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Tom kommt

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ISBN: 978-3-947145-15-7


Dieses Buch entstand unter Mitarbeit von Michael Fuchs-Gamböck.


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Harry Scheffer


Tom kommt



Roman

 

 

 







Tom kommt





Gestatten, mein Name ist Michael. Obwohl: Eigentlich nennen mich alle nur Michi, schon mein Leben lang. Und einige Vertraute, vor allem Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts, nennen mich „Steher”. Das alles ergibt unbedingt seinen Sinn, wenn man sich mein Leben anschaut.

Dieser Insider-Name sagt nichts über meine charakterlichen Eigenschaften aus, dass ich irgendwie eine besonders treue Seele wäre, die alles durch„steht“ oder Ähnliches.

Es sagt aber so ziemlich alles über ein spezielles „Werkzeug”, das seit Jahr und Tag zu meinem Körper gehört. Es ist ein ziemlich kräftiges, massives Werkzeug, mein bester Freund, der mir bis jetzt viel Freude eingebracht hat. Aber auch nicht wenig Ärger. Und gelegentlich ist mein intimster Freund, dieses merkwürdige Teil, das zwischen meinen Beinen baumelt, reichlich lästig. Ich weiß, wovon ich rede, glaub mir.

Bewusst wahr genommen habe ich das Kerlchen als Freudenspender mit zehn Jahren. Eines Nachts hatte ich einen ungewöhnlichen Traum, sehr intensiv, in dem die zwei Jahre ältere Nachbarstochter Susi eine nicht unwesentliche Rolle spielte. Ihr wulstiger Mund näherte sich rasant in Großaufnahme meinen eher schmalen Lippen. Angst machte sich panikartig in mir breit. Gleichzeitig konnte es mir aber auch gar nicht schnell genug gehen, dass diese verlockende Öffnung mich rettungslos verschlang.

In heller Aufregung und mit rasendem Herzschlag wachte ich mitten in der Nacht auf, was mir eigentlich nie passierte, mein Schlaf ist so süß und unschuldig wie der eines Engels. Doch in diesem Moment war ich hellwach, während von meinen Eltern und meiner kleinen Schwester kein Mucks in der Wohnung zu hören war. Der Mond schien voll und bleich und irgendwie beruhigend in mein kleines Zimmer.

Beunruhigt war ich trotzdem – irgendwas hatte sich in meiner Pyjama-Hose verändert seit ich erwacht war. Eine merkwürdig feuchte, warme, klebrige Flüssigkeit hatte sich darin ausgebreitet, wie von Zauberhand und aus dem Nichts. Ein Geheimnis! Vor allem ein Geheimnis, das es für mich, als seit jeher neugierigem Jungen, unbedingt zu lüften galt. Denn nebulös war mir klar, dass die Sache mit Susi und ihrem riesengroßen Mund zu tun hatte.

Zwei Tage später war Wochenende und wir Kinder aus der Nachbarschaft, etwa ein Dutzend Jungs wie Mädchen, genossen draußen in den Schrebergärten einen herrlich sonnigen Nachmittag. Unsere Eltern säten aus, sie jäteten Unkraut oder sie zischten das eine oder andere Bier zusammen, wozu sie sich auf den wackligen Holzbänken vor ihren kleinen Häuschen niederließen. Jeder kannte jeden, jeder besuchte jeden, wenn er sich ein Päuschen genehmigen wollte. Und irgendwann am Abend hockten schließlich, nach mehr oder weniger getaner Arbeit, alle zusammen, klönten fröhlich und am Ende gab es keinen einzigen nüchternen Erwachsenen mehr. Es waren herrliche Wochenenden!

Wir Kinder hatten an diesen Samstagen und Sonntagen völlig freie Bahn, konnten anstellen, was wir wollten, solange wir uns im Gelände aufhielten – „aber wehe, ihr prügelt euch oder einer fällt vom Baum oder sonst was Schlimmes passiert. Dann gibt es Sänge, die ihr euer Leben lang nicht vergessen werdet“, gaben uns die Eltern einheitlich und jedes Mal aufs Neue mit auf den Weg. „Und dann ist Schluss mit eurer Freiheit. Dann gibt es Hausarrest, egal wie schön die Sonne draußen scheint.“

Natürlich ist in all den Schrebergarten-Sommern meiner Kindheit und Jugend jede Menge „Schlimmes“ passiert. Aber unsere Eltern haben nie etwas davon mitbekommen. Weil nicht einer von uns je auf die Idee gekommen wäre, einen anderen zu verpetzen.

Doch zurück zu jenem Samstagnachmittag, der für mich zur persönlichen Legende werden sollte. Wir Knirpse spielten Verstecken. Und Verstecke gab es genug in dieser verwinkelten Gartenanlage.

Ich wollte mir dieses Spiel zunutze machen, hatte einen Plan ausgeheckt. Dieser Plan hatte ausschließlich mit Susi zu tun. Susi, in einem kessen weißen Sommerkleidchen. Susi, unter deren Kleidchen sich schon winzig ein kleiner Busen abzeichnete. Das alles wollte ich mir näher anschauen, befeuert von meinem mysteriösen Traum zwei Nächte zuvor.

Susi war nicht die Hellste, sie suchte sich meist dasselbe Versteck, weshalb sie häufig als Erste gefunden wurde. So auch dieses Mal: Schnurstracks steuerte sie wie so oft auf einen geschichteten Stapel zu, mannshoch, Brennholz für den Winter. Susi war auch nicht die Erfindungsreichste. Sie machte sich daher kaum Gedanken über neue Verstecke. Da musste wohl ich, Gentleman-Steppke der alten Schule, intervenieren.

„Susi“, flüsterte ich, als ich sie fast eingeholt hatte. Ich flüsterte zum einen, damit die übrigen Kinder uns nicht hören konnten. Zum anderen deshalb, weil Jungen und Mädchen zwar gemeinsam spielten, aber nicht alleine miteinander redeten. Ein Junge und ein Mädchen zusammen, ohne den Rest der Gruppe – wurde man dabei erwischt, gab das Feueralarm und Anlass zu höchstem Gekicher und Getratsche, dem man sich zumindest zwei Wochen lang stellen musste. Bis zum nächsten „skandalösen“ Ereignis dieser Art in der Regel

Mir war die Vorstellung eines solchen Spießrutenlaufs aktuell vollkommen egal. Ich war der wagemutige Ritter, unterwegs im Auftrag von Susis verlockendem Mund aus meinem Traum und auf gefährlich-heikler Mission.

„Susi“, flüsterte ich nochmals, etwas eindringlicher. „Michi“, sah sie mich fragend mit großen, etwas ungläubigen und strahlend-blauen Augen an, „was machst du denn hier?“

„Ich sehe ja, dass du schon wieder dasselbe Versteck nimmst, wo du immer gleich gefunden wirst. Das ist doch langweilig, findest du nicht?“ „Na ja“, sagte sie und zog sie einen Flunsch mit diesen einzigartigen wulstigen Lippen. Sie schien nachzudenken mit ihrem hübschen kleinen Köpfchen. Wobei man bei Susi nie genau wissen konnte, ob dieser Vorgang funktionierte.

Das war der Moment für mich, den edlen Ritter Don Michi Quixote de Köln, die Initialzündung zu geben. „Ich weiß ein viel besseres Versteck – da passen wir sogar zusammen rein“, verkündete ich wagemutig. „Kommst du mit?“ Wieder der Flunsch, wieder schien Susi zu überlegen. Ich hörte Betty, die uns finden musste, lauthals 95-96-97 rufen. Ich hatte noch drei Zahlen, um meinen Plan umsetzen zu können. Und plötzlich tat ich etwas, das ich mir bis dahin niemals zugetraut hätte: Ich schnappte mir Susis Hand mit aller Entschlossenheit und zog sie hinter mir her. Susi war dermaßen verdutzt, dass sie kein Wort hervorbrachte. Stattdessen ließ sie sich willenlos von mir führen.

Das Ziel meines Plans war eine uralte Hütte, dermaßen marode, dass sie seit Jahren keinen Besitzer mehr kannte. Irgendwann war diese Hütte, der Schandfleck dieser ansonsten äußerst gepflegten Anlage, schlicht vergessen worden. Nun – ich hatte sie nicht vergessen ...

Nach Luft schnappend standen wir schließlich vor dem verrotteten Bauwerk. „Hier?“, fragte Susi und runzelte die Stirn. „Na logisch“, meinte ich nur und machte auf dicke Hose. „Hier werden uns die anderen garantiert nicht so schnell finden. Na, das wird ein Spaß!“

Jovial wie ein Gutsherr öffnete ich Susi den abbruchreifen Verschlag, der einen quietschenden Seufzer von sich gab. Ich kam mir vor wie ein Schlossherr, der seine frisch angetraute Prinzessin in ihr neues Domizil bittet. Und Prinzessin Susi trat wider Erwartens tatsächlich ein.

Es war dunkel und roch muffig in der Bruchbude. Aber irgendwie schien uns das beide im Moment nicht weiter zu stören. Susi machte sich noch nicht mal Gedanken, dass ihr weißes Kleid nicht mehr weiß sein würde, als sie sich auf eine dreckige Holzbank mit Lehne pflanzte.

Ich setzte mich sehr eng neben sie. Scheu und möglichst unauffällig legte ich meinen rechten Arm um meine Prinzessin. Susi merkte es natürlich trotzdem. „Spinnst du“, fragte sie empört, machte aber keinerlei Anstalten, meinen Arm wegzunehmen. „Weißt du, Susi“, versuchte ich die heikle Situation etwas zu deeskalieren, „vor zwei Nächten habe ich von dir geträumt.“

Das stellte ich tollkühn jetzt einfach mal so in den muffigen Raum. Ein paar Sekunden lang fiel kein Wort. Doch ich spürte intuitiv, dass Susi neugierig geworden war. Schließlich brach sie das Schweigen. „Und“, stammelte sie, „worum ging es in deinem Traum?“

Ich versuchte meine Stimme, die noch weit und breit keinen Stimmbruch erblickt hatte, um eine Oktave tiefer zu legen, ließ meine Hand in diesem Moment auch auf ihre rechte Schulter plumpsen, und raunte: „Dein Mund, er war ... so wunderschön. Und so riesengroß. Er kam ... auf meinen Mund zu, wurde immer gigantischer, ich ... hatte Angst vor ihm. Und nun ja ... zur selben Zeit wollte ich unbedingt, dass dieser Mund mich küsst. Ich wollte nichts anderes in diesem Moment.“

Jetzt versagte mir doch die Stimme, mit einem Mal war nichts mehr mit dem Don aus Köln. Ich war einfach wieder Michi, der Zehnjährige aus Deutz.

Susi sah mich erstaunt an, als sie ihr Gesicht dem meinen zuwandte. Und mit einem Mal lachte sie glucksend. Und im nächsten Moment packte sie energisch meinen Kopf, zog diesen an ihren heran. Und gleich darauf wurde mein Traum zur siedend heißen Realität. In meinen Rachen bohrte sich eine geschmeidige, wunderbar weiche Zunge. Ich hatte keine Ahnung, wie mir geschah. Aber ich machte mit bei diesem grandiosen Spiel. Auf der Stelle hatte ich es gelernt.

Als Susi nach einer gefühlten Ewigkeit von mir abließ, war mein alter Wagemut zurück in meinen Körper gekehrt, schoss wie glühende Lava durch meine Adern. „Unmittelbar nach Ende des Traums bin ich mitten in der Nacht aufgewacht, und da ... da war irgendeine Flüssigkeit in meiner Schlafanzughose.“ „Ach, das ist Wichse“, meinte Susi lässig, als wäre es das Natürlichste von der Welt. Ratlos glotzte ich mein Gegenüber an. „Was soll das sein – Wichse?“ „Nun ja, wenn ihr Jungs mit einem Mädchen etwas Geiles erlebt oder auch nur an etwas Geiles mit einem Mädchen denkt, wird euer kleiner Freund steif und irgendwann haltet ihr es vor Geilheit nicht mehr aus und spritzt Saft ab. So einfach ist das.“

„Das verstehe ich nicht“, zuckte ich die Schultern. Ich verstand es wirklich nicht. Also, den tieferen Sinn dahinter.

Und plötzlich tat Susi etwas, was ich ihr nie vergessen werde und was sich bis heute unwiderruflich auf der Festplatte meiner erotischen Erinnerungen eingebrannt hat: Ohne zu zögern griff sie in meine kurze Adidas-Hose, fummelte meinen kleinen Freund hervor, der rasch zu ungewöhnlicher Größe in ihrer Rechten anschwoll. Gleich darauf rieb sie gleichmäßig daran – auf und ab, auf und ab. „Gefällt dir das?“ Ich glaubte, einen spöttischen Unterton in ihrer Frage zu erkennen. Das war mir im Moment allerdings vollkommen schnurz. „Oh, oh, oh“, meinte ich nur, mit geschlossenen Augen. Nicht die intelligenteste aller Antworten, ich weiß.

Doch was der Situation endgültig den Hauch von Ewigkeit verschaffte, war Susis nächste Handlung. Statt ihrer auf- und abgleitenden Hand spürte ich mit einem Mal etwas Weiches, Warmes um meinen fiebrigen Kolben. Ich riss schlagartig die Augen auf und blickte wie erstarrt nach unten, auf eine gewaltige blonde Haarpracht, die meinen kompletten Unterleib bedeckte. Jetzt hielt mich nichts mehr zurück – „oh oh oh“ – und dann schoss mein ... wie hatte Susi es genannt? Wichse? ... feuriger Saft in den Mund meines Traums von vor zwei Nächten. In diesem Moment wäre ich selig und ohne Reue gestorben.

Jemand riss die Tür auf. Sonne drang viel zu grell in den ekligen Schuppen. Ich sah Betty vor mir. Sie wandte sich an die anderen in der Clique, die offensichtlich hinter ihr standen. „Ich habe Michi gefunden“, jubilierte sie. „Jetzt müssen wir nur noch Susi finden.“ Die richtete sich auf von meinem Schoß und grinste Betty kess an: „Ich bin schon da ...“

* * *

Siebenunddreißig Jahre später blicke ich aus dem mächtigen vollverglasten Fenster meines Büros auf die Kölner Innenstadt. Während die langsam untergehende Sonne mir die Nase kitzelt, rollt eine äußerst lebhafte Erinnerung auf mich zu. Sie gehört Susi. Susi und ihrem phänomenalen Mund, der sich um meinen jungenhaften Schaft wie ein Schraubstock stülpt. Sofort bekomme ich einen eisernen Harten.

Als ich die Augen wieder öffne und erneut den Blick über das Zentrum meiner Heimatstadt schweifen lasse, fühle ich eine Woge von Stolz durch meine Adern pulsieren. Inzwischen habe ich es nämlich tatsächlich zu so etwas wie dem Ritter Don Michi Quixote de Köln gebracht. Bald nach dem erfolgreichen Ende meines Studiums zum Werbekaufmann und Web-Designer heuerte ich bei einigen Agenturen an, um Erfahrungen in meinem Metier zu sammeln. Ich war Mitte zwanzig und hungrig darauf, die im Studium erlernten Theorien in die Praxis umzusetzen. Das funktionierte hervorragend, ich machte mir rasch einen Namen in der Branche. Wesentlich weniger hervorragend war meine Honorierung.

Also beschlossen ein Studienkamerad und ich, wir strotzten nur so vor kühnen Ideen, dass wir am 11.11.1997 unsere eigene Agentur auf die Öffentlichkeit loslassen würden:

„Free Your Mind Design“ war gegründet. Und was soll ich sagen – dank unserer wagemutigen Ideen und unserer flotten Sprüche hatten wir schon bald einen respektablen Kundenstamm um uns gesammelt, der unsere Außerordentlichkeit im Job sehr zu schätzen wusste.

Wir schrieben die Neunzigerjahre, jede Menge kreative Verrücktheit lag in der Luft, und jede Menge Geld von reichen Schnöseln, die bereit waren, dafür viel Geld locker zu machen. Rainer so der Name meines Kompagnons, und ich schwebten im siebten Kreativ-Himmel! Irgendwann verknallte Rainer sich rettungslos in eine unserer Kundinnen, eine etwas nuttig wirkende Adelige aus Berlin, die ihre Finger nicht von ihm lassen konnte. Neben ihres immensen Reichtums beeindruckte Rainer vor allem, dass eine so aparte Frau mit blauem Blut, die der jungen Romy Schneider nicht unähnlich sah, offensichtlich dauergeil auf ihn war. „Entweder bringt Maja mich eines Nachts um, weil sie mich zu Tode reitet oder sie beißt mir im Eifer des Gefechts mal noch mein bestes Stück ab“, stöhnte er eines Morgens in der Agentur, während wir in der Küche in unseren Kaffeetassen rührten. „Beides sind keine sehr beglückenden Zukunftsaussichten. Und trotzdem kann ich ohne ihren fantastischen Arsch einfach nicht leben.“

Was zur Folge hatte, dass Rainer bald nach diesem Gespräch in den mehr oder weniger heiligen Stand der Ehe und mit Maja auf deren kleines Schloss in Brandenburg entschwand. Wir trennten uns im Allerbesten, Rainer wollte von mir nicht mal ausbezahlt werden, „ab sofort schwimme ich ja im Geld“, lachte er breit. Pech für ihn, dass Maja zwei Jahre nach der Hochzeit ihren Super-Rammler mit einer ihrer besten Freundinnen im Schloss-Bett erwischte. Die Scheidung ließ nicht lange auf sich warten, der geschlossene Ehevertrag war gleichzusetzen mit – kein Unterhalt. Heute arbeitet Rainer schlecht bezahlt in einer weitgehend unbekannten Design-Klitsche. Wir haben kaum noch Kontakt zueinander, weil er behauptet, es wäre mein Job als bester Freund und Frauenversteher gewesen, ihn von der Hochzeit mit dieser Irren abzuhalten. Nun ja – no risk,no fun,no Untergang.

Ich selbst hatte zwar auch zwei Ehen in den Sand gesetzt, meine Gattinnen aber während unserer gemeinsamen Zeit nicht betrogen. Oder wenn, dann höchstens so, dass sie es nicht mitbekamen. Und ich hatte die Weitsicht besessen, die Agentur in Eigenregie zu leiten. Kein gleichberechtigter Partner mehr an meiner Seite, stattdessen regelmäßig rotierende junge Kreative, die genauso brannten, wie ich es zwanzig Jahre zuvor fiebrig getan hatte.

Mein iPhone gibt Laut. „Papi, kannst Du am Wochenende einen Umzugswagen organisieren?“, lese ich auf meinem Display. Leni, mein einziges und hoffentlich auch letztes Kind, gezeugt mit meiner ersten Gattin vor neunzehn Jahren. Die Kleine hat vor wenigen Wochen ihr Abitur hingelegt. Als Daddy (also ich) den Notenschnitt sah, war er dermaßen beeindruckt, dass er seiner Kleinen im Überschwang spontan versprach, eine kleine Eigentumswohnung für sie zu besorgen. Dank Daddys (also meiner) prächtigen Kontakte in so ziemlich alle wichtigen Branchen von Köln war bereits zwei Tage später eine schmucke 30-Quadratmeter-Bude in Deutz gefunden, Neubau wohlgemerkt, sprich: ohne Mobiliar.

Möbel waren schnell gekauft. Jetzt hieß es nur noch, diese von A nach B zu transportieren. Dafür brauchte es ein Gefährt. „Klar organisiere ich das, mein Mäuschen. Mach Dir keine

Sorgen. Ich habe Dich lieb, Papa“, tippe ich zurück.

Ich tätige einen kurzen Anruf bei einem weiteren meiner zahllosen Freunde und Bekannten. Zwei Minuten später ist ein Mercedes-Van organisiert. Dann blicke ich auf meine geliebte „Ebel“, ein Geschenk meiner zweiten Ehefrau, für das ich sie noch heute – nun ja, beinahe – liebe. 18.34 Uhr zeigt sie an. Es wird eng. Schließlich ist heute Dienstag. Jede Minute Verspätung kostet ein „Kölsch“. Und zwar für jeden von uns vieren.

Ich trete aus meinem Einzelbüro raus, das „Disquered“-Jackett hoffentlich lässig über der rechten Schulter baumelnd, und genehmige mir einen kleinen Rundgang durch die Agentur. M e i n e Agentur! Aktuell arbeiten unter mir sechs Festangestellte – drei Designer, zwei Grafiker, allesamt unter dreißig. Zudem eine potthässliche, aber supererfahrene Buchhalterin jenseits der fünfzig, somit für mich unfickbar. Zum Glück, denn gutes Geld und guter Sex, das geht in meinem Weltbild nicht zusammen. Ich bin Frau Körner in höchstem Maße dankbar, dass ich ihr kaum in die Augen schauen kann beim Gespräch, da der Anblick meinen Sinn für Ästhetik in höchstem Maße beleidigt. Vor allem aber bin ich ihr dankbar, dass sie eine mehr als treue Firmen-Seele ist und ihr Handwerk in höchstem Maße versteht.

Beinahe vergessen hätte ich an dieser Stelle die monatlich wechselnde Praktikantin. Nein, von einem Vertreter des männlichen Geschlechts wurde diese Position im Rahmen unserer bald zwanzigjährigen Agentur-Geschichte noch nie eingenommen. Darüber hinaus ist es Tradition, dass ich diesen Posten höchstpersönlich und nach einem eindringlichen, manchmal mehrere Stunden dauernden Vorstellungsgespräch besetze. Oder auch nicht besetze.

Ich bin der ehrlichen Meinung,dass man in einem Monat Praktikum in unserer Branche nicht viel lernen kann. Daher ist es mir auch ziemlich egal, wie viel Talent und Innovation eine Praktikantin einbringt. Wichtig sind mir ganz andere Fähigkeiten. Und von denen bekomme ich meist schon beim Einstellungsgespräch jede Menge geboten. Hey, das hier ist „Free Your Mind Design“! Da kommt es, zumindest bei den weiblichen Mitarbeitern, nicht so sehr auf die inneren, sondern ziemlich sehr auf die äußeren Werte an.

Nehmen wir die kleine Clarissa, die aktuell den Praktikantinnen-Job ausfüllt. Süße zwanzig, gerade mal 155 Zentimeter groß, was sie aber durch atemberaubende High Heels, die sie beinahe pausenlos trägt, zumindest im Büro, wettmacht. Clarissa hat ein offenes, rundes Gesicht, eingerahmt von einem Wust aus dunkelblonden Dreadlocks. Ihre Riesentitten scheinen pausenlos die Knöpfe ihrer viel zu engen Blusen zu sprengen. Und auch die knappen BHs, die Clarissa im Dauereinsatz unter den gewagten Blusen trägt, gewährleisten nicht zwangsläufig, dass sie nicht eines Tages oben ohne dastehen wird.

Ebenso wird der dralle Hintern ständig in hautenge Röcke gequetscht, bevorzugt aus Leder, bevorzugt mit Schlitz und weit über dem Knie endend. Was es mit diesem Wunderwerk der Anatomie auf sich hat, konnte ich real bereits beim Vorstellungsgespräch in Erfahrung bringen.

Ich hatte den Termin wie stets auf den späten Abend gelegt. Zu einer Zeit, von der ich wusste, dass keiner meiner Angestellten mehr im Haus sein würde. „Vorher habe ich leider keine Möglichkeit für ein Treffen, Sie wissen schon, zu viel Arbeit, man kennt das ja in unserer Branche“, gab ich regelmäßig als Begründung an. Bislang hat sich keine der Aspirantinnen beschwert über die eher unorthodoxen Gesprächszeiten, selbst wenn die Termine um 21, 22 oder auch mal 23 Uhr begannen.

Clarissa also: Wie unabsichtlich stieß ich die Blumenvase auf meinem Schreibtisch um, ich hatte zuvor ein bewusst robustes Exemplar gewählt, das praktisch unkaputtbar war, außerdem Plastikblumen rein gestopft, die kein Wasser benötigen. Und so geschah das Wunder, auf das ich sehnlichst gehofft hatte. Clarissa erhob sich von ihrem Stuhl, der mir gegenüber stand, bückte sich tief, und ihr Allerwertester im grauen Taft-Rock strahlte mir wie die ehrwürdige Sonne höchstpersönlich entgegen.

Ich benötigte ungefähr 2,5 Sekunden, um die Strecke zwischen meinem Drehsessel und dieser Sünde in Reinkultur zurückzulegen. „Warten Sie, ich helfe Ihnen“, murmelte ich. Im nächsten Moment täuschte ich einen Stolper-Anfall vor. Und um nicht ohne Stütze zu Boden gehen zu müssen, hielt ich mich an der Miniatur-Sonne fest, vermutlich viel zu lange. Meine Linke wollte da gar nicht mehr weg.

Clarissa grinste mich keck an: „Schön, dass ich Ihnen behilflich sein konnte, nicht ganz tief fallen zu müssen“, lachte sie aufreizend, „schließlich sind Sie auch nicht mehr der Jüngste.“ Um mich wieder aufrichten zu können, musste ich jetzt leider auch meine rechte Hand zu Hilfe nehmen und neben die Linke auf Clarissas göttlichem Hintern positionieren. Ich spürte keine Gegenwehr. Ich spürte auch keine Gegenwehr, als ich ihr meinen Harten gegen die Hüfte drückte. „Das fühlt sich ... interessant an“, meinte sie schelmisch.

Nun muss man wissen, dass mein Schreibtisch einerseits ziemlich groß, andererseits immer picobello aufgeräumt ist. Was bedeutet,dass sich darauf nicht nur Platz für Telefonanlage, Entwürfe und Akten befindet, sondern auch einiger Leerraum. Den nutzten Clarissa und ich jetzt ausgiebig zur spätabendlichen Gymnastik.

Der Taft-Rock war zügig nach oben geschoben und – bingo! – die Sonne war gerade mal durch einen String geteilt, der sich rasch zur Seite schieben ließ. Da ich zumindest im Sommer die Angewohnheit besitze, keinen Slip unter der Anzughose zu tragen, bedurfte es gerade mal eines Griffs zum Reißverschluss, der gekonnt in einer Makro-Sekunde nach unten gezippt wurde.

Jetzt kam das gute Teil zum Vorschein, in seiner stolzen Pracht, weshalb mich Insider, wie erwähnt, „Steher“ nennen. Ich bin ehrlich gesagt immer wieder selbst überrascht von all dieser Opulenz und Mächtigkeit. Nach kurzer Bewunderungsphase versenkte ich im nächsten Moment das komplette Paket in der Sonne vor mir.

Was ich zuvor nicht gewusst hatte: Die Sonne gibt Stöhnlaute von sich. Und je länger mein Kolben sie bearbeitete, desto lauter stöhnte dieser Trabant der Erde. Jedenfalls kamen wir beide mächtig in Fahrt. Wir bewegten uns wie ein Schweizer Uhrwerk, vor hundert Jahren konstruiert, aber noch genauso präzise und dem ewigen Lauf der Welt verbunden wie am ersten Tag: Tick-Tack, Tick-Tack, Tick-Tack.

Irgendwann gab das Uhrwerk seinen Geist auf, die beiden Zeiger sanken erschöpft auf den Büro-Teppichboden. „Puh, diese erste Begegnung war aber sehr intensiv“, schnaufte Clarissa matt. „Na ja, es war ein Vorstellungsgespräch der besonderen Art“, grinste ich sie an. „Jedenfalls“, fügte ich hinzu, „hast du den Job. Deine Fähigkeiten haben mich voll und ganz überzeugt.“

* * *

Clarissa grinst mir zweideutig zu, während ich wieder auf die „Ebel“ stiere. 18.40 Uhr. Ich muss dringend hier raus, wenn es nicht ein teurer Abend für mich werden soll. Deshalb verabschiede ich mich hastig von meinen Mitarbeitern und stürze aus dem Gebäude – der Segen eines Büros im Erdgeschoss.

Den Weg zum „Salon Schmitz“ in der Aachener Straße kann man in 20 Minuten zurücklegen, aber dafür muss man sich mit einer gewissen Grundgeschwindigkeit und Rücksichtslosigkeit durch die zähe und träge Kölner Konsumenten-Masse drängen. Punktum: Ich erreiche das „Schmitz“ um 19.04 Uhr, meine drei Stammtisch-Mitstreiter sind bereits vollzählig, sie tragen alle Präzisionsuhren, was bedeutet – vier Runden werden auf meinem Bierdeckel notiert, noch bevor ich mein Jackett über die Stuhllehne gleiten lassen kann. Ich grummle etwas Unverständliches, garantiert nichts Freundliches. Doch mein Groll verschwindet innerhalb kürzester Zeit, denn schließlich ist Dienstagabend, Zeit für den wöchentlichen Stammtisch, existent seit gefühlten tausend und real seit beinahe zwanzig Jahren. Für mich der soziale Höhepunkt der Woche. Zumindest was meine Begegnungen mit dem männlichen Geschlecht betrifft.

Stellen wir die Bruderschaft kurz vor: Fred ist mein Jahrgang, also 1970, er schlägt sich äußerst erfolgreich als Notar durchs Leben. „Den Job hast du doch nur gewählt, weil du mangels Konkurrenz ordentlich Kohle machen kannst“, ziehe ich Fred immer mal wieder auf. „Wenn die Leute nicht zu dir kommen, wird eben nichts mehr juristisch beglaubigt – keine Testamente, keine Immobilienverkäufe, keine Erbschaften. Du bist die Made im Speck des Kapitalismus.“ Als ich das zum ersten Mal, mit einem breiten Grinsen im Gesicht, in die Runde schmiss, war Fred fuchsteufelswild geworden und verteidigte seinen Beruf als „Ordnungsmacht des Systems“, ohne die alles „im Chaos versinken“ würde. „Ich habe dich ertappt, Bursche“, dachte ich nur bei mir.

Und schließlich gestand mir Fred einige Wochen später unter vier Augen, nach dem dritten (oder war es das vierte?) Glas Wein, dass er seine Arbeit in der Tat aus Berechnung – und auf Anraten seines Vaters, eines besonnenen Mannes, der selbst Notar gewesen war – gewählt hatte. „Weißt du, Michi“, meinte er zu mir und brachte sein Gesicht ganz nah an das meine heran, die Stimme irgendwo zwischen Wehmut und Weinerlichkeit, „als Junge wollte ich Pilot bei der Air Force werden oder Trucker in Amerika. Hauptsache in Bewegung, nirgendwo wirklich zu Hause.“

Fred hatte mir mal Fotos von sich aus seiner Teenager-Zeit auf den Tisch gelegt: Ein verspult grinsender schmaler Kerl mit Haaren bis zum Arsch, von einem Stirnband zusammen gehalten, in der Rechten ein fetter Joint. Alles Uralt-Schnee von vorgestern: Heute besitzt Fred kaum noch Haare, daher fällt das Stirnband weg. Das viele üppige Essen, die Millionen von „Kölsch“ und der Mangel an Sport haben aus dem Hungerhaken von einst, wie drückt man es am höflichsten aus, einen „stattlichen Mann“ hervorgebracht.

Der Joint ist einer Pfeife mit garantiert legalem Inhalt gewichen. Und statt eines Trucks kutschiert Fred aktuell die neueste Jaguar-Version.

Diddi ist der Benjamin unter uns, zwei Jahre jünger als Fred und ich. Er verdingt sich als Essayist einer hoch-angesehenen Wochenzeitung, Spezialgebiet „Kultur“. Und nicht nur das: Diddi hat bereits zwei Romane in die Öffentlichkeit gebracht, beide zum Thema „der verinnerlichte Mann und die moderne Frau, die den verinnerlichten Mann als Waschlappen abtut“ (zumindest habe ich das so verstanden), die durch die Bank vom seriösen Feuilleton in den Himmel gelobt wurden.

Unser Vorzeige-Intellektueller gibt sich gerne genau so: intellektuell und etwas hochnäsig sowie distanziert gegenüber der „schnöden Welt“. Aber es ist lediglich eine Frage des Alkohols, wann diese elitäre Schale platzt. Drei Grüne Veltliner oder wahlweise acht Kölsch reichen in der Regel aus, um den Mann aus dem Elfenbeinturm zu locken, damit aus ihm einer der liebenswertesten, ausgelassensten Zeitgenossen wird, den man sich wünschen kann. Zudem hat Diddi das größte Repertoire an Zoten auf Lager, gerne die von der härtesten Gangart, die ich je bei einem Menschen angetroffen habe.

Diddi liebt seinen Job heiß und innig, „er ist sozusagen meine Berufung“, gibt er immer wieder gerne bekannt, „ich wollte mir schon als Kind diese merkwürdige, eher unangenehme Welt in Worten erklären.“ Trotzdem plagen Diddi seit einiger Zeit Zweifel an seiner Berufung. Was weniger mit seiner Arbeit zu tun hat. Um seine Zweifel zu bestärken, dafür muss er sich nur einen frischen Kontoauszug bei der Bank seines Vertrauens ziehen.

„Die Neunziger, sie waren das unangefochtene Eldorado für Leute in meinem Beruf“, schwärmt Diddi immer wieder gerne, „wenn du eine gewisse Portion Talent besessen hast, wurdest du von den großen Publikumsmagazinen regelmäßig ins Flugzeug gesteckt, um an den exotischsten Orten dieses Planeten Interviews zu führen oder mehrere Wochen am Stück Reportagen zu recherchieren. Es war einfach jede Menge Geld im Umlauf: Die Verlage wollten hochklassigen Journalismus, von dem sie wussten, dass man den nicht billig kriegen konnte. Das Anzeigen-Geschäft brummte. Und der Normalbürger hatte genügend Münzen im Beutel, dass er sich gerne regelmäßig mehrere Magazine leistete, weil er wusste, dass wir Journalisten unseren vollen Einsatz brachten.“

„Seit dem Beginn dieses verschissenen neuen Jahrhunderts aber“, fuhr Diddi fort und legte dabei in der Regel seinen Kopf, den ein wilder blonder Lockenschopf umrahmt, in die Innenseiten seiner Hände, die Ellbogen starr auf den Tisch gestützt, „hat das Internet mit seiner Allgegenwart und Allmacht uns Kreativen das Genick gebrochen. Die Menschen erwarten mittlerweile, dass jeder Content, den Typen wie wir liefern, umsonst ist. Und wundern sich, dass sie von den Medien manipuliert und verblödet werden.“

 

Nach dieser Analyse entweicht in der Regel ein tiefer Seufzer dem hageren Diddi-Körper. Wir äußern uns dazu nicht, schließlich hören wir dieses Lamento nicht zum ersten Mal. Was sollen wir auch sagen? Tief im Inneren wissen wir, dass Diddi in solchen Momenten gerne mal jammert und sich in Selbstmitleid suhlt. Doch weitaus tiefer im Inneren wissen wir, dass er recht hat. Und auch uns, seit der Jugend ambitionierte Zeitungsleser, graut vor einer Zukunft ohne bedrucktes Papier, in der wir uns – wenn auch gratis – unsere Nachrichten im Netz selbst zusammen klauben dürfen, um sie im Anschluss auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, was nahezu unmöglich ist.

Das nahezu komplette Gegenteil von Diddi ist Toni, mit Anfang fünfzig unser Senior. Ein kugelrunder Mann mit Walross-Bart und dem dröhnendstem, herzlichstem Gelächter, das meine Ohren je vernommen haben. Sein massiger Körper passt hundert Prozent zu Tonis Beruf – er ist Metzgermeister, vor einem Vierteljahrhundert hat er in alter Familientradition das Geschäft von seinem Vater übernommen.

„Fleisch stopfen die Leute doch immer in sich rein“, ist Toni felsenfest überzeugt. Aber immer öfter runzelt er auch die Stirn, wenn er hinterher schiebt: „Diese Vegetarier- und Veganer-Brut könnte uns in der Zukunft noch mächtig Probleme bereiten. Irgendwann erschlage ich mal ein paar von denen mit einer großen Lammkeule“, feixt er, über die feisten Backen grinsend.

Für Toni gab es nie eine Alternative dazu, die väterliche Metzgerei nicht zu übernehmen.

„Ich wurde schon als Junge zur Fleischerei-Spur gedrillt. Als ich mit fünfzehn von der Schule abging, hatte ich meinen Ausbildungsvertrag bereits in der Tasche, von Papa organisiert. Ich konnte mir keinen anderen Job vorstellen.“

Dass Toni immer mal wieder Albträume heimsuchen, in denen ihm tote, gehäutete Tiere begegnen, die ihn wütend anbrüllen oder ihm ihre Todesschreie ins Ohr jagen wie scharf geschnittene Pfeilspitzen, davon erzählt er eher selten. Noch seltener erzählt er von seiner Leidenschaft für intellektuelle „Arthaus“-Filme – Faßbinder, Schlöndorff, Herzog, Chabrol, die ganze Klugscheisser-Blase –, die er sich in seiner knapp bemessenen Freizeit mit Begeisterung in winzigen Kinos reinzieht. Er denkt, so eine Obsession fördert nicht gerade das Image des ruppigen Proletariers, das er so gerne in der Öffentlichkeit verkörpern möchte.

Ein bunter Haufen jedenfalls, der hinter dieser Bruderschaft steckt. Kaum zu glauben, dass wir uns jeden Dienstag zusammentun, und das auch noch liebend gerne seit bald zwei Dekaden. Was uns verbindet: Die Neigung zum Heiraten. Wobei Toni und Fred gleich an der ersten Gemahlin kleben geblieben sind. Diddi brauchte einen zweiten Anlauf, doch momentan dümpelt es in seinem Hafen der Ehe gemütlich vor sich hin. Ich bin mal wieder, wie so oft in meinem Leben, die gloriose Ausnahme, mit meinen zwei Ehen und zwei damit verbundenen Scheidungen. Sei's drum!