg der Stoa

Die stoische Philosophie war um das Jahr 300 vor Christus begründet worden durch Zenon aus Kition auf Zypern. Der stoischen Philosophie ging es nicht nur darum, die Welt zu erklären. Ihr Hauptgebiet war vielmehr das richtige Verhalten des Menschen und sein Weg zum inneren Glück und zur Zufriedenheit. Im Neuen Testament können wir erkennen, dass Paulus die stoische Philosophie kannte. Er zitiert gerade in seinen sogenannten Tugend- und Lasterkatalogen oft stoische Philosophen. Lukas erzählt uns in der Apostelgeschichte, dass Paulus mit stoischen Philosophen diskutierte. Auf dem Areopag hält Paulus eine Rede, in der er viele Gedanken der stoischen Philosophie aufgreift. Da ist der Gedanke, dass Gott nicht in von Menschen gemachten Tempeln wohnt, sondern die ganze Welt durchdringt. Das Wort »In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir« (Apostelgeschichte 17,28) finden wir in ähnlicher Weise bei den stoischen Philosophen.

Die Römer hatten eine Vorliebe für die stoische Philosophie. Da ist vor allem Seneca zu nennen und später der Philosoph auf dem Kaiserstuhl: Marc Aurel. Ein Hauptvertreter der Stoa ist der frühere Sklave Epiktet. Er wurde um das Jahr 50 nach Christus in Phrygien geboren und kam als Sklave nach Rom. Dort wurde er von seinem Herrn freigelassen, weil er den Philosophen in ihm erkannt hatte. Epiktet war gelähmt und blieb auch unverheiratet. Seine Gedanken, die seine Schüler gesammelt haben, waren bei den Kirchenvätern und den frühen Mönchen sehr beliebt. Die Mönche sahen in ihm einen philosophischen Christen. Ich möchte einige seiner Gedanken über den Weg zur Zufriedenheit darlegen. Oft werden wir Parallelen zu christlichen Aussagen entdecken.

Ein entscheidender Gedanke bei Epiktet ist die Unterscheidung zwischen dem, was in unserer Gewalt steht, und dem, was nicht in unserer Gewalt ist. Unser Denken und Fühlen ist in unserer Gewalt. Das Äußere dagegen, was uns in der Natur begegnet, oder die Verhaltensweisen der Menschen um uns herum stehen nicht in unserer Gewalt.

Der größte Fehler, den wir machen können, ist, ständig um das zu kreisen, was nicht in unserer Gewalt steht. So schreibt Epiktet: »Hältst du für frei, was seiner Natur nach unfrei ist, und für dein eigen, was fremd ist, so wirst du viel Verdruss haben, Aufregung und Trauer, und wirst mit Gott und allen Menschen hadern. Hältst du aber nur das Deine für dein eigen und Fremdes für fremd, so wird nie jemand dich zwingen, nie jemand dich hindern, du wirst nie jemand Vorwürfe machen, nie jemand schelten, nie etwas wider Willen tun. Niemand wird dir schaden, denn du wirst keinen Feind haben – nichts kann dir schaden« (Epiktet, 21).

Eine andere wichtige Unterscheidung ist die zwischen den Dingen und den Vorstellungen, die wir uns von den Dingen machen: »Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, sondern die Vorstellungen von den Dingen. So ist zum Beispiel der Tod nichts Furchtbares – sonst hätte er auch dem Sokrates furchtbar erscheinen müssen –, sondern die Vorstellung, er sei etwas Furchtbares, das ist das Furchtbare. Wenn wir also unglücklich, unruhig oder betrübt sind, wollen wir die Ursache nicht in etwas anderem suchen, sondern in uns, das heißt in unseren Vorstellungen« (Epiktet, 24). Um die Vorstellungen geht es auch beim Thema Zufriedenheit. Wenn wir von unserem Leben andere Vorstellungen haben als die Reali­tät, dann sind wir unzufrieden. Daher fordert uns Epiktet auf: »Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest, sondern sei zufrieden, dass es so geschieht, wie es geschieht, und du wirst in Ruhe leben« (Epiktet, 25).

Manchmal klingen uns die Worte des Epiktet allzu rational. Sie scheinen unsere Emotionen zu überspringen. Epiktet glaubt an die Kraft der Vernunft. Auch wenn seine Gedanken vielleicht sehr rational sind, so liegt in ihnen doch eine Herausforderung. Das gilt auch von der Vorstellung, dass wir alle eine Rolle zu spielen haben in einem Schauspiel, das Gott bestimmt und nicht wir selbst. Wir können uns die Rolle nicht aussuchen. Unsere Aufgabe ist es, die Rolle, die uns zugewiesen ist, gut zu spielen, ob es nun die Rolle eines Herrschers oder eines Menschen mit Behinderung ist, wie Epiktet mit seiner Lähmung selbst einer war (vgl. Epiktet, 29).

Der Gedanke, dass uns nicht der andere Mensch verletzt, sondern nur unsere Vorstellung, die wir von ihm haben, führt zu Folgerungen, die den Worten Jesu nahekommen: »Nicht wer dich schmäht und nicht wer dich schlägt, kränkt dich, sondern nur die Vorstellung, als ob sie dich kränkten« (Epiktet, 31). Das wiederum führt zu einer ähnlichen Haltung dem vermeintlichen Feind gegenüber, wie es Jesus in der Bergpredigt von uns verlangt. Feindschaft entsteht immer aus Projektion, aus den Vorstellungen, die ich mir vom Feind mache. Der Feind kann sich selbst nicht annehmen und bekämpft das, was er bei sich nicht annehmen kann, bei mir. Wenn ich diese Vorstellungen durchschaue, ist der andere nicht mein Feind, sondern einer, der in sich gespalten ist und der Heilung bedarf. Das Wort Jesu »Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin« können wir nur verstehen, wenn wir auf unsere Vorstellungen achten. Zur Zeit Jesu schlug man mit dem Handrücken. Das Schlagen war nicht ein Akt von Gewalt, sondern von Entehrung. Es war eine verächtliche Geste. Aber wenn ich mich selbst nicht verachte, wenn ich um meine eigene Würde weiß, dann kann die Vorstellung, die der andere von mir hat, mich nicht verunsichern. Ich bleibe in meiner Ehre, auch wenn der andere auch noch meine andere Wange schlägt und mir nochmals vermittelt, dass ich nichts wert sei.

Wie die frühen Mönche, so mahnt uns auch Epiktet, uns den Tod täglich vor Augen zu halten: »Das wird dich vor kleinlichen Gedanken bewahren und vor übermäßigen Begierden« (Epiktet, 31). Die Mönche begründen den täglichen Gedanken an den Tod damit, dass man dann ganz im Augenblick und bewusst lebt. Für Epiktet befreit uns der Gedanke an den Tod von kleinlichen Gedanken. Wir sehen unser Leben dann so, wie es wirklich ist. Und wir ordnen es ein in den großen Zusammenhang der Geschichte. Unser Leben ist begrenzt. Und wir haben Ja zu sagen zu diesem begrenzten Leben. Dann wird es ein Segen sein für andere.

Epiktet fordert uns auch auf, richtige Vorstellungen von Gott zu haben oder von den Göttern, wie er schreibt: »Man muss wissen, dass sie (die Götter) wirklich vorhanden sind und die Welt gut regieren. Dich selbst musst du gewöhnen, ihnen zu gehorchen und dein Schicksal gern zu ertragen, in der Überzeugung, dass es einem weisen Ratschluss entspringt. Dann wirst du die Götter niemals tadeln oder ihnen Vorwürfe machen, als kämest du zu kurz« (Epiktet, 38).

Wenn wir im Vaterunser beten: »Dein Wille geschehe«, dann entspricht das dieser Haltung, sich auf Gottes Willen einzulassen. Dann sind wir zufrieden mit unserem Leben. Allerdings liegen auf dem Weg dorthin durchaus Rebellion und Gefühle von Zweifel, Wut und Traurigkeit. Wir sollen, so meint Epiktet, immer an die Weisheit Gottes denken, die unsere Gedanken übersteigt. Wir sollen vertrauen, dass alles der Weisheit Gottes entspringt, dann können wir uns mit dem aussöhnen, was ist. Aber natürlich weiß auch Epiktet, dass es nicht einfach ist, in dem Leid, das uns trifft, Gottes Weisheit zu erkennen. Es ist immer ein Prozess, den wir durchmachen. Wir müssen uns durchringen, mit dem Leben einverstanden zu sein, in dem Vertrauen, dass alles einer höheren Weisheit entspringt, die wir oft nicht verstehen.

Wenn einer gegen sich selbst rebelliert, dann schadet er sich selbst. Er wirft sich gleichsam selbst ins Gefängnis. Epiktet fragt: »In welches Gefängnis? In das, in dem er jetzt ist; denn er ist wider seinen Willen da, und wo jemand wider seinen Willen ist, da ist sein Gefängnis. So war zum Beispiel Sokrates nicht im Gefängnis, denn er war dort aus eigenem Willen« (Epiktet, 63). Epiktet war gelähmt. Aber die Frage: »Muss ich denn dieses lahme Bein haben?« stellt sich für ihn nicht. Wer so fragt, dem antwortet er: »Du kleinlicher Mensch, um dieses armseligen Fußes willen schimpfst du über die Weltregierung? Ihn wolltest du nicht im Hinblick auf die Gesamtheit betrachten? Du willst nicht freiwillig verzichten, ihn nicht freudig dem zurückgeben, der ihn dir gegeben?« (Epiktet, 63). Solche Gedanken scheinen uns allzu einfach zu klingen. Doch in ihnen steckt eine Herausforderung, sich und sein Leben im Angesicht Gottes zu betrachten oder, wie Epiktet es ausdrückt, im Angesicht des ganzen Kosmos. Wir sind Teil dieses Kosmos. Wenn wir uns als einen Teil sehen, dann relativieren sich unsere eigenen Wünsche an das Leben. Alles steht für Epiktet in einem innigen Zusammenhang. Deshalb sind wir nie allein, immer eins mit dem Kosmos und letztlich auch eins mit Gott: »Deshalb, wenn ihr eure Türen geschlossen und eure Wohnung verdunkelt habt, bedenkt, dass ihr niemals sagen könnt, ihr seid allein; denn ihr seid es nicht, Gott ist in euch« (Epiktet, 65).

Auch wenn mir die Gedanken von Epiktet manchmal zu einfach und zu rational erscheinen, so sehe ich in ihnen doch eine Herausforderung, Ja zu sagen zu meinem Leben. Die Gedanken wollen uns einen Weg zeigen, wie wir zufrieden sein können mit unserem Schicksal. Wir dürfen es nicht ständig infrage stellen. Es ist so, wie es ist. Wir sind Teil des Ganzen. Und wie wir Ja sagen zu unserem Leben, das hat auch Auswirkungen auf den gesamten Kosmos. Wir haben uns nicht ausgesucht, mit welchem gesunden oder kranken Leib wir ausgestattet sind, welche Talente wir haben, an welchen Grenzen wir leiden. Wenn wir zufrieden sind mit unserem Leben, so wie es ist, dann geht auch von uns Frieden aus in die Welt und wir leisten dann unseren Beitrag zur Verwandlung dieser Welt. Christlich würden wir sagen: dann dringt durch uns der Geist Jesu in diese Welt ein und verwandelt sie, sodass sie mehr und mehr christusförmig wird.