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Sebastian Pioch
Daniel Sonnet

Die digitale Achillesferse

Wie mittelständische Unternehmen Chancen der
Digitalisierung konkret nutzen können

Ein Praxisleitfaden

Mit Visualisierungen und Arbeitsblättern von Barbara Blenski

© 2018 Sebastian Pioch, Daniel Sonnet
Abbildungen und Arbeitsblätter: u.a. Barbara Blenski
Korrektorat: Stephan Arweiler

ISBN

Paperback 978-3-7439-3231-9
Hardcover 978-3-7439-3232-6
e-Book 978-3-7439-3233-3

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und der Autoren unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhalt

1 Einleitung

1.1 Für wen ist dieses Buch?

1.2 Wie arbeiten Sie mit diesem Buch?

2 Ausgangssituation, ein Fallbeispiel

2.1 Wo wir stehen und wohin die Reise geht.

3 Digital Model Canvas

3.1 Die digitale Achillesferse

3.2 Digitaler Check-up

4 Innovationsentwicklung

5 Entscheidungsfindung

6 Wissensmanagement

6.1 Eine Wissenslandkarte erstellen

6.2 Werkzeuge für das Wissensmanagement

7 Daten sind die neuen Rohstoffe

7.1 Ein paar Daten (Fakten) zur Ausgangslage

7.2 Wie beginne ich mit Big Data?

7.4 Data-Mining Software, welche ist für mich geeignet?

7.5 Datenschutz, was sollte ich unbedingt beachten?

8 Transformation durch Organisation

8.1 Worum es bei der Organisation geht

8.2 Wie Sie eine gute Organisation aufbauen

8.3 Welche Tools bei der Organisation helfen

8.4 Erfolge messen, die OKR-Methode

9 Kommunikation neu gestalten

9.1 Der Internetauftritt

9.2 Suchmaschinenmarketing

9.3 Soziale Medien

9.4 Instrumente für Kundenbeziehungen

10 Essenziell – für Zahlbereite erreichbar sein

10.1 Die Ausgangslage

10.2 Lösungen für den Stationär- und Onlinehandel

11 Auf geht’s! Jetzt beginnen

Die Autoren

1 Einleitung

Bücher zum Thema Digitalisierung gibt es schon en masse. Diverse Titel unternahmen bereits den Versuch, sich dieses Themas anzunehmen und für Aufklärung zu sorgen. Der eine oder andere Untertitel ließ auch die Vermutung zu, dass erklärt würde, „wie die digitale Transformation gelingt.“ Und? Gelingt sie? Tatsächlich scheint es so zu sein, dass bislang lediglich große Konzerne in der Fläche dieses Thema aufgreifen und sich zu eigen machen. Viele mittelständische Unternehmen wirken da noch recht zögerlich.

Was sind die Gründe dafür? Durch diverse Studienprojekte, den Besuch unzähliger Veranstaltungen und das Führen von Gesprächen mit Vertretern des Mittelstands wollen wir hier drei Hauptgründe nennen:

1. Die Notwendigkeit wird (noch) nicht gesehen.

2. Ängste vor Veränderung.

3. Volle Auftragsbücher.

Leider tragen die vorliegenden „Ratgeber“ unserer Meinung nach nicht dazu bei, dass sich die Unternehmer1 dem Thema Digitalisierung mit der notwendigen Begeisterung verschreiben. Schaffen sie doch mit ihren Drohszenarien à la „Sie müssen sofort, sonst …“ ein Klima der Verunsicherung, das kaum förderlich sein dürfte, sich für Neues zu öffnen.

Dem möchten wir mit diesem Buch etwas hanseatische Gelassenheit, verbunden mit dem einen oder anderen Augenzwinkern, entgegensetzen. Wir möchten mit diesem Buch Mut machen und die Freude daran wecken, sich dem Thema Digitalisierung behutsam zu nähern, ohne sich von irgendwelchen vermeintlichen Experten aufscheuchen zu lassen. Der deutsche Mittelstand ist nicht zuletzt deswegen so erfolgreich, weil er sich stets auf das konzentriert, was er kann, und dies vor allem auch gern tut.

Welchen Sinn kann es haben, Unternehmern zu raten, dass sie am besten sofort alles stehen und liegen lassen sollten, ihre Werkstätten in hippe Co-Working-Spaces mit Kickertischen und Lavalampen verwandeln, nur um den Eindruck zu erwecken, „dabei zu sein“?

Nein, wir glauben, dass es eine Weile dauert, bis die Unternehmen sich in das Thema Digitalisierung verlieben. Vielleicht kommt es auch gar nicht dazu, muss es auch nicht. Wir denken jedoch, dass sie es selbst angehen sollten, ohne dass Digitalagenturen ihnen nunmehr ständig vorschreiben, wie dieses oder jenes zu tun sei. Wir sind der Auffassung, dass es jenen Unternehmen gelingt, sich dem digitalen Tross anzuschließen, der zweifelsfrei eine Menge zu bieten hat, die das Thema als Unternehmen für sich entdecken.

Dabei muss unseres Erachtens nicht von heute auf morgen radikal alles umgestellt werden. Vielmehr kann das ein Prozess sein, bei dem nach und nach Dinge angepasst werden. Dies dürfte dann dazu führen, dass alle Mitarbeiter Vertrauen in dieses mysteriöse Etwas „digitale Transformation“ gewinnen, Ängste abbauen und peu à peu die Chancen daraus erkennen und vielleicht, wenn man sie in Ruhe machen lässt, sogar Freude daran bekommen.

1.1 Für wen ist dieses Buch?

Dieses Buch richtet sich an kleine und mittelständische Unternehmen, die mit Digitalem bislang nicht viel am Hut hatten. Die ihr Geld mit Handwerk, Industrie oder Dienstleistungen verdienen und die auch gut ohne das Internet zurechtkamen. Es ist gedacht für Unternehmen, die Antworten auf die Frage bekommen möchten, wie sie die Chancen der Digitalisierung nutzen können, ohne darauf zu verzichten, die aktuell vollen Auftragsbücher abzuarbeiten. Wir haben nämlich vollstes Verständnis dafür, dass Unternehmen keine Lust dazu haben, ihren Kunden zu erklären, dass sie ihre Aufträge nicht umsetzen können, da sie aktuell erstmal eine App entwickeln müssen.

Es richtet sich an Leserinnen und Leser, die eine praxisorientierte Anleitung suchen, sich dem Thema Digitalisierung zu nähern. Die keine weitere Sammlung von Statistiken suchen, welche darlegt, dass wir Deutschen die digitale Transformation verschlafen. Die verstanden haben, dass das ein spannendes und wichtiges Thema ist.

Wir haben mit diesem Buch einen Praxisleitfaden entwickelt, der schnörkellos und einfach umsetzbar die aus unserer Sicht maßgeblichen Schritte aufzeigt, damit Sie die Chancen der Digitalisierung nutzen können.

1.2 Wie arbeiten Sie mit diesem Buch?

Zunächst einmal glauben wir, dass alles was nötig ist, damit Sie die Chancen der Digitalisierung nutzen können, bereits in Ihrem Unternehmen vorhanden ist. Es ist vor allem insofern vorhanden, dass es kaum einem anderen möglich sein würde als Ihnen selbst, jene Chancen zu nutzen. Sie selbst sind es, die Ihre Kunden kennen, Ihre Produkte, Ihren Wettbewerb. Sie haben, um dahin zu gelangen, wo Sie sind, mit viel Liebe und Geduld ein Geschäft aufgebaut, das Sie, Ihre Familien und Ihre Mitarbeiter ernährt.

Dies, liebe Leserinnen und Leser, sollten Sie sich bitte zuallererst einmal bewusst machen! Sie haben eine Menge erreicht und das bisschen digitale Gedöns packen Sie mit links, versprochen!

Am besten arbeiten Sie mit diesem Buch, indem Sie es einmal komplett lesen (wir haben es bewusst kompakt gehalten) und dies am besten in der Nähe eines Computers tun. Wir haben das Buch nämlich mit jeder Menge Weblinks und Praxisbeispielen gespickt, die Sie sich dann an den entsprechenden Stellen direkt online ansehen und sich Notizen machen können. Sämtliche in diesem Buch enthaltenen Arbeitsblätter können Sie auch gern unter www.innokontor.com herunterladen.

Nach dem Lesen sollten Sie dann vielleicht jene Dinge als erstes angehen, auf die Sie am meisten Lust haben. Ja genau, die, auf die Sie Lust haben, nicht etwa jene, die womöglich am wichtigsten scheinen. Wir glauben nämlich, dass Sie deswegen so gut in dem sind, was Sie tun, weil Ihnen das viel Freude bereitet. Genauso verhält es sich mit Neuem. Wenn es Ihnen partout keine Freude bereitet, sich dem Thema Webseite zu nähern, dann lassen Sie es. Wir sind eh der Ansicht, dass nicht jedes Geschäft eine Webseite benötigt. In einem Projekt ging es einmal darum, dass ein Hersteller von Trinkwasserrohren aus Plastik unbedingt eine neue hochwertige Webseite entwickeln lassen wollte. Warum? Nun, weil er gehört hatte, dass das schließlich wichtig sei. Jemand von uns hat damals die inhaltliche Recherche betreut und mit potenziellen Kunden des Unternehmens gesprochen – mit Installateurfirmen, die jene Rohre verbauen.

Und wissen Sie was? Nicht einer der Klempnermeister hat auch nur ein einziges Mal seine Entscheidung davon abhängig gemacht, wie die Webseite eines Rohranbieters gestaltet war! Das ist denen völlig egal. Da geht es um ganz andere Aspekte, etwa ob der Bauträger die Rohre zulässt oder welche Anbieter der Großhändler im Repertoire hat, der der Baustelle am nächsten liegt. Warum wir Ihnen das erzählen? Nun, weil wir glauben, dass Sie nicht nur in die Prozesse der Digitalisierung eingebunden werden sollten, sondern dass Sie sie maßgeblich vorantreiben. Was bringt eine tolle Webseite, die suchmaschinenoptimiert ganz fancy daherkommt, wenn sie niemand besucht?

In dem Fall des Trinkwasserrohrherstellers wäre tatsächlich eine App viel schlauer gewesen, die dem Installateur anzeigt, bei welchem Großhandel in der Nähe der Baustelle dessen Rohre zu welchem Preis erhältlich sind. Dazu hätte man aber mit dem Installateur sprechen sollen, nicht nur mit einer Agentur, die keine Ahnung von dem Geschäft hat …

Sie sollten sich also jenen Aspekten aus diesem Buch zuerst widmen, die Ihnen Freude bereiten könnten und die sie als sinnvoll für Ihr Geschäft erachten. Dabei können Ihnen am wenigsten neunmalkluge Agenturen helfen, sondern vielmehr Leute, die Ihnen vertrauen – Ihre Kunden. Beziehen Sie Ihre Kunden in den Prozess der digitalen Chancennutzung aktiv mit ein! Wie das geht werden wir in den folgenden Kapiteln immer wieder erläutern. Schließlich sollten Sie auch Ihre Mitarbeiter aktiv mit in diesen Prozess einbinden.

Kurz gesagt: Fragen Sie einfach jeden Ihrer Mitarbeiter, auf welchen Bereich der hier (oder anderswo) angesprochenen Bereiche der Digitalisierung er Lust hätte. Zwingen Sie niemandem, auch nicht sich selbst, etwas auf. Ganz bestimmt gibt es eine Auszubildende bei Ihnen, die aktiv auf Instagram oder Snapchat unterwegs ist. Warum nicht sie fragen, ob sie etwas über das Unternehmen postet statt zwingend das Marketing damit zu betrauen? Warum nicht dem Kollegen aus der Buchhaltung gestatten, eine Wissenslandkarte (siehe Kap. 6) zu entwickeln? Dinge werden gut, wenn Menschen Lust dazu haben. Das erleben Sie spätestens dann, wenn eine Oma ihren Lieblingskuchen zaubert oder Billy Elliot beim Tanzen aufblüht anstatt zu boxen, nur weil sein Vater es will.

Last, but not least lautet unser Rat: Wenn Sie viel von der Lektüre dieses Leitfadens mitnehmen möchten -fangen Sie an. Gleich wie wichtig oder unwichtig es zu sein scheint, die Devise heißt „Machen!“. Es können Fehler passieren. Na und? Glauben Sie mal nicht, dass die vermeintlichen Profis alles richtig machen. Sie wären überrascht, wie viel digitaler Murks da draußen existiert. Insofern, legen Sie los, viel Freude beim Lesen und gutes Gelingen!

2 Ausgangssituation, ein Fallbeispiel

Papa, wir müssen reden. So oder so ähnlich mag es damals geklungen haben, im beschaulichen Rhens, als Julia Kasper ihrem Vater von ihrer Idee erzählt hat, einen 3-D-Online-Konfigurator für die Schreinerei der Familie zu entwickeln. Die Rede ist von der Firma Holzgespür, die ein ganz wunderbares Beispiel dafür ist, wie hervorragend etwa das Thema Handwerk und die Digitalisierung zusammenpassen. Aber der Reihe nach.

Die Tischlerei Kasper war bis vor kurzem noch eine ganz normale Tischlerei. Sie fertigten unter anderem Treppen, und Massivholzplatten und Möbel. Ihr Geschäftsmodell war klassisch so angelegt, dass sie Möbel für diverse Kunden aus ihrem Einzugsgebiet herstellten. Bis, ja, bis Tochter Julia auf die Idee kam, den klassischen Vertrieb um einen eigenen digitalen Kanal zu erweitern.

Kunden können nämlich auch ganz bequem in Flensburg einen Massivholztisch online nach ihren Bedürfnissen konfigurieren und werden während der Produktion auch digital auf dem Laufenden gehalten – etwa durch Fotos der verschiedenen Fertigungsschritte.

In einem Video auf holzgespuer.de schwärmt Tischlermeister Hermann Kasper davon, dass plötzlich Kunden aus Berlin und anderen Teilen der Republik in der Werkstatt stehen, und fragt sich, wo nur all die Leute herkommen. Ist das nicht toll? Und das Beste daran ist, dass nicht das gesamte Geschäftsmodell auf den Kopf gestellt werden musste, so wie es oftmals beschrieben wird, sondern lediglich ein Teil – nämlich der Vertriebskanal.

Im nächsten Kapitel schauen wir uns das Thema Geschäftsmodell etwas näher an und kommen dann abermals darauf zurück. Zunächst soll jedoch eine kurze Einführung in die aktuellen Geschehnisse der Digitalisierung erfolgen.

2.1 Wo wir stehen und wohin die Reise geht.

Wir wollen Sie hier nicht mit endlosen Statistiken nerven, die in dem Moment ohnehin wieder veraltet sind, in dem wir sie herausgesucht haben. Zudem ist das bereits in einigen Büchern gemacht worden, also sparen wir uns das. Nein, wir möchten Ihnen hier kurz anhand eines Beispiels unsere Einschätzung mitteilen, dass sich das Thema Digitalisierung auf viele Unternehmen auswirken wird – und was das bedeuten kann.

Klassischerweise funktioniert das ja so: Ich gründe ein Unternehmen, sagen wir mal einen Copyshop. Wer schlau ist, gründet so einen Copyshop in der Nähe einer Universität, wo für gewöhnlich viele Kopien erstellt werden. Außerdem wollen die Studierenden zusätzlich zu Kopien etwa ihre Haus- oder Abschlussarbeit ausdrucken und binden lassen. So ein Copyshop hat also zumeist drei Dienstleistungen: Kopieren, Drucken, Binden.