Copyright © 2013 Raphael Monar Laluna

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ISBN: 978-1483906737



Impressum:

Unio Mystika/Raphael Monar Laluna

ramolalu@gmail.com

 

 

 

 

Willkommen im Albtraum

 

 

Danke! Danke, dass ich mit dir diesen Albtraum teilen darf. Danke für das, was du bist und dass dieses den Mut hat, sich einer Veränderung zu stellen. Ja, danke dafür, dass das Leben so unendlich wunderbarer ist als das, was die dunkelsten Nächte uns weismachen wollen.

Du bist ein mutiger Mensch. Du hast dieses Büchlein genommen, trotz seines provokanten Titels und willst dich neuen Herausforderungen stellen. Du spürst, dass die Ernsthaftigkeit deines Leidens oder die Suche nach Befreiung infrage gestellt werden könnten. Du spürst, dass das Leben anklopft und versucht, dich anzuschubsen.

Doch nein, du bist nicht auf Widerstand gestoßen. Ja, du hast es gewagt! Obwohl du vielleicht deine Depressionen und die andauernde, anstrengende Suche nach Glückseligkeit verlieren könntest. Es gibt wirklich nicht viele Menschen wie dich. Es gibt viele Menschen, die resignieren. Sie haben sich der unveränderlichen Illusion hingegeben. Doch du willst einen neuen Weg gehen. Auch wenn es einfach passiert ist und du letztendlich keine Wahl hattest.

 

Es ist einfach Zeit, sich dem Leben zu stellen.

 

Es ist an der Zeit, die Nachtfahrt der Seele zu beenden und vorsichtig, unschuldig, zaghaft sich dem Licht zuzuwenden. Das Licht, das immer auf dich schien, liebevoll, geduldig und voll vibrierenden Lebens. Das Licht, das du selbst bist; doch hast du dir den Spaß gemacht, es zu vergessen. Der Spaß wurde blutiger Ernst und das ewige Leiden begann.

 

Es ist die Zeit gekommen. Das Licht will sich wieder erinnern. Anscheinend reicht es dem Leben. Anscheinend hast du ein neues Ticket gelöst. Lass mich dich ein Stück begleiten. Lass mich dich in Freundschaft festhalten, denn die Welt um uns herum wankt und ist unsicher geworden.

 

Verzeih mir, dass ich dein Leiden nicht so ernst nehmen werde, wie du es gewohnt bist. Ich weiß, dass du ganz tief in dir dich dafür liebst, so zu sein, wie du bist.

 

Und du? Du weißt es auch. Diese Ahnung klopft manchmal an und nun klopft es wieder. Die Tür wird nun aufgemacht.

 

Du stehst vor einem unendlichen Abgrund.

Doch du bist nicht alleine.

 

Gefangen im Albtraum

 

 

Wahrscheinlich hast du schon viel getan, um das Leiden zu beenden. Viele Therapien, Drogen, Selbstmordversuche oder das Abhängen vor dem Fernseher. Viele Selbsthilfebücher, Meditationen und Erfahrungen mit Satsang-Lehrern.


Aber es hat den Schmerz nicht lindern, das Loch nicht füllen können, das sagt: Du bist nichts, unzulänglich, nicht gut genug für das Leben.


Die Stimme, die sagt, du bist anders als andere und irgendwie stimmt was mit der Welt nicht – und mit den anderen Menschen sowieso und natürlich auch mit dir nicht. Sie sagt, du bist ein Sonderling und gehörst eigentlich auf einen anderen Planeten. Die Stimme, die dir zuflüstert, um Glück zu finden, musst du anders sein, muss alles anders sein.

 

Andere Menschen raten dir, eine Therapie zu machen oder Antidepressiva zu schlucken oder in eine psychosomatische Klinik zu gehen oder einfach mal ein paar krasse Drogen auszuprobieren; ist doch alles halb so schlimm, Baby! Vielleicht werden dir auch die unglaublichsten Meditationen empfohlen, oder als Geheimtipp ein Lehrer, bei dem es echt „klick“ macht.


Alles so tolle Ratschläge von Menschen, die auch diese Stimme in sich haben. Sie haben nur gelernt, sie in sich zuzuschütten, zuzudeckeln, bis sie tot ist, bis sie selber tot sind. Nun wollen sie, dass du auch tot bist, damit sie nicht mehr an ihren eigenen Schmerz erinnert werden.

 

Halt, höre nicht auf sie! Du bist gesund, du spürst noch etwas. Das, was du spürst, tut weh, ist schmerzhaft, erschreckend, die Hölle auf Erden, auch wenn dir andere eintrichtern wollen, dass das nicht gesund sei, sondern es gesund sei, sein Leben vor dem Fernseher zu leben, in seiner kleinen Wohnung vor sich hinzuvegetieren und jeden Tag zur Arbeit zu gehen und ab und zu mal einen Rausch zu haben und nichts mehr zu fühlen. Vielleicht sagen sie, dass du nichts mehr bewerten sollst. Positives Denken bzw. alles ist schon vollkommen. Lauf doch einfach mit einem Lächeln durch die Nacht …


Höre nicht auf sie! Das Leben will noch nicht sterben, daher darfst du noch etwas spüren, auch wenn du nicht gelernt hast, damit umzugehen. Du bist eigentlich ein glücklicher Mensch, weil du leiden darfst und weil du noch nicht so tot bist, dass du alles in dir abgeschnürt hast. Deine Schmerzen und dein Unglück zeigen, dass du noch die Sehnsucht in dir hast, nach Hause zu kommen.

 

Das Einzige, was dir fehlt, ist jemand, der dir sagt, dass alles mit dir in Ordnung ist. Du bist näher am Leben dran als so manch anderer. Du hast nur nicht gelernt, damit umzugehen: wo auch? Es gibt keine Schule dafür, kein Diplom, alles nur eine vage Ahnung, die sich gegenseitig zugeflüstert wird, wenn man das Glück hat, noch nicht eingeliefert worden zu sein.

 

Ich will dir in diesem Buch aufzeigen, dass gerade dein Leid dein Tor zum Paradies ist. Nur im Leiden gibt es die Sehnsucht nach Veränderung. Dann besteht die Möglichkeit, dass dich die Worte erreichen und ein Wunder geschehen kann; dass du wieder das Kind wirst, das du nie verlassen hast. Das Kind, das sich an die Einheit erinnert, an zu Hause, an das Paradies. Das Kind, das staunend einem Blatt im Wind zuschaute. Das Kind, das vor Glück aufjauchzte und sich in einen Fluss stürzte. Das Kind, das ein Märchen hörte und sich ängstlich an die Mama kuschelte. Das Kind, das die Arme ausbreitete, den Wind spürte und alles andere vergaß.

 

All das ist noch in dir und will das Leben wieder umarmen. Sich endlich wieder vertrauensvoll hingeben und wissen, dass alles gut ist und nie anders sein wird.

 

Ich danke dir für dein Vertrauen! Für das, was du bist. Für das, was so mutig ist, das zu sein, was du selber so sehr ablehnst.

 

Das 1 x 1 des Überlebens

 

 

Lass uns mal anschauen, warum du so bist, wie du bist.

Warum machst du dir selbst das Leben so schwer? Solltest nicht du für dich sorgen, dich pflegen und dich liebevoll behandeln? Bist nicht du derjenige, der dir am nächsten ist? Welche Macht hat sich da über deine Liebe gelegt? Und warum glaubst du ihr? Und warum folgst du ihr?

Es ist doch eigentlich so, dass dein Körper, jeder Körper, mit aller Macht leben will. Das ist die stärkste Kraft im Universum: Leben! Überleben! Wenn du das Leben nur deinem Körper überlassen würdest, seinen Instinkten, würde er schon einen Weg finden, sich dem Leben wieder anzunähern. Am besten sieht man das, wenn der Körper in eine lebensgefährliche Situation kommt, wo es nur noch darum geht, zu reagieren. Der Körper will überleben und er macht alles dafür, damit das geschieht. Er nimmt die größten Schmerzen in Kauf, bringt sogar andere Körper um, wenn er selber bedroht wird. Er wächst über sich hinaus, wenn es um das Überleben geht und entwickelt Superkräfte.

Doch dann kamst du und hast dich eingemischt. Die Superkräfte wurden ein warmer, lauer Wind. Du kamst und hast diese starke und unbändige Kraft des Lebens in Ketten gelegt.

Diese Kraft wurde in die dunkelste Ecke verbannt, um einer anderen Kraft Raum zu geben. Einer Kraft, die unglaublich mächtiger ist und alles andere in den Schatten stellt. Eine Kraft, die noch mehr Einfluss hat auf dein Leben, als die Sehnsucht zu überleben: der größte Gott auf Erden, das Einzige, was dein Leben bestimmt!

Etwas, was sogar dich dazu bringen könnte, dich selber umzubringen oder sogar anderen das Leben zu nehmen. Etwas, was dich so unglücklich macht, dass du nur noch einen Ausweg siehst und es trotzdem niemals opfern würdest. Danach richtest du dein Leben aus, sogar deinen Tod richtest du danach aus, das ganze Leben, die Welt, die Freunde, die Liebe, die Depression, deine Zukunft und deine Vergangenheit. Sogar der Überlebenswille des Körpers wird meilenweit in den Schatten gestellt und ausgeknockt. Das heißt, du bist dann also genau da, wo du dich jetzt gerade befindest. Es geht nicht mehr darum, dass dein Körper überlebt. Es wird dir suggeriert, dass es etwas gibt, das viel mächtiger ist und die einzig wahre Macht auf Erden sei:

 

Die Macht des Recht-haben-Wollens.

 

Wenn man kritisiert oder infrage gestellt wird, wird gekämpft bis aufs Blut, wird alles getan, um recht zu haben; denn nur, wenn du weiterhin recht hast, wirst du existieren. Recht haben ist die scheinbar größte Kraft im Universum, sogar vermeintlich heilige Menschen wenden immer noch Energie auf, um andere zu überzeugen, dass sie selbst recht haben. Denn wenn man nicht recht hat, fällt alles in sich zusammen. Jede Idee über die eigene Persönlichkeit, alles, wofür man gelebt hat, jede Vision in Bezug auf ein zukünftiges Paradies oder Glück würde einem genommen werden. Daher reißen religiöse Menschen sich und andere in den Tod, starten Selbstmordkommandos, gibt es Kriege, in denen man sich gegenseitig abschlachtet oder Unzählige von Selbstmördern, die in ihrem Leid einfach recht haben wollen. Wenn sie nicht mit ihren Überzeugungen, mit ihrer Identität, die sie jahrelang aufgebaut haben, um sich in dieser Welt zurechtzufinden, recht hätten, würde ihnen alles genommen werden, wofür sie bis dahin gelebt haben. Jede Depression, jedes Leid, jede Suche und nicht zuletzt das eigene Selbstbild würden sich einfach auflösen.


Dein Selbstbild ist deine Identität. Es gehört zu dir. Darüber kannst du dich beklagen, dich bemitleiden, darum kreist dein Leben, jeder Gedanke und jedes Gefühl. Das ist dein Mittelpunkt, dein Gerüst, an dem du dich festhältst.


Jeder Mensch hat ein Selbstbildnis und jeder Mensch verteidigt dieses. Es werden vielleicht ein paar unangenehme Gefühle oder Gedanken über dieses Selbstbildnis infrage gestellt, aber niemals das ganze Bild an sich. Dein Selbstbild flüstert: „Ich verspreche dir, wenn ich nur etwas anders wäre, als ich bin, wirst du unendlich geliebt werden!“


Tja, wer will dieses Versprechen schon infrage stellen?

 

Was würde passieren, wenn du nicht Recht hättest? Wenn dadurch dieses Selbstbild in sich total zusammenfallen würde? Dann würde ja nichts bleiben, nichts Bekanntes mehr. Und mal ehrlich, Hand aufs Herz, wer will das schon?


Lass uns den Tatsachen in die Augen schauen. Du willst nicht den Fall in das Unbekannte, du willst ein unglückliches Leben. Ein Leben voller Leid und Trostlosigkeit. Ein Leben voller Jammern, Selbstkasteiung, Suche und Hoffnung auf die Zukunft. Das gibt dir Sicherheit und das Gefühl, dass du jemand bist, der am Leben ist. Auch wenn es ein beschissenes Leben ist. Nach dem Fall würde nichts übrig bleiben als Leere und nichts mehr, worüber du dich definieren könntest. Es gäbe kein Gerüst oder Selbstbild mehr. Daher wirst du mit allen Mitteln versuchen alles, was hier in diesem Buch steht, zu analysieren, in die Waagschale zu werfen, für richtig oder falsch zu befinden und dich daran zu ergötzen, ob es in dein Selbstbild hineinpasst, um recht zu haben. Du kannst nur überleben, wenn du dich nicht infrage stellst, auch wenn das bedeutet, dass du noch für Jahre die härtesten Depressionen erleben musst und dich dann umbringst – aber du hattest zumindest Recht! Du hattest recht damit, ein Jemand zu sein, der depressiv ist.


Von daher kann man sich ausmalen, wie schwer es dir hier fallen wird, diesen Filter mal wegzulassen. Nicht, damit dieses Buch recht hat, sondern, damit du einfach mal dein Rechthaben zur Seite schiebst, um zu testen, was passieren würde, wenn du eventuell nicht recht hättest? Mit all deinen Leiden, mit deinen Vorstellungen, Gedanken und Konzepten? Was würde dann noch übrig bleiben?


Oh Gott, du versuchst dir das doch nicht vorzustellen? Was dann noch übrig bleiben würde? Versuch ja nicht, dir das vorzustellen. Wenn dir dein ganzes Recht-haben-Wollen und damit auch dein ganzes Wissen genommen werden würde, wärst du etwas, was über jede Vorstellung hinausgeht. Etwas so Unbegreifliches, dass alleine der Versuch der Vorstellung davon, dich sofort in die Irre führt. Das, was du glaubst zu sein, würde in die Unendlichkeit fallen. Es gäbe nichts, was dann noch bekannt wäre, nichts, woran du dich festhalten könntest. Nackte Angst bliebe übrig, wenn du dir das vorstellen müsstest. Daher bleibst du lieber in dem, was dir bekannt vorkommt; was du fassen kannst. Etwas, was dir Sicherheit gibt. Auch wenn es dich umbringen wird. Lieber dieser Tod als der Fall in das Nichts. Doch ich bitte dich, gehe einen kleinen Schritt in das Unbekannte. Riskiere etwas! Lass das Rechthaben beiseite und damit auch dein Wissen.

 

Selbstmord begehen kannst du ja immer noch; oder den Rest deines Lebens leiden, nur um dir zu beweisen, dass du Recht hattest.

 

 

Die Geschichte über die Wolke Schwerelos

 

Es war einmal eine kleine Wolke. Die schwebte vergnügt mal hier- und mal dorthin. Sie hatte viele Freunde und es ging ihr einfach so richtig gut. Eines Tages nahm sie einen Berg in ihrer Nähe wahr, sie war neugierig, was auf der anderen Seite wohl sein mochte. Viele andere Wolken schwebten leicht über den Berg hinweg.

Da muss es toll sein, da muss es viel schöner sein als hier. Sie gab alles, sie versuchte alles. Je mehr sie sich anstrengte, umso schwieriger war es, leicht zu werden und über den Berg zu fliegen. Sie wurde immer trauriger und immer schwerer. Richtige Tränensäcke hatte sie bekommen.

Andere Wolkenfreunde flüsterten ihr zu, dass sie loslassen solle: Alles Schwere und jede Träne. Dann würde sie leicht sein und über den Berg fliegen können. Doch die Wolke Schwerelos glaubte ihnen nicht. Sie schrie den Wolken zu, dass diese Tränen alles seien, was sie habe und warum sie denn niemand verstehe! Und so kämpfte sie immer weiter und strengte sich immer weiter an, leicht zu werden.

Die kleine Wolke Schwerelos wurde eine große, dunkle, bedrohliche Wolke, die an dem Berg festhing und sich nur noch beklagte. Sie hasste alle anderen Wolken, die über sie hinwegzogen. Niemand wollte mehr in ihrer Nähe sein.

Ende der Geschichte

 

oder lieber so:

 

Als ihre Trauer am tiefsten war und sie nichts mehr zu verlieren hatte, gab die Wolke auf. Sie ließ alle Rechthaberei über die Bedeutung ihrer Tränen, alles Wissen und ihre ganzen Pläne, die sie sich ausgedacht hatte, um leichter zu werden, los. Dies alles entlud sich in einem großen Gewitterregen.

Je mehr sie ihre Tränen losließ, umso leichter wurde sie. Kein Wissen hatte ihr geholfen, kein Rechthaben über die vermeintliche Richtigkeit ihrer Pläne. Nur das Loslassen von allem, was sie war und woran sie festhielt.

Sie schwebte immer höher und flog über den Berg.

 

Ende der Geschichte.

 

Vielleicht denkst du, dass du eher ein Mensch bist, der sich wenig streitet; daher ist dein Recht-haben-Wollen nicht so groß. Doch leider, leider ist das Recht-haben-Wollen auch sehr subtil. Darüber recht haben zu wollen, wer du glaubst, zu sein. Welches deine Stärken und Schwächen, deine Vorlieben und Abneigungen sind. Wie deine Persönlichkeit strukturiert ist: Du bist einfach schüchtern und gehst nicht auf andere Leute zu. Spinat findest du eklig. Du wirst nie einen Partner finden. Du bist schrecklich. Doch du hast ein Herz für Tiere und mit Pflanzen kommunizierst du prima. Groß ist das Gegenteil von klein. Du hast ein Ich. Du bist von der Welt getrennt. Du bist jemand. Du musst einmal am Tag eine Tablette nehmen, sonst geht es dir schlecht. Dein Partner liebt dich sowieso nicht.


Natürlich hast du mit alledem recht und natürlich hast du auch damit recht, dass du keine Wahl hast, anders zu sein. Du hast natürlich recht damit, ein Opfer der Umstände zu sein. Du hast recht damit, dass du dich nicht liebst, weil du nicht liebenswert bist!


Du siehst, das Rechthaben läuft auf sehr vielen Ebenen ab, sogar auf den Ebenen, auf denen sich viele Menschen sehr ähnlich zu sein scheinen; wo Menschen, die ja auch recht haben wollen, sogar mit dir übereinstimmen. Übereinstimmungen, die so tief gehen, dass es ja auf jeden Fall stimmen muss, wenn so viele Menschen das Gleiche denken wie zum Beispiel: „Ja, ich bin ein Mensch und ich bin vom Leben getrennt!“ Doch natürlich liegt das daran, dass sie alle auch das Gleiche beschützen wollen: die Suche nach Liebe! Jeder hält an seinem Weg fest. Je mehr Menschen das Gleiche beschützen wollen, umso mehr erscheint es auch als eine unumstößliche Wahrheit!


Niemand will sich mit dem Kollektiv Menschheit anlegen. Niemand will ins Abseits geraten und ausgestoßen werden. Warum sollte man diese grundlegenden Dinge denn hinterfragen? Nur, weil es einem etwas schlechter geht als anderen Menschen? Nein, nein, dann lieber daran glauben, dass jeder Mensch getrennt ist. Dass es keine Liebe auf dieser Welt gibt. Nur mit dem Traumpartner natürlich, da geht schon etwas. Doch leider finden komischerweise nur Leute in Trickfilmen ihren Prinzen oder ihre Prinzessin.

 

 

 

Sonnenschein

 

„Boah, ist das hell hier“, sagte die Sonne.

Und schwupps setzte sie eine fette Sonnenbrille auf. Die hatte ihr mal ein vorbeifliegendes schwarzes Loch überlassen. Es brauchte die Brille nicht, war ja eh schon alles dunkel genug. „Danke“, sagte die Sonne und strahlte. Nun ja, irgendwie hat sie sich die Brille aufgesetzt. Und das Licht war auch angenehmer. Es stach nicht mehr so in den Augen.

Jahre vergingen, Planeten starben und wurden neu geboren. Die coole Sonne mit der Sonnenbrille sprach sich im ganzen Universum herum. Mann, war die cool! Es tauchten immer mehr Nachahmer auf, bis das ganze Universum nur noch von Planeten und Sonnen bevölkert war, die die geilsten und coolsten Sonnenbrillen trugen.

Billionen von Jahren vergingen und alle vergaßen, dass es überhaupt Sonnenbrillen gab. Die Sonnenbrillen waren ein Teil der Planeten und Sonnen geworden. Wie Berge oder Flüsse. Doch wie es immer so geschah: eines Tages war es unserer Sonne zu dunkel. Irgendwie war das Licht immer gedämpft und die Farben stumpf. Sie erinnerte sich an das Licht von früher, das so hell und lebendig war.

Nun versuchte sie mehr zu strahlen, noch mehr Licht zu erzeugen. Doch so sehr sie sich auch anstrengte, es blieb dunkel.

 

Das Rechthaben muss geopfert werden. Die Brille muss abgenommen werden!

Das Einzige, das du nicht opfern willst, das Einzige, das dir einflüstert, dass es wert sei, behalten zu werden. Doch ohne das Rechthaben wird sich das Wunder zeigen - das Wunder des Lebens. Es umgibt dich, jetzt und hier! Das ist so unmittelbar, so nah, dass du dich dem nicht entziehen kannst. Doch da es durch das gefiltert wird, was du über das Leben, über dich zu wissen glaubst, kannst du es nicht sehen. Wahrscheinlich hast du natürlich recht damit, aber wohin hat dich das geführt?

Was würde sich offenbaren, wenn du nicht recht hättest? Dein Selbstbild nicht verteidigtest? Was würde passieren, wenn du nicht mehr die ganze Zeit damit beschäftigt wärst, alles in diesen Filter reinzupressen und passend zu machen? Wenn wirklich etwas in deinem Leben passieren soll, lass es für die Dauer des Lesens hier einfach mal beiseite. Dein Selbstbild kämpft doch eh schon ums Überleben! Lass es wackeln und wir schauen dann, was übrig bleibt. Vielleicht ist das etwas, dem deine ganze Sehnsucht gilt: deiner wahren Heimat.

 

Übrigens musst du noch nicht einmal wissen, wie das geht. Ich weiß es auch nicht. Ich weiß nur, dass es passiert, wenn du dich dazu entschließt, alles Wissen, alles Rechthaben sein zu lassen und einfach nicht darauf zu hören. Dein Selbstbild kann nicht das Rechthaben loslassen, denn es besteht ja nur aus ihm. Doch spreche ich mit dem, das auch dein Selbstbildnis sieht! Es kennt den Sprung! Und es liebt den Sprung! Du musst einfach springen. Ohne zu wissen, wo du landen wirst. Ohne zu wissen, wie das geht und wer du eigentlich wirklich bist.


Die Sonnenbrille des Rechthabens wird wieder abgenommen. Die Sonne kann wieder hell strahlen, ohne dass sie sich anstrengen muss. Sie hat schon immer hell gestrahlt und nie etwas anderes getan.

 

Also, damit wir wirklich in der Frage weiterkommen, sage jetzt laut oder auch leise:

Ich lasse alles los. Obwohl ich überhaupt nicht weiß wie das geht! Jede Vorstellung von mir und dem Leben. Jedes Recht-haben-Wollen über mich und das Leben. Ich lasse alles los!

 

Bitte lese nur weiter, wenn du auch diese Sätze gesagt hast. Und dann fühle einfach, auch wenn sich nichts verändert hat. Das Wunder hat sich schon offenbart, unmerklich. 

 

Hast du es gesagt?

 

Du lässt also das Rechthaben sterben!


Super, dann hast du nichts mehr zu verlieren. Du bist bereit, sogar noch Schlimmeres in Kauf zu nehmen als die Hölle, die du schon erlebst. Vielleicht sogar das Allerschlimmste: „Du bist nicht mehr derjenige, der du zu sein glaubtest.“ Das ist die richtige Einstellung, da kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Nun kann gestorben werden! Natürlich meine ich nicht deinen körperlichen Tod, sondern den Tod deiner Überzeugungen und Glaubenssätze. Den Tod dessen, der glaubt, lebendig zu sein; der Tod deines Ichs, das dir bis jetzt nicht so viel Gutes getan hat und dich sogar so weit gebracht hat, dass du es hasst und am liebsten für immer vernichten würdest.


Dem Rechthaben gehen immer deine Vorstellungen, wie eine Situation zu sein hat, voraus. Vorstellungen, wie dein Leben auszusehen hat, wie Glück aussieht oder die Liebe. Vorstellungen davon, was du magst oder auch nicht; wie dein Traumpartner sein sollte oder eine Welt voller Frieden. Oder auch nur kleine Vorstellungen davon, wie zum Beispiel ein aufgeräumtes Zimmer aussehen sollte oder eine ordentliche Frisur. Es gibt mehr Vorstellungen deinerseits zum Leben, als du dir vorstellen kannst. Alles wurde eingepackt, wirklich alles. Diese Vorstellungen werden durch das Rechthaben verteidigt. Sie haben erst durch das Rechthaben eine Existenzberechtigung. Nur so können sie sein. Du hast Vorstellungen davon, wie dein Leben auszusehen hat und wie es gelebt werden sollte.


Was würde passieren, wenn dir das Leben nicht beweisen müsste, dass deine Vorstellungen richtig sind, sondern dir das Leben zeigt, dass keine einzige Vorstellung über das Leben richtig ist? Dass jede Vorstellung dich unmittelbar vom Leben trennt, das sich direkt neben deinem Ohr entfaltet und dich die ganze Zeit anschreit, du aber nichts hörst, weil du einfach andere Vorstellungen hast?


Was würde passieren, wenn das Leben wieder das sein dürfte, was es schon immer war und ist? Etwas Unvorstellbares, Ungreifbares und Unglaubliches, das jeden Moment hier anwesend ist.


Danke übrigens, dass du dein Recht-haben-Wollen vor die Tür stellst. Damit stellst du auch automatisch jede Vorstellung dazu, die du über dich und das Leben hast. Dein Selbstbild klopft verzweifelt an die Tür. Lass es noch ein bisschen draußen schmoren. Mach es dir in deinem Sessel bequem und schau einfach, was passiert.


Sobald Gedanken auftauchen wie: „Aber so ist das nicht“ oder „Das ist doch ganz anders“, dann erkenne das Recht-haben-Wollen und jede fertige Vorstellung davon und lass es wieder sterben. Es muss sehr oft gestorben werden, bevor es an Macht verliert. Denn ganz wichtig: Du musst hier überhaupt nichts verstehen! Denn wenn du versuchst, etwas zu verstehen, versuchst du nur wieder, das Wunder des Lebens einzuordnen, um dann wieder recht zu haben. Dann bist du wieder mit Rechthaben beschäftigt, um dein Selbstbildnis zu füttern. Daher entspanne dich. Öffne dich einfach dem Raum des Unbekannten.  


Als Kind musstest du auch nichts verstehen, um dich lebendig zu fühlen. Du musstest nicht verstehen, wie du das Verstehen loslassen kannst. Du musstest nicht verstehen, wie Thermik entsteht, um einem Vogel beim Fliegen zuschauen zu können. Nichts davon war notwendig, um im Fluss des Lebens zu sein. Was hat dich von diesem Wunder getrennt?


Da muss es doch jemanden gegeben haben, der dich auf den nüchternen Boden geholt hat. Jemanden, der dich aus dem wilden Zaubergarten entführt hatte, der voller Blumenduft und Regenbogen war, um dich in graue, strukturierte Ordnung zu holen.

 

Lass uns zusammen schauen, wer dieser Jemand war und warum ihm geglaubt wurde.

 

 

 

Der Anfang vom Ärger

 

 

Wie du ja gesehen hast, ist die zweitgrößte Kraft, um im Leben zu überleben, den Körper zu beschützen. Das fing damit an, dass du als kleines Kind hingefallen bist und es tat weh. Es tat sehr, sehr weh. Doch bist du wieder aufgestanden und weitergelaufen, bis du dann wieder hingefallen bist und es wieder verflucht weh tat. Das Leben bestand aus Freud und Leid und immer wieder Schmerzen. Ein winziger Impuls tauchte auf: Schmerzen bedrohen das Überleben! Wenn nichts verletzt wird, kann auch nichts sterben! 


Aber was passierte mit den Gefühlen? Da es als Kind noch keine gedankliche Trennung zwischen Körper und Gefühlen gab, waren die Gefühle einfach mit im Boot. Na klar, wenn es auf körperlicher Ebene funktioniert, dann muss es auch auf der Gefühlsebene funktionieren. Also, wenn keine schmerzhaften oder leidvollen Gefühle mehr da sein werden und nie mehr entstehen, wirst du unendlich leben.


Nun geschah das Absurdeste, das man sich nur vorstellen kann: Auf der körperlichen Ebene und auf der seelischen Gefühlsebene wurde versucht, Schmerzen zu vermeiden. Das passierte einfach. Der Körper lebte seinen natürlichen Überlebensinstinkt aus. Das ist kein Problem und einfach der normale Lauf der Dinge. Doch leider, leider kam die erste Kraft hinzu. Wieder mal das Rechthaben. Das setzte sich auf diese Überlebensstrategie und verknüpfte damit nun die unmöglichsten Sachen.

Auf einmal konntest du dich vor Schmerzen dadurch schützen, dass du einfach nichts mehr riskiertest. Du wagtest nichts mehr, du fingst an, unter einer Glasglocke zu leben. Sicher. Absolut sicher. Schmerzen wurden immer mehr zum Feind. Da du ihnen immer seltener begegnetest, konntest du auch nicht mehr mit ihnen umgehen. Sie wurden die Monster und Ungeheuer im Leben und alles wurde versucht, um ihnen zu entgehen. Wenn du nun hinfielst, tat es immer noch weh, aber nun hattest du Angst vor dem nächsten Hinfallen und du gingst vorsichtiger. Nur noch einen Schritt vor dem anderen. Auf keinen Fall wolltest du unbekannten Boden betreten. Wer weiß, was da alles passieren konnte?

Das alles war keine bewusste Entscheidung, nein, es passierte einfach. Und hoppla, schwupps warst du erwachsen. Du warst vorsichtig geworden, dir passierte auch nicht mehr so viel, das Leben war kein Abenteuer mehr. Alles verlief in seinen gewohnten, sicheren Bahnen. Schmerzen zeigten sich kaum noch, nur wenn das Leben es unbedingt einforderte. Manchmal begegneten dir Schicksalsschläge. Etwas Schreckliches passierte, ein geliebter Mensch starb, du wurdest krank, hattest einen Unfall, hast dein ganzes Geld verloren, wurdest depressiv. Und immer nur dir passierte so was. Du glaubtest, du wärst der Einzige auf der Welt, dem alles Unglück widerfuhr. Diese Annahme hat dich dazu verleitet, das Leben zu vermeiden, um den Schmerzen nicht mehr begegnen zu müssen. Dein Leben plätscherte vor sich hin, unterbrochen von ein paar heftigen Schicksalsschlägen.

Die sollten dir aber auch nie wieder passieren und darum musstest du noch vorsichtiger werden, vielleicht sogar nie wieder einen Menschen lieben oder ihm zu nahe kommen, dann würdest du auch keine Schmerzen mehr haben. Sei vorsichtig, lieber zu vorsichtig. Doch was erkaufst du dir dadurch? Ein schmerzfreies Leben, das tot ist, obwohl du doch eigentlich damit den Tod vermeiden wolltest.

Nun bist du lebendig begraben, du vermeidest das Leben, um nicht zu sterben - doch du bist schon längst tot. Deine Angst vor dem Tod hat sich zu einer noch größeren Angst vor dem Leben gewandelt. Kein Risiko, keine spontanen Gefühle, keine wirklichen Beziehungen und du empfindest nur noch Leere und Einsamkeit, wenn überhaupt. Doch lieber das, als sich wieder den Schmerzen zu öffnen. Je mehr du als Kind anfingst, Schmerzen zu vermeiden, umso mehr trenntest du dich von der Welt. Sie wurde gefährlich, andere Menschen wurden gefährlich, Gefühle wurden gefährlich, einfach alles. Sogar der Wunsch nach Himbeereis wurde gefährlich, denn das würde ja bedeuten, dass du Wünsche hast und es eine Sehnsucht in dir gibt - und das tut weh! Schmerzen! Nein, das soll alles nicht mehr sein.

In der Hoffnung, länger leben zu können, versuchte das Leben Schmerzhaftes/Unangenehmes zu vermeiden. So entwickelte sich immer mehr die Abneigung gegen den Schmerz und somit gegen das Leiden an sich.

Nun ist es passiert: Du hast leichte Depressionen oder auch schwere. Es überkommt dich eine Traurigkeit oder eine Ahnung davon, dass du falsch im Leben bist. Auf einmal, ohne Grund, entstehen in dir Gefühle, die du nicht einordnen kannst und die du dein ganzes bisheriges Leben lang versucht hast, nicht zu leben.