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L. Randall Wray

MODERNES GELD
VERSTEHEN

Der Schlüssel zu Vollbeschäftigung
und Preisstabilität

Aus dem Englischen von
Elborg Nopp

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Copyright © Lola Books GbR, Berlin 2018

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt und darf in keinerlei Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Titel der englischen Originalausgabe:

Umschlagbild: Ausschnitt aus This is the Market, WPA-Poster, New York Federal Art Project, um 1937

Erste Auflage 2018

REZENSIONEN

Dieses Buch ist »Pflichtlektüre« für all jene, die eine Abschaffung der Politik der schwankenden Wechselkurse und eine Rückkehr zu festen Wechselkursen, einem Goldstandard oder Kapitalkontrollen fordern. Null Prozent Arbeitslosigkeit, Preisstabilität und eine langfristige Marktwirtschaft, wie Wray sie vorsieht, lassen sich nur mit frei schwankenden Wechselkursen erzielen. Eine Wirtschaftspolitik, die sich offensichtlich nicht auf das Handeln mit frei schwankenden Währungen versteht, treibt die Welt in den wirtschaftlichen Niedergang; das Verstehen der in Modernes Geld verstehen aufgestellten Grundsätze kann den Niedergang aufhalten und die Welt gleichzeitig in ein Zeitalter nie dagewesenen, langfristigen wirtschaftlichen Erfolgs führen.

Warren Mosler, Leiter von Economic Analysis, III Finance

Dies ist ein höchst bedeutendes Werk, das von allen ernstzunehmenden Ökonomen, gleich, welcher theoretischen Überzeugung, gelesen werden sollte. Wray legt nicht nur eine äußerst innovative Studie der Zusammenhänge zwischen Geld, öffentlicher Politik, Beschäftigung und Preisniveau vor, sondern entwickelt auch eine klare, aufschlussreiche und sinnvolle Position dazu, wie eine moderne monetäre Wirtschaft funktioniert. Dieses Buch ist meiner Meinung nach die wichtigste theoretische Studie seit Jahrzehnten.

John F. Henry, California State University, Sacramento

Außerordentlich gut geschrieben und überzeugend argumentiert… Es lässt Wirtschaft von einer trostlosen Wissenschaft zu einer positiven Wissenschaft werden und schafft es, mit klaren Politikempfehlungen den gordischen Knoten des Kompromisses zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation zu durchtrennen.

Jan Kregel, Università degli Studi di Bologna, Italien

Modernes Geld verstehen bringt frischen Wind in die Einöde der einfallslosen und allzu oft irrelevanten, aber gleichzeitig hochtrabenden, technisch komplexen Literatur zur Makroökonomie der letzten Jahrzehnte.

Y. S. Brenner, Universität Utrecht, Niederlande

Ein innovativer und sorgfältig argumentierter Vorschlag zur Lösung des dringlichsten wirtschaftlichen Problems unserer Zeit – die Beseitigung der Arbeitslosigkeit ohne eine Wiederbelebung der Inflation.

Paul Dalziel, Lincoln University, Neuseeland

Dieses Werk ist jedem Leser zu empfehlen, der sich sowohl für Wirtschaftstheorie als auch für makroökonomische Politik interessiert, ganz gleich, ob akademischer Ökonom oder politischer Entscheidungsträger. Hier wird erstmals eine originale Geldtheorie ohne unnötige Kontroversen in der Tradition von Keynes’ Abhandlung vom Gelde vorgelegt. Dem chartalistischen Ansatz folgend besagt die wichtigste These des Buches, dass die unerlässliche Voraussetzung für die Existenz einer monetären Wirtschaft die Befugnis des Staates ist, Geld zu schaffen und dessen Annahme durch die Auferlegung von Steuern zu sichern. Das entscheidende Hauptmerkmal des Buches ist, dass es von dieser chartalistischen Geldtheorie ein vollständiges Wirtschaftsprogramm ableitet, welches Vollbeschäftigung und die Abwesenheit von Inflationsdruck in sich vereint. Dies ist ein großer Fortschritt beim Ausarbeiten einer heterodoxen makroökonomischen Theorie im Sinne des Post-Keynesianismus.

Alain Parguez, Professor für Wirtschaft, Universität France-Comté, Frankreich, und Lehrbeauftragter für Wirtschaft, University of Ottawa, Kanada

Randy Wrays Buch betrachtet die Probleme von Preisinflation und Beschäftigung in der Makroökonomie aus einer neuen Perspektive. Er bleibt früheren post-keynesianischen und institutionalistischen Ansätzen treu und bringt dennoch neue Ideen in die Debatte ein. Dies ist eines jener Bücher, die den Leser oft innehalten lassen, um ein Konzept zu umreißen oder eine neue Anwendung oder Theorie zu durchdenken. Eine sehr anregende Lektüre… Randy Wrays Buch ist faszinierend, und ich bin bereits dabei, den »post-keynesianischen« Teil meines weiterführenden Seminars zur Makroökonomie neu zu überdenken. Seine Argumente sind sehr überzeugend und gut integriert, und twintopt [die Auffassung von Geld als »das, was benötigt wird, um Steuern zu zahlen«] und ELR werden sowohl historisch als auch theoretisch untermauert. Ein höchst empfehlenswertes Buch.

John T. Harvey, Review of Social Economy

In diesem bedeutenden Buch vollbringt Wray eine wahrhaft schwierige Aufgabe, indem er es schafft, gleichzeitig Kritik an den gesamtwirtschaftlichen Ansichten des Mainstream zu üben und eine plausible Alternative zu liefern.

Teodoro Dario Togati, The Economic Journal

In diesem bedeutenden Buch setzt sich Randall Wray dafür ein, dass Bundesregierungen als Arbeitgeber der letzten Instanz wirken sollen… Wrays Buch klärt viele Missverständnisse zu ELR auf und legt dessen Attraktivität und Machbarkeit auf hervorragende Weise dar.

Marc Lavoie, Eastern Economic Journal

In Modernes Geld verstehen legt L. Randall Wray Ökonomen, Politikern und der allgemeinen Öffentlichkeit ein gut durchdachtes und spannendes Argument für einen Paradigmenwechsel vor. Insbesondere erläutert er, warum die Wirkungsweise der modernen Wirtschaften Politiker dazu zwingt, zwischen niedrigeren Beschäftigungsquoten und höheren Inflationsraten zu wählen, und warum es eine dritte Alternative gibt… Wrays Werk ist außerordentlich empfehlenswert.

Shaw J. Gebhardt, Oeconomicus

INHALT

Vorwort

1. Einleitung

2. Geld und Steuern: Der chartalistische Ansatz

3. Einführung in eine Geschichte des Geldes

4. Staatsausgaben, Defizite und Geld

5. Geldpolitik: Zielzinssätze und die nichtdiskretionäre Natur der Reserven

6. Beschäftigungspolitik und der Wert der Währung

7. Die Logik des taxes-drive-money-Ansatzes

8. Schlussfolgerungen

Literaturverzeichnis

Register

VORWORT

Die konservative Überzeugung, es gäbe ein Gesetz der Natur, welches verhindere, dass Menschen eingestellt werden, dass es ›unvorsichtig‹ sei, Menschen anzustellen, und dass es finanziell ›vernünftig‹ sei, ein Zehntel der Bevölkerung auf unbestimmte Zeit untätig zu halten, ist auf wahnwitzige Weise abwegig – eben die Art von Dingen, die niemand für möglich halten würde, dessen Kopf nicht Jahr für Jahr mit Unsinn vernebelt worden ist… Unsere Hauptaufgabe wird es also sein, den Leser in seinem Instinkt zu bestätigen, dass das, was sinnvoll erscheint auch sinnvoll ist, und dass das, was wie Unsinn scheint auch Unsinn ist. Wir wollen versuchen, ihm zu zeigen, dass die Schlussfolgerung, dass mehr Menschen Arbeit bekommen werden, wenn neue Formen der Arbeit angeboten werden, so offensichtlich ist wie sie klingt und keine versteckten Fallen enthält; dass die Beschäftigung arbeitsloser Menschen zur Verrichtung nützlicher Aufgaben das bewirkt, was sie zu bewirken scheint, nämlich, den nationalen Reichtum zu steigern; und dass die Vorstellung, wir würden uns aus komplizierten Gründen in den finanziellen Ruin treiben, wenn wir dieses Mittel zur Steigerung unseres Wohlstand nutzen, genau das ist, wonach sie aussieht – nämlich ein Schreckgespenst. (Keynes 1972, S. 90–92)

In einem Brief an George Bernard Shaw schrieb Keynes am 1. Januar 1935: »Ich glaube, ich schreibe gerade ein Buch über Wirtschaftstheorie, das die Art, wie wir über wirtschaftliche Fragestellungen denken, weitgehend revolutionieren wird – nicht umgehend, denke ich, aber doch im Verlauf der nächsten zehn Jahre.« Keynes’ Behauptung bewahrheitete sich; sein Buch revolutionierte die Wirtschaftstheorie in der Tat, und zwar viel schneller als in einem Jahrzehnt. Ende der Siebziger Jahre jedoch hatte sich das keynesianische Paradigma in ›keynesianische‹, ›monetaristische‹ und ›angebotsseitige‹ Lager aufgespaltet, und Ende der 1990er Jahre war von der keynesianischen Revolution nur mehr sehr wenig übriggeblieben. In gewisser Hinsicht kehrt die hier vorgestellte Theorie zur Analyse von Keynes zurück, jedoch habe ich bewusst auf doktrinelle Erörterungen verzichtet, in der Hoffnung, dass dieses Buch nichts enthält, das Keynesianer, Monetaristen oder Verfechter der Angebotsseite nicht annehmen könnten.

Wie ich am Ende dieses Abschnitts anmerke, gibt es eine Anzahl anderer Ökonomen, die ähnliche Thesen entwickeln, vorwiegend zur Veröffentlichung in akademischen Fachzeitschriften. Mein Anliegen hier ist es, diese Ideen so vorzustellen, dass sie einem Leser mit soliden, wenn auch nicht unbedingt akademischen wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnissen klar werden. Und was vielleicht noch wichtiger ist: Dieses Buch ist ein Versuch, diverse theoretische und politikorientierte Untersuchungen zu modernem Geld, Staatsausgaben und Defiziten, Inflation und Beschäftigung kohärent und einheitlich darzustellen. Die vorliegende Analyse ist hoffentlich lediglich die ›Eröffnungssalve‹ für etwas, das vielleicht die Art und Weise, wie wir über Wirtschaft und insbesondere über Wirtschaftspolitik denken, revolutionieren wird.

Die primäre politische Schlussfolgerung, die sich aus dieser Analyse ergibt, mag schockieren, lässt sich jedoch einfach darstellen: Echte Vollbeschäftigung ist möglich, ohne eine Inflation auszulösen. Das wird wie ein wünschenswertes Ziel, aber auch wie eine anmaßende Behauptung erscheinen; kein anständiger Keynesianer, Monetarist oder Verfechter der Angebotsseite würde es sich erlauben, derartige Hoffnungen zu hegen. Doch wenn die Analyse hier richtig ist – und selbstverständlich bin ich mir sicher, dass sie das ist –, dann ergibt sich daraus logischerweise, dass wir unverzüglich zu Vollbeschäftigung mit größerer Preisstabilität übergehen können. Tatsächlich sind die beiden Ziele, wie ich ausführen werde, untrennbar miteinander verbunden: die zur Erreichung von Vollbeschäftigung empfohlene Politik wird auch die Preisstabilität erhöhen.

Diese Politik besteht in der Rolle der Regierung als ›Arbeitgeber der letzten Instanz‹; sie ist von anderen auch als ›staatliche Arbeitssicherung‹ und ›staatliche Pufferlager-Beschäftigung‹ bezeichnet worden. Die Regierung würde ganz einfach ankündigen, dass sie jeden, der bereit, gewillt und fähig ist zu arbeiten, zu einem genannten festen Geldlohn beschäftigen wird. Diese Idee ist nicht neu; sie lässt sich mindestens bis zur Großen Depression zurückverfolgen. Das Neuartige daran liegt in der wirtschaftlichen Analyse, die zeigt, dass diese Beschäftigungspolitik gleichzeitig die Preisstabilität verbessern muss. Arbeiter des ›Arbeitgebers der letzten Instanz‹ wirken als ein ›Pufferlager‹ aus beschäftigungsfähigen Arbeitskräften, die dem privaten Sektor zu einem Aufschlag auf einen bekannten, festgelegten Lohn (den von der Regierung genannten Lohn) zur Beschäftigung zur Verfügung stehen. Dies dient der Verankerung von Löhnen und somit von Preisen. Der Leser wird an dieser Stelle nicht überzeugt sein; natürlich ist eine genaue Analyse nötig, um die Leser von der Stichhaltigkeit solcher Behauptungen zu überzeugen. Das ist mein Bestreben.

Selbst wenn man das Argument akzeptiert, dass echte Vollbeschäftigung (nicht zu verwechseln, wie in Kapitel 1 besprochen, mit ›NAIRU‹ – der inflationsstabilen Arbeitslosenquote) erreicht werden kann, ohne eine Inflation auszulösen, lassen sich noch viele Einwände erheben. Was sind die Kosten? Wird das Haushaltsdefizit nicht explodieren? Wenn ja, wie wird die Regierung ihre Defizite finanzieren? Werden staatliche Ausgaben und Kreditaufnahme für dieses Programm nicht private Ausgaben und Kreditaufnahme ›verdrängen‹? Welche Auswirkungen wird das Programm auf den Wettbewerb mit ausländischen Firmen in der neuen globalen Wirtschaft haben? Ich will mich in den folgenden Kapiteln mit diesen Einwänden auseinandersetzen. Tatsächlich verschwinden die meisten Bedenken – insbesondere die zu den Kosten des Programms, den Staatsfinanzen und dem ›Verdrängen‹ –, sobald man die Natur des ›modernen Geldes‹ versteht.

In allen modernen Wirtschaften definiert die Regierung das Geld, indem sie wählt, was sie zur Zahlung von Steuern annimmt. Sobald sie verlangt, dass die Bürger Steuern in Form von Geld (sagen wir, Dollars) zahlen müssen, müssen die Bürger an Geld kommen, um Steuern zu zahlen. Um das zu erlangen, ›was zur Zahlung von Steuern nötig ist‹, oder Geld, bieten sie der Regierung (sowie den Märkten) Dienstleistungen oder produzierte Güter an. Das bedeutet, dass die Regierung alles erwerben kann, was für Dollars zum Verkauf steht, indem sie einfach Dollars herausgibt. Die Regierung ›braucht‹ ›das Geld der Öffentlichkeit‹ nicht, um Ausgaben zu tätigen; stattdessen braucht die Öffentlichkeit ›das Geld der Regierung‹ zur Zahlung von Steuern. Hat man dies einmal verstanden, wird klar, dass weder Steuern noch Staatsanleihen Staatsausgaben ›finanzieren‹. Stattdessen sind Steuern nötig, um dem Geld Wert zu verleihen, während der Verkauf von Staatsanleihen zur Geld- oder Zinspolitik gehört (und eine verzinsliche Alternative zu einer nicht verzinslichen Währung als Wertanlage darstellt).

Wenn die Leser zuerst auf dieses Argument stoßen, glauben sie normalerweise, dass ich zu einem hemmungslosen Einsatz der ›Druckerpressen‹ aufrufe, um die ganzen Staatsausgaben durch ›Gelddrucken‹ zu finanzieren, was als todsicherer Weg in die Hyperinflation gilt. Und das wäre es tatsächlich auch. Mein Argument ist, dass alle Staatsausgaben in Wirklichkeit durch ›Geldschöpfung‹ ›finanziert‹ werden, doch wird dieses Geld angenommen, weil eine auferlegte Steuerpflicht besteht, die absichtlich belastend ist. Ohne diese beschwerliche Steuerpflicht könnte die Regierung die Druckerpressen bis in alle Ewigkeit laufen lassen, würde jedoch nichts finden, was für Dollar zum Verkauf stünde! Daher können Staatsausgaben zu hoch (aber auch zu niedrig) sein; es besteht eine echte Gefahr, dass die staatliche Aktivität die private Aktivität verdrängt; und es besteht die Gefahr, dass Staatsausgaben bei zu großer Höhe zu einer Inflation oder bei zu niedriger Höhe zu einer Deflation führen.

Der Schlüssel liegt also darin, die Staatsausgaben auf genau der richtigen Höhe zu halten, sodass weder inflationäre noch deflationäre Kräfte wirken können. Wie ich zeigen werde, sorgt die Gestaltung des Programms des Arbeitsgebers der letzen Instanz dafür, die Staatsausgaben auf der richtigen Höhe zu halten. Weiters ermöglicht es die preisstabilisierende Eigenschaft des Programms der Regierung, den Märkten den Lohn ›vorzuschreiben‹, zu dem sie diejenigen anstellen wird, die bereit, gewillt und fähig sind, zu arbeiten. In scharfem Kontrast dazu verlangt die Politik heutzutage, dass die Regierung für die meisten Dinge, die sie erwirbt, ›Marktpreise‹ zahlt, was bedeutet, dass der Regierung zur Bekämpfung der Inflation keine andere Wahl bleibt, als den Märkten eine Flaute, oder Arbeitslosigkeit, aufzuzwingen. In anderen Worten: Unter dem gegenwärtigen System sind Vollbeschäftigung und Preisstabilität unvereinbar, genau wie viele Ökonomen argumentieren. Mit den hier vertretenen politischen Veränderungen kann jedoch sofort zu Vollbeschäftigung und höherer Preisstabilität übergegangen werden.

Das Buch bietet eine Untersuchung der historischen Aufzeichnung, eine institutionelle Analyse und einen Einblick in die Geschichte des Wirtschaftsdenkens. Diejenigen, die sich nur durch Logik überzeugen lassen wollen, mögen dies für ›Schnickschnack‹ halten. Hingegen werden Geschichte, Autorität und empirische Ergebnisse insbesondere von akademischen Wirtschaftswissenschaftlern erwartet, sogar verlangt, bevor Revolutionen eingeleitet werden. Aus diesem Grund werden zur Ergänzung der theoretischen und politischen Analysen die Argumente von Adam Smith und Anderen, sowie die Beispiele des kolonialen Afrika, der Southern Confederacy (der Konföderierten Staaten von Amerika) und andere zurückliegende Erfahrungen angeführt.

Das Buch ist wie folgt aufgebaut: Kapitel 1 gibt einen Überblick über die theoretischen Argumente und politischen Empfehlungen. Es zeigt auch, wie sich die Auffassung dieses Buches von der herkömmlichen politischen Analyse unterscheidet. Kapitel 2 und 3 präsentieren einen alternativen Blick auf Geld – was man als ›Staatstheorie des Geldes‹ bezeichnen könnte. Kapitel 4 bis 6 untersuchen anschließend, welche wichtigen politischen Bedeutungen sich aus dieser Auffassung von Geld ableiten. Kapitel 7 liefert eine Zusammenfassung durch Anwendung eines abstrakten, jedoch nicht mathematischen Modells. Bei Gebrauch dieses Buches im Studium kann Kapitel 7 möglicherweise ausgelassen werden; das in den vorhergehenden sechs Kapiteln entwickelte Verständnis sollte die Darstellung in Kapitel 7 jedoch auch einem nichtakademischen Publikum erschließen. Das Buch schließt mit Kapitel 8, das eine kurze Zusammenfassung und eine Schlussfolgerung enthält.

Eine abschließende Bemerkung noch. In diesem Vorwort habe ich die erste Person Singular benutzt, im übrigen Buch jedoch den Plural. Das liegt an der großen Unterstützung seitens einer Gruppe von Personen, die mit mir zusammen an der Entwicklung der Hauptargumente gearbeitet haben, sodass ich den Verdienst an dem, was nun folgt, mit Warren Mosler, John Henry, Jan Kregel, den verstorbenen Hyman Minsky, Mat Forstater, Stephanie Bell und Pavlina Tcherneva teilen muss. Ich habe zudem von Diskussionen mit Jay Levy, Dimitri Papadimitriou, Wynne Godley, Bill Mitchell, John Adams, Anne Mayhew, Karl Widerquist, Alain Parguez, Teilnehmern der PKT- und AFEEMAIL-Diskussionsgruppen,1 Robert Guttmann, Helen Ginsburg, Sumner Rosen, Mitgliedern der National Jobs for All Coalition, Tom Ferguson, Robert Heilbroner, Steve Fazzari und Paul Davidson profitiert. Barbara Slater, Lektorin bei Edward Elgar Publishing, und Judy Kahn, Redakteurin am Levy Institute, halfen beim Verlag, und Irene Culver, Marc-Andre Pigeon und Sandy Nelson unterstützten mich bei der Textverarbeitung. Von mehreren anonymen Lesern, sowie von Philip Arestis, Malcolm Sawyer, Geoff Harcourt, Peter Groenewegen, Philip Harvey, E.J. Nell, Y.S. Brenner und Paul Dalziel erhielt ich hilfreiche Vorschläge zum Manuskript. Selbstverständlich ist keine der erwähnten Personen für meine Fehler verantwortlich. Abschließend möchte ich die finanzielle Unterstützung des Center for Full Employment and Price Stability würdigen.

ANMERKUNGEN

1.AFEEMAIL ist eine von der Association for Evolutionary Economics geführte institutionalistische Internet-Diskussionsgruppe (afeemail@crcvms.unl.edu), während PKT eine von Ric Holt organisierte post-keynsianische Internet-Diskussionsgruppe ist (pkt@csf.colorado.edu).

1EINLEITUNG

In diesem Buch untersuchen wir die Implikationen, die sich ergeben, wenn man die Rolle begreift, die das moderne Geld in jeder entwickelten kapitalistischen Wirtschaft spielt. Viele der wichtigsten Themen der gegenwärtigen wirtschaftlichen Debatte erscheinen in völlig neuem Licht, wenn man sie unter dem Gesichtspunkt dieses Verständnisses einer kritischen Analyse unterzieht. Wir werden zum Beispiel sehen, dass unsere Analyse dabei hilft, Fragestellungen in den folgenden Bereichen zu klären:

Staatsdefizite Die meisten Ökonomen und Politiker (in den Vereinigten Staaten und anderswo) sind zu der Überzeugung gelangt, dass Staatsdefizite gesenkt werden müssen. Tatsächlich setzen sich in den Vereinigten Staaten viele für eine Schuldenbremse ein, die einen Ausgleich temporärer Defizite durch Überschüsse in den darauffolgenden Jahren erfordern würde; und der Maastrichter Vertrag legte die Höchstgrenzen für Defizit- und Schuldenquoten fest. Die meisten haben gejubelt, als sich der US-amerikanische Haushalt auf ein Gleichgewicht zubewegte und debattieren darüber, ›was mit dem Überschuss geschehen soll‹.

Unsere Analyse zeigt jedoch, dass ein ausgeglichener Haushalt die theoretisch kleinste nachhaltige Möglichkeit darstellt; die praktische Untergrenze ist ein kontinuierliches Defizit, und jeder Überschuss wird von kurzer Dauer sein, da er starke deflationäre Kräfte entfesseln wird. Ferner existiert kein ›optimales‹ oder gar ein ›maximales‹ internes Defizit oder eine Schuldenquote, die mit fiskalischer Umsicht vereinbar wären. Die Schuldenbremse würde den Vereinigten Staaten unnötige und unmögliche Haushaltsbeschränkungen auferlegen.

Wert der Währung Die meisten Ökonomen und politischen Entscheidungsträger glauben, die Geldpolitik sei für die Erhaltung des inländischen Werts der Währung verantwortlich (der internationale Wert der Währung wird heutzutage durch ›schmutziges Floaten‹ bestimmt). In der Tat werden zwei Rechtsvorschriften (das US-amerikanische Beschäftigungsgesetz von 1946 und das ›Humphrey-Hawkins‹-Gesetz von 1978) dahingehend interpretiert, dass sie die US-Notenbank anweisen, den inländischen Wert der Währung zu erhalten. Der vorherrschende Konsens ist gegenwärtig, dass die US-Notenbank dies tun kann, indem sie auf die Inflationsrate eines Index abzielt, zum Beispiel auf den Verbraucherpreisindex (VPI).

Unsere Analyse wird jedoch zeigen, dass die Zuständigkeit für den Wert der Währung beim Fiskus liegt. ›Umsichtige‹ Fiskalpolitik besteht also nicht aus einem ›Ausbalancieren des Haushalts‹, sondern eher darin, den Wert der Währung zu erhalten, bei gleichzeitigem Abzug von Mitteln aus dem privaten Sektor zur Nutzung im öffentlichen Sektor. Das geschieht, indem dafür gesorgt wird, dass die Währung ausreichend schwer zu beschaffen ist, damit die Öffentlichkeit der Regierung zu mehr oder minder stabilen Preisen Waren und Dienstleistungen liefert, die sie benötigt, um ihre Staatstätigkeit auszuüben. Wir werden vorschlagen, dass die Regierung den inländischen Wert der Währung im Verhältnis zu dem Nominallohn stabilisiert, den sie in einem Pufferlager-Programm oder Programm des Arbeitgebers der letzen Instanz zahlt.

Geldpolitik Wie weiter oben besprochen, nehmen die meisten Ökonomen und Politiker irrtümlicherweise an, oder gehen davon aus, dass die US-Notenbank (Fed) die Inflationsrate durch Beeinflussung der Geldmenge bestimmt. Doch trotz expliziter Geldmengenvorgaben konnte die Fed während der letzten eineinhalb Jahrzehnte die Geldmenge nicht wie gewünscht steuern. Viele andere Länder haben ebenfalls mit Geldmengenvorgaben experimentiert, mit ähnlichen Ergebnissen wie in den Vereinigten Staaten. Dennoch glauben die meisten Ökonomen, dass die Fed zumindest die Menge der Reserven steuern kann.

Wir werden sehen, dass die konventionelle Sichtweise den Prozess der Bereitstellung von Reserven missversteht. Keine Zentralbank ist in der Lage, die Menge an Reserven zu steuern, die auf Nachfrage bereitgestellt werden müssen. Das moderne Zentralbankeninstrument ist stets und überall ein Tagesgeldsatz, zu dem Reserven bereitgestellt werden. Die Aktivitäten der Zentralbanken sind größtenteils defensiv, bedingt durch den Fiskus.

Verkauf von Staatsanleihen Der Verkauf von Staatsanleihen durch den Fiskus wird generell als ›Finanzierungsoperation‹ gesehen, die immer dann nötig wird, wenn die Regierung ein Defizit verbucht. Dieser Ansicht nach muss die Regierung Geld zu einem von den Märkten vorgeschriebenen Zinssatz leihen, und es herrscht große Furcht davor, dass ein kontinuierliches Defizit die Regierung in eine Situation bringen könnte, in der sie zur Finanzierung des Defizits Schulden anbieten würde, es jedoch keine Käufer gäbe – und dass dies eine Finanzkrise auslöst. Man nimmt an, dass das Problem noch verstärkt wird, wenn eine Regierung ›gezwungen‹ ist, sich auf ausländische ›Kreditgeber‹ zu verlassen, um das Staatsdefizit zu finanzieren.

Wir werden zeigen, dass diese Furcht unbegründet ist. Stattdessen kann man Anleihenverkäufe als nichts anderes betrachten als einen Kanal zur Abrechnung von Reserven, der nötig ist, damit die Zentralbank ihren Zielzinssatz erreichen kann. Das bedeutet, (1) dass Anleihenverkäufe als Teil der Geldpolitik getätigt werden, nicht, um Defizite zu finanzieren, (2) dass der Zinssatz auf Staatsanleihen irgendwo über Null liegen kann, je nach Wunsch der Zentralbank, und (3) dass dieser Zinssatz nicht marktbestimmt sein kann, da er durch die Politik der Notenbank bestimmt wird.

Beschäftigungspolitik Obwohl das Beschäftigungsgesetz und das Humphrey-Hawkins-Gesetz die US-Regierung zu hoher oder sogar Vollbeschäftigung verpflichten, hat die Regierung nie eine Politik betrieben, die dieses Ergebnis gewährleisten würde. Stattdessen hat sie eine Reihe ›angebotsseitiger‹ Maßnahmen (Steueranreize, Fortbildungsprogramme) und einige ›nachfrageseitige‹ Maßnahmen eingeführt (vorwiegend solche, die auf die Steigerung der Gesamtnachfrage abzielen), in der Hoffnung, dass die Märkte auf einem ausreichenden Niveau operieren würden, um für hohe Beschäftigung zu sorgen. Da Märkte fast nie auf dem gewünschten Niveau operiert haben, war die Regierung gezwungen, diese Maßnahmen zur Schaffung eines Sicherheitsnetzes mit verschiedenen ›Sozialleistungs‹-Programmen zu ergänzen (Arbeitslosenunterstützung, Familienbeihilfe, Lebensmittelmarken, allgemeine Unterstützung).

Wir werden zeigen, dass es eine Alternative gibt, die berücksichtigt, wie wichtig Arbeit für ein positives Selbstwertgefühl ist, und die außerdem dafür sorgt, dass diejenigen, die einen Beitrag zur Gesellschaft leisten können, diesen auch leisten. Kurz gesagt, wir schlagen eine Politik der echten Vollbeschäftigung vor: Die Regierung wird als ›Arbeitgeber der letzten Instanz‹ agieren, indem sie jedem, der zu einem von der Regierung festgelegten Nominallohn arbeiten möchte, Arbeit bietet.1

Exogene Preisbildung Gegenwärtig entscheidet die US-Regierung (wie alle anderen ›Freimarktregierungen‹ der Welt), wie viele Ressourcen (einschließlich Arbeitskraft) sie erwerben möchte, und zahlt dann Marktpreise für praktisch alles, was sie kauft. Anders ausgedrückt, sie legt Mengen generell exogen fest (bestimmt außerhalb der Märkte die Menge an Flugzeugträgern, Autobahnmeilen, Stunden hausmeisterlicher Arbeiten), lässt die Preise jedoch endogen ›schwanken‹ (zahlt von Lieferanten bestimmte Preise – entweder durch direkten Zugang zum Markt, oder durch einen ›kompetitiven‹ Ausschreibungsprozess). Wenn dadurch eine Inflation entsteht (und es ist nicht schwer zu verstehen, warum), dann muss die Regierung dem privaten Sektor in dem Versuch, den ›Marktdruck‹ auf die Preise zu verringern, eine Flaute aufzwingen. Die Auswirkungen dieser Flaute sind unbeschäftigte Arbeitskräfte, brachliegende Produktionsstätten und -anlagen und wachsende Bestände an Rohmaterialien und Konsumgütern. In anderen Worten: Arbeitslosigkeit ist bekanntermaßen der erzwungene Preis für die Erhaltung eines gewissen Maßes an Preisstabilität.

Es gibt eine Alternative. Die Regierung kann stattdessen die Menge ›schwanken‹ lassen und Preise exogen festlegen. Obwohl die Regierung im Prinzip den Preis für alles und jedes, dass sie kaufen will, bestimmen kann, ist es wahrscheinlich besser und sicherlich ausreichend (aus weiter unten besprochenen Gründen), wenn die Regierung nur einen wichtigen Preis festlegt. Der Markt würde dann alle anderen Preise im Verhältnis zu diesem einen Preis bestimmen. In der Vergangenheit legten die Regierungen den Preis von Gold und anderen Edelmetallen fest. In der modernen Wirtschaft ist es weitaus wünschenswerter, den Preis von Arbeit zu stabilisieren. Das geschieht durch die Schaffung und Pflege eines ›Pufferlagers‹ an Arbeitskraft im Programm des ›Arbeitgebers der letzten Instanz‹ (employer of last resort – ELR), bei dem der Preis dieser Arbeitskraft von der Regierung bestimmt wird. Das wird für Vollbeschäftigung sorgen, ohne jenen inflationären Druck zu erzeugen, der entstehen kann, wenn die Regierung für alles Marktpreise zahlt. Genau wie man annimmt, dass ein Puffervorrat an Gold eine gewisse Preisstabilität vermittelt (während dafür gesorgt wird, dass das Gold stets ›voll beschäftigt‹ ist), würde der ELR-Arbeitskraftpuffer ebenfalls die Preisstabilität verbessern (während dafür gesorgt wird, dass diese Arbeitskräfte stets voll beschäftigt sind). Im eigentlichen Sinn wird Vollbeschäftigung zu einem ›Nebenprodukt‹ der Preisstabilität, im Gegenteil zur gegenwärtigen Lage, in der Arbeitslosigkeit zur Erhaltung von Preisstabilität nötig ist.

Diese Beispiele sollen zeigen, wie sehr die vorliegende Analyse vom herkömmlichen Wissen abweicht. Obwohl zumindest einige der zuvor erwähnten Dinge vielen Lesern zweifellos weit hergeholt vorkommen werden, ergeben sich bei gründlicher Analyse unweigerlich diese Ergebnisse. Wir wollen hier kurz die Hauptargumente vorstellen, die zu diesen Schlussfolgerungen führen.

Wir können mit der Feststellung beginnen, dass der moderne Staat seinen Bürgern eine Steuerpflicht auferlegt und aufzwingt, und, ganz wichtig, dass er das wählt, ›was zur Zahlung von Steuern nötig ist‹ (twintopt – ›that which is necessary to pay taxes‹).2 Wenn ein Staat beschließen würde, dass er zur Zahlung von Steuern nur Biberfelle annimmt, dann müsste sich die Bevölkerung organisieren, um die geforderte Menge an Biberfellen zu beschaffen; wenn die Steuerforderung ausreichend schwer zu erfüllen wäre, hätten Biberfelle einen hohen relativen Wert. Natürlich erheben alle Staaten eine monetäre Steuerpflicht und nehmen nur Geld zur Zahlung von Steuern an. Es ist kein Zufall, dass alle modernen Staaten verlangen, dass diese Zahlungen in der eigenen Währung des Staates geleistet werden.3 Diese Währung ist ihrerseits nichts anderes als die Verbindlichkeit der Regierung.

Weil die Öffentlichkeit das Geld der Regierung braucht (Verbindlichkeiten der Regierung, die die Währung darstellen), ist sie bereit, der Regierung zur Beschaffung von twintopt Dinge zu liefern. Genauso wie sich die Menschen bemühen würden, Biberfelle zu bekommen, wenn sie das verlangte twintopt wären, so verwenden Bürger in der modernen Wirtschaft ihre Kräfte darauf, Währung zu erhalten, um Steuern zu zahlen.4 Das heißt, die Regierung kann, wenn sie will, die Bedingungen vorschreiben, zu denen Währung erhältlich ist (also die für ihren Erhalt erforderliche ›Anstrengung‹). Man beachte, dass es sinnlos wäre, wenn die Regierung eine Steuer erhöbe und sich dann weigern würde, die nötige Währung bereitzustellen, da dies nur Freiheitsstrafen der Bevölkerung wegen Steuerhinterziehung bedeuten könnte!5 Zumindest muss die Regierung dafür sorgen, dass sie längerfristig eine der Steuerpflicht entsprechende Geldmenge bereitstellt. Tatsächlich könnte sie wahrscheinlich für Steuerpflichten gefahrlos mehr Währung als unbedingt nötig bereitstellen. Viele Bürger würden gerne kleine Bestände an zusätzlicher Währung in einem bestimmten Jahr anhäufen, nur für den Fall, dass in den folgenden Jahren Währung schwieriger zu beschaffen wäre, und nur für den Fall, dass etwas von der Währung auf der Strecke bliebe. Der ›Normalfall‹ wäre dann, dass die Regierung ›ein Defizit aufweist‹, also mehr Währung bereitstellt, als sie an Steuern einnimmt.6 Um es zu wiederholen, in der modernen Wirtschaft ist Währung (oder, noch spezifischer, Verbindlichkeiten der Regierung – oft high-powered money genannt –, Schatzamtgeld, Geldscheine und Bankreserven der US-Notenbank, im Falle der USA) immer Geld.

Die Regierung schafft einen Bedarf für die Währung, indem sie eine Steuerpflicht einführt; wie bei allen modernen Wirtschaften ist die US-Regierung selbst der Monopollieferant der Währung, die geliefert wird, wenn sie Waren, Dienstleistungen und Vermögenswerte von der Öffentlichkeit erwirbt.7 Die Regierung entscheidet, wie viel ›Anstrengung‹ nötig ist, wenn sie die Bedingungen zur Lieferung der Währung festlegt, zum Beispiel den Preis, den sie zu zahlen gewillt ist mal der Menge, die sie kauft (oder die gesamten Staatsausgaben).8 Man beachte auch, dass die Regierung entscheiden kann, ihre Währung abzuwerten, indem sie die zur Beschaffung von Währung notwendige Anstrengung verringert. Wenn die Regierung die steuerlichen Verbindlichkeiten konstant hält, aber ankündigt, dass sie doppelt so viele Währungseinheiten zahlen wird, um die selbe Menge an Waren, Dienstleistungen und Vermögenswerten zu erhalten, dann darf sie sich nicht wundern, wenn ihr Geld ›weniger wert‹ geworden ist. Anders betrachtet würde die Regierung feststellen, dass die ›Preise‹ auf alles, was sie gekauft hat, gestiegen sind; ein Index der Preise der Dinge, die die Regierung gekauft hat, würde hinsichtlich der Währung eine ›Inflation‹ verzeichnen. In ähnlicher Weise könnte die Regierung die zum Erwerb jeder Währungseinheit nötigen Anstrengungen konstant halten (das heißt, die Preise konstant halten), die Steuerverbindlichkeit jedoch halbieren. Dann würde sie wahrscheinlich unter sonst gleichen Bedingungen feststellen, dass ihr weniger Waren und Dienstleistungen angeboten würden.9

An diesem Punkt angelangt mag der Leser vielleicht einwenden, dass das viel zu einfach erscheint: Geld wird außer zur Zahlung von Steuern für vieles Andere verwendet; selbst Menschen ohne steuerliche Verpflichtungen fragen Geld nach; die Regierung ist nicht die einzige Geldquelle; die Regierung bestimmt nicht alleine, was getan werden muss, um an Geld zu kommen. Obwohl das gültige Einwände sind, ändern sie nichts Wesentliches. Wären Biberfelle twintopt, so würden wir erwarten, dass sie auch als Tausch- und Zahlungsmittel für Transaktionen unter den Bürgern benutzt würden. Selbst wenn die Regierung eine neue Vorschrift verkünden würde, der zufolge Biberfell-twintopt durch Bisonfelle ersetzt würde, würden wir erwarten, dass Biberfelle zumindest eine Zeit lang noch für private Transaktionen benutzt würden. Nach dem angekündigten Wechsel würde jedoch der ganze frühere Nutzen der Biberfelle auf Bisonfelle übertragen, und wir würden erwarten, dass sich private Märkte mit der Zeit von Biberfellen abwenden und zu Bisonfellen übergehen würden.

Alle modernen Staaten können sich das Recht vorbehalten, das twintopt festzulegen, und tun dies auch, und in allen gut funktionierenden Staaten ist das twintopt die benutzte Währung. Obwohl bei vielen, tatsächlich bei den meisten Transaktionen der Gebrauch von Währung seitens der Teilnehmer nicht nötig ist, findet der abschließende Kontoausgleich unter den Banken in Form der Währung der Regierung statt.10 Das heißt, wenn jemand etwas kauft und dafür einen Scheck ausstellt, ergibt das einen ›Verrechnungsabfluss‹ von einer Bank zur anderen; dieser erfolgt in den Büchern der Notenbank der Nation und in Form von ›Bankreserven‹, die nichts anderes als Staatsschulden sind. Innerhalb der Grenzen der USA findet also beinahe der gesamte Geldverkehr in der Dollar-Rechnungseinheit statt, einer Einheit, die der Staat als die Einheit zur Bezeichnung seiner eigenen Verbindlichkeiten gewählt hat, die wiederum durch die Zahlung von Steuern erforderlich werden. Der Gebrauch anderer auf Dollar lautender Verbindlichkeiten (beispielsweise Bankeinlagen) bei privaten Transaktionen leitet sich von der Auferlegung einer auf Dollar lautenden Steuerpflicht durch die US-Regierung her, die in Form von auf Dollar lautenden Staatsschulden gezahlt werden muss. Sobald auf Dollar lautende Staatsschulden (und auf Dollar lautende Bankverbindlichkeiten) bei privaten Transaktionen benutzt werden, erhält die Währung zusätzliche Verwendungsmöglichkeiten, die über ihren Gebrauch als twintopt hinausgehen. Das würde wahrscheinlich den Wunsch der Öffentlichkeit nach einer Anhäufung von Nettoansprüchen der Regierung gegenüber erhöhen, und zwar in Form von Währungsvorräten.11

Man beachte auch, dass die Regierung selbst in dieser ›erweiterten‹ Wirtschaft, in der das meiste Geld für private Transaktionen benutzt wird, und in der das meiste Geld in Form privater Verbindlichkeiten (beispielsweise Bankeinlagen) vorliegt, die Macht hat, die Währung abzuwerten (oder aufzuwerten). Nehmen wir an, die Regierung hat für Sekretariatsdienstleistungen pro Vollzeitarbeitnehmer im Jahr 10.000 Dollar (für angenommen 2000 Arbeitsstunden) gezahlt, kündigt jedoch jetzt an, dass sie 20.000 Dollar pro Jahr zahlen wird, obwohl sie die Steuerpflicht bei 1000 Dollar pro Kopf konstant hält. Nicht nur fällt es den Bürgern leichter, die steuerlichen Verbindlichkeiten zu erfüllen (sie beanspruchten zuvor ein Zehntel des Jahres, also 200 Stunden, jetzt jedoch nur noch ein Zwanzigstel, also 100 Stunden), sondern der private Sektor wird unter sonst gleichen Bedingungen auch feststellen, dass er mit einem Lohn des öffentlichen Sektors für Sekretariatsdienstleistungen konkurrieren muss, der sich verdoppelt hat. Die Feststellung, dass diese Kräfte nicht zu einer ›Inflation‹ oder einer Wertminderung der Währung geführt haben, wäre sehr verwunderlich.12 Selbst wenn die Regierung lediglich Sekretariatsdienstleistungen kaufen würde, so würden andere Preise im privaten Sektor dazu neigen, bei einer Umverteilung der Arbeit zu steigen. In anderen Worten, die Verdopplung der von der Regierung gezahlten Preise würde die relativen Preise (das heißt, die relativen Vergütungssätze) beeinflussen und dabei andere Löhne und somit Preise durch Wettbewerb und Arbitrage in die Höhe treiben (wenn man unter sonst gleichen Bedingungen die Wahl hätte, entweder Klobrillen zu von der Regierung verdoppelten Preisen zu produzieren, oder Klobrillen für den privaten Sektor zu produzieren, so wird man nur für den privaten Sektor produzieren, wenn die Preise steigen).13 Wir folgern daraus, dass Entscheidungen zu Staatsausgaben generell den Wert der Währung oder die Preise beeinflussen, selbst wenn die Währung nur einen Teil der Gesamtgeldmenge darstellt, und selbst wenn Staatsausgaben nur einen kleinen Teil der Gesamtausgaben darstellen.

Hinsichtlich des Einwands, dass Steuern nicht auf alle entfallen, die die Währung eventuell benutzen, so lässt sich streng theoretisch gesehen sagen, selbst wenn die Regierung nur von einer einzigen Person Steuern erheben würde, so würde dies zur Schaffung einer Nachfrage nach Währung ausreichen. Realistisch gesehen wäre es jedoch wahrscheinlich so, dass die US-Regierung, sollte sie Ihnen ganz alleine eine billionenschwere Steuerpflicht auferlegen, feststellen würde, dass keine Nachfrage (abgesehen von der Ihren) nach ihrer Währung besteht, dass sie keine Steuern beziehen würde, und dass Sie den Rest Ihres Lebens im Gefängnis verbringen würden. Wenn die Regierung jedoch von der Hälfte ihrer Bürger Steuern erheben würde, wären selbst die nicht steuerpflichtigen Bürger bereit, das Geld der Regierung anzunehmen, da die steuerpflichtige Hälfte der Bürger bereit wäre, für die nicht steuerpflichtige Hälfte Dinge zu tun, um Währung zu erhalten. Daher ist es keineswegs erforderlich, von allen Bürgern Steuern zu erheben, um eine weitverbreitete Nachfrage nach Währung zu schaffen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Regierung bei einer ausreichend hohen Steuerpflicht (und einer ausreichend strengen Strafe für die Nichtzahlung von Steuern) den gewünschten Anteil am Ertrag einer Nation an sich selbst weitergeben kann (obwohl wir nicht behaupten, dass das Gesamt-BIP in einem System, in dem sich die Regierung alles nimmt, genauso hoch wäre wie im gegenwärtigen System). Dies ist jedoch nicht so, weil die Regierung die Steuerzahlungen zum Erwerb der Produktion der Nation benötigt, sondern weil die Steuerpflicht nötig ist, um die Bürger dazu zu zwingen, der Regierung Dinge zu liefern, um Währung zu erhalten.14 Als Monopollieferant der Währung kann die Regierung den Preis für die Dinge festlegen, die sie erwerben möchte, da sie die einzige Quelle der von der Öffentlichkeit zur Zahlung von Steuern benötigten Währung ist.15

Das Bestreben der Regierung, die Preise für alles, was sie erwerben möchte, exogen festzulegen, hat jedoch Nachteile. Selbst wenn wir uns einen einfachen Fall ansehen, in dem die Regierung ankündigt, dass sie, einmal angenommen, 32 Dollar für eine Unze Gold und 10 Dollar für eine Unze Silber zahlen will, lässt sich leicht erkennen, dass die Regierung in das sogenannte ›Zwei-Preise-Problem‹ geraten könnte. Wenn der private Sektor feststellt, dass sich Silber zu diesen Preisen verhältnismäßig einfacher gewinnen lässt, dann würde die Produktion auf Silber verlagert, bis der private Sektor so viel Silber geliefert hat, wie die Regierung bereit ist, zu kaufen. Solange die Bürger ihre Steuerpflichten noch nicht erfüllt haben, würde die Produktion dann auf Gold umgestellt. Bei heranrückender Fälligkeit der Steuerzahlungen erhielte Gold im Verhältnis zu Silber einen hohen Wert, da die Bevölkerung verzweifelt versuchen würde, der Regierung Gold zu liefern. Selbst wenn der private Sektor perfekt zur Vermeidung solcher Probleme geplant wäre, würden die relativen Preise gestört, es sei denn, die Regierung würde das Verhältnis der Nominalpreise von Gold und Silber auf Höhe der Preisrelation des privaten Markts ansetzen; es gäbe weitere Störungen, wenn sich die Technologie ändern oder neue Ressourcen entdeckt würden. Wenn die Regierung Tausende verschiedener Waren und Dienstleistungen kauft, jede zu einem angekündigten festen Preis, dann ist es äußerst unwahrscheinlich, dass die Verhältnisse der Nominalpreise der Regierung marktbezogene Preisverhältnisse widerspiegeln würden; somit würden die von der Regierung festgelegten Nominalpreise das relative Preissystem des Marktes stören.

Das bedeutet jedoch nicht, dass eine kluge Regierung für alles, was sie erwirbt, lediglich marktbestimmte Preise akzeptieren sollte, da sie sonst eine Inflation der Marktpreise kaum anders verhindern könnte als mit einer erzwungenen Flaute. Sie würde vielleicht feststellen, dass die Preise der Dinge, die sie kauft, steigen und ein ständig wachsendes Budget und ständig steigende Steuern erfordern, um nicht zu dem Inflationsdruck beizutragen (obwohl die Steuereinkünfte wahrscheinlich nicht genau mit den Ausgaben Schritt halten müssten, da erwünschte Ersparnisse in Form von Nettoansprüchen an die Regierung wohl ebenfalls ansteigen würden).16 Ein solches System hätte keinen Preisanker, obwohl die Regierung versuchen könnte, die Wirtschaft zu deflationieren, indem sie ihre Bestellungen von Waren und Dienstleistungen im Verhältnis zur Steuerpflicht verringert (den Haushalt also zu einem Überschuss bringt) – und so einen Nutzungsstopp von Ressourcen wie zum Beispiel Arbeitskräften bewirkt. Das Zurückgreifen auf ›marktbestimmte‹ Preise beseitigt somit die direkte Einflussnahme der Regierung auf die Preise und zwingt sie dazu, einer Inflation mit einer Flaute zu begegnen.

Die Regierung könnte stattdessen versuchen, einen Preisanker durch Anwendung eines Pufferlagers zu schaffen. Beispielsweise unterhielten früher viele Regierungen einen ›Goldstandard‹, ohne zu bemerken, dass dieser als Pufferlager-Preisanker benutzt werden könnte.17 Die Regierung könnte Kauf- und Verkaufspreise für Gold bekanntgeben und sich zum Beispiel bereit erklären, Gold zu 32,02 Dollar zu kaufen und zu 32,04 Dollar zu verkaufen. Wenn die Öffentlichkeit Währung bräuchte, würde sie der Regierung Gold verkaufen und so das Angebot an Währung steigern. Wenn die Öffentlichkeit mehr Währung hätte, als sie möchte, könnte sie von der Regierung Gold kaufen. Der Goldstandard würde den Preisen eine gewisse Stabilität verleihen, solange die Regierung ihren Kaufpreis konstant hielte. Bei einer generellen Preisinflation würde der Goldpreis (der konstant gehalten würde) im Verhältnis zu anderen Preisen fallen, und Gold würde andere Güter bei Verbrauch und Produktion ersetzen (zum Beispiel würde Gold bei der Schmuckherstellung an die Stelle anderer Edelmetalle treten). Der stabile Goldpreis würde als Preisanker dienen, auch wenn der Effekt durch die geringe Ersetzbarkeit von Gold begrenzt wäre.18

Das Problem eines Goldstandards besteht also darin, dass Gold in der modernen Wirtschaft, was seinen Nutzen in Produktion und Verbrauch angeht, ein relativ unbedeutendes Gut ist. Die Stabilisierung des Goldpreises schafft keine starken Kräfte zur Stabilisierung anderer Güter. Es wäre weitaus besser, ein wichtigeres Gut als Basis für eine Pufferlager-Politik zu wählen. Beispielsweise kommen Erdölprodukte bei der Produktion der meisten anderen Güter zum Einsatz, was Erdöl zu einem starken Kandidaten für eine Pufferlager-Politik macht.19 Eine Stabilisierung des Ölpreises würde viel stärker stabilisierend auf die moderne Wirtschaft wirken als eine Rückkehr zum Goldstandard oder zu einem Goldvorratssystem. Die Regierung würde bekanntgeben, dass sie bereit wäre, Öl zum Preis von 20 Dollar pro Barrel zu kaufen und zu 20,05 Dollar pro Barrel zu verkaufen. In Inflationszeiten würde die Regierung Öl verkaufen, das im Verhältnis teurere Produktionsfaktoren ersetzen würde; dies würde auch das Währungsangebot verringern und dazu führen, dass Ressourcen aus der Produktion und Verarbeitung von Öl abgezogen würden. In Deflationszeiten würde die Regierung Öl kaufen, wodurch dessen relativer Preis ansteigen und somit zu einem größeren Angebot an Währung und einem stärkeren Einsatz von Ressourcen in den Öl produzierenden und verarbeitenden Industrien führen würde.

Es gibt jedoch ein Gut, das sich sogar noch besser als Pufferlager eignen würde, und das sind Arbeitskräfte. Ein Vorteil einer Pufferlager-Politik ist, dass das Gut, das als Pufferlager dient, stets voll ›beschäftigt‹ ist. Unter einem Goldstandard würde man nie Gold finden, das nur ›untätig‹ herumliegt; wenn die private Wirtschaft keine Verwendung für das Gold hätte, würde es zu einem festen Preis an die Regierung verkauft. Gleichermaßen würde bei einem Öl-Pufferlager-Programm das auf dem privaten Markt unbenötigte Öl zu einem festen Preis an die Regierung verkauft; niemand würde gezwungen, ›unerwünschtes‹ Öl zu besitzen, da die Regierung einen Markt garantieren würde.20 Es gibt daher zwei Gründe dafür, warum Arbeitskräfte in einem Pufferlager-Programm das am besten geeignete ›Gut‹ zur Preisstabilisierung darstellen.21 Erstens ist Arbeitskraft bei praktisch allen vorstellbaren Produktionsprozessen ein grundlegender Produktionsfaktor. Zweites schaffen ungenutzte Arbeitskräfte (also Arbeitslosigkeit) eine große Anzahl Probleme für die Menschen im Einzelnen und für die Gesellschaft im Allgemeinen.

Wir erkennen natürlich an, dass Arbeitskraft im Gegensatz zu Gold kein ›homogener‹ Produktionsfaktor ist; Öl ist weniger homogen als Gold, aber möglicherweise homogener als Arbeitskraft. Die gegenwärtig (offiziell oder inoffiziell) unbeschäftigten Menschen in den USA könnten all die Aufgaben, die in einer modernen Wirtschaft in der Produktion vorkommen, nicht sofort bewältigen; einige Menschen werden sich nie für mehr als ein paar wenige der erforderlichen Aufgaben eignen; einige Aufgaben erfordern womöglich die speziellen Fähigkeiten, die Ausbildung,