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Über dieses Buch:

Rom im Jahre 1530. Die erfahrene Schönheit Nanna weiß: Im Leben hat eine Frau nur drei Optionen – Nonne, Ehefrau oder Kurtisane werden. Sie selbst hat in ihrem Leben schon alle Möglichkeiten einmal ausprobiert. Aber welche soll sie ihrer Tochter empfehlen? Auf Drängen ihrer Freundin Antonia hin erzählt Nanna von ihrer Zeit als Nonne, die nicht so fromm war, wie man es vermuten würde, sondern voller erotischer Eskapaden – und auch ihre Abenteuer als Ehefrau und Kurtisane rauben Antonia mit ihren schlüpfrigen Details den Atem …

Über den Autor:

Pietro Aretino (1492 – 1556) war ein italienischer Schriftsteller und Dichter der Renaissance. Zu seinen Werken zählen unter anderem Theaterstücke, Komödien und frivole Sonette, die ihm einen Ruf als Klassiker erotischer Literatur einbrachten.

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eBook-Neuausgabe Juni 2018

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Dieses Buch ist auch bekannt unter dem Titel Die Gespräche des göttlichen Pietro Aretino und erschien erstmals 1534 (Teil 1) bzw. 1536 (Teil 2) in Venedig.

Copyright © der Neuausgabe 2018 venusbooks GmbH, München

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Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Galina Tcivina

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (aks)

ISBN 978-3-95885-602-8

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Pietro Aretino

Kurtisanen-Gespräche

Erotischer Roman

Übersetzt von Heinrich Conrad

venusbooks

Der Gespräche erster Teil

Pietro Aretino an sein Äffchen

Heil, mein Joko, Heil dir! Sieh, das Glück hält jetzt auch über Tiere seine Hand – denn es hat dich aus deiner Heimat fortgeführt und zu mir gebracht. Ich habe bemerkt, daß du, unter deiner Affengestalt, eigentlich ein großer Herr bist, wie Pythagoras in Gestalt eines Hahnes ein Philosoph war; darum widme ich dir diese Arbeit oder vielmehr diese Belustigung von achtzehn Vormittagen, nicht als einem Affen, nicht als einem Makak, nicht als einem Pavian, sondern als einem großen Herrn. Und selbst wenn ich nicht vom Geheimnisbewahrer der Mutter Natur erfahren hätte, daß du ein solcher bist, und wärest du auch nur ein Tier, so hätte ich doch Nannas Gespräche mit der Antonia dir dediziert. Haben doch auch die alten Römer nicht nur den Mörder jenes Raben, dessen ganzes Verdienst sein Gruß an Cäsar war, mit dem Tode bestraft und seine Leiche von zwei Negern auf einer Bahre mit einem Flötenspieler voran zu Grabe tragen lassen, sondern sogar die Stätte, da er liegt, Ridiculus benannt; nun, wenn im Altertum so viele vernünftige Leute eine derartige Dummheit verübten, so darf wohl auch in unseren Tagen ein fröhlicher Narr sich mal eine leisten.

Ja, du bist ein großer Herr, das will ich dir beweisen. Zunächst: Du siehst aus wie ein Mensch und bist, was du bist; sie aber heißen große Herren und sind auch, was sie sind. Du schluckst in deiner Gefräßigkeit alles hinunter, was du bekommen kannst; sie sind ebenso gefräßig und zwar in einem Grade, daß die Völlerei schon nicht mehr zu den sieben Todsünden gerechnet wird. Du mausest, was du findest, und wär's nur 'ne armselige Nadel; sie stehlen so frech, daß es ihnen auch auf Menschenblut nicht ankommt, nur sehen sie sich den Ort an, wo sie ihre Räubereien begehen – aber auch dies machst du ja geradeso. Sie sind freigebig, davon wissen ihre Diener und ihre Untertanen ein Lied zu singen – man frage sie nur! Ebenso zuvorkommend und höflich bist auch du – das können die bezeugen, die mal versucht haben, etwas, was du hattest, dir aus den Pfoten zu nehmen oder zu reißen! Du bist so sinnlich, daß du mit dir selber Unzucht treibst; sie machen's ohne Scham mit demselben Stück Fleisch ebenso. An Frechheit nimmst du's mit dem schamlosesten, und nehmen sie's mit dem hungrigsten Bettler auf. Du bist immer voll Unrat, sie sind immer mit Salben beschmiert; dein Wirbelkopf treibt dich immer im Kreise herum, nirgends kannst du stillsitzen, und ihr Gehirn ist gerade so bedächtig, wie dein unruhiges Wesen. Deine Affenstreiche bilden das Ergötzen des Volkes, ihre Staatsangelegenheiten sind das Gelächter der Welt. Du hast Angst vor jedermann und jedermann hat Angst vor dir; sie werden von allen gefürchtet und fürchten alle. Deine Laster sind unvergleichlich, die ihrigen sind unschätzbar. Du schneidest jedem eine Grimasse, der dir nichts zu essen mitbringt; sie sehen jeden scheel an, der nichts zu ihrem Amüsement anzugeben weiß. Sie kümmern sich nicht um den Tadel, den man gegen sie erhebt; du hörst nicht auf die Scheltreden, die man dir hält. Und um auch das nicht zu vergessen: Wenn die großen Herren Affengesichter haben, so haben auch die Affen Große-Herren-Gesichter.

Doch wieder zu dir, mein Jokochen! Wenn du nicht gerade so geschmacklos wärest wie die Fürsten, so würde ich wohl einiges zur Entschuldigung des freien Stils sagen, worin dies Werk gehalten ist, das ich unter den Schutz deines Namens stelle. Gewiß wird dieser Name ihm geradeso nützlich sein, wie die Namen der großen Herren jenen Machwerken, die man jeden Tag schändlicherweise ihnen dediziert, unter Berufung auf Vergils Priapea oder auf die unzüchtigen Stellen in den Schriften Ovids, Juvenals und Martials. Aber da du geradeso gebildet bist wie sie, so will ich darüber nichts weiter sagen, und zum Lohn dafür, daß ich dich unsterblich mache, erwarte ich nichts weiter als einen Biß, den du mir schon bei passender Gelegenheit versetzen wirst. In gleicher Münze zahlen ja auch die Großkozen den Verfassern der ihnen gewidmeten Lobschriften, denn sie verstehen von den Wissenschaften geradeso viel wie du. Beinahe hätte ich gesagt, auch ihre Seelen gleichen der deinen, aber das wäre ja nicht höflich. Doch so viel darf ich sagen: die großen Herren verbergen ihre Fehler hinter den Büchern, die für sie angefertigt werden, geradeso wie du deine Häßlichkeiten unter den Kleidern versteckst, die ich dir habe machen lassen.

Und nun, mein durchlauchtigster Joko – den Titel Durchlaucht führen ja auch die großen Satrapen, und mit geradeso viel Recht wie du – nimm mir mein Buch weg und reiß die Blätter heraus! Die großen Herren reißen ja nicht nur die Blätter heraus, sondern wischen sich sogar den – na, darüber brauch ich dir nichts weiter zu sagen: Ruhm und Ehre ist das für die Musen, die mit aufgehobenen Röcken hinter jenen herlaufen und dafür von ihnen geachtet werden, wie du mich achtest! Vielleicht hättest du's gern gesehen, wenn ich in Nannas Erzählungen von den Nonnen auch den äußeren Anschein deiner Schandmäulichkeit vermieden hätte. Nanna ist eine Schwätzerin und plappert heraus, was ihr auf die Zunge kommt, und es ist ganz recht, wenn man den Nonnen alles Böse nachsagt, denn so, wie sie sich der breiten Menge zeigen, sind sie schlimmer als die gemeinsten Dirnen. Schon haben sie die ganze Welt vollgemacht von Kindern des Antichrist, und mit dem Gestank ihrer Sittenverderbnis nehmen sie den reinen Blüten der Jungfräulichkeit die Lebensluft. Ich meine die Himmelsbräute und Mägde des Herrn, denn auch solche gibt es ja noch. Wenn ich nur daran denke, so fühle ich mich ganz erfrischt von dem wundersamen Hauch von Heiligkeit und Frömmigkeit, der einem in die Seele dringt, sobald man ihren Heimstätten sich naht, wie der liebliche Rosenduft uns in die Nase steigt, sobald wir an einem Ort vorbeigehen, wo Rosen blühen. Wir verlangen nicht mehr nach Engelmusik, wenn wir sie die heiligen Gesänge anstimmen hören, mit denen sie Gottes Zorn besänftigen, indem sie ihn bewegen, uns unsere Schuld zu verzeihen. Von diesen also, die treu ihrem Gelübde der Keuschheit nachleben, von diesen spricht Nanna nicht, wie wir auch von ihr selber hören werden in ihrem Gespräch mit der Antonia, sondern sie spricht nur von denen, deren Sündengeruch des Teufels Riechbüchslein ist. Und gewiß! So wie ich es niemals wagen würde, einen anderen Kaiser anzubeten und ehrfurchtsvoll zu preisen als nur Cäsar allein, einen anderen zu besingen als den großen Antonio da Leva, einen anderen Herzog zu erheben als den Herzog von Urbino, einem anderen Marchese zu dienen als dem Marchese del Vasto, einem anderen Fürsten aufzuwarten als dem Fürsten von Salerno, von anderen Grafen zu sprechen als von Guido Rangone und Massimiano Stampa – so hätte ich das, was ich über die Nonnen zu Papier gebracht habe, weder zu denken noch zu schreiben gewagt, wäre ich nicht der Überzeugung gewesen, mit der Flamme meiner feurigen Feder die Schandmale ausbrennen zu müssen, mit denen ihre zuchtlose Brunft ihr Leben besudelt hat. Während sie in ihren Klöstern leben sollten, wie die Lilien im Garten wachsen, haben sie sich dermaßen mit dem Unflat der Welt beschmutzt, daß sogar die Hölle sich vor ihnen verschließt, geschweige denn der Himmel. So hoffe ich denn, mein Wort werde jenes grausame, aber barmherzige Messer sein, womit der Arzt ein krankes Glied abschneidet, damit die anderen gesund bleiben.

DER ERSTE TAG

Wie Nanna in Rom unter einem Feigenbaum der Antonia von dem Leben der Nonnen erzählte

ANTONIA Was hast du denn, Nanna? Du machst ja ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter! Paßt sich das für eine, die die Welt regiert?

NANNA Die Welt? Ach herrje!

ANTONIA Gewiß: die Welt! Ja, wenn ich Trübsal blasen wollte! Bei mir beißt ja gar niemand mehr an als die Franzosen (denn die hab' ich, leider!); ich bin »arm, aber stolz« und wenn ich von mir sage, daß ich schleckerhaft bin, so begeh' ich damit keine Sünde wider den heiligen Geist.

NANNA Meine gute Antonia: jeder Mensch hat seine Trübsal, und Trübsal ist gar manches, wovon du denkst, es sei eitel Lust, und manche Trübsal gibt's, von der du dir nicht träumen läßt – und glaube mir, glaube mir: unsere Erde ist nur ein Jammertal.

ANTONIA Ja, ein Jammertal für mich, aber nicht für dich, die alle Tage Fettlebe macht. Auf Plätzen und Straßen, in allen Kneipen und überall hört man ja nur Nanna hier und Nanna da; dein Haus ist immer voll wie'n Ei und ganz Rom tanzt um dich herum den Mohrentanz, den wir im Jubeljahr von den Ungarn sehen.

NANNA Ja, freilich, freilich! Aber trotzdem bin ich nicht zufrieden. Weißt du, ich komme mir vor wie 'ne junge Frau, die mit einem Riesenhunger am vollbesetzten Tische sitzt und aus einem gewissen Schamgefühl nicht zu essen wagt, obwohl sie weiß, daß Küche und Keller voll sind. Und gewiß, gewiß, Gevatterin: 's ist nicht alles, so wie's sein sollte – und damit holla!

ANTONIA Du seufzest?

NANNA Ach, du lieber Gott, ja.

ANTONIA Du solltest lieber nicht seufzen: Nimm dich in acht, daß der liebe Gott dir nicht was schickt, worüber du Ursache hättest zu seufzen!

NANNA Aber das ist doch ganz natürlich, daß ich seufze! Denk dir bloß: meine Pippa wird doch nun sechzehn und muß doch was werden. Und da sagt mir nun der eine: »Laß sie Nonne werden; da sparst du Dreiviertel an der Mitgift und obendrein kriegt der Kalender 'ne neue Heilige«; der andere sagt: »Verheirate sie doch; du bist ja so reich – was kommt's denn dir darauf an, ob du ein bißchen abgibst?« Der dritte redet mir zu, ich solle sie lieber gleich Kurtisane werden lassen; »denn«, sagt er, »wenn's Glück gut ist, so wird sie als Kurtisane sofort 'ne Dame und mit dem, was du hast und was sie sich im Handumdrehen dazu verdienen wird, kann sie 'ne Königin werden.« Kurz und gut, ich bin außer mir! Du siehst, auch Nanna hat ihre Sorgen.

ANTONIA Solche Sorgen können doch für eine Frau, wie du bist, bloß ein angenehmer Kitzel sein! Das ist gerade, wie wenn einer, der ein bißchen Krätze hat, abends nach Hause kommt, sich die Strümpfe auszieht und sich dabei schon auf den Genuß des Kratzens freut. Sorgen nenn' ich, wenn man mit ansehen muß, wie die Brotpreise fortwährend steigen, 'ne Qual ist's, wenn der Wein immer teurer wird, das Herz blutet einem, wenn man die Miete bezahlt, und es dreht sich einem im Leibe um, wenn man zwei- oder dreimal im Jahre Holz kaufen muß. Beulen und Schwären wird man nicht mehr los, und die Trübsal hört gar nimmer auf. Ich wundere mich, daß du wegen so 'ner Lappalie dir überhaupt Gedanken machst!

NANNA Warum wundert dich denn das?

ANTONIA Na, du bist doch in Rom geboren und aufgewachsen; du mußtest ja mit verbundenen Augen zum rechten Entschluß kommen, was du die Pippa willst werden lassen! Sag' mal, bist du nicht Nonne gewesen?

NANNA Ja.

ANTONIA Hast du nicht 'nen Mann gehabt?

NANNA Den hatt' ich.

ANTONIA Und warst du nicht Kurtisane?

NANNA Ja, das war ich.

ANTONIA Na! Hast du denn nicht soviel Verstand, aus diesen Dreien das Beste herauszufinden?

NANNA Jesus Maria, nein!

ANTONIA Warum denn nicht?

NANNA Weil's die Nonnen, die Ehefrauen und die Freudenmädchen heutzutage nicht mehr so gut haben wie früher.

ANTONIA Ha ha ha! Das Leben geht immer nach der alten Leier! Von jeher haben die Leute gegessen und getrunken, immer haben sie geschlafen und die Nächte durchschwärmt, mit Gehen und Stehen war's immer dasselbe und immer werden die Weiber durch ihre Ritze pissen. Weißt du, es wäre doch gar zu nett, wenn du mir erzähltest, wie zu deiner Zeit die Nonnen, die verheirateten Frauen und die Freudenmädchen es hatten, und ich schwöre dir bei den sieben Kirchen, die ich nächste Fastenzeit abmachen werde: wenn du mir alles erzählt hast, so will ich dir in vier Worten sagen, was du deine Tochter sollst werden lassen – du bist ja doch in deinem Fach eine Ausgelernte. Nun sage mir, warum du nichts davon wissen willst, daß deine Tochter Nonne wird?

NANNA Ich weiß wohl, warum!

ANTONIA Bitte, sag's mir doch! Sieh mal, heut ist ja Magdalenentag, der Tag unserer heiligen Schutzpatronin, da wird ja doch nicht gearbeitet, und selbst wenn ich eigentlich arbeiten sollte – ich habe Brot und Wein und Pökelfleisch für drei Tage!

NANNA Wirklich?

ANTONIA Ganz gewiß!

NANNA Na, dann will ich dir heute vom Leben der Nonnen erzählen, morgen von dem der Ehefrauen und übermorgen von dem der Freudenmädchen. Bitte, setz' dich hier neben mich und mach' dir's recht bequem.

ANTONIA So, da sitz' ich ausgezeichnet; nun los!

NANNA Die Pest möchte ich dem Monsignor – ich will seinen Namen nicht nennen – an den Hals wünschen, weil er mich auf den unglückseligen Gedanken brachte ...

ANTONIA Rege dich nur nicht auf!

NANNA Meine liebe Antonia: wenn man sich zu entscheiden hat, ob man seine Tochter Nonne oder Freudenmädchen werden lassen oder ob man sie verheiraten soll, da steht man gleichsam vor einem Kreuzweg. Man überlegt sich 'ne gute Zeit, ob man den einen oder den anderen einschlagen soll, und da kommt's denn manchmal vor, daß einen der Teufel gerade auf die verkehrte Straße bringt. So machte es der Böse auch mit meinem Vater selig, als dieser mich eines Tages zur Nonne bestimmte – sehr gegen den Willen meiner Mutter, heiligen Angedenkens, die du vielleicht noch gekannt hast. Oh, das war 'ne Frau!

ANTONIA Ja, ich habe eine dunkle Ahnung, daß ich sie mal gesehen habe; jedenfalls kenne ich sie vom Hörensagen, und ich weiß, daß sie hinter den Bänken{i} Mirakel wirkte, und habe gehört, daß dein Vater, ein wackrer Sbirre des Bargello, sie aus Liebe geheiratet hatte.

NANNA Oh, erinnere mich nicht an das gebrannte Herzeleid jenes Tages, da Rom nicht mehr Rom war und das erlesene Paar mich als Waise zurückließ! Doch zur Sache: Also, es war an einem ersten Mai, da brachten mich Mona Marietta – das war der Name meiner Mutter, aber gewöhnlich nannte man sie die »schöne Tina« – und Meister Barbieraccio, mein Vater, mit der ganzen Sippschaft: Onkeln und Tanten, Großvätern und Großmüttern, Basen und Vettern und Neffen und Brüdern, und mit 'ner ganzen Schar von Freunden und Bekannten nach der Kirche des Klosters. Ich war ganz und gar in Seide gekleidet, die von Ambra duftete, und trug ein goldenes Käppchen, darauf lag der Jungfernkranz aus Blumen, Rosen und Veilchen, und meine Handschuhe waren parfümiert und meine Pantoffeln von Samt, und die Perlen, die ich am Halse trug, und die Kleider, die ich auf dem Leib hatte, die waren, wenn ich mich recht erinnere, von der Pagnina, die neulich ins Magdalenenstift eintrat.

ANTONIA Anderswoher konnten sie gewiß nicht sein!

NANNA Also, fein geschmückt und sauber wie aus dem Ei gepellt, betrat ich die Kirche. Da waren Tausende und Abertausende von Menschen, die drehten sich alle nach mir um, sobald ich erschien, und die einen sagten: »Ach, da bekommt aber der liebe Herrgott 'ne schöne Braut!« und andere: »Schade, daß so 'n hübsches Mädchen Nonne wird!« Und einige machten das Kreuz über mir, andere sahen mich an, wie wenn sie mich mit den Augen verschlingen wollten, und noch wieder andere sagten: »Die gibt mal 'n leckeren Happen für irgend 'nen Mönch!« Aber ich dachte mir nichts Böses bei solchen Worten, ich hörte nur immer ganz fürchterliche Seufzer, und an der Stimme erkannte ich, daß sie aus dem Herzen eines meiner Liebhaber kamen, der während des Gottesdienstes in einem fort heulte.

ANTONIA Was? Du hattest schon Liebhaber, ehe du Nonne wurdest?

NANNA Welches Mädel hätte die nicht gehabt! Aber das war in allen Züchten und Ehren. Ich mußte nun auf der Frauenseite ganz obenan Platz nehmen und nach einer kleinen Weile begann die Messe und ich kniete zwischen meiner Mutter Tina und Tante Ciampolina, und der Kantor spielte auf der Orgel einen Lobgesang. Nach der Messe wurden meine Nonnenkleider eingesegnet; die lagen auf dem Altar und der Priester, der die Epistel gelesen, und der andere Priester, der das Evangelium gelesen hatte, die führten mich hinauf und nun mußte ich auf den Stufen des Hochaltars niederknien. Dann reichte der, der die Messe gelesen hatte, mir das Weihwasser und sang mit den anderen Priestern das Te Deum laudamus und vielleicht noch hundert Psalmen, dann zogen sie mir die weltlichen Kleider aus und legten mir das geistliche Gewand an, und die Leute drängten sich heran und machten einen Lärm wie – wie man ihn in Sankt Peter und in Sankt Johannes hört, wenn da eine aus Verrücktheit oder aus Verzweiflung oder aus Ulk sich einmauern läßt – wie ich's auch mal durchgemacht habe.

ANTONIA Ja, ja; ich sehe dich noch vor mir mit der Menschenmenge um dich herum.

NANNA Als dann die Feierlichkeit vorbei war und sie mir den Weihrauch gereicht hatten und das Benedicamus und das Oremus und das Halleluja gesungen hatten, da öffnete sich eine Tür, die kreischte, wie wenn man den Deckel der Armenbüchse aufmacht. Ich mußte aufstehn und wurde nach draußen geführt, wo etwa zwanzig Schwestern mit der Äbtissin mich erwarteten. Sobald ich sie erblickte, machte ich ihr 'ne schöne Reverenz, und sie küßte mich auf die Stirn und sagte zu meinem Vater und meiner Mutter und den Verwandten ein paar Worte, die ich nicht behalten habe, und die vergossen alle Ströme von Tränen, und auf einmal wurde die Tür zugeworfen, und ich hörte ein Stöhnen, das allen Anwesenden durch Mark und Bein ging.

ANTONIA Woher kam denn dies Stöhnen?

NANNA Von meinem armen Liebsten, der den anderen Tag Barfüßermönch oder Betteleremit wurde – ich weiß nicht mehr was.

ANTONIA Der arme Kerl!

NANNA Als nun die Tür plötzlich zugeschmissen wurde, daß ich nicht mal meinen Angehörigen Lebewohl sagen konnte, da dachte ich, ich wäre bei lebendigem Leibe ins Grab gelegt, und die Frauen um mich her wären halbtot von Geißelhieben und vom Fasten; und ich weinte nicht mehr um meine Eltern, sondern um mich selber. Und ich ging mit niedergeschlagenen Augen und mein Herz dachte an das, was mir bevorstände. So kamen wir in den Speisesaal, wo eine Schar von Nonnen auf mich zulief, um mich zu umarmen. Sie nannten mich sofort »Schwester« und sagten mir, ich sollte doch mal aufschauen. Das tat ich und siehe! Da waren eine Menge frische und helle Gesichter mit roten Wangen! Da wurde mein Herz fröhlich und ich blickte mit größerer Zuversicht um mich und sagte zu mir selber: »Wirklich, der Teufel ist nicht so häßlich, wie man ihn malt!« Und auf einmal da kam eine ganze Schar von Mönchen und Priestern und unter ihnen auch einige Weltgeistliche, lauter junge Leute, die schönsten und saubersten und fröhlichsten jungen Leute, die ich je gesehen, und jeder nahm seine Freundin bei der Hand und sie sahen aus wie Engel, die auf einem Ball im Himmel zum Tanze antreten.

ANTONIA Du, über den Himmel mach' keine Witze!

NANNA Sie sahen aus wie Verliebte, die mit ihren Nymphen scherzen.

ANTONIA Der Vergleich ist schon eher zulässig. Nun, und weiter?

NANNA Sie nahmen sie also bei der Hand und gaben ihnen die zärtlichsten Küsse und einer wetteiferte mit dem anderen, wer die süßesten gäbe.

ANTONIA Und welche Küsse hatten, deiner Meinung nach, den größten Zuckergehalt?

NANNA Natürlich die von den Mönchen!

ANTONIA Warum?

NANNA Den Grund ersiehst du aus der Legende von der »Buhlerin von Venedig.«

ANTONIA Und dann?

NANNA Dann setzten sich alle zu Tisch. Und es war die köstlichste Tafel, die ich je in meinem Leben gesehen hatte. Auf dem Ehrenplatz saß die fromme Mutter Äbtissin und zu ihrer Linken der Herr Abt; an der anderen Seite der Äbtissin saß die Schatzmeisterin und neben dieser der Bakkalaureus, ihr gegenüber die Sakristanin mit dem Novizenmeister, und dann kamen in bunter Reihe immer eine Nonne, ein Mönch und ein Weltgeistlicher und untenan saßen, ich weiß nicht wie viele Pfäfflein und Mönchlein; ich selber aber saß zwischen dem Prediger und dem Beichtiger des Klosters. Und dann kam das Essen und ein Essen war's, wie's der Papst selber nicht besser hat, so versicherte man mir. Da hörte sofort das Schwatzen auf und es war, als ob die Inschrift »Stille«, die man in den Refektorien der Klosterväter liest, sich auf Lippen und Zungen herabgesenkt hätte, und nur die Lippen machten beim Essen ein leise murmelndes Geräusch, wie wenn die Seidenwürmer, nachdem sie ganz ausgewachsen sind, ihr langentbehrtes Futter bekommen und an den Blättern knuspern. Ich meine die Blätter jenes Baumes, in dessen Schatten der arme Pyramus und die arme Thisbe Kurzweil zu treiben pflegten – möge Gott sie dort oben beschirmen, wie er sie hier unten in seine Hut nahm.

ANTONIA Du meinst die Blätter vom weißen Maulbeerbaum.

NANNA Hahaha!

ANTONIA Warum lachst du so?

NANNA Ich lache, weil ich eben an einen Schlingel von Mönch denke – Gott verzeih' mir diesen Ausdruck – der kaute mit allen zweiunddreißig Zähnen und hatte ein Paar Backen wie ein Posaunenengel, und auf einmal setzte er eine Flasche an den Mund und schlürfte sie in einem Zuge leer!

ANTONIA Möchte er dran erstickt sein!

NANNA Als sie nun den ersten Hunger gestillt hatten, da fingen sie an zu plappern und es kam mir vor, als wäre ich nicht bei einem Klosterfrühstück, sondern mitten auf dem Navonaplatz, wo man rechts und links und hinten und vorne nichts als Juden mit den Leuten feilschen und schachern hört. Und als sie dann satt waren, da nahmen sie Hühnerflügel und Hahnenkämme und dergleichen und damit fütterten sie sich gegenseitig, wie Schwalben ihre Schwälblein atzen. Und was für ein Gelächter gab es da, wenn so ein Kapaunensterz präsentiert wurde, und was für Bemerkungen wurden bei solchen Gelegenheiten gemacht!

ANTONIA So 'ne Bande!

NANNA Mir wurde ganz übel, als ich sah, wie eine Nonne einen schönen Bissen zerkaute und darauf mit ihrem eigenen Munde ihrem Freunde hinhielt.

ANTONIA Brrr!

NANNA Allmählich verwandelte sich die Lust am guten Essen in jenen Überdruß, der allzu reichlicher Sättigung entspringt; da fingen sie an sich anzuprosten wie die Deutschen; und der Ordensgeneral stand auf und ergriff einen großen Pokal voll Korserwein, forderte die Äbtissin auf, ihm Bescheid zu tun und schluckte das Ganze hinunter wie 'nen falschen Eid. Alle Augen glänzten bereits wie Spiegelglas vom vielen Trinken, bald aber liefen sie an wie Diamanten, die man anhaucht; sie wurden müde, und viele schwere Köpfe sanken auf das Tischtuch, wie wenn's ein Kopfkissen gewesen wäre. Auf einmal aber wurden alle munter, denn ein schöner Knabe betrat den Speisesaal, der trug in der Hand einen Korb, worauf das weißeste und feinste Tuch lag, das ich je gesehen habe. Schnee, Reif, Milch sind nichts gegen diese Weiße. Es war so weiß wie der Mond am fünfzehnten Tage. Ja, das war es!

ANTONIA Was machte er denn mit dem Korbe und was war darinnen?

NANNA Pst, Pst! Nur sachte! Der Knabe machte eine schöne Verbeugung auf spanisch-neapolitanische Art und sagte: »Gesegnete Mahlzeit, meine Herrschaften!« Dann fuhr er fort: »Ein ergebener Diener dieser schönen Gesellschaft sendet Euch einige Früchte aus dem irdischen Paradies.« Dann nahm er das Tuch ab und setzte das Geschenk auf den Tisch. Und ein rasendes Gelächter brach los wie rollender Donner; so unwiderstehlich wurde die Gesellschaft zum Lachen hingerissen, wie eine Familie sich Tränen und Wehklagen überlassen muß, wenn sie den Hausvater seine Augen zum ewigen Schlummer hat schließen sehen.

ANTONIA Du machst ja recht hübsche und naturgetreue Vergleiche!

NANNA Die Hände von diesem und von jener hatten sich in den letzten Augenblicken mit Schenkeln, Busen, Wangen, Flöten und Pfeifen der Nachbarin oder des Nachbarn beschäftigt, und sie waren so geschickt wie die Taschendiebe, die den Maulaffen ihre Börsen wegzupicken wissen; kaum aber wurden die paradiesischen Früchte sichtbar, so fuhren die Hände in den Korb hinein, und sie waren so hurtig wie die Leute, die am Lichtmeßabend sich auf die Kerzen stürzen, die vom Balkon herabgeworfen werden.

ANTONIA Was waren's denn für Früchte? Sag's mir doch!

NANNA Es waren gläserne Früchte, wie man sie in Murano bei Venedig verfertigt von der Gestalt eines Kappa, nur waren an jedem Stengel zwei Schellen von einer Größe, daß eine Janitscharenmusik sich ihrer nicht hätte zu schämen brauchen.

ANTONIA Ha ha ha! Ausgezeichnet! Ich verstehe vollkommen; was für Stengel du meinst!

NANNA Und selig war die, die den größten und dicksten für sich erwischte; und keine von den Nonnen genierte sich, den ihrigen zu küssen, und sie sagten, diese Früchte hülfen ihnen, den Anfechtungen des Fleisches zu widerstehen ...

ANTONIA ... die der Teufel holen möge!

NANNA Ich spielte die Unschuld vom Lande und äugelte nur verstohlen nach den Früchten, wie eine schlaue Katze, die mit den Augen nach der Köchin sieht und die Pfote nach dem Stück Fleisch ausstreckt, das aus Versehen nicht eingeschlossen worden ist. Und wenn nicht meine Tischnachbarin, die sich zwei Früchte genommen hatte, mir eine davon abgegeben hätte, so hätte ich mir selber eine geholt, um nicht wie eine Zimperliese dazusitzen. Doch um es kurz zu machen: inmitten des Gelächters und des Stimmengeschwirrs stand mit einmal die Äbtissin auf und alle Anwesenden folgten ihrem Beispiel: und das Benedicite, das sie sprach, klang nicht wie Latein, sondern wie gutes Italienisch.

ANTONIA Lassen wir das Benedicite! Was machtet ihr nach dem Essen?

NANNA Warte doch nur; das kommt ja gleich! Nach Tisch gingen wir in ein Zimmer, dessen Wände über und über mit Malereien bedeckt waren.

ANTONIA Was waren denn das für Schildereien? Wohl die Bußwerke der Fastenzeit? Oder was sonst?

NANNA Schöne Bußwerke! Die Malereien waren der Art, daß selbst ein Kastrat sich bei ihrem Anblick amüsiert hätte. Das Zimmer hatte vier Wände. Auf der ersten Wand sah man das Leben der heiligen Nafissa abgebildet. Da erblickte man das gute Mädchen, wie es mit zwölf Jahren, ganz von christlicher Liebe erfüllt, all sein Hab und Gut an Sbirren, Zöllner, Priester, Kuppler und andere derartige würdige Leute verschenkte. Und als sie gar nichts mehr hatte, da setzte sie sich demütig und fromm, mit Verlaub zu sagen, mitten auf die Sixtusbrücke. Und sie hatte nichts um und an sich, als 'n Stühlchen und 'n Fußmättchen und 'n Hündchen und ein Blatt Papier, das war an einem eingekerbten Stöckchen befestigt, damit fächerte sie sich und jagte die Fliegen weg.

ANTONIA Warum saß sie denn auf'm Stühlchen?

NANNA Sie stellte eben eins von den guten Werken dar: die Kleider der Nackenden. Und so saß denn das junge Ding da, wie ich's dir beschrieben habe, und das Gesicht hielt sie dem Himmel zugewandt und den Mund hatte sie offen, wie wenn sie gerade das Liedchen sänge:

Wo bleibst du, mein Geliebter?
Was kommst du nicht zu mir?

Auf einem anderen Bilde sah man sie stehen und sich zu einem neigen, der aus übergroßer Bescheidenheit nicht gewagt hatte, sie um etwas von ihren Sachen zu bitten. Auf den ging sie ganz heiter in ihrer Nächstenliebe zu und führte ihn in die Höhle, wo sie die Betrübten tröstete. Da zog sie ihm zuerst den Rock aus und nestelte ihm die Hosen auf und als sie das Hähnchen gefunden hatte, da streichelte sie's so zärtlich, bis es ganz stolz sich aufrichtete und wie ein Hengst, der sich von der Halfter losreißt, um zu der Stute zu gelangen, plötzlich ihr zwischen die Beine fuhr. Aber sie mochte sich wohl nicht für würdig halten, ihm ins Gesicht zu sehen, oder vielleicht auch, wie der Prediger sagte, der uns ihr Leben erläuterte, wurde ihr plötzlich bange, als sie ihn so rot, so glühend, so aufgeregt sah, und mit einer prachtvollen Bewegung drehte sie ihm den Rücken zu.

ANTONIA Möge es ihrer Seele gelohnt werden!

NANNA Ist es ihr denn nicht schon gelohnt? Sie ist doch 'ne Heilige geworden!

ANTONIA Da hast du recht.

NANNA Wer könnte dir alles erzählen? Da war auch das Volk Israel abgebildet, das sie ganz beherbergte und immer amore dei befriedigte. Da sah man manchen gemalt, der gekostet hatte, was da war und dann mit einer Hand voll Geld von ihr ging, das ihr ein freigebiger anderer notgedrungen hatte schenken müssen. Wer ihr Äckerlein bestellte, dem ging es manchmal wie einem, der im Hause eines Verschwenders Herberge findet: dieser nimmt ihn nicht nur gastlich auf, gibt ihm Nahrung und Kleidung, sondern schenkt ihm noch obendrein das Reisegeld, um an seinen Bestimmungsort gelangen zu können.

ANTONIA O gebenedeite und makellos heilige Nafissa, erleuchte du meinen Geist, daß ich deinen allerheiligsten Fußstapfen folge!

NANNA Kurz, alles, was sie sonst noch machte, vor oder hinter Tür und Tor, das ist dort in voller Natürlichkeit abgebildet, und alles, was sie bis an ihr Lebensende tat, ist da gemalt. Und an ihrem Grabgewölbe, da sieht man die Abbildungen von allen Italienern, die sie in dieser Welt zurückgelassen, um sie einst in jener Welt wiederzufinden: und das war ein buntes Gewimmel von Schlüsseln wie von Kräutern in einem Maisalat.

ANTONIA Donnerwetter! Die Bilder will ich mir doch auf jeden Fall mal ansehen!

NANNA Auf der zweiten Wand ist die Geschichte von Masetto aus Lamporecchio, und, meiner Seel' man denkt, die beiden Nonnen, die ihn in die Scheune geführt haben, sind von Fleisch und Blut; der Kerl aber liegt da und tut, als ob er schlafe, während sein Hemd sich an dem hoch aufgerichteten Mast wie ein Segel bläht.

ANTONIA Hahaha!

NANNA Ja, da mußte wirklich jedermann lachen, der's sah, und besonders auch über die beiden anderen Nonnen, die von den losen Scherzen ihrer Mitschwestern Wind gekriegt hatten und sich dies sofort zunutze machten, aber nicht etwa, indem sie's der Äbtissin petzten, sondern indem sie mit an dem Vergnügen teilnahmen, und geradezu verblüffend war Masetto gemalt, der ihnen durch Zeichen zu verstehen gab, daß er nichts von ihnen wissen wolle.

Und zuletzt sah man die Oberin der Nonnen; die fing es vernünftig an, indem sie den braven Mann einlud, mit ihr zu speisen und zu schlafen. Eines Nachts aber kriegte er Angst, die Sache möchte ihn zu sehr anstrengen, und fing an zu sprechen; da lief das ganze Dorf zusammen, um das Wunder zu sehen; das Kloster aber wurde als heilig kanonisiert.

ANTONIA Hahaha!

NANNA Auf der dritten Wand waren – wenn ich mich recht erinnere – die Porträts aller Schwestern, die überhaupt dem Orden angehört hatten, und neben jeder sah man das Bild ihres Liebsten und auch ihrer Kinder, und die Namen eines jeden und einer jeden waren darunter geschrieben.

ANTONIA 'ne schöne Ehrentafel!

NANNA Auf der vierten Wand endlich waren alle die verschiedenen Arten, wie man stöpseln und sich stöpseln lassen kann, dargestellt. Die Nonnen sind nämlich verpflichtet, ehe sie mit ihren Freunden ans Werk gehen, erst alle Akte, die man da abgebildet sieht, in lebenden Bildern darzustellen. Und das müssen sie, damit sie sich im Bette nicht so tölpelig anstellen, wie gewisse Frauenzimmer, die alle viere von sich strecken und daliegen wie die Klötze. Solche Liebe hat natürlich weder Saft noch Kraft und wer's mit so 'nem Mädel zu tun kriegt, der hat nicht mehr Vergnügen daran, als wenn er 'ne Bohnensuppe ohne Salz ißt.

ANTONIA Da brauchen sie wohl gar 'ne Lehrerin, so 'ne Art Fechtmeisterin der Liebe?

NANNA Nun freilich; und diese Lehrmeisterin zeigt den Ungeübten, wie sie's machen müssen, wenn der Mann den Stachel der Fleischeslust spürt, und wenn er etwa auf einer Kiste, oder auf 'ner Treppe, oder auf einem Stuhl oder Tisch oder auf dem Fußboden seine Reiterei zu veranstalten wünscht. Und die Lehrerin, die den Nonnen die verschiedenen Stellungen beibringt, tut das mit einer Geduld, wie wenn sie einen Hund oder Papagei oder Starmatz oder 'ne Elster abrichtete. Und die Kunststückchen der Taschenspieler sind leichter zu lernen als die Behandlung des Hähnchens, so daß es steht, auch wenn es keine Lust hat.

ANTONIA Wirklich?

NANNA Verlaß dich drauf. Schließlich wurden wir dann des Bilderbeguckens und Plauderns und Scherzens überdrüssig. Und wie plötzlich die Straße leer wird, wenn die Barben im Wettlauf heranrasen oder, um ein besseres Bild zu gebrauchen, wie die Schüssel mit Kuhfleisch sich leert, wenn die Dienstboten, die sonst kein Fleisch bekommen, darüber herfallen, oder wie die Feigen vor dem hungrigen Bauern verschwinden; so verschwanden Nonnen, Mönche, Pfarrer und Weltpriester, auch die jungen Pfäfflein drückten sich und der Junge, der die Glasdinger gebracht hatte, ging ebenfalls seines Weges. Nur der Bakkalaureus blieb bei mir; ich war nämlich ganz alleine, beinahe zitternd, dageblieben und konnte kein Wort hervorbringen. Und er sagte zu mir: »Schwester Christiana« – diesen Namen hatten sie mir gegeben, als ich das geistliche Gewand anlegte – »Schwester Christiana, meines Amtes ist es, Euch in die Zelle zu geleiten, wo die Seele über den Körper triumphiert und zur Seligkeit gelangt.« Ich wollte einige Umstände machen, aber all mein Sträuben half mir nichts; er ergriff meine Hand, in der ich die gläserne Wurst hielt, so daß diese beinahe zu Boden gefallen wäre. Da stieß ich unwillkürlich einen Seufzer aus, und der fromme Padre faßte sich ein Herz und gab mir 'nen Kuß, und da ich von meiner Mutter her ein mitleidiges Herz habe und nicht von Stein bin, so hielt ich mäuschenstill und sah ihn durch halbgeschlossene Augenlider an.

ANTONIA Das war sehr richtig von dir.

NANNA Und so ließ ich mich von ihm führen, wie der Blinde vom Hündchen. Na, schön und gut! Er führte mich also in ein Kämmerchen, das gerade in der Mitte aller Zellen gelegen war. Diese Zellen aber waren nur durch dünne Ziegelwände getrennt und die Fugen waren so schlecht verstrichen, daß überall große Ritzen waren; und man brauchte nur das Auge an eine dieser Spalten zu legen, um sofort zu sehen, was in allen Nebenkammern vorging. Kaum waren wir in der Zelle angekommen, und kaum hatte der Bakkalaur den Mund aufgetan, um mir zu sagen, meine Schönheiten – ich glaube, so drückte er sich aus – stächen die Reize der Feen aus, und dann hieß es: »meine Seele«, »mein Herz«, »mein teures Blut«, »mein süßes Leben« – und so die ganze Litanei zu Ende; und gerade hatte er mich aufs Bett gelegt, wogegen ich mich nicht im geringsten sträubte – da auf einmal ging es: Tick! Tack! Tack! Der Bakkalaur und alle anderen im Kloster, die's hörten, die kriegten einen fürchterlichen Schreck. Stell dir vor, es kommt einer plötzlich in 'ne Scheune hinein, wo eine Menge Mäuse sich in einem Nußhaufen gütlich tun – natürlich bekommen die Tierchen es mit der Angst, daß sie kaum noch wissen, wo ihre Löcher sind – so liefen auch die Klosterleutchen herum, um in ein Versteck zu schlüpfen, und dabei stießen und pufften und drängten sie sich und waren vor Angst vor dem Safrugan ganz außer Rand und Band; es war nämlich der Safrugan des Bischofs, dem das Kloster unterstand, der machte uns mit dem Tick! Tack! Tack! solche Angst, wie wenn wir Frösche gewesen wären, die wohlgemut am Grabenrand im Grase sitzen; du hast gewiß schon gesehen, wie sie, wenn jemand ruft oder ein Stein ins Wasser plumpst, plötzlich alle miteinander kopfüber in den Graben hopsen. Und wie er nun durch den Schlafsaal ging, da fehlte nicht viel, so wäre er in die Zelle der Äbtissin eingetreten, die gerade mit dem Ordensgeneral darüber verhandelte, ob nicht ihre Nonnen anstatt der Vesper eine Morgenandacht halten könnten. Und die Schwester Kellermeisterin erzählte uns, er hätte bereits seine Hand erhoben, um ihr 'nen Puff zu geben oder wer weiß was sonst noch; zum Glück aber besann er sich noch und ging nicht weiter, weil nämlich ein Nönnlein vor ihm auf die Knie fiel, das sich auf den figurierten Gesang verstand wie die Drusiana des Buovo d'Antona{ii}.

ANTONIA Oh, das hätte ein Hallo gegeben, wenn er hineingegangen wäre, hahaha!

NANNA Aber wir kamen nur gerade eben noch mit einem blauen Auge davon, das kannst du mir glauben, denn kaum hatte der Suffragan sich hingesetzt ...

ANTONIA Jetzt hast du das Wort richtig ausgesprochen.

NANNA ... da kommt auf einmal ein Kanonikus, ein Primuzer{iii}, und bringt ihm die Nachricht, der Bischof sei ganz in der Nähe. Sofort steht er auf und begibt sich eiligst nach dem Bischofspalast, um sich zurechtzumachen, denn er mußte dem Bischof entgegengehen. Vorher aber hatte er noch befohlen, das Kloster solle zum Zeichen der Freude mit den Glocken bimmeln. Kaum war er zur Tür hinaus, so kehrte ein jedes wieder zu seiner Bequemlichkeit zurück. Nur der Bakkalaur mußte fortgehen, um im Namen der Äbtissin Seiner Ehrwürdigsten Gnaden die Hand zu küssen. Die anderen aber begaben sich wieder zu ihren Herzallerliebsten, wie Stare sich wieder auf dem Ölbaum niederlassen, von dem sie mit seinem Ho ho ho! der Bauer vertrieben hat, der Knicker, dem es das Herz abfrißt, wenn ein Star ihm eine Olive frißt.

ANTONIA Wenn du doch zur Sache kämst! Ich habe eine Ungeduld in mir, wie's Kindchen, das darauf wartet, daß die Amme ihm die Brust ins Mündchen schiebe. Mir läuft das Wasser im Munde zusammen wie am Osterabend beim Eierschälen, wenn man das lange Fasten hinter sich hat.

NANNA Es kommt ja schon! Ich war also allein geblieben; in den Bakkalaur hatte ich mich schon verliebt, denn es schien mir nicht recht, es anders zu machen, als es im Kloster Brauch war. Da dachte ich denn dran, was ich in den fünf oder sechs Stunden seit meinem Eintritt ins Kloster gesehen und gehört hatte; und in der Hand hielt ich die Glasstange. Ich äugelte mit ihr wie jemand, der zum erstenmal die greuliche Eidechse erblickt, die in der Chiesa del Popolo aufgehängt ist, und ich war über das Ding verblüffter als über die ungeheuerlichen Gräten jenes Riesenfisches, der bei Cometo auf den Sand geworfen war. Ich konnte mir nicht erklären, warum die Schwestern so große Stücke darauf hielten. Während ich mich nun mit solchen Gedanken beschäftigte, hörte ich auf einmal ein schallendes Gelächter, das einen Toten hätte aufwecken können. Das Lachen wurde immer lauter, und ich beschloß daher nachzusehen, woher es wohl käme. Ich stand also auf und legte erst ein Ohr an eine Ritze; dann, da man im Dunkeln mit einem Auge besser sieht als mit zweien, machte ich das linke zu und guckte mit dem rechten durch ein Loch zwischen zwei Ziegeln und da sah ich – Hahaha!

ANTONIA Was denn? Was sahst du denn? Bitte, bitte, sag' mir's doch!

NANNA Ich sah in der Nebenzelle vier Nonnen, den Ordensgeneral und drei Mönchlein wie Milch und Blut, die zogen dem ehrwürdigen Vater den Priesterrock aus und bekleideten ihn dafür mit einem Atlaswams. Auf die Tonsur setzten sie ihm eine goldgewirkte Haube und darüber ein Samtbarett, das über und über mit Glasperlen besetzt und mit einem weißen Federbusch geschmückt war. Dann gürteten sie ihm ein Schwert um und der selige General lallte trunkene Worte und ging breitbeinig wie Held Bartolomeo Coglioni in der Kammer auf und ab. Unterdessen hatten die Nonnen ihre Röcke und die Mönche ihre Kutten ausgezogen und drei von den Nonnen zogen die Mönchskutten, die Mönche aber zogen die Nonnenkleider an. Die vierte aber legte den Talar des Generals an und setzte sich mit feierlicher Würde hin und spielte den Kirchenfürsten, der den Klöstern ihre Gesetze gibt.

ANTONIA Eine schöne Orgie!

NANNA Wart nur – jetzt fängt es ja erst an schön zu werden.

ANTONIA Wieso denn?

NANNA Nun, der ehrwürdige Vater rief die drei Mönchlein heran und lehnte sich auf die Schulter des einen, der ein schlank aufgeschossener, zart gebauter Jüngling war. Von den beiden andern ließ er sich das Hähnchen aus dem Nest holen – das ließ aber gar traurig das Köpfchen hängen. Doch der gewandteste und hübscheste von den beiden Brüderchen legte es auf seine flache Hand und streichelte es mit der anderen Hand, wie man einer Katze den Schwanz streicht, bis sie vom Schnurren ins Fauchen gerät und sich schließlich nicht mehr halten läßt. Da richtete denn auch das Hähnchen sich stolz empor. Der wackere General aber kriegte die hübscheste und jüngste von den Nonnen zu packen, schlug ihr die Röcke über den Kopf zurück und ließ sie sich mit der Stirn auf die Bettstelle aufstützen. Dann hielt er mit seinen Händen sanft ihre Hinterbacken auseinander – es sah aus, wie wenn er die weißen Blätter seines Meßbuches aufschlüge – und betrachtete ganz hingerissen ihren Popo. Der war aber auch weder ein spitzes Knochengerüst noch ein schwabbeliger Fettklumpen, sondern gerade die richtige Mitte: ein bißchen zitterig und schön rund und schimmernd wie beseeltes Elfenbein. Die Grübchen, die man mit solchem Vergnügen an Kinn und Wangen schöner Frauen sieht, sie zierten auch diese beiden Backen, die so zart waren wie eine Mühlenmaus, die in lauter Mehl geboren und aufgewachsen ist. Und so glatt waren alle Glieder des Nönnchens, daß die Hand, die man ihr auf die Lende legte, sofort bis an die Waden herunterfuhr, wie der Fuß auf dem Eise ausrutscht, und Haare sah man auf ihren Beinen so wenig wie auf einem Ei.

ANTONIA Da verbrachte wohl der Vater General den ganzen Tag mit seiner andächtigen Bewunderung, he?

NANNA I, Gott bewahre! Er tunkte seinen Pinsel in den Farbtopf – nachdem er ihn vorher mit Spucke gesalbt hatte – und ließ sie sich drehen und winden, wie wenn die Weiber in den Geburtswehen sich winden oder wenn sie das Mutterweh haben. Und damit der Nagel recht fest stäke, gab er seinem Spinatfreund, der hinter ihm stand, einen Wink, der löste ihm die Hosen, daß sie ihm auf die Hacken fielen, und setzte Seiner Ehrwürden Visibilium das Klistier an. Der General aber verschlang mit seinen Augen die beiden anderen Knaben, die sich die Nonnen recht bequem übers Bett gelegt hatten und ihnen die Sauce im Mörser verrieben. Das war ein großer Kummer für die vierte Schwester, die ein bißchen triefäugig und etwas schwärzlich von Haut war, weshalb keiner etwas hatte von ihr wissen wollen. Sie wußte sich aber zu helfen. Sie füllte den gläsernen Tröster mit Wasser – man hatte dem hohen Herrn etwas zum Händewaschen warm gemacht –, setzte sich auf ein Kissen, das sie auf die Erde legte, und stemmte die Fußsohlen gegen die Wand. Dann setzte sie die Riesenschalmei an und stieß sie sich in den Leib – es war, wie wenn ein Degen in die Scheide fährt! Ich war von all der Wonne des Zuschauens ganz aufgelöst und streichelte mein Mäuschen mit der Hand, wie im Januar die Katzen auf den Dächern den Steiß aneinander reiben

ANTONIA Hahaha! Und wie endete der Spaß?

NANNA Nachdem er nun 'ne halbe Stunde lang raus- und reingerutscht war, sagte der Prälat: »Wir wollen's jetzt alle zusammen machen. Komm her, mein Junge, und küsse mich, und auch du, meine Taube!« Die eine Hand hielt er nun an die Dose der Engelsnonne, mit der anderen liebkoste er die Hinterbacken des hübschen Jungen und dabei küßte er bald ihn, bald sie, und machte dazu ein so schmerzverzogenes Gesicht, wie auf Belvedere die Marmorfiguren von dem Mann, der inmitten seiner beiden Söhne von den Schlangen getötet wird. Schließlich fingen sie alle zusammen an zu schreien: die Nonnen und die Mönchlein auf dem Bett und der General nebst Unterlage und Rückendeckung und auch die Überzählige mit der venezianischen Glasrübe. Taktmäßig wie Kurrendesänger oder wie Schmiede, die auf das Eisen hämmern, schrien sie los: »Ach! Ach!« und »Küsse mich!« und »Dreh dich besser zu mir her!« »Die süße Zunge!« »Gib mir die doch!« »Da hast du sie!« »Stoß feste!« »Wart, es kommt schon!« »Oh, da ist's!« »Drücke mich!« »Hilf mir doch!« – und das alles bald halblaut, bald in den höchsten Tönen und in allen Klängen der Tonleiter. Und das war ein Augenverdrehen, ein Stöhnen, ein Schieben und ein Strampeln, daß Bänke und Schränke und Bett und Tisch und Stühle hin- und herschwankten wie Häuser bei einem Erdbeben.

ANTONIA Fein!

NANNA Und auf einmal da gab's gleichzeitig acht Seufzer tief aus Leber, Lunge, Herz und Seele des Ehrwürdigsten Undsoweiter, der Nonnen und der Mönche. Und diese Seufzer machten einen so starken Wind, daß sie acht Fackeln würden ausgeblasen haben. Und mit diesem Seufzer sanken sie alle wie erschöpft zu Boden wie Betrunkene, die der Wein niederwirft. Ich war von all dem Zugucken ganz kreuzlahm; vorsichtig zog ich mich von der Spalte zurück, setzte mich aufs Bett und sah mein Glasding an.

ANTONIA Halt mal 'n bißchen! Das mit den acht Seufzern ist doch kaum glaublich!

NANNA Du klaubst zu sehr am Wort herum; höre doch nur weiter!

ANTONIA Na, dann bitte.

NANNA Als ich nun das Glasding ansah, fühlte ich mich ganz aufgeregt – und das war wohl auch kein Wunder, denn beim Anblick solcher Sachen, wie ich sie gesehen, hätte sich wohl selbst bei den Eremiten von Camaldoli was geregt. Und von dem Betrachten des Glasdings fiel ich in tentatione, et libera nos a malo. Ich konnte dem Stachel des Fleisches, der mich aufs Blut peinigte, nicht länger widerstehen. Leider hatte ich kein warmes Wasser wie die Nonne, der ich die richtige Anwendung des kristallenen Stengels abgesehen hatte; aber Not macht erfinderisch: ich pinkelte ganz einfach in das Ding hinein.

ANTONIA Wie machtest du denn das?

NANNA Es war ein Löchelchen drin, um das warme Wasser hineingießen zu können. Na, um die Sache nicht allzulang zu machen: fix hob ich mir die Röcke hoch, stemmte das dicke Ende der Stange gegen den Bettrand und setzte mir die Spitze an; dann ließ ich sachte, sachte den Stachel eindringen. Es juckte mächtig, denn das Ding hatte einen dicken Kopf; ich fühlte daher zugleich Schmerz und süße Wonne. Aber die Wonne überwog und nach und nach belebte sich der gläserne Stachel. Und ganz von Schweiß überströmt faßte ich mir einen Löwenmut und stieß ihn mir so tief hinein, daß er aufs Haar gänzlich in meinen Tiefen verschwunden wäre. Und wie er so hineindrang, da glaubte ich Todes zu sterben; aber dieser Tod war süßer als das ewige Leben. Nachdem ich nun 'ne gute Weile den Schnabel drin gelassen hatte, fühlte ich mich ganz überströmt; da riß ich ihn raus und beim Rausreißen fühlte ich ein Brennen, wie 'n Krätziger, wenn er die Nägel von den Schenkeln wegnimmt. Ich seh' mir das Ding an, und ach herrjeh! da war's ganz voll Blut. Da fing ich an zu schreien: Oh, erbarme dich mein!

ANTONIA Warum denn, Nanna?

NANNA Warum? Ich dachte, ich hätte mich auf den Tod verwundet! Ich greife mit der Hand an meine Mimi, und wie ich sie zurückziehe, ist sie ganz naß und rot wie'n Handschuh von 'nem Bischof im Ornat. Da fang' ich an zu schreien und fahr' mir mit den Händen in die kurzen Haare, die am Vormittag der Priester, der mich einkleidete, mir gelassen hatte, und stimmte den Klagegesang von Rhodus an.

ANTONIA Von Rom, Nanna! Denn wir sind doch in Rom.