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Nr. 2980

 

Die Eisigen Gefilde

 

In der Galaxis der Roten Riesen – Atlans Suche beginnt

 

Christian Montillon

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Brennende Neuigkeiten

2. Zielsicherheit

3. Ein Kaffee und eine künstliche Welt

4. Kaschemme

5. Opferstätte

6. Sippenschlitten

7. Opfer und Antwort

8. Drei Aufträge

Report

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry ­Rhodan hat nach wie vor die Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben.

Davon ist er in diesen Tagen des Jahres 1552 Neuer Galaktischer Zeitrechnung allerdings weit entfernt: In der von der Superintelligenz ES verlassenen Milchstraße machen sich Boten anderer Superintelligenzen breit, ebenso alte Feinde von ES und neue Machtgruppen.

Eine dieser Machtgruppen ist der sogenannte Techno-Mahdi, der das Solsystem unter seine Kontrolle gebracht hat. Sein wichtigster Repräsentant nennt sich Adam von Aures, und er scheint nach der völligen Unabhängigkeit von allen Hohen Mächten zu streben. Bei seinen Bemühungen hat er aber etwas ausgelöst, das den Untergang der Milchstraße nach sich ziehen kann: den Weltenbrand.

Atlan begibt sich indessen auf die Suche nach der geheimnisvollen Proto-Eiris, die einst von ES in der Kleingalaxis Cetus eingelagert wurde. Sie soll vielerlei Fähigkeiten aufweisen, die im Kampf gegen den Weltenbrand nützlich sein könnten. Der Weg des Arkoniden führt in DIE EISIGEN GEFILDE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Der Arkonide trifft eine besondere Frau wieder.

Tamareil – Die Olkonorin im Robotkörper ist etwas Besonderes.

Florence Hornigold – Die Kapitänin und Händlerin sieht in Atlan das Besondere.

Fitz Klem – Atlans Begleiter muss Passagen finden und öffnen.

1.

Brennende Neuigkeiten

 

Kapitänin Florence Hornigold brannte.

Ein seltsames Gefühl, dachte sie. Die Flammen tanzten auf ihrem Arm und dem Handrücken. Als sie die Finger streckte, flackerten sie von den Nägeln hoch wie von Kerzendochten.

»Bist ... du dir sicher?«, fragte sie zögerlich. Rote Lohen leckten an ihrer dunklen Haut.

»Lächle!«, forderte ihr Gegenüber und tat genau das: Er verzog seine flaschengrüne Gesichtshaut zu einem Lächeln.

Sie versuchte es. Obwohl sie durch das Feuer keinerlei Schmerz empfand, wollte es nicht recht gelingen.

Das sah der Lee, der ihr seine Erfindung vorstellte, wohl genauso. »Ich kenne mich mit euch Rettanern nicht besonders gut aus, aber ...«

»Terranern«, verbesserte Florence, und mit einem Mal lächelte sie doch.

»Oh«, machte ihr Besucher. »Jedenfalls wollte ich sagen, dass ...« Er seufzte, und sein Brustkorb leuchtete auf, was bei seinem Volk anzeigte, dass seine Emotionen hochkochten. Wahrscheinlich ärgerte er sich darüber, dass sie ihn korrigiert hatte. Er ließ es sich nicht anmerken, weder in der Wahl seiner Worte noch im Tonfall – ganz der Profi, der plante, der Handelskönigin Florence Hornigold etwas zu verkaufen. »Egal. Also, was hältst du von meinen kalten Flammen?«

»Nichts Besonderes. Man kann das chemisch leicht herstellen, indem man ...«

»Aber sie gefallen dir«, unterbrach er sie. »Ich sehe es deinen Augen an!«

Der Lee – seinen Namen hatte sie vergessen, weil er der gefühlt tausendste Besucher dieser Handelsaudienz war – stand auf und schob dabei seinen Stuhl ein Stück zurück. Die Beine schrammten über den Boden, das Geräusch schmerzte in den Ohren. Die Pupillen seines Doppelauges im grünen Gesicht weiteten sich, er streckte die Hand aus und griff in eine Flamme hinein, als wollte er sie pflücken wie eine Blume.

»Welchen Nutzen sollen sie bringen?«

»Nutzen, Nutzen! Nicht alles muss einen schnöden Zweck verfolgen. Manche Dinge sind einfach nur schön, und das ist Daseinsberechtigung genug! Wusstest du das nicht? Hast du gar nichts gelernt, hier auf dem herrlichen Sternenring, den mein Volk gebaut hat und auf dem du als Gast wohnen darfst? Wahre Schönheit erhebt den Geist!«

Ist es schön zu brennen?, fragte sie sich.

Nun pflückte er tatsächlich eine der Flammen – zumindest sah es so aus. Er führte die beiden Daumen der Rechten zusammen, und als er die Hand zurückzog, tanzte eine Feuerlohe dazwischen.

Es dauerte einen Moment, bis Florence den Trick durchschaute: Er hatte keinen Teil des Feuers geraubt, sondern eines seiner Flammenkörnchen zwischen den Daumen zerrieben und neu entzündet. Nett, in der Tat. Ein hübsches Spielchen. Vielleicht könnte man es irgendwann nutzen, um in einer Kampf­situation die Gegner zu verwirren.

Kampfsituation.

Bis vor Kurzem hätte sie eine solche Möglichkeit niemals in Betracht gezogen. Bis unvermutet Atlan auf dem Sternenring aufgetaucht war und Florence mit ihm ins Abenteuer ihres Lebens stürzte.

Doch der legendäre Arkonide war vor etwa zwei Monaten wieder gegangen ... zurück zur Milchstraße, wahrscheinlich. Dort lag sein Ziel, und ein Mann wie er verfolgte seine Ziele so lange, bis er sie erreichte. Inzwischen scherte ihn eine abgelegene Kleingalaxis wie Cetus garantiert nicht mehr.

Warum sollten ihn auch die Sternenringe der Lee interessieren, die WOODES ROGERS und ihr Handelsmonopol? Oder sogar die Kapitänin dieses Schiffes, eben Florence Hornigold, eine Nachfahrin von irgendwelchen Terranern, die vor Jahrhunderten als Händler die Milchstraße verlassen hatten?

»Die Schönheit verschlägt dir die Sprache, was?«, riss ihr Besucher sie aus den grüblerischen Gedanken.

So kannte sie sich gar nicht! Bei allen Göttern und sonstigen Wesen, die sich zwischen den Sternen tummelten ... Sie war kein Jammerlappen, sondern Florence Hornigold! Dieser verflixte Atlan! Manchmal fragte sie sich, ob sie ihn besser nie getroffen hätte. Dann könnte sie ihm auch nicht nachtrauern, ihm und den Abenteuern. Vorher war sie mit ihrem Leben zufrieden gewesen!

Belüg dich nicht selbst, Florence! Sie war immer auf der Suche gewesen, ohne benennen zu können, wonach. Eine Sehnsucht in ihrem Herzen nach etwas, das ihr fehlte, obwohl ihr Verstand nichts davon wusste.

Sie fällte eine Entscheidung. »Ich kaufe dir deine Erfindung ab.«

Sein Brustkorb leuchtete zufrieden – sie konnte dieses Gefühl zwar nicht mit irgendwelchen Helligkeitstabellen beweisen, kannte die Lee aber lange genug, um es zu fühlen.

»Was den Preis angeht«, sagte sie, »wird meine rechte Hand mit dir die Details festlegen.«

Der Besucher öffnete den Mund, gab einen verwirrten Laut von sich und schaute an ihrem noch immer brennendem Arm hinab.

»Nein, nein!« Ihr Lächeln verbreiterte sich. »Das ist nur eine alte Redewendung meines Volkes. Sie bezieht sich auf meinen Mitarbeiter, der draußen auf dich wartet. Ich instruiere ihn. Danke für dein Angebot.« Florence stand auf, kreuzte die Arme vor der Brust – eine traditionelle Dankesbekundung der Lee – und wies auf die Tür, die aus dem Audienzraum führte, hinaus ins Markthaus.

An Ka-Liam, ihren liebsten Vertrauten, schickte sie alle nötigen Anweisungen, indem sie den rechten der vier Knöpfe an ihrer Tischkante drückte: Kauf es, aber handle den Preis so weit herunter, wie es geht.

Allein im Audienzraum, überlegte Florence, ob sie sich vor dem nächsten Gespräch ein wenig aufputschen sollte.

Stattdessen ging eine Funknachricht ein.

Und ihr das Herz auf.

 

*

 

»Ich musste bei unserem letzten Treffen ein wenig abrupt verschwinden«, sagte der Sprecher am anderen Ende der Funkverbindung, ohne seinen Namen zu nennen. Das war auch nicht nötig. Florence erkannte ihn sofort, ganz davon abgesehen, dass niemand sonst diese Geheimfrequenz kannte, die sie damals vorsorglich vereinbart hatten. »Tut mir leid.«

Florence atmete tief durch. »Hast du mich vermisst, ja?«

»Meintest du nicht, wir müssten dringend eine Partie Basketball spielen?«

»Mein Feld steht dir zur Verfügung.«

»In der WOODES ROGERS?«

»In meinem Schiff, ja. Was dachtest du denn? Ich kann es ja schlecht in den Rucksack packen und mitnehmen.« Genau wie er vermied sie es, seinen Namen auszusprechen. Irgendwelche Suchroutinen, die den Funkverkehr durchforsteten, könnten sonst allzu leicht fündig werden – sogar auf dieser geschützten Frequenz. Wer wusste schon, wozu die Gemeni fähig waren?

Atlan schwieg kurz, dann sagte er: »Ich habe dich tatsächlich vermisst.«

»Also bist du eben mal zweieinhalb Millionen Lichtjahre von der Milchstraße herübergeflogen, nur für eine Partie Basketball?«

»Es gibt keine guten Spieler zu Hause. Und, na ja, nebenbei könnte ich noch etwas anderes erledigen. Aber darüber sollten wir unter vier Augen sprechen.«

»Tun wir doch gerade. Zumindest bei mir hört niemand mit.« Hoffentlich.

»Ich würde deine Augen lieber sehen.«

»Wer bin ich, dass ich dir da widerspreche?«

»Kannst du sofort aufbrechen?«, fragte er.

»Ich habe nichts Besseres vor.«

»Keine Lee, die du übers Ohr hauen könntest?«

»Du solltest lernen, gut zuzuhören! Ich sagte nicht, dass ich nichts zu tun hätte. Nur, dass ich nichts Besseres vorhabe.«

»Geht mir ähnlich.«

»Warum bist du gekommen?«

»Unter vier Augen, Florence. Es soll dein Schaden nicht sein.«

»Das werden wir noch sehen.« Sie ertappte sich dabei, wie sie eine Melodie vor sich hinpfiff: Lob des Himmelsreifens, ein etwas veralteter Gassenhauer der Lee.

»Gute Laune?«, fragte Atlan.

»Sag mir lieber, wo wir uns treffen.«

»Zehn Lichtjahre von deinem Sternenring entfernt. Ich schicke dir die genauen Koordinaten.«

»Tson ist nicht mein Sternenring. Mein Schiff hat hier nur seinen Heimathafen, und das Markthaus ist ...«

»Ach«, unterbrach Atlan, »ich dachte, in den beiden Monaten seit meinem Verschwinden hast du so gute Geschäfte gemacht, dass ...«

»Du übertreibst.«

»Ich schmeichle«, verbesserte er.

»Das kannst du gut.«

»Danke.«

»Also gut, zehn Lichtjahre«, sagte sie. »Ich breche mit der ROGERS so rasch wie möglich auf. Sollte nicht allzu lange dauern. Ich freue mich da­rauf, Geschichten auszutauschen. Ich mag Geschichten, weißt du?«

»Ich auch. Vor allem, wenn sie gut enden.«

Florence konnte das unausgesprochene Aber geradezu hören. »Aber?«, sprach sie es aus.

Er schwieg.

Und das sagte mehr als tausend Worte.

 

 

Die Eisigen Gefilde

(1)

 

Die Scheren des Schneekrebses schnappten und zerschnitten den am Boden zappelnden Riesenkäfer, den Spontro kurz zuvor auf das gefrorene Ufer hatte fallen lassen. Die Beute starb, aber nicht, ohne den Jäger gleichfalls zu töten, denn als die Chitinhülle barst, sandte sie einen starken elektrischen Impuls, der das Fleisch des Krebses blitzartig verdampfen ließ. Zurück blieb ein perfekt erhaltener, blau-grün gemusterter Panzer. Die kleinen schwarzen Augen lagen darin so gut geschützt, dass sie nicht in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Welch ein Glück!

Spontro dankte dem Frostdämon, indem er das Wahrheitsauge schloss und das rituelle Gebet vor sich hinmurmelte, während er den Schneekrebspanzer vorsichtig aufsammelte: »Es ist recht, dich zu preisen, Rudspor! Dank dir wird alles wohl.«

Gleichzeitig gingen ihm lästerliche Gedanken durch den Sinn. Falls Rud­spor tatsächlich seine gefrorenen Fingerspitzen im Spiel hatte und dafür sorgte, dass der Panzer samt Augen so gut erhalten blieb ... handelte er dann nicht aus Eigennutz? Schließlich sollte dieser Überrest eines soeben noch lebendigen Tieres als Opfer für Rudspor dienen!

Und was nutzte es dem Frostdämon überhaupt, eine solche Gabe zu empfangen? Tausende davon stapelten sich vor seiner Statue in der Splounga, und nie hatte sich das Abbild bedankt, nie eine Opfergabe eingesammelt, nie eine Reaktion gezeigt – es bestand aus Gestein und stetig erneuerten Gliedmaßen aus gefrorener Erde!

Spontro schob diese Überlegung beiseite. Sie ziemten einem Priester des Frostdämons nicht! Wenn seine Mutter wüsste, was ihm durch den Kopf ging, würde sie in ihrem Schneegrab toben, falls die Hitze ihres Zorns nicht gleich den gesamten Totenberg schmolz und die Splounga in einer Sturzflut überschwemmte.

Den zerschnittenen Riesenkäfer ließ Spontro liegen, als er den Rückweg antrat. Die Schneeschuhe trugen ihn zuverlässig und sicher über die viele Meter hohen Wehen, die in der Nacht plötzlich gewachsen waren. Die Hörner einer Schneekuh ragten vor ihm aus dem mit sanften Wellen gemusterten, trügerischen weißen Boden. Der eisige Sturm hatte das bedauernswerte Tier offenbar überrascht.

Rudspor, gedenke deines Fleisches, dass es anderen zur Nahrung und zum Guten diene, dachte Spontro beiläufig.

Bald schälte sich in der Ferne sein Zuhause aus dem nebligen Dunst, den die Schneewehen ausdampften. Die wenigen Häuser der Splounga Rud­spor verhießen Wärme und eine Fellmulde, in der er sich neben einem flackernden Feuer ausstrecken konnte. Nach der stundenlangen Suche, die ihn letztlich zu dem einsamen Schneekrebs geführt hatte und während der der Riesenkäfer mehr als einmal fast aus der Tragetasche entwischt wäre, fühlte er sich rechtschaffen müde.

Aber ... tönten da nicht Schreie, mitten im pfeifenden Wind?

Hüpften die Kinder aufgeregt umher und entzündeten Dienstfeuer?

Der Nebeldunst verhinderte klare Sicht ebenso wie der Wind das genaue Hören, doch Spontro rannte los, so schnell und unachtsam, dass er trotz der Schneeschuhe bei jedem Schritt bis zu den Knien einsank.

Er musste vorsichtig sein, durfte sich nicht von seinen Gefühlen zu sträflich gefährlichem Leichtsinn verleiten lassen! Er wäre nicht der Erste, der mit gebrochenen Beinen im Schnee versank und Generationen später als Eismumie gefunden wurde.

Was mochten die Priester einer fernen Zukunft denken, wenn sie dereinst seinen Leichnam untersuchten? Würden sie sich über den Schneekrebspanzer wundern, den er bei sich trug, weil Rudspor in ihrer Epoche längst andere Opfer verlangte? Würden sie sich fragen, wieso er einst das rechte Auge verloren hatte, dass nur ein blinder Gewebehaufen davon übrig geblieben war? Und würde man Rudspors Namen überhaupt noch kennen?

Weg mit diesen lästerlichen Überlegungen!

»Rudspor ist ewig«, murmelte er, während sein Herz erschrak, »gefroren in der Zeit, bildet er gemeinsam mit den anderen fünf Frostdämonen die Säule, auf denen die Eisigen Gefilde ruhen.«

Das Erste Bekenntnis klärte seine Gedanken, sodass er sich mit den wichtigen Dingen, mit dem, was vor ihm lag, beschäftigen konnte.

Wieso herrschte diese Aufregung in der Splounga? War der Oberpriester der Krankheit erlegen, die ihn seit Wochen quälte und ihn bereits einen Fuß und das Augenlicht gekostet hatte?

Eine entsetzliche Vorstellung, dachte Spontro.

Wenige Atemzüge später, als er sein Zuhause erreichte, lernte er echtes Entsetzen kennen.

2.

Zielsicherheit

 

»Florence«, sagte er.

»Atlan«, sagte sie.

Sie wusste nicht, was sie tun sollte, und es kam ihr vor, als wäre er genauso hilflos wie sie.

Sein winziges Beiboot stand im Hangar der WOODES ROGERS, er hatte es verlassen, und nun standen sie sich gegenüber. Florence streckte die Hand aus, nahm seine und schüttelte sie.

»So förmlich?«, fragte er in neutralem Tonfall, aber seine Augen lächelten.

»Ist das nicht Sitte bei euch auf Terra?«

»Eigentlich stamme ich ja von Arkon.«

»Ich kenne beide nur aus Geschichten.« Und in denen schüttelten die Leute einander ständig die Hände. »Jedenfalls willst du nicht wissen, welche seltsamen Begrüßungsrituale die Lee zelebrieren.«

»Ich habe schon alles erlebt«, behauptete Atlan. »Die Jonathiden zum Beispiel beißen sich ins Ohr, und das sehr kräftig. Bei ihnen kein Problem, weil das Gewebe rasch nachwächst, aber wenn sie auf Angehörige fremder Völker treffen, kann das zu diplomatischen Verwirrungen führen.«

»Interessant.«

»Ich schlage dir etwas anderes vor.« Atlan umarmte sie.

Es fühlte sich nicht schlecht an.

»So machen das auf Terra und übrigens auch auf Arkon Freunde, wenn sie sich nach einer Zeit der Trennung wiedertreffen.«

»Sind wir das?«

»Freunde? Klar.«

Das fühlte sich besser an.

»Die Abenteuer mit dir haben mir gefehlt«, sagte Florence. »Seitdem quäle ich mich durch langweilige Handelsgespräche.«

»Ja, wer einmal mit mir unterwegs war, für den schmeckt alles andere schal.«

»Ist das ein gutes Selbstbewusstsein oder Hochmut?«

»Interpretationssache«, sagte er. »Lassen wir das die Geschichtsbücher entscheiden.«

»Werden sie von unserem Treffen berichten?«

»Klar. Schließlich bin ich hier, um mit dir zusammen die Milchstraße zu retten. Wie klingt das?«

»Gut.« Sie deutete mit ausgestrecktem Daumen über die Schulter nach hinten. »Komm mit! Ich habe alles für das perfekte Gespräch vorbereitet.«

»Ein Fünf-Gänge-Menü?«

»Besser.«

 

*

 

Atlan versuchte, den Ball zu greifen, aber Florence drehte sich zur Seite, machte einen Ausfallschritt, bückte sich und warf unter den Armen des Arkoniden hindurch.

Der Basketball näherte sich zielsicher dem Korb, und es wäre ein astreiner Treffer gewesen, wenn Atlan nicht mit einem schier unmöglichen Sprung rückwärts und mit ausgestrecktem Arm doch noch blockiert hätte. Er kam auf, verlor den Halt, kippte, rollte sich ab und war wieder auf den Füßen, ehe Florence den Ball ergreifen konnte.

»Nicht schlecht«, sagte sie. »Also noch mal: Du bist mit dem einzigen Raumer der Milchstraße, der die Entfernung bis hierher zurücklegen kann, nach Cetus gekommen.« Sie dribbelte an ihm vorbei.

Er folgte ihr, locker, ohne anzugreifen. »Die RAS TSCHUBAI ist eigentlich Perry Rhodans Schiff. Aber er hat ...« Er stockte kurz, setzte neu an. »Er hat sie mir übergeben, für diese Mission. Die RAS hat einen einzigartigen Antrieb. Die Einzelheiten erspare ich dir.«

»Jedenfalls bist du mit einem Beiboot zum Treffpunkt mit meiner ROGERS geflogen, um ...« Sie hob fragend die Stimme.

»Um zu testen, ob dir irgendwer gefolgt ist, der vielleicht unser Funkgespräch abgehört hat. Einem potenziellen Gegner wollte ich die RAS TSCHUBAI nicht unnötig auf dem Silbertablett präsentieren.«

»Keine Gemeni in der Nähe«, sagte Florence, ein wenig außer Atem, weil sie das Tempo beschleunigte. »Sie verhalten sich sowieso ruhig. Der Gerüchteküche zufolge können sie auf den nicht fertiggestellten Silo, den wir gemeinsam entdeckt haben, nicht zugreifen. Das Ding ist inzwischen offenbar völlig abgeschottet. Trotzdem, oder gerade deshalb, bewachen sie es verstärkt. Niemand kommt auch nur in die Nähe.«

»Gerüchteküche?«

»Ich nutze diverse Quellen, was so an Interessantem auf dem hiesigen Sternenring los ist.«

»Das glaube ich dir sofort. Zu den Silos kommen wir später noch mal.« Atlan steppte übergangslos vor, entwand Florence den Ball und ging in einen perfekten Sprungwurf über.

Allerdings viel zu weit vom Korb entfernt. Aus dieser Entfernung konnte er gar nicht treffen. Dafür kam er sehr nah.

»Nicht schlecht«, meinte Florence, »aber auch nicht gut.«

Er grinste, lehnte sich an die Wand und ließ sich zu Boden sinken. Dabei wirkte er nicht im Geringsten außer Atem.

Sie setzte sich neben ihn, die Beine ebenso angezogen wie er. Zwischen ihre Knie hätte gerade einmal eine Schreibfolie gepasst. Oder die Holografie davon.

»Im Solsystem ist etwas geschehen«, sagte Atlan. »Eine Katastrophe. Wir nennen es den Weltenbrand.«

»Weltenbrand«, murmelte sie und erinnerte sich, wie vor Kurzem das kalte Feuer über ihre Arme gelodert hatte. Im Unterschied dazu schien es in der alten Heimat alles andere als ein Spaß zu sein. Natürlich war Florence nie dort gewesen, und ihre direkten Vorfahren ebenfalls nicht, weil die WOODES ROGERS bereits vor Generationen die Milchstraße verlassen hatte. Aber das änderte nichts daran, dass sie etwas mit dem Solsystem verband, auch wenn sie dieses diffuse Heimatgefühl nicht in Worte fassen konnte. »Klingt übel«, sagte sie.

»Ist es tatsächlich. Und es wird schlimmer. Von Tag zu Tag.«

Sie sah ihm ins Gesicht und erkannte, wie ernst es ihm war. »Erzähl davon«, bat sie.

»Es wird dauern.«

»Ich habe Zeit.«

In den nächsten Minuten hörte sie Atlan zu, der eine unfassbare Geschichte entfaltete.

Den ersten, letzten, schrecklichen Höhepunkt bildete darin ein Unfall im Solsystem. »Eine einzelne Person zog dabei im Hintergrund die Fäden, aber glaub mir, das willst du gar nicht genau wissen.«

»Oh doch.«

»Wenn wir unterwegs sind, später, erzähle ich es dir. Jetzt dürfen wir nicht mehr Zeit verlieren als nötig.«

Florence machte eine umfassende Handbewegung. »Und das hier ist nötig?«

Atlan grinste. »Oh ja. Du musst verstehen, was mich hierher führt. Und warum ich deine Hilfe ...«

»... brauche?«

»Will.« Er erzählte von dem Un- oder Vorfall, der den Weltenbrand ausgelöst hatte, der, wenn Florence es richtig verstand, von einem kosmischen Tribunal bereits vor einigen Jahren prophezeit worden war.

Diese Katastrophe löste – vereinfacht gesagt, wie Atlan betonte – bei allen vernunftbegabten Geschöpfen eine Überempfindlichkeit aus ... gegen das Licht sämtlicher Sonnen, aber auch gegen Geräusche und Berührungen. Wobei die Ursache nicht bei den Lebewesen lag, sondern beim Licht selbst, das sich offenbar veränderte, sobald der Weltenbrand einen Stern befiel.

»Wie eine Krankheit?«, fragte Florence.

»So kann man es sich wohl vorstellen. Wie ein Virus, der das Licht befällt. Das Bild ist schief, aber wenn wir kurz dabei bleiben – nun, man versucht auf viele Arten, die Symptome zu lindern.«

Es gab Massenfluchten, allerdings ohne sinnvolles Ziel.

Man zog sich unter die Erde zurück, in dunkle Bauten, hinter Schutzschirme.

Eine Lösung jedoch gab es nicht.

Oder doch? Atlan ging einer Mission nach, die nicht nur Symptome bekämpfte, sondern echte Heilung bringen könnte. »Der Drahtzieher im Hintergrund ...«

»Wie heißt er?«

»Adam von Aures nennt er sich. Er hat ausgenutzt, dass die Superintelligenz ES die Milchstraße und ihre gesamte Mächtigkeitsballung verlassen musste. Die Eiris der Superintelligenz ist abgeflossen, und Adam hat dafür gesorgt, dass sich Pseudo-Biophore vom Solsystem aus in der Galaxis verteilen. Diese bringen wahrscheinlich zugleich den Weltenbrand mit sich ... wenn du so willst, sind sie die Viren.«

»Und wie wäre es«, fragte Florence, »nicht länger Symptome zu bekämpfen, sondern für eine Impfung zu sorgen?«

Er schwieg kurz. »Du bist gut. Genau da setzt der Plan an. Denn falls es überhaupt einen Impfstoff gibt, dann hier in deiner Kleingalaxis, in Cetus, in den Silos, die ES hinterlassen hat. Ich muss sie finden, die Pseudo-Eiris darin in die Milchstraße schaffen und so programmieren, dass sie die Auslöser des Weltenbrands ...«

»Atlan?«

»Ja?«

»Das klingt ...«

»Verrückt?«

Sie musste lachen.

Und er auch. Er sah aus, als hätte er schon viel zu lange nicht mehr gelacht. Die Augen tränten ihm.

»Kosmisches Geschehen«, meinte er endlich, »lässt sich oft nicht mit simplen Worten erklären.«

»In diesem Fall ist es gut«, sagte Florence, »dass ich keine simple Frau bin. Versuchen wir es noch mal, und diesmal unterbreche ich dich nicht. Aber ich muss dich vorher auf einen Denkfehler hinweisen.«

»Ich höre.«

»Nicht du musst all das möglich machen, sondern wir. Ganz davon abgesehen, dass in deiner WURIU SENGU sicher eine Mannschaft mit dir nach Cetus gekommen ist.«

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Illustration: Swen Papenbrock

»In der RAS TSCHUBAI«, stellte er klar.