Copyright © 2014 Raphael Monar Laluna

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Prolog

 

Oha, also gut, nun ist es so weit! Ich sehe, wie ich schreibe, noch zaghaft und unsicher. Ist das wirklich der Weg? Schüre ich nicht noch mehr die Illusion, dass es einen Weg gibt? Ein Vergleich des Lebens mit sich selber? Fragen, die überflüssig sind, denn es gibt keine Antwort.

Also schreiben, ich habe ja schon ein paar Bücher veröffentlicht. Es gab viele Fragen, viele Leute wollen wissen, wer der Mensch dahinter ist. Wie seine Suche nach Glück und Erleuchtung war und wie er es schaffte, durch die schwarzen Täler der Depression zu rutschen.

Nun also hier die Schrift eines endlosen Suchens, eines endlosen Lebens, das sich aufbäumt und davonrennen möchte.

 

Alles das, was hier geschrieben steht, hat sich genauso zugetragen. Ich werde nur auf die Sachen eingehen, die mit Erleuchtung, Aufwachen, Therapie/einschneidenden Erlebnissen und Gemeinschaft zu tun haben. Ansonsten würde das Buch zu lang und echt ätzend langweilig werden.

Denn mein Leben ist nichts im Vergleich zu dem, was du jetzt erfährst. Dieser goldene Augenblick, den wir jetzt teilen dürfen. Dieses Gefühl ist der Nektar des Lebens. Du bist der Grund der unendlichen Schönheit, du bist der Grund, warum alles anfing.


Deine Suche ist die meine, nur unendlich anders in der Erscheinung. Dir wird vieles bekannt vorkommen und vieles ist eine Widerspiegelung der dualen Welt. Doch wenn es Liebe gibt, ist sie überall, auch in der Suche nach dem Nondualen.

Der Schreibstil ist karg und einfach, so wie es einfach aus mir sprudelte. Vielleicht nimmt es dich mit in eine Trance, daher halte dich nicht an den Worten fest, sondern schwimme mit den Gefühlen. Die Geschichten sind manchmal sehr einfach und könnten doch dem Wahnsinn eines jeden Lebens entspringen. Auch wenn viele Sachen bewertet werden und nach einer Bedeutung schreien. Hier wird das Leben ungeschminkt und einfach gezeigt.

Ich war auf der Suche nach dem Glück, nach dem schmerzfreien Leben, nach der Liebe, nach der Erleuchtung und nach Geld. Dieser Motor trieb mich immer weiter an und schlug viele dunkle Wunden in mein Herz. Das Leben ist noch nicht zu Ende, doch offenbart es sich nun als etwas völlig Neues, als etwas, was das Ziel ist und nicht etwas, vor dem davongelaufen werden muss.

 

Es ist das Leben, das sich selber liebt und spielt. Es ist noch nicht einmal das mehr. Es ist noch viel einfacher als das, es ist einfach alles ...

 

Die Geburt der Trennung

 

Das erste, ernste Spiel des Lebens überkam mich mit vier Jahren in Hamburg-Harburg. Wir lebten in einer sehr einfachen Wohnung mit Toilette auf dem Gang und ohne Badezimmer. Meine Eltern hatten sich gerade scheiden lassen und nun war ich mit meinem Bruder, meiner Mama und meiner Oma alleine.

Eines Tages spielte ich mit vier Jahren auf dem Hinterhof. Es war ein warmer Sommertag und die Freuden der Kindheit durchwebten immer noch mein ganzes Herz. Als ich auf dem Hinterhof spielte, schaute ich in ein dunkles Silo. Gleich hinter den Gitterstäben hatte eine Spinne ein fantastisches Netz gewoben und wartete versteckt auf ihr Festessen.

Ich warf mit meinen kleinen Händen winzige Steine hinein, um die Spinne hervorzulocken. Ich war neugierig und wollte das behaarte Ungeheuer sehen. Doch die Spinne ließ sich nicht zum Narren halten. Eine fette Hummel saß auf einmal auf dem Rand des Silos. Ich stupste sie öfters an, damit sie nicht hineinfiele, doch sie reagierte kaum.

 

Dann durchflutete mich ein unfassbarer Gedanke. Meine ganze Unschuld und mein spielerisches Wesen bäumten sich in diesem Moment auf. Ich warf die Hummel hinein. Sie verfing sich in dem Netz des Todes, zappelte und strampelte. Neugierig und gleichzeitig angeekelt schaute ich zu. Die Spinne schnellte aus ihrem Versteck hervor, setzte sich über die Hummel und zog sie stumm in die ewige Finsternis zurück.

Das Schauspiel war vorbei und ich war im Tanz des Lebens gefangen. Jede Entscheidung, die ich nun von da an traf, gebar Leben oder Tod und spiegelte immer die Grausamkeit wider.

Das vollkommene Leben hatte ein neues Gesicht bekommen: Ein One-Way-Ticket ins Nichts. Tod und Schmerzen konnten nun auftauchen und mussten vermieden werden. Die Geburt der Trennung. Der Fall aus dem Paradies. Die Schuldigkeit des kindlichen Staunens, der Lebendigkeit und die grundlose Freude brachen in sich zusammen.

Die Zärtlichkeit des Augenblicks wurde überschattet mit Gedanken und Sorgen um die Zukunft. Das Leben breitete seine Arme aus und ließ mich fallen. Ich fiel und mit mir auch du, denn du wurdest in diesem Moment geboren. In diesem Moment gab es dich und Beziehung entstand. Eine Welt, die sich nun in unseren Sorgen und Ängsten spiegelte.

In der Trennung wurden wir zu Feinden und suchten uns. Wir suchten die Wärme und Liebe der Freundschaft. Doch letztendlich suchten wir einfach das Ungetrennte, die Einheit, die sich in jedem Gedanken und in jedem Gefühl, in jeder Blume und in jedem Regentropfen versteckte.

 

Wir fielen, Hand in Hand, ohne Hoffnung in das Unbekannte.

 

Die Welt

 

Kurz nach dem Tod der Hummel offenbarte sich eine neue Welt. Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich 4 Jahre alt war. An dem Tag, als es sich entschied, und mein Vater sich von mir verabschieden wollte, da er zu einer neuen Frau hinzog, durfte er mich nicht anfassen. Ich schrie wie ein Berserker und versteckte mich vor ihm unterm Tisch. Meinem 8-jährigen Bruder und mir wurde das Herz gebrochen. Ich wurde in den Kindergarten abgeschoben. Mein Papa war nicht mehr da und meine Mama musste arbeiten gehen. Es schien, als hätte mich die ganze Welt verlassen. Der Segen der Vollkommenheit und Ungetrenntheit leuchtete nicht mehr über mir, wie auch über jedem anderen Kind.

 

Meine Mama führte oft Gespräche mit meiner Kindergärtnerin, die meinte, dass ich viel Aggression und Gewalt in mir habe. Sie konnte das kaum glauben, denn zu Hause war ich ein liebenswürdiger Engel.

Doch die Möglichkeit für oder gegen den Schmerz nagte an meiner Seele und fraß sie auf. Ich legte mich selten mit anderen Kindern an, doch sobald sie an der dünnen Hülle meines Selbst kratzten, explodierte der Topf. Zwischen diesen Gewalt-Explosionen war ich liebenswürdig, nett und extrem schüchtern. Der Beginn der Geburt eines Einzelgängers und das Leben eines Schafes unter Wölfen.

 

Mit der Schmerzverdrängung flossen bald auch erotische Gefühle in mir. Im Alter von vier bis fünf Jahren lag ich vor dem abendlichen Einschlafen oft noch wach und hatte die erotischsten Fantasien. Meine Kindergärtnerinnen tanzten nackt in meinen Träumen und lebten ihre eigenen Träume mit mir aus.

 

Wenn ich dann zu Hause Sandmännchen angeschaut hatte, legte ich mich freudig ins Bett. Mein zweites Leben begann: die Welt der Träume und der Fantasien.

Die erotischen Gefühle materialisierten sich als meine Kindergärtnerin, die ich sehr verehrte. Ich liebte dieses Leben viel mehr als den gewöhnlichen Alltag, in dem ich verletzt wurde und um mich schlagen musste.

 

Es gab Freude und Sehnsucht, Erfüllung und Erlösung. Mein kleines Herz pochte wild und lebendig. Erotik und Liebe schlossen die Wunde und es gab Hoffnung auf Heilung.

 

Die Unschuld

 

Mit sechs Jahren zogen wir von der sehr einfachen Wohnung in ein anderes Gebiet. Nun war ein Hochhaus mein Zuhause. Im zehnten Stock flogen wir wie eine Untertasse über die Erde, aßen und schliefen meterhoch über dem Boden. Das Hochhaus wurde zu meinem Heimatplaneten und die vielen Menschen darin zu Außerirdischen, denen man kaum begegnete und sie deshalb selten wieder erkannte.

Ich kam in einer recht sozialschwachen Gegend in die Schule. Meine Aggressionen und die Gewalt waren wie weggeblasen. Die anderen Kinder waren einfach alle viel stärker und noch aggressiver als ich. Die ganzen, unendlichen Gefühle von dieser Seite des Lebens verschwanden. Nun war nur noch die Maske eines freundlichen, netten und schüchternen Jungen zugegen. In diesem Moment entstand der Glaube, dass ich niemals so geliebt werden könnte, wie ich wirklich war.

Meine Gefühle spielten Verstecken, ein Teil meiner Persönlichkeit zog immer eine Decke über den Kopf. Der Glaube verfestigte sich in mir; je mehr ich diese Maske des leichten Seins und der Fröhlichkeit trug, umso mehr würde ich bei der Spezies Menschen anerkannt werden. Der Horror Schule hatte mich ganz eingenommen.

 

Die erotischen Träume kurz vor dem Einschlafen verblassten und verschwanden im Nichts, so wie auch die Gewalt. Dafür formten sich immer wieder neue Bilder. Die Zeit vor dem Einschlafen war immer noch mein wahres, geborgenes Zuhause. Da konnte ich sein, wie ich war und meine Seele baumeln lassen.

Diese Minuten schenkten mir glückliche und fantastische Erlebnisse. Vor meinem inneren Auge formten sich weiße Kringel, die auf schwarzem Hintergrund wuchsen, immer größer wurden und sich dann auflösten. Diese Kringel nahmen mich mit in das Himmelreich und jeder Einzelne, der geboren wurde, flößte meiner Seele Vertrauen ein. Das Leben und der Moment waren vollkommen. Es entstanden Gefühle in mir von totaler Hingabe und Gehaltensein.

Die Schwärze wurde getragen, sie war eine samtweiche Haut, die sich an mich schmiegte. Sie umhüllte mich und lebte in mir.

Die weißen Kringel waren auch ich. Sie wurden geboren und vergingen wieder.

 

Ein hineinfallen in die Hand Gottes.

 

All das geschah in absoluter Harmonie und Lebendigkeit. Es war wie eine Trance, wie eine Welt in dieser Welt und ich trug alles und wurde getragen.

 

Das Leben hatte jeden Abend dieses Bonbon für mich und jeder Abend war wie Weihnachten und ich freute mich darauf. Das Leben in der Schule war grau und unlebendig. Das Leben kurz vor dem Einschlafen war das Schönste, Seltenste und Kostbarste, das es gab.

Ich hatte nie jemandem von diesen Erlebnissen erzählt, die mehrere Monate anhielten. Doch vor Kurzem, als meine Mutter diese Worte hier als ersten Entwurf las, erzählte sie mir, dass diese Kringel immer wieder auch in ihrem Leben auftauchten und sie die gleichen Gefühle dazu habe wie ich und niemandem sonst davon erzählte.

 

Was war das? Ein Familiengeheimnis? Gab es noch mehr Menschen da draußen in dieser wirren, irrsinnigen Welt, die das Gleiche erlebten und nie jemanden fanden, mit dem sie es teilen konnten? Bei mir hörten diese Geschenke irgendwann auf und über mir schlug die volle knallharte Realität zusammen.

 

Das Ich war nun eine feste Größe und ein unumstößlicher Bestandteil des Lebens. Trennung war keine Illusion, sondern die Wahrheit. Die Sehnsucht nach der Einheit, nach der Auflösung der Welt und des Schmerzes wurde geboren.

 

Das Gebet

 

Meine Mama hatte mir den Glauben an Gott nahegebracht, obwohl wir nie in die Kirche gingen oder sonst einen krassen christlichen Unfug machten. Ich betete jeden Abend vor dem Schlafengehen zum lieben Gott. Ich betete dafür, dass es allen, die ich kannte, gut gehen möge, jedem Menschen und jedem Tier.

Jahrelang betete ich jeden Abend. Die Leute, die ich in das Gebet mit einschloss, wurden immer mehr. Auch Lehrer und unsere Haustiere, gleichgültig, ob sie noch lebten oder schon tot waren, wurden mit einbezogen …

Das Gebet dauerte mittlerweile unendlich lange. Ich durfte auch niemanden vergessen. Das war nun wirkliche Arbeit geworden. Bis zu dreißig Minuten und die ganze Zeit die Angst im Nacken, dass ich vielleicht jemanden übersehen haben könnte. Um mir Zeit zu ersparen, beschloss ich, in der Mitte des Gebetes „Strich“ zu sagen.

Das war die Mitte, die Verschnaufpause, eine Möglichkeit mich zu besinnen, auszuatmen und danach ging es weiter. Alle, die ich kannte, kamen dazu. Jeder wurde in das Gebet eingebettet. Ich hatte solche Angst, dass ich jemanden vergessen könnte und dem dann vielleicht etwas Schlimmes passieren würde. Vielleicht würden sie, wie die Hummel, in das Nichts fallen.

Ich könnte sie aufhalten, ich könnte sie retten.

 

Manchmal erwischte ich mich dabei, dass ich die eine Hälfte vor dem Strich schon auf dem Klo sagte und die andere erst im Bett. Ganz gleich, wie es war, das Gebet wurde zur Pflicht und reiner Routine.

Eines Tages kam mir eine brillante Idee. Gott kennt doch alle Leute, die ich meine und alle Tiere, die ich liebe. Ich muss doch nicht jeden Menschen einzeln aufsagen. Ich erfand eine neue Form des Gebets. Ich sagte nur noch Strich. Damit gab ich Gott zu verstehen, dass er da alle Leute und Tiere einsetzen sollte, die ich meinte. Der Stress, dass ich jemanden vergessen könnte, war vorüber.

Mit ca. neun Jahren konnte ich wieder entspannt ins Bett gehen. Das Aufsagen des Wörtchens „Strich“ verkürzte sich immer mehr, bis ich es schließlich ganz weg ließ. Gott wusste alles ...

 

Mädchenliebe

 

Nun gut, Mädchen waren in dieser Zeit und wie auch heute noch, für mich absolut fremde Geschöpfe. Aliens, komische Wesen, die ich nicht verstand; sie waren unheimlich und gefährlich. Ich kannte sie nur aus der Schule und da kicherten sie die ganze Zeit und interessierten sich echt für blöde Sachen. Also mit anderen Worten: Mädchen machten mir richtig Angst und ich dachte, die Welt wäre ohne sie besser dran.

 

Eine Situation, die dieses vielleicht wiedergibt, ist Folgende:

 

Ich war acht Jahre alt, als mir auf dem Pausenhof ein Mädchen auffiel, das aus meiner Klasse war. Sie war die Beste, die Schönste und ich verzehrte mich nach ihr. Sie war ein Schreckens-Engel, ein Riesen-Monstrum, weil sie so unerreichbar war und eine Sehnsucht in mir weckte, die wehtat. Ich beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Sie ging geschmeidig zu einem anderen Klassenkameraden und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

Oh, wie aufregend; was machte sie da? Unglaublich. Dann kam sie auf mich zu. Ui, was sollte ich tun? Was wollte sie?

Sie kam immer näher. Ich tat so, als ob ich sie nicht sehe und ging langsam in die andere Richtung. Ich schlenderte einfach von diesem Ungeheuer weg. Wie genial. Ha, reingelegt! Doch aus den Augenwinkeln sah ich, dass sie schneller ging. Oh nein, was passierte? Ich ging auch schneller. Meine Hände waren schweißnass. Sie wurde schneller, machte große Schritte. Der Abstand zwischen uns wurde kleiner. Okay, noch größere Schritte zu machen, das war für mich kein Problem.

Sie fing an zu laufen. Das konnte ich auch. Ich lief, so schnell ich konnte, schaute mich nicht um und lief immer weiter. Das Grauen direkt hinter mir. Heißer Atem in meinen Nacken. Ich lief bis ich erschöpft war und nach Luft schnappend umfiel. Panischer Blick nach hinten. Ich hatte sie abgehängt!

 

Was machte ich nun? Wie kam ich zur Schule zurück? Sie war nicht mehr da, aber lauerte sie vielleicht in der Klasse auf mich?

Ich überlegte und stellte mich vor das Lehrerzimmer. Ich wartete da, bis unser Klassenlehrer rauskam und schlich hinter ihm her in unsere Klasse. Ich war in Sicherheit, in seiner Nähe konnte sie mir nichts anhaben.

Dann kam die nächste Pause. Wieder raus mit dem Lehrer. Doch was sah ich? Alle Mädchen aus meiner Klasse standen beieinander. Sie zeigten auf mich und liefen los. Panik! Panik! Nur schnell weg. Diesmal schaffte ich den 100-Meter-Rekord. Ich versteckte mich hinter Büschen, sie kamen an mir vorbei. Wie Zombies, die nach Beute Ausschau hielten. Ich hielt die Luft an und hörte sie selber nach Luft ringend röcheln: „Wo ist er? Weit kann er nicht sein! Den schnappen wir uns!”

 

Oh nein, Hilfeeeeeee, Mama …

Also wieder zum Lehrerzimmer und mit dem Lehrer in die Klasse gehen. Endlich.

 

Nun, das Spiel ging über drei Tage. Die Angst vor der Schule wurde übermächtig, die Nächte ein einziges Stoßgebet, dass ich den nächsten Tag heil überstehen möge.

 

Doch nach den drei Tagen hatten die Mädels kein Interesse mehr und es hörte genauso schnell wieder auf, wie es angefangen hatte. Nur ich war für immer geschrotet und musste das Erlebnis in vielen Therapien aufarbeiten. Frauen waren Ungeheuer, das absolute Unbekannte, gefährliche Monster, die einen kichernd aussaugten.

 

Ich weiß bis heute nicht, was das bzw. die Mädchen wollten.

 

Also, falls du dieses lesen solltest, Mädchen, dann laufe ich diesmal nicht wieder weg. Du kannst es mir ins Ohr flüstern, was so lange nicht gehört werden sollte.

An die Frau, die dieses jetzt liest, stellvertretend für alle Frauen dieser Welt, ich zeige dir meine Angst. Ich zeige dir meine Unsicherheit und Verwundbarkeit.

 

Ich bin hier schutzlos und ohne Mauern. Komm näher! Und noch ein bisschen näher. Komm ganz nah und berühre mich. Ich bleibe stehen!

 

Der Alptraum Schule

 

Nun, wie ihr seht, war das Leben für mich ein einziges Horrorkabinett. Ich hatte kaum Freunde und war etwas sonderlich.

Mathe machte mir Spaß, meine erste Musikplatte waren die Comedian Harmonist, ich las keine Bravo, quälte keine Tiere und hatte einen Topfhaarschnitt. (Mama hatte mir tatsächlich zum Haareschneiden immer einen Topf aufgesetzt, damit „es“ rund wird.) Ich war höflich und redete lieber über Gefühle als über neue Filme. Bei Filmen und im Leben musste ich immer sofort weinen und alles konnte mich berühren. Es war, als hätte ich keinen natürlichen Schutzpanzer. Alles ging in die Mitte meiner Seele und riss sie weiter auf.

Die Tierliebe ging manchmal sogar so weit, dass ich nicht mehr auf den Rasen gehen wollte, um keine Gräser umzuknicken oder Tiere zu zerquetschen. Wenn ich einen Rasen betreten musste, sahen mich andere Kinder auf Zehenspitzen über die Wiese tänzeln, um so wenig Fläche wie möglich zu gebrauchen. Die Geschichte mit der Hummel hatte mich gelehrt, völlig übertrieben das Leben von anderen Lebewesen zu achten. Wenn jemand Tiere quälte, konnte ich meine ganze unterdrückte Wut an ihm auslassen. Ich verprügelte sogar manchmal große Jungs, die Ameisen mutwillig und lachend zertrampelten.

 

Die Schule hasste ich. Da wir in einer sozial schwachen Gegend wohnten, waren dementsprechend auch die Schüler manchmal sehr asozial. Wenn die Ferien vorbei waren, weinte ich mich abends immer in den Schlaf. Ich hasste dieses Frühaufstehen, um in eine Schule zu gehen, wo die Großen die Kleineren verprügelten und man ständig Angst um sein Leben haben musste.

 

Frühaufstehen sah so aus:

 

Wecker klingelt.

Hau drauf, Schlummermodus.

Noch mal zehn Minuten weiterpennen.

Wecker klingelt. Und wieder drauf, Schlummermodus. Noch mal zehn Minuten.

 

Der Wecker klingelte wieder, Oma kam herein und machte ihn aus. Öffnete das Fenster. Sie versuchte, mit der Leiche zu sprechen, aber es kamen nur Geräusche zurück wie: ah, hm, ähh, uf.

Dann kam sie nach ein paar Minuten wieder, zog mir die Decke weg. Ich fror. Nach ein paar Minuten zog sie mich an den Armen hoch auf die Bettkante. Ich saß dort und es war kalt. Nun zog sie mich an, Hose, Pullover. Wenn ich Glück hatte Strümpfe, wenn sie keine fand, musste ich welche heraussuchen. Konnte mich nie entscheiden. Die roten oder die blauen? Wählte ich die blauen, nahm ich mir die Möglichkeit, die Welt mit roten Socken zu erfahren.

Was verpasste ich alles? Welche Gräueltaten würde die falsche Entscheidung nach sich ziehen? Die eine Wirklichkeit würde sterben, darum lieber nicht entscheiden. Doch ich musste, sonst hatte ich nichts an den Füßen.

Ah, nur welche Farbe, wofür entscheide ich mich? Für das Leben oder gegen das Leben? Wird die Welt in Dunkelheit und Moder fallen oder in Licht und Liebe aufgehen? Welche Farbe, welche Socken? Oma rief: „Entscheide dich endlich!” Sie erkannte die Bürde der Verantwortung nicht. Was sollte ich tun? Ich war wie gelähmt. Oma entschied für mich und ich zog die blauen Strümpfe an. Das waren auf jeden Fall die falschen Socken!

Dann der Weg in die Schule. Natürlich wie immer zu spät. Laufen, schnell, hetzen, bloß nicht auf Tiere treten. Am besten auch nicht auf Gras, jeder Schritt eine Qual für andere Lebewesen. Jede Entscheidung für das Leben auf dem Rücken anderer austragen. Jeder Schritt bringt Tod und Verderben. Schnell rennen, dann fällt es dem Schicksal nicht so auf. Und wenn ein Insekt dabei draufgehen sollte, dann war ich schon längst weiter so schnell, dass der Sensenmann mich dafür echt nicht verantwortlichen machen konnte.

 

In der Schule öde sitzen und lernen. Blicke aus dem Fenster und wegschweifen mit Gedanken. Endlich Pause.

 

Situation in der kleinen Pause:

„Vorsicht, er kommt!”

„Wirklich, Mist, nicht schon wieder.”

„Oh nein, ich will nicht mehr. Ich mach heute nicht          mit.”

„Du musst! Sonst werden wir alle bestraft.”

 

Also gut, wir Jungs und Mädels gingen alle in den Schulgang und reihten uns auf. Der Oberbösewicht kam. Er stellte sich vor einzelne Menschen und schlug manchen mit aller Kraft in die Magengegend.

„Ah, hmmmpf!”

Bloß nicht laut sein, denn sonst bekamst du noch einen Schlag.

Wenn jemand auf den Schulgang nicht mitkam, gab es mehr Prügel. Alle hatten unglaubliche Angst vor dem Oberbösewicht. Der hatte vier muskelbepackte, tätowierte Brüder, die die ganze Schule tyrannisierten.

Die Mädchen schauten zu. Oh Mann, wie peinlich. Kein Junge wehrte sich. Und wieder ein Schlag. „Arghh!”

 

Ich hasste die Schule, das Lernen, das Stillsitzen, die Hausaufgaben. Nur Mathe und Sport liebte ich. Ich hasste das Leben, das da sagte: „Bis zum Rentnerdasein musst du Sachen machen, die dir keinen Spaß machen werden. Früh aufstehen, Schule, später Lehre, dann Militär, dann arbeiten und dann endlich irgendwann, wenn du siebzig bist, kannst du ausschlafen und den Tag genießen.“

Ich hatte Angst vor dem Leben, vor der Zukunft. Es gab niemanden, der mir sagte, dass so das Leben nicht sein musste.

 

Kindheitserinnerungen

 

Nachmittags ging ich in den Kindergarten. Eine zweite Hölle tat sich mir auf. Sozial schwache Kinder, die auf meiner feinen Seele herumtrampelten und ich auf ihrer. Dort wurde wohl ein Entschluss gefasst, der lange Zeit meinen Antrieb lahmlegte.

Ich habe eine Erinnerung. Mama erzählte mir, dass meine Kindergärtnerin eines Tages zu ihr kam und ihr von einem Vorfall berichtete:

Ein Junge, der mich immer gehänselt hatte und vor dem ich weglief, wollte eines Tages mal wieder seinen Spaß haben. Doch diesmal drehte ich mich um und sah dem Monster in die Augen. Eine Wut, die so unendlich und alt wie die Welt an sich war, bemächtigte sich meiner. Ich rannte auf ihn zu und schlug auf ihn ein, immer wieder. Ich war nicht mehr Herr meiner Sinne.

Ich schlug auf seinen Körper und die Kindergärtnerin schlug auf mich ein. Meine Zunge hing aus dem Mund und meine Augen waren verdreht. Ich war nicht erreichbar und völlig außer mir. Doch durch den Schlag der Kindergärtnerin kam ich wieder zu mir, aber ich konnte mich an nichts mehr erinnern.

Das war wohl der innere Entschluss, wirklich Schluss zu machen mit Aggressionen. Ich hatte Angst vor ihnen; vor dem, was sie anrichten könnten; vor dem, dass ich andere Menschen wirklich verletzen könnte. Diese Seite des Lebens wurde total heruntergefahren und abgeschlossen.

Viele Jahre gab es Aggressionen in meinem Leben überhaupt nicht mehr. Das war tabu, ich ging ihnen aus dem Weg und stellte mich selber taub. Ich wurde zu einer unechten Marionette. Alles war gut, vollkommen, friedlich und liebevoll, also schon sehr früh ein wahrhaftiger spiritueller Mensch, der alles Dunkle in sich verneinte. Die Kraft der Aggression und das Abgrenzen kehrten sich gegen mich.

Nun schlug ich in mir nur noch mich selber und merkte es noch nicht einmal. Es entstand die berühmte Glasglocke des Lebens. Die wahre Geburt der Depression, da die Dunkelheit sich nie mehr zeigen konnte. Diesen Dämon in mir konnte keiner lieben, niemals - und auch ich nicht.

Und doch machte ich mich auf die Suche nach der Selbstliebe. Ich wollte dieses Ziel erreichen, aber ohne dieses dunkle Gepäck. Dabei vergaß ich, dass ich mich immer mehr verirrte.

Das unglaublich Witzige ist, dass meine Mama sich nicht mehr erinnern kann, dass sie dieses jemals zu mir gesagt hatte. Sie bestreitet das sogar bis heute noch, dass jemals die Kindergärtnerin zu ihr kam.

Die Kraft der Fantasie ist unglaublich. Ob das nun wirklich passierte oder ich mir auch nur einbildete, ist unerheblich. Das, was daraus gemacht wurde, war viel zu real.

 

Ich hatte in dieser Zeit nur einen Freund, der war dick wie ein Kloß und wurde die ganze Zeit gemobbt. Wir waren die wunderlichen zwei und hingen immer zusammen. Kein anderer wollte uns und so umklammerten wir den einzigen Lichtstrahl. Als er wegzog, war ich ganz alleine. Niemand war da, der mich in die Arme nehmen konnte und sagte: „Es ist alles gut, das Leben liebt dich, es kann dir nichts passieren. Ich bin für dich da!“

 

In dieser absoluten Leere, fasste ich allen Mut zusammen und ging auf andere Kinder zu und fragte sie, ob sie meine Freunde sein wollten. Einer hatte netterweise auch etwas schüchtern „Ja“ gesagt, doch ich blieb einfach ein Einzelgänger, denn meinen Ruf konnte ich durch diese Frageaktion auch nicht aufpolieren.

 

Doch das Leben wollte mich noch nicht aufgeben. Über sehr viele Monate bekam ich heftige Kopfschmerzen. Alle zwei Tage wurden diese so stark, dass nur völlige Dunkelheit und Stille halfen, etwas Erleichterung zu verschaffen. Komischerweise hatte ich schon als kleiner Junge etwas gegen Tabletten und so nahm ich auch keine gegen die Kopfschmerzen.

 

Das waren unglaubliche Schmerzen und ich weiß bis heute nicht, wie ich sie ertragen konnte. In dieser Zeit hatte ich auch alle paar Tage, überraschenderweise ohne äußeren Einschlag, Nasenbluten bekommen. Ohne ersichtlichen Grund lief auf einmal Blut aus der Nase.

Das machte mich noch mehr zu einem Aussätzigen in der Schule. Entweder hatte ich also Kopfschmerzen oder mir lief die Nase. Das Leben wurde immer verrückter.

 

Der Sohn Gottes

 

Dann kam eine Zeit, in der immer mehr Gedanken auftauchten, dass ich vielleicht Jesus sei. Der Auserwählte. Der Sohn Gottes. Sie waren nicht so stark, dass man mich einlieferte, aber sie kamen immer wieder. Ich erzählte es natürlich niemandem. Doch damals trennten mich diese Gedanken noch mehr von den anderen Menschen.

Nun war ich endlich etwas Besonderes. Anders als andere, ja klar, aber mit einem Hauch von Wahrheit, Erlösung, Segnung …

Das Merkwürdige war, dass ich überhaupt nicht extrem christlich aufgewachsen bin mit den verrückten Ideen von Sünde und so weiter. Doch in mir schmorte eine große Angst vor der Hölle, dem Fegefeuer, der Schuld und der Sünde. Woher diese Gedanken kamen? Nun, sie waren da, das war genug. Da fühlte es sich doch besser an Jesus zu sein als ein Verdammter.

Ich testete meinen wahren Vater jeden Tag, weil mein weltlicher Vater ja nicht da war. Wenn ich Jesus bin, dann soll der nächste Fahrradfahrer nach links abbiegen und nicht nach rechts.

Na ja, manchmal klappte das auch, aber nicht immer. Ich brauchte einen Beweis. Der wurde mir aber nicht geliefert. Jeder Tag eine neue Probe meiner Macht und meiner Herkunft. Doch die Unsicherheit blieb. Zweifel zum Leben verstärkten sich. Wenn ich nicht der Sohn Gottes war, wer dann?

Tage kamen und Tests gingen. Doch auch dieses ging vorbei, die Realität war gerecht zu mir, sodass ich langsam das besondere Gefühl vergaß. Ich wurde immer mehr ein normaler Sterblicher, sogar Gott hatte sich von mir abgewandt. Seinen eigenen Sohn hatte er verleugnet. Ich stürzte ins Mittelmaß. Normaler und durchschnittlicher als ich es war, gab es, glaub ich, niemanden auf der Welt. Ich passte mich an.

Ich wurde ein Teenager. Ein langweiliger und kurzsichtiger Teenager natürlich. Keine Revolte. Keine Zerstörung. Alle Aggressionen in mich reingefressen. Nur unglaublich viele Pickel erblickten das Leben und blühten in meinem Gesicht und jeder einzige so voll, dass er am liebsten in das Leben spritzen wollte. Wenigstens da Gefühle herauszulassen, wenigstens da dem Leben entgegenschreien und sich selber spüren.

Diese verfluchten Pickel wurde ich jahrelang nicht los, immer weiter verkroch ich mich in mich selbst. Immer weniger traute ich mich raus aus meiner Höhle. Nach außen gab ich ein scheinbares Leben ab, das funktionierte und vor sich hinvegetierte. Falls es schon depressive Kinder gibt, war ich ein Paradebeispiel. Nur mit dem Unterschied, dass ich immer lächelte und in der Klasse den Clown spielte. Nur wer andere zum Lachen bringt, der wird geliebt. Ich muss anders sein, ich muss eine dicke Maske tragen.

Ich bekam wegen meiner Pickel Bestrahlungen und der Nebeneffekt war, dass mein Gesicht immer braun war, bis auf die Ränder der Bestrahlungsbrille. Dann nahm ich Tabletten wegen der Pickel und schmierte mir immer Urin darauf. Es half alles nichts. Das Leben spross immer farbenfroher.

 

Die Freuden eines Jungen

 

Da passierte es: die ersten Male onanieren. Ein orgiastischer Taumel. Ein Fest der Ekstase. Unglaubliche Erfahrungen, die auf mich einstürmten. Dankbarkeit und Stoßgebete an den Herrn, dass ich ein Junge war und so etwas erleben durfte. Doch wurden diese Erlebnisse streng limitiert. Nur drei Mal in der Woche durfte ich. Von mir selber die Fesseln angelegt, da in mir der Gedanke schmorte, dass es nicht gut sei. So etwas Schönes kann nicht gut sein, so etwas Schönes ist der Finger des Teufels. Doch drei Mal in der Woche muss es schon sein. Wenn das nicht geht, kann er mich mal kreuzweise (der Gott). Also Vertrag geschlossen und zitternd unterschrieben.

 

Eines Tages saß ich in der Schule neben einem Jungen. Unsere Knie berührten sich. Ein Hauch nur, eine liebevolle Berührung und mein Schoß explodierte.

Oh nein, nicht das ... Ich will nicht schwul sein, das ist widernatürlich. Der Himmel ist mir verschlossen. Ich bin schon so total anormal und anders als alle anderen, nicht auch noch das!

Seit dem Tag der Schöpfung verdrängte ich diese Form von Erotik total und hatte Angst davor, dass sie mal ausbrechen könnte. Das sollte mit mir nie geschehen und nun gab es noch mehr, was ich an mir hassen konnte.

Noch eine Seite, die weggeschoben wurde, noch eine Zelle mehr im Gefängnis meiner Gefühle. Niemals! Niemals! Niemals!

 

Leider hatte tatsächlich ein paar Tage später ein Mann, der auf dem Bahnhof herumlungerte, diesen Entschluss von mir weiter gefestigt.

 

Ich war mit meiner Mama auf diesem besagten Bahnhof. Der Mann stand plötzlich hinter mir und strich, so wie ich bis heute hoffe, nur mit der Hand über meinen Po. Ich drehte mich um und sah seinen riesigen Schwengel, der lustvoll aus der Hose hing. Ich schrie! Oder war es meine Mutter? Doch der Mann lächelte nur glücklich.

 

Dieses Gefühl hatte ich noch viele Wochen an meinem Hintern und konnte es einfach nicht vertreiben. Das war nun endgültig ein Zeichen ...

 

 

Warzenwunder

 

Nach einiger Zeit hatte sich mein Körper entschieden, noch mehr Absonderliches von sich zu zeigen. Auf meiner Haut sprossen Warzen, mal hier und mal dort. Warzen, die ich schon lange hatte und neue, die sich zu ihren Freunden dazugesellten.

Ich erzählte dies meiner Mama und erfuhr ein Familiengeheimnis. Die Oma meiner Mama väterlicherseits hatte außersinnliche Erlebnisse und konnte z. B. auch mit Kröten reden. Meine Mama hatte auch merkwürdige Erlebnisse, die sie nicht einordnen konnte und die sie für sich behielt. Doch meine Oma, die im Hochhaus eine Etage unter uns wohnte, hatte anscheinend auch ein paar Gaben. Sie konnte Krankheiten besprechen und auch Warzen.

Ich rannte sofort zu ihr und bat sie, mir meine Warzen wegzuzaubern. Aber sie stand auf der Bremse. Sie meinte, dass sie das nicht mehr mache, denn immer, wenn sie anderen Menschen Warzen weggesprochen hatte, kamen diese bei ihr an genau derselben Stelle. Ich war skeptisch, an solche Sachen wollte ich noch nicht glauben. Daher bekniete ich meine Oma. Sie willigte ein. Das letzte Mal und auch nur, weil ich ihr Enkel wäre.

 

Also gut. Geheime Beschwörungen wurden gemurmelt und über die Warzen gestrichen. Nichts passierte. Es war enttäuschend.

 

Aber oh Wunder, nach einer Woche waren meine Warzen alle weg und tatsächlich, als ich bei meiner Oma nachschaute, hatten sie sich an derselben Stelle, an der ich sie hatte, angesiedelt. Mein erster Kontakt mit einer neuen Welt; einer Welt, die nicht sofort erklärbar ist.

 

Die ersten Hinweise auf Macht und darauf, dass unsere Realität nur ein Spiel ist, dessen Regeln jederzeit geändert werden könnten.

 

Fataler Wahnsinn

 

Es gab dann eine Zeit, in der die Schicht zur Realität sehr dünn war. Ängste stiegen oft in mir empor und öffneten das Fenster zu einer anderen Wahrscheinlichkeit. Oft saß ich am Fenster und schaute hinaus oder lag im Bett und folgte meinen Gedanken.

Ich malte mir aus, vielleicht wahnsinnig zu sein und die eigentliche Realität wäre, in der Irrenanstalt zu sitzen und nur zu glauben, dass das, was ich jetzt gerade erlebe, wirklich sei.

 

Schweiß bildete sich oft auf meiner Stirn und bei der Vorstellung, dass ich Gefangener meines eigenen Irrsinns bin und nicht weiß, wie die Wirklichkeit aussieht, fing mein Körper zu zittern an. Je mehr ich mich hineinfallen ließ, umso größer wurde das Loch, das mich in die Welt des Irrsinns hinab zog.